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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.01.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010110014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901011001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901011001
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- LDP: Zeitungen
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
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Ämtsölatt des Äönigtichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Notizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Auzeigen «Preis die 6gespaltene Petitzeile SS Reklamen unter dem Redaction-strich (»gespalten) 75 vor den Familiennach» richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen «ud Ossrrtenannahme L5 L- (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung ^4 70.—» Annahmeschlnß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: BormUtagS 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige« sind stet» an die Expeditiss zu richten. Di« Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet vou früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Volz in Leipzig Donnerstag den 10. Januar 1901. 85. Jahrgang. Der Reichskanzler Graf von Bülow und der südafrikanische Krieg. ii. DaS Einzige, tvaS Graf Bülow zur Beurtbeilung der Sachlage gcsagt bat, sind die Mittheilungeu gewesen, welche er in der Sitzung vom 10. December gemacht hat. Danach hat er den südafrikanischen Republiken rechtzeitig über die von Deutschland event. zu bewabrende neutrale Haltung „reinen Wein eingeschenkt"; daS kann man gewiß nur billigen, freilich wird eg dem einfachen Sinne der niederdeutschen Boeren, welche noch den thörichten Glauben an die Logik der Thatsache» besitzen, schwer geworden sein, zu begreisen, daß daS Telegramm vom Januar 1896 im Frühjahr 1899 keine Bedeutung mehr gehabt habe, weil man, wie der Kanzler sich auSdrückt, nicht beabsichtigt habe, seine Politik in omues casus et evontus, in 8uecula saeculorum (!) festzulegen. Daß da» Telegramm einen politischen Hintergrund gehabt habe, hat ja der Kanzler jetzt selbst gesagt, um so begreiflicher, daß es auch Anderen so erschienen ist. Ferner tbeilke der Kanzler unter Berufung auf das niederländische Gelbbuch mit, daß man den Ausbruch dcS Krieges zu verhüten gejuckt habe. ES sind von niederländischer Seite bereits Zweifel gegen diese Beweisführung erhoben worden, aber auch abgesehen davon, kann man die Sache nicht für genügend geklärt an sehen: die deutsche Negierung soll im Juni 1899 die An rufung einer amerikanischen Vermittlung haben empfehlen lassen, Präsident Krüger bade darauf erwidern lassen, er halte den gegenwärtigen Augenblick noch nicht für geeignet, um die amerikanische Mediation anzurufen. Nun hatte aber bei der Zusammenkunft zwischen Krüger und Milner, welche in Bloemfontein vom 3l. Mai bis 4. Juni stattfand, Krüger unter Punct 7 vorgeschlagen: „Alle Vorschläge deS Präsidenten Krüger werten davon abhängig gemacht, daß die englische Negierung den Grundsatz deS Schiedsgerichtes bei Streitig keiten in allen Fällen annimmt." Also der Gedanke eines permanenten Schiedsgerichtes war im Juni bereits und zwar von Präsident Krüger ausgesprochen worden, und eS kann sich also nur darum gehandelt haben, ob der Zeupunct einer Mediation durch eine bestimmte Macht bereits gekommen war, und eS ist leicht möglich, daß man dies ver neinte, weil man zuvörderst noch auf die Zustimmung Englands zur Einsetzung eines Schiedsgerichtes hoffte und dies daS Eintreten einer dritten Macht wesentlich erleichtert haben würde. Im September erklärte die Republik: die Regierung hege den Wunsch nach schiedsgerichtlicher Ent scheidung und nehme solche freudig an, da sie fest entschlossen sei, die Bedingungen der Convention von 1884 einzuhallen. Und ebenso wurde im Ultimatum vom 10. October unter Punct 1 die Entscheidung durch Schiedsspruch gefordert. Die Mittheilunzen des Grafen Bülow sind also noch nicht hin reichend, um die südafrikanischen Republiken auch nur in das Unrecht der mangelnden politischen Einsicht und der Hals starrigkeit zu setzen. Ueber den eigentlichen KriegSgrund gaben sie in alle Wege keinen Anbaltepunct für die Be urtbeilung. Man ersieht also nur die englischen Forderungen über die rechtliche Stellung der Ausländer, Forderungen, die ganz außerhalb des Völkerrechts liegen und auch nicht durch die beanspruchte Suzeränilät Englands rechtlich begründet werden. ES würde hier zu weit führen, auf die einzelnen Phasen der Verhandlung und die einzelnen Forderungen ein zugeben, man bat nur die Empfindung, daß Concessionen über die Stellung und Rechte der Ausländer, wie sie Trans vaal angeboten bat, kein souveräner Staat dem andern machen könnte und würde. Gewiß wird man die höhere wirthsckaftlicke Entwicklung Englands und das Vordringen derselben in den südafrikanischen Republiken als Cultur- factor nicht gering anichlagen wollen und können, aber ein höheres Recht wird doch daraus nicht abgeleitet werden dürfen; konnte man. es den Boeren, die immer und immer wieder der sog. höheren Cultur hatten weichen müssen, die mit harter Arbeit neue große Gebiete der Cultur erst wieder erschlossen batten, verdenken, wenn sie nicht den goldsuchenden Ausländern abermals die Schlüssel deS HauseS hatten überliefern wollen? Und wenn sie schließlich beim Ablehnen auch weitgehender Concessionen die Anhäufung von Truppen an ihrer Grenze sahen, dann war eS auch völker rechtlich ihr gutes Recht, den Zeitpunkt, wo die Entscheidung über Krieg und Frieden fallen mußte, selbst zu bestimmen und nicht dem Feinde zu überlasten. So baden sich die weitesten Kreise de» deutschen BolkeS von Anfang an ihr Unheil über den Krieg gebildet. Und nun die Art der Führung deS Krieg« feiten« der Engländer; von allen den KriegSmitteln, welche Mohl in dem oben er wähnten Aufsatz als unerlaubt bezeichnet und welche zum Theil auch durch die auf der Haager Conferenz beschlossene Convention verboten worden sind, sind nur wenige, deren Gebrauch den Engländern nicht zum Borwurfe gemacht wird. Art. 4 der Convention sagt: „Die Kriegsgefangenen sind in der Wacht der feindlichen Regie rung, aber nicht der Individuen und der Lorp«, welch« sie gefangen haben. Sie müssen mit Menschlichkeit behandelt werden. Alle«, wa» ihnen persönlich gehört, au-genommen Waffen, Pferde und Militärpapier», bleibt ihr Eigrnthum." Gleich au» den ersten Gefechten aber kam die Kunde, daß die englischen Soldaten verwundet» Gefangene getödtrt und ihre« Eigenthum« beraubt hätten. Art. 5 sagt weiter: Di« KriegSgesaagrnrn können unterworfen werd«« d«r -in» schließung in «tu« Stadt, Festung, Lager oder irgendwelche Lokalität mit der Verpflichtung, sich nicht zu entfernen über bestimmt vor» gezeichnet« Grenzen; ab«r sie dürfen nur »iagefchlosten «erden durch llnentdehrllch« Maßnahmen d«r Sicherheit (par wemira cke «llret» inäwpmwadla). Di« lang« Einsperrung der Gefangenen in ungesund« Schiffs ihr» verführ»«- nach writ »atferutvr Inseln ««- für die Engländer bequem gewesen sein, aber eine mesuro clo k-üretö illäispsusadlo wird mau sie gewiß nicht nennen. AlS ein unerlaubtes Kriegsmittel bezeichnet Mohl die Bestechung feindlicher Feldherren; eS wird unS von Aner bietungen berichtet, die man namentlich Louis Botha ge macht bade. Mohl sagt: „Es gilt für eine schimpfliche» eines gesittigten Staates unwürdige Barbarei, ohne unmittelbare Nothwendig- leit für Kriegszwecke das friedliche Land zu verheeren, das Eigenthum der Bürger wegzunehmen, sie persönlich zu miß handeln." Die Convention von Haag bat viele hierauf bezügliche Bestimmungen, sie spricht den allgemeinen Grundsatz aus, die Kriegführenden haben nicht ein uneingeschränktes Recht in der Wahl der Mittel, dem Feinde zu schaden, Und sie ver bietet ausdrücklich, zu zerstören oder wegzunehmen feindliches Eigenthum, ausgenommen die Fälle, wo diese Zerstörung oder Wegnahme gebieterisch befohlen wird durch die Notbwendig- keiten deS Krieges (imperieuseweut comwuuäSez pur les uecessit^s cls la ßuerie). Weiter bestimmt sie: Die Ehre und die Rechte der Familie, daS Leben der Individuen und daS Privateigentum, ebenso wie die religiösen Ueberzeugungen müssen respectirt werden. DaS Privat- eigenthum darf nicht confiscirt werden. Ferner: Keine Collectivstrafe auf Geld oder Anderes kann gegen die Bevöl kerung ausgesprochen werden wegen individueller Thatcn, für die sie nicht als solidarisch verantwortlich angesehen werden kann. Die Engländer aber haben die Zerstörung von Privat- eigenthum als Strafe anqedrobt und verhängt für Ereign'sse und Thatcn, ganz obne Rücksicht darauf, ob die betr. Besitzer irgend welchen Einfluß auf diese üben konnten und geübt baden, lediglich als Abschreckungsmittel' täglich hören wir herzzerreißende Schilderungen über die Rohheit, mit der man wehrlose Frauen und Kinder aus ihrem Besitztum vertrieben, dieses zerstört und die Bewohner im hilflosesten Zustande nach weit entfernten Gegenden verschleppt hat. Die Convention verbietet, die Bevölkerung eines Terri toriums zu zwingen, der feindlichen Macht einen Eid zu leisten; selbst der Gefangene kann nicht gezwnngen werden, seine Freiheit auf Wort (parow) zu nehmen. Die Engländer haben das Verweilen von Boeren auf ihren Besitzungen, die sie nicht al- Kriegführende zu betrachten bereckligl waren, von der Leistung eines Eides abhängig gemacht und bedrohen mit barten Strafen den Bruch dieses Eide«. Die Convention sagt: Ein Territorium wird als besetzt (ooeupö) betrachtet, wenn eS tbatsächlich unter die Autorität des Feindes gestellt ist. Die Okkupation erstreckt sich nur auf die Territorien, wo diese Autorität etablirt und in der Lage ist, ausgeübt zu werden. Mobl schreibt: „Auch kann eine völlige Vernichtung der staatlichen Existenz de« Gegners nicht als eine erlaubte Folge eines an sich rechtmäßigen Krieges betrachtet werden. ES mögen ihm zu unserer künftigen Sicherheit oder zur Entschädigung Gebietslheile und Rechte obge nommen und beim Frieden rechtlich von ihm erworben werden; allein die bloße Thatsache eine- einmaligen Rechtsstreites genügt nicht zu einer bleibenden Eroberung des ganzen Staates oder zu einer Zerstückelung deS Gebiete«. Diese mag nur dann stattfinden, wenn die Erfahrung beweist, daß die Sicherheit anderer Staaten ganz unvereinbar ist mit dem Bestände deS jetzigen Feindes". Die Engländer haben aber, obwohl sie namentlich von der Transvaalrepublik nur Bruchtheile deS Territoriums tbat- säcblich occupirt haben, nicht nur die Okkupation, sondern die völlige staatliche Vernichtung beider Staaten ohne Friedens schluß ausgesprochen, und noch dazu in einem Kriege, dessen Rechtmäßigkeit nicht anerkannt wird. Die erwähnte Convention ist auch von England unter zeichnet worden, einen Vorbehalt hat eS nur gemacht wegen de« Verbotes von Stickgasen und giftigen Gasen als Kriegs mittel und wegen de« Verbot» von Kugeln, die im mensch lichen Körper explodiren. Es ist ein langes Register von Verletzungen dieser Con vention und deS Völkerrechts, die den Engländern vorge- worfen werden, und danach soll da- deutsche Volk nicht fragen? Die Wirren in China. Grausamkeiten tm chinesischen Kriege. Von einem höheren deutschen Officier geht der „Köln. Ztg" au» Tientsin von Mitte November folgende Zuschrift zu: Hier beginnen allerhand Nachrichten und Gerüchte aufzutauchen, daß man m der Heimath auf Grund von eingetroffenen Privat- briefen einzelner Soldaten zu glauben beginne, daß sich unser« Soldaten durch besondere Grausamkeiten und barbarische Krieg führung hervorthäten. Sollten wirklich solche Ausstreuungen zu Hause Glauben finden, so wäre das ein bitteres Unrecht gegen die deutschen Soldaten, die hier wirklich ein an Anstrengungen und Aufregungen überaus reiches Leben zu führen haben. Es soll gewiß nicht bestritten werden, daß unter der großen Zahl der hierher gesandten Freiwilligen sich hier und da ein räudiges Schaf befindet, daß sich zu Grausamkeiten und ungerechtfertigter Tödtung eines Chinesen hat hinreißen lassen. DaS wird in allen Kriegen und bei allen kriegführenden Völkern Vorkommen. Aber das Eine ist gewiß, daß, wo solche Ausschreitungen bei den deutschen Truppen stattgefunden haben, sie mit dem schärfsten Nachdruck verfolgt und bestraft worden sind. Wer einen fried- lichen Chinesen ohne Ursache niederschießt, kann sicher sein, daß er von unseren hiesigen Kriegsgerichten al» ein gemeiner Mörder bestraft wird. Vom Oberbefehlshaber herunter bis zum Com- pagnieches wird mit der größten Strenge auf Verhinderung solcher Ausschreitungen und auf Durchführung der altgewohnten strammen ManneSzucht gesehen, und ich kann getrost sagen, daß gerade in dieser Hinsicht unsere ostastatische Truppe vor keiner andern Truppe der übrigen Verbündeten zurückzustehen braucht. Gewiß fehlt e» auch in diesem Kriegt wie in jedem andern nichl an recht blutigen Ereignissen und an grausamer, wenn auch un vermeidlicher Härte. Aber unsere Landlleute daheim können vertrauen, daß gerade unfern Lrupprasühvera am allermeisten am Her-e« liegt, unnütz« Grausamkeiten »u mrawtden. Als unsere ersten deutschen Truppen (die beiden Seebataillone unter Generalmajor v. Höpfner) Mitte August auf der Rhede von Taku eintrafen, da fanden sie bereits auf der ganzen Strecke zwischen Tongku und Peking eine vollständige Wüste vor. Di: sämmtlichen Städte und Dörfer auf dieser Strecke waren zer stört, die Bevölkerung war vertrieben, das Getreide verkam auf den Feldern. Es war ein trostloser Anblick, und es ist be greiflich, daß die Soldaten und die Berichterstatter, welche seit dem diese Strecke durchziehen mußten, in ihren Briefen in die Heimath recht oft ein trostloses Bild von dieser Wüste entworfen haben werden. Aber gerade weil deutsche Truppen nicht bei dec Verwüstung dieser Etappenstraße betheiligt gewesen sind, so möchte ich doch um so mehr hervorhebcn, daß die internationale Entsatzarmee, welche damals mit größter Schnelligkeit nach Peking aufbrach, um das diplomatische Corps zu entsetzen, vor einer der schwierigsten Aufgaben stand. Die Truppe oerfügle über etwa 20 000 bis 25 000 Mann, während ringsumher über 100 000 chinesischer Soldaten das Land erfüllten. Es war aus geschloffen, auch nur einen Theil dieser Soldaten, die durchweg Boxer waren, im Rücken der kleinen Entsatzarmee zu belassen. Die Bewachung und Niederhaltung hätte Tausende von Soldaten erfordert. Diese aber konnten von der Entsatzarmee nicht ab gezweigt und zurückgelaffen werden, sonst wäre der Entsatz der Diplomaten in Peking zum zweiten Male und dann voraussicht lich für immer gescheitert. So war es eine militärische Noth- wendigkeit, welche die damaligen internationalen Truppenführec zwang, ein solches grausames Radikalmittel zu ergreifen, und auch alle diejenigen Missionare, die ich seit meinem Eintreffen in Tientsin gesprochen habe, haben kein Bedenken getragen, mic zu erklären, daß sie an diesem Verfahren, so grausam es an sich gewesen, im Interesse der Errettung der Fremdencolonie in Peking keinen Anstoß genommen hätten, und daß sie der Ueber- zeugung seien, daß die Chinesen nur durch Furcht und Schrecken zur Unterwerfung und Wiederherstellung von Ruhe und Ord nung gebracht werden könnten. Seitdem aber hat sich unfern Truppen «ine Aufgab« aufge drängt, die in vieler Hinsicht mit der Bekämpfung des Frank tireurs im zweiten Theile des deutsch-französischen Krieges sehr große Aehnlichkeit hat. Auch hier sind, wie damals in Frankreich, unsere Soldaten von Feinden umschwärmt, die plötz lich auftauchen, schießen und dann ebenso rasch verschwinden, um als einfache, scheinbar überaus friedliche und harmlose Land leute ohne Waffen demnächst aus irgend einem Versteck den Truppen enigegenzukommen. Diese Boxer, di« an heimtückischer Grausamkeit und Arglist kaum übertroffen werden können, sind um so gefährlicher geworden, als sie inzwischen, von ihren Or ganisationen versprengt, sich zu Räuberbanden zusammen- gethan haben, welche die ganze Provinz Tschili unsicher machen. Reguläre Soldaten, die aus den Peitang- und Schanhaikwan- Forts vertrieben sind, und geschlossene Abtheilungen, die an der chinesischen Mauer in Garnison gestanden haben und nunmehr noch dem Süden zu entkommen suchen, treiben sich ebenfalls noch im Lande umher. Wir haben die Pflicht, die Provinz Tschili zu beruhigen; jene blut- und beutegierigen Horden sind unsere Feinde, die wir angreifen müssen, wo wir sie treffen. Auf Befehl des Generalfeldmarschalls Grafen Waldersee ist im Lande verbreitet worden, daß wir die Einwohner gegen die Bedrückung der Boxer und Räuber schützen wollen, und daß, wer die Letzteren unterstütze, sich strafbar mache. In Folge dessen mehren sich die Gesuche um deutsche Besatzungen und Schutz briefe, und schon heute können wir mit Zuversicht sagen, daß bei der friedliebenden Bevölkerung mehr und mehr die Ueberzeugung sich Dahn zu brechen beginnt, daß wir Deutsche sie schützen kön nen und schützen werden. Dazu ist es allerdings nothwendig, daß jeder bewaffnete Widerstand, jede Hinterlist und jeder Der- rath mit großer Strenge geahndet werden. Leute, die sich mit Waffen zur Wehr setzen, werden summarisch behandelt; mit Ortsbehörden, die den Christenmord nachweislich begünstigt haben oder die die Boxer banden begünstigen und deren Waffen verborgen halten, wird nach Kricgsrecht verfahren; Ortschaften, deren Bewohner sich am Kampfe betheiligen, werden niedergebrannt. Das bringt jeder Krieg mit sich und das allein ermöglicht ein« rasche Wiederher stellung der Ruhe im Lande. Ich kann mit voller Sicherheit sagen, daß auch jetzt in China nicht mehr und nicht weniger geschieht, als im französischen Kriege gegen die Franktireurs im Interesse unserer Sicherheit geschehen mußte. Dabei darf nicht außer Betracht gelassen werden die gänzliche Verschiedenheit der Sprache, der Schrift, der Sitten und Gebräuche, die zwischen uns und den Chinesen besteht, und jede friedliche Verständigung beim Einzug in eine Stadt oder Ortschaft, bei der Herckeischaffung von Lebensmitteln, bei der Stellung von Führern und bei allen Verhandlungen außerordent lich erschwert. Im Kriege 1870 konnten sich selbst zahlreiche gemeine Soldaten der einheimischen Bevölkerung verständlich machen; hier ist das völlig ausgeschlossen. Man muß vor Allem nicht vergessen, daß unsere Soldaten, als sie sich zur Theilnahme an der China-Expedition freiwillig mel deten, wohl durchweg sich ein ganz anderes Bild von der Krieg führung gemacht haben werden, als es jetzt zutrifft. Viele unserer Soldaten sind mit einer, ich möchte sagen, geradkHU über hitzten Phantasie hierher gekommen; ihnen waren in der Heimath die Gefahren der weiten Seereise, die Feindseligkeit der chine sischen Bevölkerung, die Unwegsamkeit des Landes, der voraus sichtliche Mangel an Lebensbedürfnissen, so mannigfach und so grell geschildert worden, daß sie die Theilnahme an der Expe dition al» ein ganz besonderes Abenteuer betrachteten. Von diesen Voraussagungen hat sich erfreulicher Weise sehr wenig er füllt. Aber um so mehr sträubt sich bei vielen Soldaten die Phantasie, den Dingen, wie sie hier liegen, nüchtern in die Augen zu sehen, und eS ist menschlich durchaus erklärlich, daß dieses Gefühl manch« Soldaten dazu treibt, bei den Verwandten und Bekannten in der Heimath sich al» eine Art Desperado a u fz u s p i e le n, der die fürchterlichsten Gefahren zu be stehen hat, dafür aber auch seinerseits Furcht und Schrecken zu verbreiten weiß. So weit ich hier die Aufregung unter manchen Mannschaften beobachte, die durch die Fremdartigkeit der Um gebung und der Lebensbedingungen noch vermehrt wird, zweifle ich nicht, daß diese überhitzte Phantasie sich auch in vielen Hei- mathsbriefen aui China erkennen lassen wird. Ich zweifle aber auch nicht, daß die Empfänger dieser Briefe in der Heimath, dir doch wissen, daß e» sich um ihr« Landsleute, um wacker», wobl- diSctplinirt« deutsch« Soldat«« handelt, die U«b«rtret» bungen und Aufschneidereien solcher Briefe bald er kennen, und die Spreu vom Weizen streng scheiden werden. Wir haben gerade hier mannigfache Beweise gehabt, welche unglaubliche Verwirrungen diese überhitzte Phantasie ausübt. Schon auf der Ausreise nördlich von Singapore wurde in jeder Rauchwolke ein chinesischer Kreuzer erblickt. Auf der Rhede von Wusung, wo einander zwei Kriegsschiffe grüßten, glaubte eine Anzahl von Leuten einem regelrechten Seegefecht beigewohnt zu haben. Noch auf der Rhede von Taku glaubten Manche, von feindlichen Fahrzeugen umringt zu sein. Auch nachdem wir gelandet waren, zeigte sich diese unseren kampfesmuthigen und zuversichtlichen Soldaten nur zur Ehre gereichend« Erregung in den mannigfaltigsten Formen. In den Lagern wurde Nachts unglaublich viel geschossen. Jeder Posten glaubte in im Dunkeln herantretenden Personen Boxer zu erblicken und von ihnen be droht zu sein, und gab beim geringsten Verdachte Feuer. Ein eigenartiger Vorfall, der recht komisch klingt, aber wahr ist, zeigt am besten, wie leicht aus einer solchen geistigen Er regung Mißverständnisse entstehen. Zwei in nächster Nähe stehende Wachtposten meldeten, ein Schuß sei am Hellen Tage gefallen, das Geschoß sei ihnen haarscharf an den Ohren vorbeigepfiffen; es stellte sich bei der Untersuchung heraus, daß die Pneumatik eines Fahrrades, das ein Radfahrer in der Nähe der Wachtposten an die Wand gestellt hatte, geplatzt war und dabei ein schuß artiges Geräusch hervorgerufen hatte. Wer den französischen Krieg mitgemacht hat, weiß sich sehr wohl zu erinnern, wie auch in den ersten Wochen unsere Wachtposten auf den Wällen des eroberten Straßburg öfter glaubten, von Franktireurs heim tückisch beschlichen zu sein, ohne daß irgend eine Thatsache vor lag, oder wie bei der Belagerung von Paris wiederholt durch heftiges Zuschlägen eines Scheunenthores, das in der Entfernung wie Schießen klang, ausgedehnte Quartiere alarmirt worden sind. Der Commandirende des ostasiatischen Expeditionskorps, Generalleutnant von Lessel, hat schon vor Wochen keine Bedenken getragen, sobald Meldungen über solches übereiltes Schießen der Posten Vorlagen, strengen Befehl zu geben, daß alle Innen posten mit ungeladenem Gewehr stehen müssen. Dieser Befehl hat schon jetzt die Zahl der Unglücksfälle wesentlich ge mindert und jedem übereilten Schießen gründlich gesteuert. Aber wenn dieser Befehl zeigt, wie streng unsere Befehlshaber darüber wachen, daß jede unnvthige Härte bei der Kriegführung, so weit irgend möglich, verhindert wird, so darf man nicht zu Hause vergessen, daß jeder Soldat doch schließlich die erste Pflicht hat, sein und seiner Kameraden Leben gegen jeden Angriff unbedingt zu schützen. Unsere Soldaten haben auch jetzt wieder bewiesen, welch' kriegstüchtiges Material in ihnen steckt, wie sie uner schütterlichen Muth und Siegeszuversicht, strenge Manneszucht und eine unglaubliche Geduld und Ausdauer in der Ertragung der schwersten Strapazen in unübertrefflicher Weise an den Tag legen. Wir haben alle Ursache, mit unseren Soldaten zufrieden zu sein. Sie werden von keiner anderen Truppe überflügelt. Uebclthäter gie'bt es in jeder Truppe; aber in keiner werden sie so streng und rücksichtslos bestraft, wie bei uns, und jedenfalls wird dafür gesorgt, daß das deutsche Vaterland sich auf seine Söhne hier draußen unbedingt verlassen kann. Es braucht sich nicht durch romantische, übertriebene oder reclamehafte Schilde rungen den Glauben an die Mannhaftigkeit und Ritterlichkeit seiner Soldaten in China rauben oder beeinträchtigen zu lassen. * Washington, 9. Januar. (Reuter.) Die Bereinigten Staaten haben vorgeicklagen, daß über die Fragen bezüglich der Entschädigung bet der Abfassung der neuen Handelsverträge mit China eine internationale Commission berathen soll, die entweder in Washington oder in der Hauptstadt einer der anderen verbündeten Mächte ihren Sitz haben könnte. — Der Gesandte Conger leie» qraphirt, er habe Grund zu glauben, daß die Kaiserin von China sich der Annahme der von den Mächten gestellten For derungen wiedersetze. Der Krieg in Südafrika. In der Capcolonic bat e» ernste Zusammenstöße noch nicht gegeben, aber sie sind nunmehr balvigst zu erwarten, da die boerischen und eng lischen Plänkler schon Füblunz mit einander genommen baden. Bi» jetzt sind die Cbancen der Boeren keine schlechten. Die neuesten Meldungen besagen: * London, S. Januar. (Tel.) Capftädter Depeschen melden, datz mehrere voercnabthetlungen von der tn den Westen der Cavcolonie eingefallenen Streitkraft parallel mit der Eisenbahn, mnthmutzlich znr Zer störung de» «leise- tm Herflutzgebirge, marschtren. Truppen wurden nach dem bedrohten Puncte abge sandt. (Magdb. Ztg) * Capftadt. 8. Januar . (Reuter.) Wie gemeldet wird, find freiwillige Radfahrer bei PickaneerSkloos tu der Röhe von Ptquetberg mtt de» Boereu rusammcn- gcft oh en. Sine andere Abtheilung Radfahrer Ist znr Unterstützung ihrer Kameraden ansgrbrochen. * Carnarvon, 6 Januar. (Reuter.) Sine starke englische Abtheilung mtt schweren Feldhaubtste« ist eingetroffen. Die Stadt wird start befestigt. (Carnarvon liegt westlich von de Aar und nördlich von Fraser»- burg. D. Red.) * Cradock, 8. Januar. (Reuter.) Sin Tommaubo von lä« vocren hat tn der Rächt zu» 4. Januar aus cinrm von Aeomanry bewachten Kraal, 7 Meilen von Kimberley, all es Vieh weggenommen. Wie gemeldet wird, werden die Bewohner von vrybnrg, die necht für rwet Monate Lebensmittel habe«, «ach dem Süden gebracht. Die Di-cipltu i« ben colonialen Freiwilligencorps der britischen Armee ist offenbar nicht mehr viel werth, so energisch die» auch fortwährend offiriell und officio» in Abred« gestellt wird. Aui Bloemfontein kommt z. B. die Meldung, datz ein Wachtmeister de« Elitecorps der „Kitchenrr'fchen Reiter" Namen» Carpenter auf Befehl deSObercommandirendrn nach Ab- urthrilung durch ein Kriegsgericht erschossen Word«« ist, weil er seinen vorgesetzten Officier, den Leutnant Wergbny», .ermordrt" hatte. Und dabei eonfiatirte der gut» Lord Robert» in sein»»
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