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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.05.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010504015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901050401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901050401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-04
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. 225. Sonnabend den 4. Mai 1901. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile S5 Reklamen unter dem Redacnon-strich (-gespalten) 75 vor den Familiennach- richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsap entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Grt a Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ./t 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richte«. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Holz in Leipzig. 95. Jahrgang. Der Schluß -er preußischen Landtagssession. *Der erste Act der Haupt- und Staatsaction, zu der das preußische Ministerium infolge deS von der tlerikal-conser- vativen Mebrbeit des Abgeordnetenhauses mit der neuen wafserwirthschaftlichen Vorlage betriebenen BerschlrppnngS- und VerstümmelungSverfahrenS sich veranlaßt gesehen hat oder veranlaßt worden ist, der Schluß der Landtags session, ist vorüber. Der Telegraph berichtet über den Ver lauf dieses Actes das Folgende: Berlin, 3. Mai. Die gemeinschaftliche Sitzung der beiden Häuser de- preußischen Landtages wurde um 6 Uhr eröffnet. Herr v. Kröcher präsidirte. Minister-Präsi- dent Graf Bülow verlas eine allerhöchste Botschaft, die den Schluß der Session ausspricht. Gras Bülow gab sodann folgende Erklärung ab: „Da die Regierung nach dem Gange der Beraihung der Commission überzeugt ist, daß eine Verständigung über die Canalvorlage zur Zeit ausgeschlossen ist, will sie zur Fortsetzung zweckloser Beralhungen ihre Hand nicht bieten." Herr v. Kröcher brachte darauf rin dreifaches Hoch aus den Kaiser auS. Die Sitzung wurde hieraus geschlossen. Sämmtliche Minister, auch vr. v. Miquel, waren anwesend. BemerkenSwerth an diesem Vorgang ist dreierlei: die ungnädige Kürze der königlichen Botschaft, die Erklärung deS Grafen Bülow, daß die Regierung eine Ver ständigung über die Canalvorlage „zur Zeit" für aus geschlossen halte, und die Anwesenheit sämmtlicher Mi nister, auch deS Herrn I)r. v. Miquel, in der Schluß sitzung der beiden Kammern. Ans der Kürze der Botschaft muß man schließen, daß der Monarch reckt wohl fühlt, wie sehr eö der klerikal-conser- vativen Mehrheit des Hauses bei ihrem Verhalten darauf angekommcn ist, den Grundsatz zur Geltung zu bringen, daß in Preußen nur nach den» Willen dieser Mebrbeit regiert werden dürfe. AuS der Erklärung deS Grafen Bülow aber geht hervor, daß zwar der Versuch, eine Veistän- digung herbeizufübren, erneuert, aber der böswilligen und herrischen Majorität des Abgeordnetenhauses nichts nach getragen werden soll. Man hofft auf ihre Besserung und ist jedenfalls geneigt, zur Besserung ihrer Stimmung bei zutragen. Was man auS der Anwesenheit sämmtlicher Minister, scgar deS Herrn vr. v. Miquel, schließen soll, wissen wir nicht. Jedenfalls gehl daraus hervor, daß Herr v. Miquel, wenn er auch um seinen Abschied gebeten, diesen nock nicht bewilligt erhalten hat und daß er also gleich seinen College« noch Minister war, als die Landtagssession geschlossen wurde. Es ist auck im Grunde ziemlich unwesenilick, ob er geht oder bleibt und ob mit ihm nock Herr v. Hammerslein-Loxten und ein oder zwei seiner College» die Plätze räumen; ob sie oder ihre Nachfolger den Auftrag erhalten, mit den klerikal-conservativen Gegnern des Mittellandkanals sich zu verständigen, macht keinen bedentenden Unterschied. Und daß BerständigungSversuche folgen sollen, geht nicht nur aus der Erklärung de» Grafen Bülow, sondern auch aus folgendem Telegramm hervor, das der ofsiciöse Telegraph verbreitet: * BrrlM, 3. Mai. Die Abendblätter verzeichnen eine Meldung, derzufolge in PorlamrntSkreisen angenommen wird, daß einer vom Grafen Bülow alsbald herbeizusührenden Neubildung des Labinet» die Auflösung des Ab- geordnetenhaujeS erfolge. Die Neuwahlen würden so angesetzt, daß die neue Session Ende Oktober oder Anfang November beginne. Die Canalvorlage dürfte alsbald dem Hause wieder unterbreitet werden. Bon unter richteter Stelle wird diese Meldung nicht bestätigt. Zn den klerikalen und den konservativen Kreisen Preußens ist man denn auch durch den Schluß ter LandtagSsmion nicktS weniger als erschüttert. Zn der der Schlußsitzung voraufgegangenen Nachmittagssitzung deS Abgeordnetenhauses witzelte man seelenvergnügt über die „Sckonzeit des Moor- bubnrs" und die Presse der Verschleppung-- und Ver- stümmelungSpartcien war von der Einberufung der beiden Häuser des Landtags zu einer Schlußsitzung sehr erbaut. So schrieb die „Kreuzztg.": „Die Staatsregierung hat sich während der ganzen Berathung der neuen Canalvorlage den Gegnern gegenüber einer durchaus ruhigen und sachlichen Haltung befleißigt. Sie ist im weiteren Ver lause zu der Ueberzeugung gekommen, Laß auf Annahme der Bor- läge im Abgeordnetenhause nicht zu rechnen sei. Unter anderen Umständen wäre da- kein Grund zum vorzeitigen Schluffe der Session gewesen. Aber durch die Haltung der liberalen Parteien zur Canalvorlage (!) war die Gefahr heraufbeschworrn worden, daß da- Verhältniß der Stoat-regirrung zu den Eonservativen sich trotz de- besten Willen- auf beiden Seiten (I) immer gespannter gestaltete. Da war e-, vom Standpunkte der Regierung au-, ein glücklicher Gedanke, diesem Zustande rin End« zu machen. Bor Allem gebührt Seiner Majestät dem Könige Dank für den Entschluß, den aus die Beendigung der Session bezüglichen Rathschlägen Seiner Regierung Folge zu geben. Der Monarch wünschte da- Zustandekommen deS CanalwrrkeS. Di« große Mehrheit der Eonservativen bezweifelte, daß e« dir erhoffte« günstigen Folge« haben werd«. Gewiß war e- für sie schmerzlich, daß in diesem Punkte ihre Anschauungen sich mit denjenigen de» Monarchen nicht deckte. Noch schmerzlicher war e» für sie, al- e« d«n Anschein gewann, daß dieser Gegensatz ihr« Beziehungen zur Krone und zur Regierung in einer da- Land schwer schädigenden Weis« beeinflussen könne. Diele Gefahr scheint uu- durch di« hochherzige Entscheidung Seiner Majestät de- König beseitigt. Ob der Schluß de- Landtage« Veränderungen in der Zusammensetzung de- Staat-mini sterium» zur Folge haben wird, wissen wir nicht. Di« Entscheidung hierüber ruht einzig und allein bet dem Monarchen. Die sie aber auch au-fallrn mag, so haben wir jetzt di, gegründete Hoffnung, daß Seiner Majestät dem König« Männer zur Seite stehen »erden, dir für rin vertrauen»- volles Zusammenarbeiten der Regierung mit allen staatSerhaltenden Parteien (!) volle- Berständniß haben und nicht aus der Meinungs verschiedenheit über einen wenn auch noch so wichtigen Gegenstand den Grund entnehmen, eine schwere innere Krisis herbeizusühren." Man sieht: die Hoffnung, daß der Klerikal-ConservatiS- muS über die Krone und die Regierung einen endgiltigen Sieg davon getragen habe, wird klug mit loyalen Floskeln verhüllt. Zn dem Organe des Bundes der Landwirthe, der »Deutschen TageSzlg.", wird derselbe Ton angeschlagen, wobei grotesker Weise bescheinigt wird, nunmehr habe der Kaiser seinen Befähigungsnachweis erbracht: „Wir nehmen an, daß Graf Bülow den Vorschlag zu dieser Lösung gemacht habe. Wenn wir uns in dieser Annahme nicht irren, so würde doS ein gutes Zeugniß für die staats männische Klugheit und Besonnenheit des Reichskanzlers sein. Der Umstand aber, daß Se. Majestät der Kaiser sich zu diesem Auswege verstanden hat, brwetst, daß er seine Entschließung nicht mit Rücksicht auf irgend welche persönlichen Wünsche, sondern im Hinblick auf die Lage des Ganzen getroffen hat. Wir geben zu, daß es Sr. Majestät dem Kaiser schwer gefallen sein muß, in diese Lösung der Sache zu willigen. Tamil, daß er es gethan hat, hat er'seine Herrscherbesäbigung bekundet; denn in weiser und, wenn es sein muß, verzichtender Beschränkung zeigt sich auch der Meister der Staats- und Regierungskunst." DaS Bundesorgan kann sich aber nicht enthalten, die agrarcenservativen Zukunstspläne auck bei dieser Gelegenheit auszusprechen: das Mittellandkanal-Projekt wird auf den Nimmermehrstag verschoben, die „Compensationen" dagegen sind demnächst zu verwirklichen: „Gehört dem Canalgedanken die Zukunft, dann wird er sicherer in die That umgesetzt werden, und diese Umsetzung fördert man, wenn man die Idee ruhig durchreisen und auSreifen läßt (!). Die Flußregulirunge n können, La sie in loserem Zusammenhänge mit der Hauptfrage stehen, in den nächsten Jahren nochmals berochen und ausgesührt werden." Sehr zufrieden ist auch die „Germania", was durch aus begreiflich ist. Auf liberaler Seile ist die Be- urtbeilung zurückhaltend und gctheilt. Zwar in der Genugthuung darüber, daß dem Berschleppungsspicle der Herren von Zedlitz und Genoffen ein Enve be reitet worden, ist man einig. Aber beispielsweise der nationalliberale „Hannov. Courier", welcher schreibt, die Nachricht vom Landlagsschluß werde „bei Allen, denen das Ansehen der Staatsgewalt noch am Herzen lag, als eine erlösende That empfunden werden", geht dabei von der Voraussetzung aus, der Landtagsschluß könne „nur ein erster Schritt sein, dem die Auflösung des Abgeordnetenhauses und die Ausschreibung von Neuwahlen folgen muß". Es zeigt sich aber, daß die Auflösung nicht beabsichtigt ist. Viel eher darf man erwarten, daß nunmehr auch die noch nicht beförderten beamteten Gegner des Mittellandkanals in höhere Stellen aufrücken. Offene Worte eines katholischen Theologen finden wir in einem „Die Liguori-Moral" betitelten Artikel in 'der „Neuen Bayerischen LanorLzeitung". Was der Geistliche sagt, ist so klar und trifft den Nagel so auf den Kopf, daß wir uns nicht versagen können, seine Ausführungen wort getreu wiederzuzeben. Er schreibt: Unsere Bischöfe, welche gegen die Graßmann-Broschürc Hirtenbriefe erlassen haben, werden nicht ohne Besorgnitz die Meldung vernehmen, daß die neue Schrift, mit welcher die ver folgte Broschüre gegen deren Widersacher vertheidigt und noch eingehender begründet werden soll, keinen geringeren Mitarbeiter hat, als den früheren Jesuiten Grafen v. Hoensbroech. Der selbe soll bereits bei der Abfassung der nun verbotenen Broschüre Graßmann's diesem die Hand geführt haben. Was übrigens der Exjesuit Graf Hoensbroech unter seinem eigenen Namen schreibt, ist für die Bischöfe noch ungleich ärgerlicher, denn sie können außerhalb Oesterreichs ein Verbot nicht erwirken. Wenn das dickleibige Werk des Grafen „Das Papstthum in seiner socialcul- turellen Wirksamkeit" (Verlag von Breitkopf <L Härtel in Leip zig) nicht 12 -F kosten würde, möchte dasselbe eine noch viel größer« Wirkung im Volke erzeugen, als die 20^-Schrift Graßmann's. Gegen «in solches Werk reicht die Wissenschaft eines Prinzen Max u. A. nicht) entfernt aus; der Graf schreibt mit dem ganzen Rüstzeug des gelehrten Juristen, Theo logen und Historikers, wie des langjährigen, erfahrenen, in Alles eingeweihten Jesuiten. Um diesen Vogel von der Stange herunterzuholen, gehören Schriftstellertälente wie dasjenige Möhler's, Döllinger's und Hergenröther's dazu, aber — Luerunt, sic sind gewesen. Zu alledem schreibt der tiefgekränkte Mann mit einem Hasse, wie er eben einem streitbaren, rücksichts losen Jesuiten als Eigenart zugeschrieben zu werden pflegt. Den Katholiken, der noch kein« solchen Bücher gelesen hat, muß es förmlich erschüttern, wenn er das Werk des Grafen, in welchem er Inquisition, Aberglauben, Teufelsspuk Spießruthen laufen läßt, durchstudirt, und unwillkürlich kommt der Leser zu der Frage: Trägt am Ende doch die Moraltheologie, wie sie von dem französischen Jesuiten Gury und dem italienischen Redemp toristen Alfons von Liguori den jungen Klerikern ver» mittest wurde, ihren gemessenen Theil dazu bei, um in einem gut erzogenen, geistig begabten und kritisch veranlagten Priester an der ersten katholischen Familie Deutschlands den letzten Nest von Autoritätsglauben und von Allem, was damit zusammenhänqt, auch dir letzte Spur von Achtung und Gerechtigkeit gegenüber der mit göttlichem Nimbus umgebenen Institution zu untergraben? Was Martin Luther gegen den Papismus geschrieben, ist eigent lich nur ein Kinderspott gegenüber dem mit allem historisch jesuitischen Raffinement ausgestatteten Werke des Grafen Hoens- Lroech, und di« Jesuiten selbst wie deren Nachläufer haben durch ihre Art, die geistig hervorragenden Katholiken abzustoßcn und förmlich aus der „christlichen Brüdergemeinde" hlnauszuekeln, dafür gesorgt, daß der Teufel, wie «in Tentrvmsblatt den Grafen genannt hat, noch keinen ebenbürtigen Beschwörer gefuden hat und wohl in der nächsten Zeit keinen finden wird. Di« deutschen Bischöfe erlassen Hirtenbriefe gegen die Graß- mann-Broschüre, aber über die vom kirchlichen Standpunkte viel wichtigere Aufgabe, das Werk des Grafen zu widerlegen, gehen sie mit Stillschweigen hinweg. Hätten sie seiner Zeit, als von Rom aus die Moraltheologie Gury's und Liguori's in Deutschland, Oesterreich und der Schweiz eingeführt wurde, mit dem sittlichen Ernste deutscher Kraftmenschen gegen ein solches Unterfangen Verwahrung «ingelegt, so würde weder der Graß' mann noch der GrafHoensbroech zu einer Bedeutung gelangt sein, welche sie thatsächlich haben. Die Bischöfe anderer Nationen nehmen doch auch nicht Alles an, was von Rom kommt. Wir er innern nur an den Widerstand, den die südslawischen Bischöfe gegen das Verbot der slawischen Liturgie im Gottes dienste erhoben haben; ferner an den Widerspruch, welchen die irischen Bischöfe gegen den Befehl Roms, daß das irisch: Volk der englischen Herrschaft kritiklos gehorchen solle, erhoben; endlich an den entschiedenen Protest der nord amerikani schen Bischöfe gegen die päpstliche"Encyllika, welche den großen Arbeiteroerband „Ritter der Arbeit" als freimaurerische Organi sation verdammte. Rom hat diesen Gegenvorstellungen Gehör geschenkt und nachgegeben, Las Gleiche wäre auch ge schehen, wenn die deutschen Bischöfe nicht nachbedacht, son dern vorbedacht und nicht gegen ihre bessere AMnung einfach Alles hingenommen hätten, was der Cardiwalstaatssekretär An tonelli, Rampolla und die anderen italienischen Vorstände der Congregationen vorschrieben und vorschreiben. Wenn man gleichwohl ein jesuitisches Lehrbuch für unsere geist lichen Pflanzstätten hätte haben wollen, dann hätte es die an ständige Moraltheologie des k. Voit auch g«than. Aber Voit war ein deutscher Jesuit, das war vielleicht «in Mangel. Wenn aber die Archive unterer Ordinariate reden würden, dann möchten sich die Folgen der Verdrängung Voit's und seiner Ersetzung durch Gury und Liguori ziffermäßig — von Andere n abgesehen — in der schrecklichen Zunahme der klerikalen Moral- 'delicte offenbaren. Die jungen Geistlichen bestehen doch nicht aus anderem Fleisch und Blut als gewöhnliche Menschenkinder auch Was also für diese gilt, das trifft auch auf jene zu; und wo die Gelegenheit und Versuchung häufiger ist, wer mag das näher ausführen?! So lange für die betreffenden Sünden nicht das Gegengift in den Heilmitteln, welche auch Gury und Liguori nicht anzugebcn wissen, gefunden sein wird, bleibt die italienische Moraltheologie bei uns verpönt und gehört ebenso aus den Index wie die Graßmann'sche Broschüre. Das ist die An sicht der besten deutschen Theologen schon vor fünfzig und mehr Jahren gewesen, und di« Bischöfe hätten besser gethan, diese zu beachten, als nachträglich das Thor zu schließen. In erster Linie steht doch die Wahrung der Sittlichkeit. Man sieht doch auch sonst bei der Beurtheilung der Bücher darauf, was dieselben in der Hand jugendlicher, unreifer oder übelwollen der Leute wirken. Man verbietet die L«ctüre von Boccaccio's „Dekamerone", aber was ist dieser gegen den Inhalt der Gury- schen und Liguori'schen Unterweisungen?! Der Inhalt von Heine's und Zola's Werken ist immer noch nicht entfernt so por nographisch wie jene Moraltheologie. Die deutschen Bischöfe sind vor dieser schon in den siebziger Jahren durch das Verbot derselben an schweizerischen Klerikalseminarien, ferner durch eine umfangreiche Denkschrift des gelehrten Regierungspräsidenten Dr. Augustin Keller, endlich durch andere, von katholischen und protestantischen Geistlichen verfaßte Protestschriften gewarnt worden. Erst als die Graßmann-Broschüre erschien und die Centrumsprcsse durch ein wahnwitziges Geschrei die Reklame trommel für die vermaledeite Schrift schlug, als bann Prinz Max, Prälat Keller und andere Geistliche in plumper Art den gelehrten Buchhändler Großmann persönlich angriffen, als Schlag auf Schlag folgte, da erst erkannten unsere Bischöfe die große sittliche und kirchliche Gefahr. Gewiß giebt es auch bei uns Erscheinungen, welche an den von Gury und Liguori pcäsentirten Unflath erinnern, allein di« ganze große Masse des deutschen Volkes, insbesondere auch die soliden bürgerlichen und bäuerlichen Kreise, kennen 'die Unmoral nicht, welche in Italien und Spanien, ja sogar in Frankreich das Volt vollständig verseucht hat. Die dort herrschende, in der Hauptsache blos äußerliche Religiosität, die mit Aberglauben ver mischte Bigotterie, täuscht nicht über die Breit« und Tiefe des Pfuhls hinweg. Man.lese nur z. B. die Denkschrift, welche ein französischer Priester 1870 über oie Ursachen der Sterilität in der französischen Bevölkerung an bas Conzil gerichtet hat. Die romanische Prälatur ging über diese ernste und berechtigt« Schrift mit noch viel größerer Gleichgiltigkeit hinweg, wi« dereinst über die Thesen Luther's. Nun ist das Unheil wieder fertig. Denn cs wird sich doch Niemand einbilden, daß die Schrift Graß mann's trotz des Verbotes nicht bis in den hintersten Winkel dringt. Das ist aufs Tiefste zu beklagen, weil 'dadurch di« Volks sitte gründlich verdorben wird uno das ungerecht« Vorurtheil sich festsetzt, als ob die ganze katholische Geistlichkeit wirklich ihre Thätigkeit im Beichtstuhl nach den von Graßmann angegebenen Direktiven wahrnehme und mit wahrer Wollust im Schlamm wat«, wie die 500 Zöglinge der ungezogenen Muse von Heine oder Schweine. (!!) Zuzugeben ist, daß es sittlich angrfaulte Beicht väter giebt, welche mit ihren bekannten Fragen unsagbares Aer- gerniß und Unheil stiften, allein die große Mehrzahl unserer katholischen Priester hat noch saubere Herzen und Hände. Grab mann konnte die Ueoertragung der Liguori-Moral auf deutsche Verhältnisse geißeln, aber er durfte nicht das Unrecht begehen, Len ganzen katholischen Klerus so darzustellen, als ob er von dem romanischen Schmutz durchseucht sei. Doch genug davon! Selbst die „Germania", das Berliner Centrumsorgan, stellt di« Frage, wer an alledem bi« Schuld trag«. Und sie bleibt auch die Antwort nicht schuldig: die geistige und moralische Unselbstständigkeit, in welche die deutsche katholische Theologie gerathen ist. Man hat bei uns sich die größte Mühe gegeben, den deutschen Geist mit der Höllengabel auszutreiben und Alles zu romanisiren, sogar den Kirchengesang und die Moral. Die Einsicht kommt, sie kommt aber spät, leider sehr spät! Der Krieg in Südafrika. Jämmerliche Zustände unter den englischen Truppen Man schreibt uns au» London unter dem 2. Mai: Ein australischer Arzt, der als Freiwilliger in der Rundle- schen Division im Felde steht, schreibt an di« „Daily Mail" über sein« Erfahrungen einen interessanten, längeren Brief, dem wir folgende Einzelheiten entnehmen. „Unser täglicher Marsch beginnt, wenn die Sterne und der weiß« Mond noch am Himmel st.'ben; unser« kleinen, zerlumpten Infanteristen haben es sich längst abgewöhnt, den Kops hoch zu tragen, sie sind immer müde und schleppen sich langsamen Schrittes mit wirndrn Füßen über das envlose, staubige Beldt, so daß eS oft oder meistens den Anschein hat, al- wenn wir ein großes Leichenbegängwiß darstellten. Keim Gesang ertönt in den Reihen, und die Leute reden kaum miteinander. Je'der ist nichts, als ein« Maschin«, ein armes, ausgemergeltes, üicdergebrocheneo Ding, — aber — zur Rat« von 2 Meilen die Stutts« kriechen wir dahin und — hoffen, D« Wet zu fangen. Gestern mar- schirte ich mit dem Ntanchester-Regim«nt. Dutzende von den Leuten hatten überhaupt keine Schuhe oder Stiefel und hinkten barfüßig oder mit einigen Tuchlappen um die Füße über den steinigen, staubigen Boden. Und erst ihre Uniformen! Einige Leute haben Fragmente von Hosen an, di« als solche kaum noch zu erkennen sind; ein paar Tommies sah ich zu meiner Ueber- raschung gekleidet in ihre dicken Mäntel, in denen sie bei der fürchterlichen Hitze fast zusammenbrachen. Sie hatten überhaupt keine Hosen mehr, nicht einmal mehr einige Fetzen, um ihre Blöße zu bedecken, auch nicht einmal ein Stück Sackleinwand, wie es einige andere Kameraden, — ebenfalls Sansculvtts — um die Hüfte gebunden haben. Mit blutenden Füßen, hohlwangig und unrasirt marschiren dies« armen Burschen hinter De W«t her und sind gekleidet, wie die Affen der armen italienischen Orgeldreher. O, du liebes, frommes, civilisirtes, britisches Publicum, kannst Du Dir es wohl vorstellen, wie es Deinen Söhnen aus dem südafrikanischen Veldt zuweilen ergeht??? Die Hitze ist groß, und seit 6 Stunden haben die Leute keinen Tropfen Wasser gehabt. Nicht etwa, weil keins zu haben g«- Wesen wäre, — o, nein, noch vor 2 Stunden kreuzten wir einen kleinen, krystallklaren Fluß, aber — der commandirende Offi- cier mit einem guten Frühstück im Magen hielt «s nicht für noch wcnoig, haltrn und trinken zu lassen; «r hatte ja außerdem selbst eine schön« Mischung von Whisky und Wasser in seiner großen Feldflasche am Sattel. Was macht es auch aus, daß die Zungen der gemeinen Soldaten trocken und geschwollen, daß ihre Lippen geborsten sind, und daß ihre Lungen kaum noch arbeiten können. Der Marsch geht weiter, 'wenn auch ab und zu «in paar Leute umfallen. Mr sollen ja De Wet fangen, und autzevdem hat sich Tommy Atkins längst eine Hinrnrelsgeduld und ein« geradezu fabelhafte Ausdauer angewöhnt. Nach 6 Stunden wird endlich Halt gemacht und die Leute fallen nieder, wo sie stehen. Jetzt girbts auch Erfrischungen, — trockene, steinharte Biscuits und sumpfiges, lauwarmes Wasser, gerade genug, um die ausgetrock- n«ten Magen der Soldaten erst recht revolticen zu machen. Das ist das Mittagsmahl der De Wet - Jäger, — und nun, nach einer Rast von 16 Minuten geht es weiter, immer 2 Meilen (englische) in der Stund«. Es wäre interessant, zu wissen, was die Gedanken De Wet's sind, wenn er aus!der Ferne von einem sicheren Kvpje aus mit einem guten Fernglas zusieht, wie unsere Colonnr lang sam, Wie eine riesige Schildkröte, über das Veldt dahinschleichi und ihm Zeit genug läßt, seine Mannschaften und Pferde ge nügend auszuruheu, 'vamit sie wieder frisch sind, 'wenn er einen weiteren kühnen Schachzug ausfühven will. De Wer wird lächeln und er wird sich freuen, daß unsere Soldaten in so elender Perfassung sind und so jämmerlich mit dsn allernothwendigsten Dingen vom Commiffariat versehen werden. Wir wevoen ihn nlicht saugen, aber «r wird sein Bestes thun, um unseren armen, zerlumpten Infanteristen das Leben noch weiter schwer zu machen, gerade wie Großbritannien dafür sorgt, daß seine Söhne hier draußen halb verhungern." Wie Ohm Paul in Europa lebt. Ueber das tägliche Leben des Präsidenten Krüger wird einem Londoner Blatte auS Amsterdam Folgendes berichtet: Krüger steht ziemlich früh auf, nämlich um 6 Uhr, da er von seiner Zugend an ans Frübaufsteben gewöhnt ist. Nachdem er seinen ersten Morgenkaffee getrunken hat, liest er eine Stunde in der Bibel und raucht dabei seine Pfeife. Ucberhaupt nimmt er diese nur an- kemMunde, wenn er Getränke und Speisen zu sich nimmt, sie ist eine unzertrennliche Gefährtin des alten Mannes. Wenn Obm Paul die Bibel gelesen hat, werden ihm Briefe und Telegramme vorgelesen, die in beträchtlicher Anzahl bei ihm einlanfen; nachher hört er, was die verschiedenen Zei tungen über die Boeren und den Krieg in Afrika sagen. Da Krüger kein Sprachkenner ist, muß er sich wegen der Uebersetzung dieser Zeitungsausschnitte ganz auf sein Ge folge verlassen. Wenn das Wetter schön ist, unternimmt er später am Tage in einem mit dem Transvaalwappen geschmückten Wagen eine Ausfahrt; Kutscher und Groom in der grünen Livree wie in Transvaal begleiten ihn. Seine Lebensweise ist fast dieselbe wie früher, abgesehen von den kleinen Veränderungen, die durch die neuen LebenSomstände veranlaßt sind. Seit der Augenoperation kann Krüger lesen und verbringt einen großen Theil seiner Zeit mit Lesen. Er geht um acht oder neun Ubr Abend- zur Ruhe. Der Chef der Transvaalpolizei, Bredell, ist KrÜger'S Leibwache, und er ist verpflicktet, für seine persönliche Sicherheit zu sorgen. Die ständigen Berichte über KrÜger'S beabsichtigte Reise nach Amerika sind zum mindesten verfrüht. Bis jetzt ist noch keine Entscheidung darüber getroffen worden. Die Wirren in China. «nts»»»l,ui,«-pors»lt,e. Die „Times" melden auS Peking vom 1. Mai: Nach stehende- ist eine gedrängte Darstellung d«S Berichtes d«- Ausschusses, bestehend au- dem deutschen, dem englischen, dem französischen und dem japanischen Gesandten, betreffend die Entschädigungsfrage, welcher heute den übrigen Gesandten überreicht wurde: Da eS höchst unwahrscheinlich ist, daß China au- eigenen Mitteln die verlangte Entschädigung von Sb 000 000 Lstrl. aufbringen kann, so bieten sich folgende vier Möglichkeiten zur Erlegung der Entschädigungssumme: 1) Eine chinesische Anleibe obn« Garantie der Mächte. Diese Anleihe würde für Edina den Ruin bedeuten. 2) Eine Anleihe, garantirt von allen Mächten. 3) Die Ausgabe von chinesischen Bond- an jede Macht in der Höhe ihrer Entschädigungsforderung, zahlbar an bestimmten Terminen. Da die BondS verzinst werden, so könnten sie als Sicherheit für eine inländische An leibe dienen. 4) Jährliche Zahlungsleistungen, welche aber den Nach- tbeil baden würden, di» Zahlungsfrist in unangemesse ner Weis« zu verläugtrn.
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