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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.09.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-09-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010910029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901091002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901091002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-09
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Der deutsche Botschafter in Wien, Fürst zu Eulenburg, hat sich, wie aus Berliner Telegrammen unserer heutigen Morgenausgabe hervorgeht, genöthigt gesehen, in die Oeffentlichkeit zu flüchten, um dem Verdachte zu ent gehen, sich in die Oeffentlichkeit geflüchtet und zum Zwecke der eigenen Vertheidigung Andere verdächtigt zu haben. Wenn ein so hochstehender und in der Gunst des Kaisers so befestigter Mann, wie der deutsche Botschafter in Wien, eS für nötbig hält, öffentlich bekannt zu geben, daß er sich veranlaßt gesehen, sich telegraphisch beim Staats sekretär des Auswärtigen zu rechtfertigen und diesen um Miltheilung des Telegramms an den Reichskan zler zu ersuchen, so muß dieser Mann Anlaß zu der Besorgniß ge habt haben, der auf ihn gewälzte Verdacht werde üble Folgen für ihn haben, wenn er nicht durcb einen außer gewöhnlichen Schritt vorbeuge. Diese Besorgniß des Fürsten rechtfertigt ein näbereS Eingehen auf die Angelegen heit. Wie schon kurz erwähnt worden, war der Botschafter kürzlich in der „Voss. Ztg.", wie schon früher mehrfach, an gegriffen worden, weil er zu häufig und zu lange von seinem Posten abwesend sei. Darauf erschien in der Wiener „N. Fr. Presse" der folgende, aus Berlin vom 5. September datirte Artikel: „Dem aufmerksamen Beobachter der Unterströmungen, die in der Presse so gut wie in anderen politischen Organisationen wirksam sind, wird es nicht entgangen sein, wie seit einiger Zeit in gewißen Organen der Botschafter des deutschen Reiches in Wien zum Gegenstand scharfer und deutlicher Angriffe ge- macht wird. In dieser Beziehung fällt besonders ein Berliner Blatt auf, das auch diesmal den Ton angiebt und wiederholt bereits benutzt worden ist, um Campagnen ähnlichen Charakters zu eröffnen. Dem Botschafter wird vorgeworfen, daß er von feinem Posten häufiger abwesend sei, als mit den Aufgaben seines Amtes verträglich ist, und so wird auch jetzt besonders erwähnt, daß er, statt in Wien, augenblicklich in Gastei» weile. Ebenso war von derselben Presse vor zwei Monaten der Botschafter einer wenig freundlichen Kritik unterworfen worden, weil er sich, einer Ein- ladung seines Monarchen folgend, der üblichen Norvlandsreise an« zuschließen im Begriffe stand. Einige Blätter behaupteten damals, daß diese Angriffe den Zweck verfolgten, zur rechten Zeit auf den Botschafter einzuwirken und ihn von der ge wissen Elementen unbequemen Kaiserreise abzuhalten. Selbstverständlich mußten sie erfolglos bleiben. Fürst Eulenburg hat nicht nur als einfacher Gast des deutschen Kaisers, sondern als alleiniger Vertreter des Auswärtigen Amtes, also in dienstlicher Eigenschaft, die Reise, wie auch früher schon, mitgemacht. Jetzt ist derselbe durch anhaltende Kränklichkeit ge zwungen, die Bäder von Gastein zu gebrauchen, und vernünftiger weise wird man so lange, als der Botschafter Hoffnung hat, seine erschütterte Gesundheit wiederherzustellen — und jeder, der ihn kennt, wird diese Hoffnung hegen —, ihm auS einer solchen Abwesenheit keinen Borwurf machen dürfen, auch wenn sie sonst die üblichen Grenzen eines amtlichen Urlaubes überschreitet. Im Berliner Auswärtigen Amte ist man gegen alte, verdiente Beamte auf diesem Gebiete immer generös gewesen und sucht, wenn es durch ausgiebige Beurlaubungen erreicht werden kann, mögen sie auch sonst vom dienstlichen Standpunkte nicht immer erwünscht sein, deren Dienste dem Staate zu erhalten. So genießt, um nur ein Beispiel zu erwähnen, ein anderer aus wärtiger Vertreter des deutschen Reiches seit langer Zeit eines Ur- laubes, der sich auf den größten Theil des Jahres zu erstrecken pflegt. Derselbe ist seit Jahre nein schwer kranker Man n, den kein er seiner Landsleute zu Gesicht bekommt und der so schwächlich ist, daß ihm die Souveräne, denen er sich ausnahmsweise nähern muß, gestatten müssen, sich in ihrer Gegenwart alsbald niederznlassen. Aber in der Erwartung, daß noch eine Besserung seines Befindens eintreten kann, werden dem Herrn, der sich früher durch bedeutende diplomatische Leistungen hervorgethan hat, die größten Erleichte rungen seitens seiner vorgesetzten Behörde gemährt. Wir haben nie bemerkt, Laß deswegen die Berliner Organe sich besonders aufgeregt hätten, obwohl das Land, in dem dieser Beamte wirkt, eines der wichtigsten für unsere auswärtigen Beziehungen ist. Um so mehr müssen die trotz ihrer Erfolglosigkeit immer wiederkehrenden An griffe überraschen, die gegen den Wiener Botschafter gerichtet werden, bezüglich dessen Arbeitsfähigkeit kein Zweifel besteht. Sie überraschen freilich nicht die, welche hinter die Co ul ifse u zu sehen in der Lage sind. In den Cirkeln dieser Sachverständigen wird schon lange davon gesprochen, daß diese Machenschaften in letzter Linie von einer hiesigen, in einflußreicher Stellung lebenden Persönlichkeit aus gehen, die Proben ihrer Leistungsfähigkeit auf diesem Gebiete schon längst abgelegt hat. Die Sorge, mit der sie sich in das äußerste Dunkel hüllt, ermöglicht es ihr, daß sie dem größeren Publicum gewöhnlich verborgen bleibt, und wir sind überzeugt, Laß vielleicht nicht einmal das Berliner Blatt, das heute in dieser Sache führt, den eigentlichen Ur- sprung der Angriffe kennt. Nur bei außergewöhnlichen Gelegenheiten, wo die rauhe Hand des Gerichtes sich vor Indis kretionen nicht scheut, wird die Thätigkeit Liefer Persönlichkeit, die mit großer Kunst Vordermänner in die kritische Linie zu schieben weiß und sich selbst sorgsam fern vom Schuß hält, auch für ein größeres Publicum bekannt. Vielleicht kommt abec doch einmal der Tag, wo olle diese Vorgänge einer intensiveren Durchleuchtung ausgesetzt werden, als die Umstände es bisher gefügt haben." » Der erste Theil dieses Artikels konnte nun wohl die Ver- muthung erregen, er sei vom Fürsten zu Eulenburg wenigstens inspirirt; der zweite Theil aber, der eine andere einflußreiche Persönlichkeit des JntrigirenS beschuldigt, mußte den Ver dacht, der Botschafter sei der Beschuldiger, ausschließen. Trotzdem wurde der Fürst von dem „Klein. Journ." als Veranlasser der Beschuldigung in einem Artikel bezeichnet, der unter der Ueberschrift „Wieder eine Flucht in die Oesfent- lichkeit" das Folgende ausführte: „Nachdem wir einige Jahre vor den Leckerts und Lützows Ruhe gehabt haben, sieht sich jetzt kein Geringerer als Fürst Philipp Eulenburg veranlaßt, dem Beispiele des Herrn v. Marschall zu folgen und die Flucht in die Oeffentlichkeit anzulreten . . . Seitdem die „Voss. Ztg." am Sonnabend, den 31. August, einen Leitartikel gebracht hat, welcher sich „Ter Botschafter aus Reisen" betitelt, ist die Meute wieder in voller Arbeit. Nun aber ist offenbar dem Fürsten die Geduld geriffen, und die „Neue Freie Pr." veröffentlicht in einer der letzten Nummern einen von com- petentester Seite, also vermuthlich vom Für st en Eulen- bürg selber, inspirirten Artikel, der sich energisch gegen die Intriganten wendet. Wenn der Fürst in diesem Artikel der „N. Fr. Pr." sich nicht scheut, mit Fingern auf den Mann zu weisen, auf welchen diese unglaublichen Intrigen zurückzuführen sind, so haben wir noch weit weniger Veranlassung, die Persönlich keit, um die es sich handelt, zu schonen. Es fist immer derselbe Herr, der bereits die Hand beim Sturze BiSmarck's im Spiele hatte — „der Kerl mit den Hyänenaugcn", wie ihn der Alt-Reichskanzler nannte —, es ist derselbe, der beim Falle Caprivi's mitgewirkt hat, es ist endlich derjenige,der bei offenen Angriffen der Presse das bequeme Mittel des Duells wählt, um sich etwaiger Widersacher zu entledigen. Dec Herr und seine zahlreichen Freunde bilden seit Jahren eine Neben regierungin der Regierung. Mittels einer geheimen Chifsre verkehrt er über den Kops der Botschafter hinweg mit ihren Unterorganen, über den Kops hiesiger Vorgesetzten mit Subaltern-Beamten. Er ist Herr und Meister der Preßabtheilung und lancirt in die Blätter, was ihm beliebt. Der Sturz von Excellenz von Werder war sein Werk, und wenn von „Engländerei" in unserer Politik die Rede ist, so ist auch diese Strömung auf ihn zurückzuführen. Die deutsch-russisch französische Entente, welche sich zweifellos vorbereitet, ist ihm sichtlich unangenehm, und daher ist er eifriger wie sonst an der Arbeit, sein zersetzendes Handwerk zu betreiben. Aus Gründen, welche wir für heute verschweigen wollen, ist man ihm bisher noch nicht offen entgegengetrcten. Zwar hat Herr v. Richthosen die Stelle als Staatssekretär erhalten, die jener wohl gern für sich selbst in Anspruch genommen hätte; aber trotz- und alledem versteht er es nach wie vor, über den Kopf seiner Vorgesetzten hinweg eine eigene Politik zu treiben. So ist es denn gekommen, daß ein Mann wie Fürst Philipp Eulenburg sich vor den Jntriguen, die im Auswärtigen Amte ge sponnen werden, nicht anders retten kann als durch ein Com- mun quö in der „N. Fr. Pr.", welches bezwecken soll, seine einfluß reiche Stellung als deutscher Botschafter in Wien vor der Oeffentlichkeit zu wahren. Das sind wahrlich Verhältnisse, welche ein schnelles Ende nehmen müssen, wenn nicht unser politischer Einfluß im Auslande und das Ansehen der Krone in Deutschland scvweren Schaden erleiden soll. Herr Graf v. Bülow aber möge bedenken, daß jener Kasten mit Seife, den der Kaiser ihm zum Einzug in das Reichskanzlerpalais schenkte, eine allegorische Be deutung hat. Und er möge diese Seife und einen Schrubber Lazu benutzen, um endlich die Elemente zu beseitigen, welche seit Jahren im Auswärtigen Amte minirend wirken, die Lauterkeit Les Beamenstandcs untergraben uiP> jenseits unserer Grenzpsähle das Vertrauen zu der Cousequenz unserer Negierung erschüttern müssen." Den letzteren Artikel scheint der Botschafter noch nicht gekannt zu haben, als er am 7. d. M. aus Gastein sein Telegramm an den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes richtete und um Erforschung des Berliner Artikels der „N. Fr. Pr.", wie um Mittheilung seines eigenen Telegramms an den Reichskanzler bat, denn sonst würde er wohl auch eine Erforschung des Artikels des „Kleinen Jorn.", dem Beziehungen zu Hofkreisen znzeschrieben werden, ersucht haben. Aber auch ohne diese Bitte wird sich Frhr. v. Richt hofen hoffentlich mit dem „Kleinen Journ." in Ver bindung setzen, das den „Kerl mit den Hycincnaugen" gut zu kennen und keine Ursache zur Schonung seiner Persönlichkeit zu haben vorgiebt. Fürst Eulen burg freilich scheint von einer derartigen Wirkung seiner Depesche nicht sehr fest überzeugt gewesen zu sein, denn sonst würde er schwerlich Sorge dafür getragen haben, daß diese Depesche von der „Nordd. Allgem. Ztg." veröffentlicht wurde. Und daS ist das Wichtigste au der ganzen Sache. Ein deutscher Botschafter wird in einem unab hängigen Berliner Blatte angegriffen, in einem Wiener Blatte niit Gründen vertheidigt, die die Verdächtigung eines „großen Unbekannten" involviren, und daraufhin muß sich der dem Kaiser persönlich nabe stehende Botschafter nicht nur beim Staats- sekcelär des Auswärtigen und beim Reichskanzler vor dem Verdachte, verdächtigt zu haben, reinigen, sondern auch in die Oeffentlichkeit fluchten, um gewiß zu sein, daß sein Reinigungsversuch bekannt werde. Dadurch gewinnt auch der Artikel des „Klein. Journ." eine Bedeutung, die man ihm sonst nicht deizumessen brauchte. Wenn einBotschafter sich zu solchenSchrittea genöthigt siebt, so hat er jedenfalls Ursache zu der Annahme, daß es einige einflußreicke Persönlichkeiten gebe, die sich nicht scheuen, die Stellung einer ihnen unbequemen Persönlichkeit durch scheinbare Unterstützung und durch Verdächtigung ihrer angeblichen Gegner zu untergraben. Fürst Eulenburg spricht ja in seinem Telegramme offen aus, daß er sich bewußt ist, „sogenannte Freunde" zu haben, die in „perfider Art" für ibn eintreten. Und er fürchtet auch, daß solche Freunde ihren Zweck erreichen könnten, wenn nicht der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes und der Reichskanzler für ihn eintreten und die Netze des oder der Jntriguanten zerreißen. Deshalb haben die Herren Frhr. v. Richthofen und Fürst Bülow allen Anlaß, den „Kerl mit den Hyänenaugen" oder „die Kerle" scharf aufs Korn zu nehmen, um so mehr, als daS „Kleine Journ." behauptet, der „Kerl" wirke „minirend im Auswärtigen Amte". Die „Berk. Polit. Nachr." besprechen abermals die un- nnnstigc Gestattung -er Neichsfinanze«. Müßte der AuS- gabe-Etat nach den Anmeldungen aufgestellt werden, so würde sich die Nothwendigkeit einer ganz ungewöhnlich starken Vermehrung der Matricularum lagen ergeben und cS würde mit einer bisher noch nie dagewesenen Span nung zwischen den Matricularumlazen und den Ueber- weisungen an die Bundesstaaten zu rechnen sein. Indessen werde eine beträchtliche Herabsetzung der angemeldeten Ausgabebeträge in Aussicht genommen werden dürfen. Bei der Prüfung der Anmeldungen der einzelnen R.ssorts werde gemäß der mit den Finanzminislern der größeren Bundesstaaten getroffenen Abrede nach den Regeln strengster Sparsamkeit verfahren werden. Trotz möglichster Ein schränkung des Ausgabebedarfs im Reiche werde man aber bei der Etatsaufstellung für Preußen mit einem durch Ueberweisungen nicht gedeckten Bedarf an Matri- cular-Umlagen von 50—60 Millionen Mark zu rechnen haben, während in dem Etat des lausenden Jahres nur ein solcher Bedarf von einer halben Million Mark vorgesehen war. Schließlich wird betreffs Preußens gesagt: „ES wird daher eine überaus sorgfältige Prüfung der von den einzelnen Verwaltungen angemeldeten Mehrausgaben und eine sorg same Abwägung derselben nach der Nothwendigkeit, Nützlichkeit und Dringlichkeit der Ausgabezwecke erfolgen müssen, damit die vor handenen Mittel in zweckmäßiger Weise auf die verschiedenen Restarts vertheilt werden. So darf gehofft werden, daß trotz der größten Knappheit der vorhandenen Mittel der Staatshaushalts-Elat deS nächsten Jahres die Mittel zur befriedigenden Lösung der dem preußischen Staate gestellten Aufgaben bieten wird." Wenn Preußen nur bei strengster Sparsamkeit hoffen darf, im nächsten Jahre ohne erhebliches Deficit durchzukommen, Fettillrton. Arbeit. Von Eva Treu. Nachdruck vcrbctciu ' Während sie sprachen, wurde es immer dunkler, zuletzt sahen sie sich kaum mehr, sondern hörten einander nur noch. Sie achteten nicht darauf, so eifrig waren sie geworden. Bis auf einmal die Lampe aufflammte, die Frau Schramm, obschon sie daS gute Petroleum gern noch ein wenig gespart hätte, entzündet hatte. „Mein Gott", sagte Gert, ganz erschrocken emporfahrend, „ist es denn schon so spät? Habe ich Sie so lange belästigt?" Life lächelte leicht. Belästigt hatte er sie nun eben nicht. „Sprechen Sie nun noch ein wenig mit Frau Schramm", sagte sie, das Gesicht abwendend, damit die alte Frau ihr nicht die Worte von den Lippen lesen möge, „das hat sie gern und dies ist doch ihr Zimmer." So sprach er denn noch ein wenig mit Frau Schramm, und sie hatte es offenbar wirklich gern. Life hatte den Rath nur aus Rücksicht auf die alte Frau gegeben, Gert aber ersah sofort seinen Dortheil und machte sich so liebenswürdig, daß, als er'sich endlich verabschiedete, Frau Schramm ihn freundlich aufforderte, seine Besuche zu wiederholen, und sich persönlich sehr geschmeichelt fühlte, als diese Einladung mit größter Bereitwilligkeit ange nommen wurde. Freilich, als er dann fort war, kamen ihr verspätete Be denken. „Kind!" rief sie Life laut ins Ohr, denn sie vergaß immer, daß andere Leute gut hörten, weil sie selbst leider nicht in dieser glücklichen Lage war, „Kind, das war doch kein Liebhaber von Ihnen? — nämlich solche Geschichten wollte ich hier nicht gerne anfangen." Life schüttelte lachend den Kopf. „Keine Sorge, Frau Schramm!" sagte sie laut. In der That konnte ihr kein Ge danke ferner liegen. Es kam nun freilich öfter vor, daß sie merkte, wie die Blicke Fremder, besonders der Männer, ihr mit Wohlgefallen folgten, eine Erfahrung, die sie früher, daheim, nie gemacht hatte, aber ihre Gedanken hafteten daran durchaus nicht. Sie hatte sich ein Ziel gesteckt, und das Streben danach füllte augenblicklich ihren Sinn ganz auS. Frau Schramm brauchte sich wirklich gar nicht zu beunruhigen. Und wie zwei gute Kameraden, so blieben sie und Gert dann, ja, sie wurden eS nach und nach immer mehr. Life, sonst von einer scheuen, beinahe schroffen Zurückhaltung gegen Männer, konnte sich dem Freunde gegenüber so unbefangen geben, daß sie selbst zuweilen darüber erstaunte. Nach ein paar Monaten vermochte sie sogar mit ihm über ihre einsame und trostlose Vergangenheit zu sprechen, — nur in leisen Andeutungen zwar, wie es ihrer reinen und vornehmen Natur entsprach, die nicht das eigene Empfinden zum Gegenstände der Erörterungen machen konnte, aber die Umrisse, in denen sie ihr Leben zeichnete, waren doch klar genug, um ihn fühlen zu lassen, daß nicht er allein ge litten hatte unter dem Zwange widriger Verhältnisse. Oft dachte er, wie merkwürdig es sei, daß dieselben sie so fein und mädchen haft hatten bleiben lassen, während er selbst hundert Mal das Beste, was in ihm war, vergeudet hatte in seinem dumpfen Mißmuth. Damit freilich war es nun aus. Mit demselben siegesgcwissen Eifer wie sie hatte er sich in die Arbeit hincingestürzt. Je mehr er aber fühlte, daß er vorwärts kam, um so größer wuchs die Dankbarkeit gegen das Mädchen in ihm. Er hätte etwas für sie thun mögen, etwas ganz Großes, Herrliches, — irgend ein Opfer bringen! Nur sagen durfte er ihr das nicht. Einmal hatte er davon angefangen, aber ganz erschrocken hatte sie die Hand cmporgehoben, als wollte sie ihm dieselbe auf die Lippen legen. Nur das nicht, nur das eine nicht! Sich von ihm be handeln lassen wie ein überlegenes Wesen, das ertrug sie nicht! Im Gegentheil, zu ihm cmporblicken wollte sie, obgleich sic das nicht sagte. Er war so viel bedeutender wie sie, und sie empfand das so lebhaft und bescheiden, daß sie es nicht litt, ihn sich durch Dankesworte vor ihr demllthigen zu hören. Denn er würde einmal ein wirklicher Künstler sein, so dachte sic, sie aber blieb doch immer nur eine Handwerkerin, wollte auch nichts An deres sein. Und leise, fast unmerklich, unterordnete sie sich ihm in ihrem Urtheil und ihren Wünschen. Nie auch durfte er den Geldpunct wieder berühren. Alles Geschäftliche in dieser Sache hatte Life in die Hände des vr. Lukas gelegt, in denen es wohl aufgehoben war. Nachdem Gert dies einmal begriffen hatte, besaß er Tact genug, ihrem Willen darin zu folgen. Auch erfuhr kein fremder Mensch, in welchem Verhältniß sic eigentlich zu einander standen; ja, Life selbst dachte kaum jemals daran. Sparen mußten sie Beide, wenn das vorhandene Capital ausreichen sollte, aber sie thatcn es guten Muthes, auch Gert. Aus dem leichtsinnigen Verschwender hatte der neue Lebenszweck einen guten Haushalter geschaffen. Trotzdem aber blieb manche Freude, die sie auch zusammen genießen konnten. Gert wußte für freie Stunden immer etwas ausfindig zu machen, was wenig oder gar kein Geld kostete, und für Life war es schon ein Genuß, wenn er sie nur zu einem ge meinsamen Spaziergange abholte und sie mit einander durch die Straßen oder den Thiergarten schlenderten. Zu anderen Zeiten ging er mit ihr in die Kunstausstellungen, die sic früher allein besucht hatte, und Manches, für dessen Vcrständniß ihr bisher die Vorbedingungen gefehlt hatten, begriff sie jetzt, wenn er mit ihr darüber sprach. Denn sein Interesse beschränkte sich keineswegs auf seine eigene Kunst, sondern umfaßte Alles, was schön war. Mitunter auch brachte er ihr ein Freibillet für ein Concert, und obgleich sie nicht eigentlich musikalisch veranlagt war, ließ sie sich doch glücklich und dankbar dorthin führen, und nach und nach erwuchs ihr auch hierin so etwas wie Vcrständniß, weil sie cs um seinetwillen zu haben wünschte. Wer die beiden hübschen, schlanken jungen Menschen mit ein ander gehen und verkehren sah, ohne sie zu kennen, dem mochten sie wohl als Bruder und Schwester erscheinen, so verschieden sie auch waren. Denn verschieden in ihrem ganzen Wesen, das waren und blieben sie. Diese beiden Augenpaare, das ernste, klare, dunkel graue des Mädchens, und das Helle, blaue des Mannes sahen die Welt jedes ganz und gar auf seine eigene Weise an. Gert hatte die Vergangenheit weit hinter sich geworfen. Wer ihn sah, würde nie darauf verfallen sein, daß dieser fröh liche junge Mensch einmal seinem Leben eigenmächtig habe ein Ende machen wollen. Life aber hatte über Alles, was gewesen war, nur einen Schleier gedeckt. Gert war wie der junge frische Frllhlingstrieb eines Baumes, der das alte, welke Laub und den schmutzigen Winterschnee abgeschüttelt hat, — Life war wie eine feine Blume, die eine gütige Hand zum ersten Mal in den Sonnenschein gerückt hat, nachdem sie vorher immer im Schatten stehen mußte. Mitunter schellte es Abends nach dem Abendbrod noch an der Etagenthür, und Life hatte bald gelernt, die absonderliche Art, mit der Gert die Glocke berührte, zu erkennen. Sie pflegte Abends das Wohnzimmer der alten Frau Schramm zu theilen, so lag gar nichts Anstößiges darin, wenn sie ihn zu dieser Stunde noch einließ. Dann war es immer sehr behaglich. Die alte Frau, die von der Unterhaltung gar nichts verstand und zufrieden war, wenn nur dann und wann einmal das Wort an sie gerichtet wurde, im Uebrigen aber sich bei ihrem Strickzeuge und dem Roman aus der Leihbibliothek nicht stören ließ, fiel durchaus nicht lästig. Im Gegentheil war es recht angenehm, sie dort zu haben; es gab Life ein gutes und ruhiges Bewußtsein, sich nicht unpassend zu benehmen. Manchmal saß Gert dann nur eine halbe Stund«, nur eben lange genug, um irgend etwas, was ihm widerfahren war. mit- zutheilen. Mitunter aber wurde es spät, und sie vergaßen Zeit und Stunde. Nie sprach Life viel, Gert aber hatte immer eine Menge von Gedanken, die er durchaus anbringen mußte. Oftmals waren es solche über Musik. Dann verstand sic ihn nur halb, und wenn jemand Anderes ihr dieselben Dinge gesagt hätte, würde sie nicht das mindeste Interesse dafür gehabt haben. Aber Alles, was er sprach, machte ihr Freude, weil es von ihm kam, und sie versuchte wenigstens, auch da zu folgen, wo sie nicht völlig be griff. Er aber war zufrieden, wenn sie nur die schönen, ruhigen Augen auf ihn heftete und zuhörte, denn er gehörte zu den Menschen, die sich leicht am Klange der eigenen Worte berauschen. Bis dann plötzlich Frau Schramm einfiel, daß es Schlafens zeit sei und sie ohne viele Umstände Anstalten machte, das Licht zu löschen. Mitunter brannte schon das Gas auf den Treppeck nicht mehr. Dann mußte Life mit einer Kerze den späten Gast die vielen Stufen hinunter bis an die Hausthür geleiten. Es gab ihr immer ein eigenartiges heimliches Gefühl der Zusammen gehörigkeit, wenn sie es that. Bald hatte er sich gewöhnt, sie nicht mehr Fräulein Ohle, sondern Fräulein Elisabeth zu nennen, denn die Abkürzung „Life" fand er abscheulich, während er behauptete, „Elisabeth" klänge wie ein Bruchstück aus einem Liede, — und wie ein klares, einfaches Volkslied sei Life selbst ganz genau. Sie lachte, wenn er das sagte, und wurde roth, aber sie begriff selbst, daß etwas daran sei. Auch waren Volkslieder die einzige Musik, für die sie volles Verständniß hatte. Zuweilen auch brachte er seine Geige mit, und selbst Lise's mangelhaftem Musikverstande wurde es klar, wie sich von einem Male zum anderen sein Spiel vervollkommnete. Es war etwas darin, ein weicher, bestrickender Zauber, der die Seele ganz ge fangen nahm. , Als der Sommer kam, fielen diese abendlichen Besuche fort, und die Beiden trafen sich öfters im Freien. Life fing letzt an, die Traucrklcider abzulegen und Helle Gewänder zu tragen. Sie selbst war überrascht, wie gut sie die einfachen, aber modern ge arbeiteten Anzüge kleideten. Nie vorher hatte sie Gewicht auf ihr Aeußeres gelegt; jetzt freute sie sich, hübsch zu sein. Aber dann, als die Abende wieder lang waren, kam et» böser Tag. Es ging ans Scheiden. Nicht, als wenn es sie überrascht hätte! Im Gegentheil hatte Gert längst mit ihr besprochen, daß es besser für ihn sein wurde, sein zweites Studienjahr in Paris zu verbringen. Es fiel ihr nicht ein, ihm da hineinreden zu wollen. Auch hatte sie sich, als zuerst die Rede darauf kam, gar nicht darüber aufgeregt. Ader als nun der Tag des Abschiedes näher und näher rückte, wacht«.
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