8 Gregor J. M. Weber 1798 in der Königlichen Gemäldegalerie zu Dresden Der 1799 im »Athenaeum« veröffentlichte Text »Die Gemählde. Ein Gespräch« darf nicht als authentische Aufzeichnung eines Rundganges durch die Königliche Galerie in Dresden mißver standen werden. Im Text finden sich zwar bisweilen Angaben, die eine genaue Ortskenntnis der Verfasser beweisen — so möchte Louise »am meisten in den Italiänischen Saal« führen, vergleicht Waller ein Werk von Rubens mit einem gleich »daneben hängenden Bilde desselben Meisters«." Statt dessen handelt es sich um die literarische Fassung eines Gesprächs, das zudem vorgibt, auf den Elbwiesen nach dem Besuch der Galerie geführt worden zu sein. Aus der Erinnerung und anhand von Aufzeichnungen stellen die Akteure eine neue, aus der Fülle selektierte Sammlung von erwähnenswerten Gemälden zusammen und bilden damit eine eigene, imaginäre Galerie. Dennoch — so meine These - sind die Gespräche nicht ohne bestimmte Vorgaben verständ lich, die dem Rezipienten in der Galerie selbst durch Auswahl und Arrangement der Gemälde geboten wurden. Diese Hängung läßt sich als eigenes hochkomplexes Kunstwerk betrachten, das Gemälde in Kontexte stellte, andere singulär heraushob, diese aus dem Kontrast, jene innerhalb einer Reihe regelrecht inszenierte - und das im Hinblick auf formale, inhaltliche, kunsthistori sche, auch rein künstlerische und dekorative Aspekte. Nur eine optische Rekonstruktion des Bilderarrangements kann dies heute veranschaulichen, nicht die bloße Lektüre der wichtigsten Schriftquelle, d.h. des ersten gedruckten Katalogs der Sammlung von 1765, der wiederum im wesentlichen auf dem handschriftlichen Inventar von Matthias Oesterreich von 1754 fußt. Doch lassen sich die Gemälde heute kaum noch realiter so ausstellen, wie sie damals - und bis in das frühe 19. Jahrhundert - das Erscheinungsbild der Galerie prägten. Dazu fehlt der Raum, die Wandhöhe, zu viele Gemälde wurden abgegeben und verkauft, zu viele sind verschollen oder wurden zerstört. Eine Rekonstruktion auf dem Papier aber, erleichtert durch das Einscannen und Umrechnen des vorhandenen Fotomaterials mit den Mitteln elektronischer Datenverarbeitung, läßt etwas von der ehemaligen überwältigenden Pracht wandfüllender Bilderarrangements ahnen. 2 * Was also erwartete den Besucher in der Königlichen Galerie? Bis 1855, als die Gemälde im Neubau von Gottfried Semper am Zwinger ausgestellt wurden, befand sich die Galerie rund einhundert Jahre lang im umgebauten Stallgebäude am Jüdenhofe. Das repräsentative Gebäude war zuvor mehrfach umgebaut worden; unter August dem Starken (gestorben 1733) diente es - neben anderen Funktionen - schon zur Aufbewahrung von Bildern, doch waren diese dort in verschiedenen kleinen Räumen verteilt, in Parade- und Gästezimmern sowie zwei kleinen Galerien. Unter dem nachfolgenden Regenten, König Augustin., wuchsen