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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.06.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020616026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902061602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902061602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-06
- Tag1902-06-16
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Aus der Debatte, die der Abstimmung vorauSging, ist nicht viel hcrvorzuheben, denn sie bewegte sich in dem bekannten Gleise: auf polnischer Seile Ableugnung wiederholt sestgesielller Thatsachen und Borwürfe wegen aufreizender Behandlung der Polen, aus der Seite der Regieruugsvertreler nochmalige Feststellung jener That sachen und mehr oder minder scharfe Zurückweisung der Borwürfe. Recht ungenügend erscheint uns eine dieser Zurückweisungen. Wenn der polnische Graf Kwilecki die preußische Heeresverwaltung beschuldigte, die polnischen Soldaten als Kanonenfutter in den Kriegen des vorigen Jahrhunderts verwandt zu haben, so hätte die sofortige Rüge, die Finanzministcr v. Rheinbaben einer solchen schmählichen Unterstellung zu Theil werden ließ, noch viel schärfer aus- fallen sollen. Ferner ist un» — und nicht uns allein — aufgefallen, daß im Herrenbause sowohl wie schon vorher im Abgeordnelenhause die Bertreter der Regierung, wie die für die Vorlage eintretenden Redner aus dem Hause viel zu wenig Gewicht auf die Gefährlichkeit der polnischen Hetzpresse und die Maßregeln legten, die zur Be kämpfung der von dieser Seile drohenden Gefahr in An wendung zu bringen wären. Wir müssen der „Schles. Zig." durchaus beipstichleu wenn sie schreibt: „Ohne die polnische Hebpresse gäbe es keine polnische Frage. Wenn daS preußische Polenthum wirthschaftlich so erfolgreich auf strebt, so dankt es seine materielle» Erfolge wesentlich seiner Presse, die Lurch ihren Terrorismus jeden einzelnen Polen zwingt, die radical-polnischen Bestrebungen zu unterstützen. Wer sich der Zuneigung zum Teutschthmn verdächtig macht, wird von der polnischen Presse an den Pranger gestellt. Thatjächlich sieht sich jeder polnisch sprechende Preuße gezwungen, alle die radicalen, deutschfeindlichen Bestrebungen zu theilen. Dieser Terrorismus der polnischen Presse ist am letzten Ende verantwortlich zu machen für die immer schärfer und allgemeiner werdende wirth- schastliche Bekämpfung der Deutschen durch die Polen. Gewiß, heute und morgen ist keine polnische Erhebung zu fürchten. Aber arbeiten nicht die Polen planmäßig und eifrig darauf hin, dem Deutschen Reiche internationale Schwierigkeiten zu schaffen, die Grundlagen der staatlchen Macht zu untergraben? In der russischen und der französischen Presse sind polnische Federn und polnische Inspira tionen einflußreicher als die Meisten ahnen." Nun würde es allerdings verkehrt sein, wenn man Aus nahmebestimmungen für die polnische Presse schaffen und sie auf diese Weise mundtodt machen wollte. Man würde da durch die Aufregung der Polen vermehren und sich der wichtigen Ausschlüsse berauben, die man über die Ziele und Len Umfang der großpolnischen Bewegung durch die polnischen Blätter erhält. Aber eine schärfere Üeberwachung dieser Blätter, besonders der aus Oesterreich, Rußland und Frank reich ins Land kommenden, wäre denn doch am Platze. Man liest in diesen Organen gar nicht selten Auslassungen, die mit den bestehenden Gesetzen in Conflict gerathen und deutschen Blättern nicht ungestraft hingehen würden. Und weist man Ausländer auS, die sich durch ihre gefährliche Agitation „mißliebig" machen, warum geht man weniger entschieden gegen ausländische Blätter vor, die eine nicht minder ge fährliche Agitation ins Laud tragen? Als die dentschcn Zotlvorlagen veröffentlicht wurden und lange nachher haben das heimische Freihändlerthum und die Socialdemokratie — diese ist theoretisch längst schutzzollnerisch und streitet nur „aus Bosheit und Plaisir" für die be dingungslose Oefsnung der deutschen Grenzen — die Welt durch den SuccurS, den sie dem Auslände leisteten, in Er staunen zu versetzen gewußt. Anderwärts kannte und kennt man solche Gimpelpolitik nicht und würde, wenn sie sich bemerkbar machen sollte, ihren Trägern einfach den Kragen umdrehen. Eine Weile schien sich auch unsere Opposition der handelspolitischen Nbeinbündelei zu schämen, nachdem der Aufenthalt des Grasen Bülow in Venedig und Wien klärlich dargerhan hatte, daß man italienischer als die Italiener und österreichisch-ungarischer alS Oesterreich-Ungarn gewesen war. Auch klang die immer energischer werdende Sprache, die die Regierungen, insbeioudere auch in Einzellandtags», geaen die Agrarier führten, so einschmeichelnd in die freisinnigen Ohren, daß deren Inhaber schier vergaßen, wie viel näher doch die Regierungen und die Zollvorlagen der schutzzöllnerischen Ausfassung kamen als der freihändlerischen, und nachdem Graf Bülow kürzlich im preußischen Abgeordneten hause so kurzen Proceß mit den Extremen der Rechten ge macht batte, da stürrte sich der Freisinn in ein Wonnemeer und sang fröhlich plätschernd so volllönig gouvernementale Lieder, daß manch einer, der den politischen Brehm nicht ordentlich kennt, eine Wandlung der natura geueris signalisirte. Eitcle Täuschung! Es bedurfte nur weniger Sätze des ungarischen Ministerpräsidenten v. Szell, also eines Staatsmannes, der die Interessen seines, des fremden, Landes rednerisch wahrnahm, und auch der ganze linke deutsche Flügel schwenkt zu ihm und zu Italien über. Man findet die Pester Aeußerungen durchaus zu treffend und „loyal", man spricht von der „That- sache" eines ständigen ökonomischen Krieges, den das politische Bündnißverhältniß nicht vertragen könnte, während Herr v. Szell nur eine derartige Eventualität „sozusagen als Problems" ins Auge gefaßt hatte: man mäkelt an der kurzen, aber sehr verständlichen und verständigen deutschen balb- amllichen Bezeichnung dessen, was Herr v. Szell nicht gemeint haben kann: ja, ein freisinniges Blatt war schon vor dem Bekannlwerden des Wortlauts ter ungarischen Kund gebungen — wie im Juni vorigen Jahres — mit dem Urtheile bei der Hand: Deutschland ist der Stören fried, es schlägt mit seiner Wirtschaftspolitik, dem Tarif, den politischen Dreibund in Trümmer und der Dreibund ist eine Existenzfrage für Deutschland und Europa. Von dieser politisch-freisinnigen Begeisterung für das mitteleuropäische Bündniß, das jetzt um den handelspolitischen Leib geschnürt wird, war, beiläufig be merkt, früher nichts zu bemerken. Die Demokratie hat auch nach dem Abschlüsse des Bündnisses jede notwendige Ergänzung der deutschen Wehrmacht angefeindet, obwohl es auf derHand lagundvon autoritativerStelle auch gesagt wurde, baß eS in erster Reihe die militärische Leistungsfähigkeit unseres Reichs sei, die den Verbündeten LaS Bundesverhältniß werth mache. Herr v. Szell ist ein gewiegter Politiker und demgemäß ein guter Beobachter, was man aber gar nicht einmal zu sein braucht, um zu wissen, daß der Freisinn in Deutschland eine bankerutte Firma ist. Er wird den von dieser Seite angebotenen Eredit gewiß nicht in Rechnung stellen und wohl darüber lächeln, daß der rhetorische Eiertanz, den er, um seinem Parlament „etwas zu bieten", aufgcführt, von Deutschen als ein Angrisfsmarsch gegen Deutschland begrüßt wird. Daß übrigens Graf Bülow zu Hause zunächst noch nicht so weit gebracht ist, sich verblüffen zu lassen, zeigt die schon erwähnte, Herrn v. Szell gegen Miß verständnisse schützende Bemerkung der „Nordd. Allg. Ztz." Und von dem Theile des deutschen Volkes, das in der Zoll politik etwas zu sagen hat, wird man es sich in Ungarn schon gefallen lassen müssen, daß es ebenso verfährt, wie die Magyaren, daß cs nämlich sein Wirthschaftsinieresse zu Rathe zieht und dieses wegen eines Pcfier politischen Augenbrauen zuckens nicht im Stiche lassen wirb. Die vielfache polnische Millionärin Gräfin Helene Mi er hat vor einigen Tagen eine Schen kung gemacht, welche einen ausgeprägt politischen Charakter hat. Sic hat nämlich ihr schönes, in Wien, Licchtenstcinsrraßc öl belegeneS PalaiS sammt dem dazu gehörigen Garten dem Lande Galizien geschenkt, unter der Bedingung, daß eS dem jeweiligen polnischen Landsmann- minisler zur Benutzung überlassen werden soll. Dort soll er seine Wohnung ausschlagcn, und dort sollen sich die Bureaus des Ministeriums für Galizien befinden. Da jedoch der polnische Landsmannminister nur den Titel „Minister ohne Portefeuille" führt, und der spcciell pol nische Charakter seines Amtes nur auf der langjährigen Tradition beruht, hat die Gräfin Mier in der Schenkungs urkunde das Verfügungsrecht über dieses Palais dem galizischen Landesanöschusse eingeräumt und demselben zur Pflicht gemacht, dasselbe jenem jeweiligen Minister ohne Portefeuille zu überlassen, welcher „der langjährigen Ge pflogenheit gemäß aus der Mitte polnischer Staatsbürger aus Galizien ernannt wird". Diese Schenkung verfolgt, wie der „Schlesischen Zeitung" aus Lemberg geschrieben wird, unverkennbar den Zweck, die Institution des Mini steriums für Galizien zu befestigen und sie zu einer Art polnischer Gesandtschaft am Wiener Hofe zu machen. Von allen Nationalitäten Oesterreichs haben die Polen zuerst cs verstanden, sich einen Vertreter ihrer Interessen im Rathe der Krone zu erkämpfen. Das Mini sterium für Galizien besteht schon seit mehr als 32 Jahren nnd war seit seiner Entstehung ununterbrochen besetzt, während die Tschechen viel später ihren Landsmann- minister bekamen und dann nach Rücktritt des Freiherrn v. Prazak durch lange Jahre keinen hatten. Der Landes ausschuß von Ckrlizicn hat in seiner letzten Sitzung be schlossen, diese Schenkung anzunehmen und der Gräfin Helene Mier im Namen des Landes den wärmsten Dank auSzusprcchen. Die Ausführungen des socialistischen Abgeordneten Jaures in der französischen Kammer über Elsnst- Lothringcn, Frankreich solle die Initiative zu einer allge meinen Abrüstung geben, Elsass-Lothringen könne kein Hinderniß bieten, finden ihren Widerhall in der öffent lichen Meinung. Am lautesten klingt er aus dem Munde Don Quirvtes her. Döroulddc telegraphirt seinem Freunde, dem nationalistischen Abgeordneten Puglicsi- Conti: „Dieser ganze Absatz der Rede des anerkannten Führers der Socialisten ist nur die Umschreibung ihres so oft gehörten Losungswortes: „Nieder mit der Armee! Nieder mit dem Vaterlande!" Aber diesmal erschallt es nicht auf der Straße, oder im Versammlungsraum, sondern mitten im Parlament wagen sic cs vorzubringen. Und Delcassö schweigt dazu und der Ministerpräsident schlägt die Augen nieder und der deutsche Botschafter triumphirt. Nur der Kammerpräsident und Ihr Nationalisten habt gesagt, was zu sagen war. Dank aus Herzensgrund, daß Ihr diesem freiwillig Annectirtcn, diesem Rcchtsverächter und Halbverräther Eure ganze Entrüstung nnd Verachtung ins Gesicht geschleudert habt!" Die Gefühle Dsroulede's thcilt der schaumschlagende „Figaro". Er giebt ihnen Ausdruck in Bildern, die deutlich an sein Gewerbe erinnern, indem er schreibt: „Die Pille Jaures war zu bitter, man hat sic nicht hinunterschlucken können und sic dem Redner zurück- gegeben. Er hatte zu sehr auf das Vergessen gerechnet. Er weckte, ohne es zu wollen, unrnhig schlummernde Gefühle. Er stach alS Chirurg ein Geschwür ans, daS die zarte Hand einer barmherzigen Schwester hätte verbinden müssen. Die Galerie that sehr wohl daran, diesen Wundarzt abzuweisen. Die Kundgebung der Kammer ist ein gutes Zeichen. Sie beweist den Ueberlebendcn der großen Verstümmelung, daß sie noch zahlreich genug sind, um auf d i e Eindruck zu machen, die, weil sie jene Verstümmelung nicht gesehen haben, sich mit ihr abftnden. Tic Kundgebung zeigt, daß inan die Trauer jener achtet und ihre edlen Hoffnungen niemals ermatten lassen wird." Wenn es also nach Döroulede und dem „Figaro" gehen soll, so werden ihre Landsleute fortfahrcn müssen, wie die Porzellanhunde nach dem Bogesenlvch zu starren. Jndctz erhebt sich auch eine Stimme dagegen. Der socialistisch-radicale Abgeordnete Maret stimmt im „Radical" den Ausführungen Jaures vollkommen bei, indem er schreibt: „Jaures hat den seltenen Muth gehabt, auf der Rednertribüne zusagen, wasalleWeltdenkt, und grade deswegen hat er ein Gewitter von Flüchen über sich entladen. Denn sagen, was alle Welt denkt, heißt gesunden Menschenverstand be sitzen, aber nichts ist gefährlicher als dieses Bcsiythum. Was sollte wohl aus den Monarchien, auS den Religionen, aus den Gerichtsbehörden und aus den fünfactigen Trauerspielen werden, wenn die Menschen gesunden Ver stand hätten? Zeigt mir doch in der Welt ein einziges Ding, das gesunden Sinn hat. Nicht einmal die Erde in höchst eigener Person hat ihn, denn hat cs Sinn und Ver stand, sich ewig um sich selbst zu drehen, ohne zum Ziel zu gelangen und ohne zu wissen, warum man sich dreht? Nnd da hat dieser unglückselige Jaures noch die Anmaßung, ge funden Menschenverstand zu zeigen!" Schade, daß Maret diesen gesunden Hohn über die Haltung der Kammer erst jetzt verzapft und nicht schon in der Kammer als Secundant Jaures' für den gesunden Menschenverstand eine Lanze brach. Deutsches Reich. Berlin, 15. Juni. (Rcchnungsergcbnisseder B e r u f ö g e n o s s e n s ch a f t e n.j Im Reichsversiche- rungsamte werden die Vorbereitungen für die Zusammen stellung der Nachweisungen der Rechnungsergcbnisse der Berufsgenossenschaften für 1V01 getroffen. Vorläufige Er hebungen haben schon zu Beginn des laufenden Jahres stattgefunden, ihre Ergebnisse sind auch in dem sowohl dem BnndeSrathe wie dem Reichstage unterbreiteten Jahresbe richte des Ncichsversicherungsamtcs veröffentlicht worden. Indessen bezogen sich diese Publikationen nur auf einzelne Theile der berufsgenvsscnschastlichen Thärigkeit. Beispiels weise konnte daraus festgcstellt werden, daß die Summe der von den Bcrufsgcnossenschaften und sonstigen Trägern der Unfallversicherung gezahlten Entschädigungen sich im Jahre 1901 nm 13 Millionen Mark gegen 1N00 gesteigert hat, was auf die neuen Bestimmungen der Unfallversiche- rungsgeseye zurückzuführen ist. Jedoch mit der Steigerung der Entschädigungen hat sich die infolge der Unsallversiche- rungörevision eingetretene Erschwerung der Belastung der Arbeitgeber nicht erschöpft. Namentlich wird man darauf gespannt sein dürfen, wie hoch die Summe sich belaufen hat, welche die Berufsgenossenschaften, gewerbliche sowohl wie landwirthschaftliche, zur Auffüllung ihrer Reserve fonds beigesteuert haben. Daß sie nicht klein sein wird, ist Feitillstsn. i« Verfehlte Liebe. Roman von E. Hein. Nachdruck »erbotN!. Mit wem 'hätte Minna sich aus sprachen sollen? Nur mit Mertel, mit dem sie nun vier Wochen jeoen Tag zusammen gewesen war und den sie als einen Ehrenmann kannte. Nicht, daß sie an eine Verlobung ihres Vaters glaubte, nur seine Reden machten sie verwirrt, sie war immer äußerste Klatzheit von ihm gewöhnt und Späße liebte er nicht. Sie bat deshalb Merkel nach Tisch um einige Worte Gehör. Sie tranken den Kaffee im Lesezimmer, in das bei dem schönen Wetter Niemand hineinkam, und hier erzählte dann Minna in kurzen Worten, waS ihr Vater heute früh gesagt hatte. Merkel hörte sehr aufmerksam zu, und als sie geendet hatte, meint« er trocken: „Daß das so weit wäre, hätte ich nicht gedacht." „Um Gottes willen, Herr Referendar, ist denn an der ganzen Rederei etwas Wahres twran? Wissen Sie etwas?" „Mein liebes Fräulein, Vertrauen gegen Vertrauen. Sie haben mich zum Mitwisser Ihres Geheimnisses gemacht, Sie wollen meinen Rath, dann muß ich offen sein." „Ich bitte dringend durum." „Nun also — reden wir ganz kühl und sehen wir di« Sache recht kaltherzig an — Ihr Herr Vater ist in dieses Fräulein Margot verliebt . . ." „In die, die wir gestern sahen?" „Ja dieselbe. Ich habe -ihn schon oftmals im vertraulichen Gespräch mit ihr bemerkt und habe mir dabei — — nicht- ge dacht. Gott, so «in Dächtel-Mächtel kommt überall vor. Daß die abgefeimte Kokette aber so weit gehen würde, — hm — hm — Ihrem Herrn Vater ein Heirathszugeständniß abzulocken, das hätte ich nicht gedacht. Für so — so .. . na, lassen wir daß!" „Mein Vater sollte das im Ernst gcthan haben, ich begreif« ihn gar nicht. Er ist sonst so kühl und ruhig , . . «r ist doch auch schon zu alt . . . ." „Alt? Ihr Herr Vater ist Mitte vierzig, das ist «in schlimmes Alter, Johannistrieb . . . aber schon jünger« Leute sind in die Hände dieses WeibeS gefallrn." „Hat eS schon andere Männer unglücklich gemacht?" „Unglücklich ist vielleicht picht ha§ richtige" Wort, sag-n »vir: kesser und g-scheidt. Freilich, Geld hat diese Erfahrung gekostet." „Wenn eS das nur ist...." Minna sah bei diesen Worten, die halb bei der Sache ge sprochen wurden, zum Fenster hinaus, sie war sich augenblick lich des Ernstes der Sache nicht bewußt. Merkel merkte es. Es that ihm leid, sie aus ihrer Sorglosigkeit zu reißen. „Mein lieber Fräulein, Sie unterschätzen doch die Gefahr — wenn ich so reden darf. Wenn Ihr Herr Vater Ihnen heute früh erklärt hat daß er zu heirathen gedenke, und wenn diese Margot sein« Auserwählt« ist — eS ist ja noch nicht sicher —, so müssen Sie sich auf «inen Kampf mit diesem Weibe gefaßt machen, der sehr heftig werden kann, vorausgesetzt, daß Sie nicht gleich ja und Amen zu der — -neuen Mama sagen." „Herr Reseren'dar! Ich bitte Sie . . . ." „Es war nicht so schlimm gemeint. Ich muß eben stärkere Saiten aufziehen, da Sie, -wie es scheint, die Gefahr unter schätzen. Ich wär« der Letzte, der Ihnen zu dieser n«uen Ver wandtschaft gratulirke." „Ich danke Ihnen. Sie meinen also, daß es gilt, Alles auf zubieten, um einen übereilten Schritt meines Vaters zu ver hindern." „Ganz richtig. Immer vorausgesetzt, daß <S sich um dies« Person handelt. Das ist das Nächstliegende, das Sie erfahren müssen. Ist sie es, ich zweifele nicht daran, so müssen .Herrn Friedrich die Augen geöffnet werden. Hierzu und zu weiteren Schritten stehe ich Ihnen gern zur Verfügung." Minna zögerte einige Augenblicke mit der Antwort, dann reicht« sic Merkel die Han-d. Sie erwiderte seinen warmen Druck. „Ich weiß nicht, oh ich Recht daran lhue, die Wege meines Vaters zu kreuzen, allein, ich habe das Gefühl, daß er mit jenem Weibe nicht glücklich würde." Natürlich war Friedrich mit Margot in Iffezheim gewesen. Minna war fest entschlossen, rs am anderen Morgen zur Aus sprache kommen zu lassen. Sie überlegte, ob sie ihren Bruder von der Lage der Dinge unterrichten sollte, und ob eS vielleicht gut sei, auch an ihren Rechtsbeistand einige Zeilen zu schreiben. Nach reichlichem Srwäaen, verwarf sie beides. Ihr Bruder konnte ihr gar nicht helfen, höchstens hätte seine Anwesenheit ihren Vater noch gereizt und Justizrath Baumert dürfte wegen keS Kaufes von Liebrnhain wohl nicht gut auf sie zu sprechen sein. Sie mußte also die Sache allein durchfüh-rrn, Höchsten würde sie Merkel, wenn nöthjg, zu Hilfe ziehen. Welcher Art diese Hilfe sein könnte war Ihr nicht bewirkt. Am anderen Morgen war sie in der Frühe zurrst im gem-inschafttichen Wohl" »immer. Erst spät»'-:« Friedrich, «ug°nsche:»lich i» schkM« Saune. Uitxamitielt g'cktz Mvna auf Gr Ziel kos. „Vater, gestern früh hast Du mich verlassen, ohne mir auf meine Frage zu antworten. Ich habe den ganzen Tag darüber nachgedacht und frage Dich deshalb, ob es Dir wirklich Ernst ist, mit Deinem Heirathsproject?" „Gestern vielleicht n-icht so, wie heute." „Was soll das heißen?" „Das soll heißen, daß ich gestern in meinem Verhalten nur noch mehr bestärkt worden bin. Ich habe gestern in Margot's Herz gesehen . . . „Margot.... also jenes Mädchen aus dem Goldenen Krug, so ist es doch wahr....?" „Sagte ich Margot? Nun, wenn Du cs weißt, ja . . ich heirathe sie." „Das wirst Du doch nicht thuir, Vater." „Oho, warum sollte ich es nicht thun?" „Ach, das geht doch gar nicht, Vater." „Geht nicht? Was heißt, geht nicht?" „Nun, das Mädchen paßt doch gar nicht für Dich." Friedrich lochte. „Paßt nicht für mich? Was -weißt Du denn!" «Aber, Vater, bedenke doch, sie ist eine Kellnerin." „Hast Du daran etwas auSzusctzen? Du hast ja selbst vor gestern im Curgarten das Lob des fleißigen Mädchens gesungen, Du hast ja selbst zugestanden, daß sie ein« Dame ist „Dame? . . . Alle» Andere, wohl nur das nicht!" „Was sagst Du da . , . willst Du sie wohl gav verun glimpfen?" „Ich sage nur. Du wirst sie nicht heirathen." Minna war roth vor Erregung geworden und ging einen Schritt auf ihren Vater zu. Friedrich hatte sich eines solchen Auftntcns seiner Tochter nicht versehen und war durch ihren Widerspruch aufs Stärkste gereizt. Mit der ganzen Stier-ennackigkeit eines Bauern hielt er an seinem Vorsatz fest, und je mehr man ihm widersprach, desto mehr verbiß er sich in sein Vorhaben. Minna aber war die echte Tochter ihres Vaters, und wenn sie mit -einer gewissen Ueber- legu-ng und m-it Schliff die Worte vorsichtiger wählte, in der Sache selbst hielt sie fest. Als sie die letzten Worte mit Nachdruck und in beinahe drohender Haltung gesprochen halbe, sprang Friedrich auf, und blau vor Zorn nef er ihr zu: „Du — Niemand wird mich von meiner Meinung abbringen. Das Mädchen gefällt mir, ich habe mich mit ihr versprochen, im August ist Hoheit «uch damit bastg!" „Da-Fbosten wir d»ch erst «»mal sähen . .. „Was wagst Du, mir zu sagen soll da- vielleicht heißen, daß ich mich nach Dir richten soll?" „Ich kann das Weib nie meine Mutter nennen." Friedrichs Zorn legte sich etwas. „Brauchst Du auch gar nicht. Wie lange wird es dauern und Du heirathest auch." „Davon ist vorläufig keine Rede." „Na, was denn? Hast Du Angst wegen des Geldes? Du und Max, Ihr habt Eures doch sicher, und von mir bleibt noch genug übrig." „Das ist es wahrhaftig nicht, Vater. Aber diese . . . . diese .... Person paßt nicht für Dich. Sie ist Deiner nicht werth." „Warum? Weißt Du etwas über sie?" „Sie ist ein kokettes . . ." „Haha, haha, das stimmt, aber das ist doch nicht schlimm." „Sie ist durchtrieben, sie ist völlig unmoralisch . .." Friedrich sprang auf. „Was sagst Du da? Was unterstehst Du Dich?" „Sie ist ein« verworfene Person." „Ha, wer hat Dir das emgegeben? Wer sagt daS von meiner Braut?" ' ' Er ergriff das Handgelenk seiner Tochter und hielt es fest. Sein« Augen waren roth geworden, sein Aih«m keuchte. So hatte Minna ihren Vater noch niemals gesehen. Sie erschrak. „Merkel", antwortete, sie fast unbewußt. „So., .der?" Friedrichs Ervegung war auf dem Gipfel angekommcn, er sank plötzlich auf seinen Stuhl zurück Es entstand eine kleine Pause. „Das hat mir das arme Mädchen doch gleich gesagt, daß Einer sie schlecht machen würde, wie noch ZZrmand schlrHt gemacht worden ist. Wie ost hat sie inrr getagt, daß ich mir die Sache überlegen solle. Sie sei arm, sie habe für Mutter und Geschwistir zu sorgen, sie bet« einen Beruf, den man scheel ansehe, ihr Aussihcn und ihr ^enedmen dabe man ihr d-rge- warfen, als ob ein bübtcdes Mädchen nicht auch anständig sein könne. — Alles hat sie mir vorder gesagt und es ist richtig ein getroffen. Ich sage Dir, Minna, sie ist wirklich gut, sie ist sehr anständig; ick> würde mit ihr glücklich werdän. WaS hah« ich denn bis je»! vom Leben gehabt? Hast Du daS^nicht frlbst gesagt? Laß Deine Einwendungen. Wenn Du sie kennen lerne» wirst, wirst Du anders denken, aber Deinem Merkel sqge daß es ein« Gemeinheit ist, ein schutzloses Mädchen zu veriRchtjacn." Minna bätie diesen Aon Hon ihrem Vater kaum je ver nommen. Sie. war verwundert und sie fing an zu zweifeln.
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