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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.06.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030612021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903061202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903061202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-06
- Tag1903-06-12
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«- tu unsere« Werken (den Solvaywerke«) auch nicht so schlimm sieht, wie dir Sozialdemokraten behaupten, di« immer von „Unterdrückung" der Arbeiter sprechen, beweist die Tatsache, daß wir eine Anzahl Führer der Sozialdemokraten seit 20, 15, 12 Jahren beschäftigen. Sie werden mir di« Erregung nach- fühlen, die mich ergreift, wenn ich daran denke, daß bei uns vier Brüder beschäftigt waren, von denen sich zwei jetzt noch bei unS befinden, und die nun alles, was von uns geschaffen und getan ist, in den Kot ziehen. Weiter wird von de» Sozialdemokraten in ihrem Flugblatt behauptet, ich wolle «ine Arbeiterkolonie gründen nur „zur Knechtung" der Arbeiter. DaS ist mir gar nicht in den Sinn gekommen. Ich bin dabei lediglich von der Absicht geleitet worden, den Arbeitern bessere Wohnungen zu schaffen, denn das Traurigste für eine Familie ist Loch, wenn sie keine oder wenn sie ungenügende Wohnung hat. Aber es liegt mir vollständig fern, den Arbeitern Wohltaten aufdrängen zu wollen. Wenn sie die Arbeiterkolonir nicht wollen, dann verzichte ich um so mehr darauf, als auch der hiesige Magistrat einige Bedenken gegen die Errichtung der Kolonie geäußert hat. Die 3 bis 4 Millionen, welche ich dafür auswendrn wollte, werde ich jedoch deswegen nicht ins Ausland gehen lassen, sondern ich werde Sorge tragen, daß Arbeitsgelegenheit dafür geschaffen wird. Aber daS Handwerk leidet darunter; ihm wäre durch den Bau der Arbeiteekolonie Arbeit-- gelegenheit gegeben worden, die ihm nun entgeht. Für unsere guten Absichten wirft mir die Sozialdemokratie den Vorwurf hin, daß ich nur die „Knechtung" der Arbeiter bezwecke. Wir haben in den Solvaywerken 800 Arbeiter, die von 6 bis zu 10 Jahren, 600 Arbeiter, die 11-15 Jahre, 300, die 16-20 Jahre, und 35 Arbeiter, die über 20 Jahre bei u»s sind. Nun lesen Sie einmal das sozialdemokratische Flugblatt mit seiner Verhetzung unserer Arbeiter! Wenn die Arbeiter nicht gern bei uns wären, so würden sie andere Arbeitsgelegenheit suchen! Bei mir ist nicht zu befürchten, daß ich die Arbeiter alle die Schmähungen und Verleumdungen, die gegen mich verdrecket werden, entgelten lassen werde. Alle gegen mich gerichteten Angriffe sollen mich nicht abhalten, auch ferner nach besten Kräften für meine Arbeiter zu folgen! (Stür- Mischer Beifall.) . . Wenn die Verhetzung seitens der Sozialdemo kratie immer weiter geht, wenn die Sozialdemokratie nicht aushört, alles schlecht zu machen, was man für die Arbeiter tut, wenn sie die Liebe zur Religio», zur Familie, zu Vaterland und Fürst unablässig in den Kot zieht, so ist das im höchsten Grade bedauer lich und verwerflich". Diese Rede des nationalliberalen Kandidaten kennzeichnet an konkreten Tatsachen, wie die Sozialdemokratie alles und jedes verächtlich macht, was von anderen Parteien, vom Staate oder von Einzelnen im Interesse der Arbeiter geschieht und unter Aufwendung großer Opfer geleistet wird. Trotz einer solchen verwerflichen, verbitternden Verhetzung wird sich die nationalliberale Partei niemals in ihrer Ardener-Für sorge beirren lassen. Sie erwartet dabei von der Sozial demokratie keinen Dank und keine Anerkennung, sondern handelt nach ihrer freiwillig übernommenen Pflicht, sich lediglich von der Sorge um daö Gemeinwohl leiten zu lassen. Anarchistisches Attentat gegen Schiffe. Die Nachrichten aus Valparaiso, daß die Anarchisten daselbst im dringenden Verdacht stehen, ein Attentat gegen den Dampfer „Arequipa" verübt zu haben, haben überall Aufregung und Abscheu hervorgerufen. Wer die anar chistische Bewegung kennt, wird wissen, daß sie gerade in Süd amerika unter den Spaniern die weiteste Verbreitung gefunden hat; die Zahl der anarchistischen Blätter, die freilich oft nur einige Wochen leben, geht dort in die Dutzende. Argen- tiniensah sich bekanntlich vor einigerZeit genötigt, eine größere Anzahl spanischer und italienischer Anarchisten auSzuwcisen. Der rührigste anarchistische Agitator Pierconri, der nach Italien ausgeliesert werden sollte, entfloh auf ganz eigenartige Weise vom Schiff. Den Genossen in Barcelona war eS gelungen, sich mit ihm in Verbindung zu setzen. Sie rüsteten ein Boot aus, da« sich unauf- sällig in der Näbe des Schiffes zu schaffen machte; in einem unbewachten Augenblicke soll sich dann Pierconti ins Meer gestüizt haben und von dem Boote ausgenommen worden sein. Er begab sich nach London, und Alfred Roller ließ alsbald in anarchistische» Blättern erklären, tue Freude aller Anarchisten über die Rettung PiercoaliS aus den Klauen der internationalen Polizei sei unbeschreiblich. Natür lich schnaubten nun die Anarchisten aller Lander Wut gegen die S ch i ff s g e s e l ls ch ajf t en, welche die „armen, unschuldigen" anarchistischen Genossen von Amerika nach Europa befördert ballen und die doch eigentlich ver pflichtet gewesen wäre», die Beförderung abzulehnen. Die Genossen HullS ließen durch Otto MalhewS erklären: „Die Frau unseres Genossen Mac Queen, der in Amerika zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt war, wollte ihrem Manne nach Amerika folgen, wurde aber von der amerikanischen Be hörde verhindert, zu landen, und gezwungen, mit zwei kleinen Kindern zurück nach England zu gehen. Hier angc- kommen, weigerte sich die Dampfer-Gesellschaft, ihre Sachen herauSzugeben, bis Frau Mac Queen die Rückreise für sich und die Kinder bezahlt hätte." — Auch die deutschen Genossen wurden seinerzeit (Februar d. I.) aufgeforderl, für Frau Mac Queen zu sammeln. Bet einem Streik in Buenos Arres kam rS zu tollen Scenen in Boca BaracaS, dem Fabrikviertel. Die Anarchisten ließen „alle Puppen" tanzen, so daß die Regierung sich ge zwungen sah, einen Gesetzentwurf gegen die Anarchisten ein zubringen. Triumphielend verkündete Genosse Samu, „Argentinien könne mit Recht als Hochburg der Anarchie" bezeichnet werden. Hält man sich ferner vor Augen, daß in Südamerika eine Anarchisten-Kolonie nach der anderen ver krachte und daß dadurch sich die Wut veS anarchistischen Ge sindels gegen die bestehende Ordnung noch gesteigert halte, so kann man angesichts der unerhörten Sprache der südamcrikanischen Anarchistenblätter nicht über rascht sein von den Meldungen, daß die Anarchisten Attentate gegen Schiffe veriucheu. Für unS Deutsche ist eS ja vielleicht ein Tro», daß Nachrichten von Attentaten gegen deutsche Schiffe nicht vorliegen; aber dieser Trost ist ein geringer, denn eö handelt sich um verbrecheriiche Pläne, gegen welche die ganze Menschheit sich zur Abwehr auf raffen muß. Lhamberlaln» Retchszollverdaud. Die Anhänger der Cbamberlainschen Zollpolitik hüten sich begreiflicherweise wohl, im gegenwärtigen Augenblick daS aus- zusprechen, was die Ursache und zugleich da- eigentliche Ziel der geplanten britischen WirtschafiSreform ist. Wie erinnerlich, sind die Bemühungen der Reichsregierung, die Kolonien zu einer größeren Beteiligung an den physischen und finanziellen Aufwendungen de» Reiche» zu Ver- teidigungSzwecken heranzuziehen, nur in geringfügigem Maße geglückt. Während Australien, Neuseeland und Britisch-Südasrika eine Erhöhung ihrer Beiträge zugrsagt haben, dir indessen neben dem Milliardeu-Budget de» Heeres- und des KloltenetatS kaum in Betracht kommen kannz hat sich Kanada nicht nur durchaus ab ¬ lehnend verhalten, sondern sogar zu verstehe» gegeben, daß es sich die Entscheidung über die Verfügbarkeit seiner militärischen und maritimen Streitkräfte in jedem Falle Vorbehalten will. Da» bat, wie e» scheint, de« Leiter de» Kolonialamtes, der soviel für die Kolonien getan hat, zu dem Versuche bestimmt, mittel« Gewährung von Vorzugs zöllen die Frage der Reichsverteidigung zu lösen. Und in der Tat dürfte dieser Hinweis nachgerade der einzige geworden sein, den Herr Chamberlain der öffentlichen Meinung, die den Schutzzoll verwirft, entgegenhallen kann. Freilich bleibt e» trotzdem recht fraglich, ob die Bevölkerung zu seinen Gunsten entscheiden wird, denn darüber fehlt noch jeder Anhalt, wie sich die Kolonien zu dem im Falle der Gewäh rung von Vorzugszöllen sicher zu erwartenden Ansinnen einer weiteren Beteiligung an den Ausgaben für die militärischen Bedürfnisse deS Mutterlandes stellen würden. Die Kolonien befinden sich gegenüber England in einer zweifellos sehr günstigen Lage: ob ein ReichSzollverbanv zu stände kommt oder nicht, da« Mutterland wird sich der Verpflich tung deS Schutzes der Kolonien und ihrer Interessen nicht entziehen können und wollen, eS wird nach wie vor die ungeheuren Lasten deS ReichSbudgrtS im wesent lichen aus eigener Tasche zahlen und mitansehen müssen, daß die eine oder die andere Kolonie ihre eigene politische uud wirtschaftlich; Bedeutung auf Kosten der englische» Vor macht vermehrt. Die Mehrzahl der selbständigen Kolonien wird vorwiegend aus finanziellen Erwägungen dazu geführt, der Gewährung von Vorzugszöllen zuzustimmen, deren die Ausfuhr der Kolonien nach dem Mutterlande steigernde Wirkung eine etwaige Vermehrung der Leistungen für die Zwecke der ReichSverleidigung wettmachen soll. Deutsches Reich. * Berlin, 11. Juni. (Dieangebliche Mini st er- krisis.) Unter dieser Ueberschrift teilt die „Köln. Ztg." die folgende, ihr von hier, anscheinend von offiziöser -weite zugegungene Darlegung mit: Gegenüber den Ausstreu ungen über eine umfassende Umbildung des preußischen Staatsministeriums ist folgendes zu bemerken. Daß in etwa zwei Monaten der Kriegsminister v. Goßler aus- schetden und durch seinen fetzigen Stellvertreter General leutnant v. Einem ersetzt werden wird, pfeifen die Spatzen seit vier Wochen vom Dache; eine politische Be deutung besitzt dieser Wechsel nicht. Ob Herr v. Pod- bielski wirklich den von ihm gemeldeten Ausspruch ge tan hat: „Nach der Heuernte verduft ick", ist uns nicht be kannt. An amtlichen Stellen ist seine etwaige Absicht, demnächst in den Ruhestand zu treten, nicht verlautbart worden. Sollte er diese Absicht in der Tat hegen, so dürf ten für ihre Ausführung schwerlich politische Beweggründe maßgebend sein. Ans den parlamentarischen Verhand lungen des letzten Winters ist zur Genüge bekannt, daß Herr v. Podbielski wochenlang unter den größten Schmerzen an Ischias und Gicht das Bett hat hüten müssen und daß diese Krankheiten ihn in der Erledigung seiner Amtsgeschäfte vielfach gehindert haben. Er hat mit Rücksicht auf sein körperliches Befinden sich auch damit einverstanden erklärt, daß der im Etat geforderte Umbau seines Ministeriums verschoben werde; schon damals sprach er sich dahin aus, daß er diesen Umbau lieber einem Nachfolger vorbehalten möchte. Aber, wie gesagt, eine zu verlässige Nachricht, daß er schon jetzt sich entschlossen habe, zurückzutreten, liegt nicht vor. Völlig unbegründet ist die Nachricht von dem bevorstehenden Rücktritte des Justizministers Schönstedt. Der Minister hat aller dings niemals ein Hehl daraus gemacht, daß er nicht am Amte klebt, und noch jüngst, als er am 6. Jamvar sein 70. Lebensjahr vollendete, hat er sich bereit erklärt, sein ver antwortliches Amt einer jüngeren Kraft zu übertragen. An maßgebender Stelle ist ihm gegenüber aber der Wunsch ausgesprochen worden, daß er noch recht lange an der Spitze der Justizverwaltung bleiben möge, zumal er das besondere Vertrauen sowohl des Königs wie seiner Ministerkollegen und -der Justizbehörden genießt; sein Rücktritt ist also für übersehbare Zeit ausgeschlossen. Wenn schon jetzt als seine Nachfolger hochgestellte Juristen namhaft gemacht werden, so sind das ebenso phan tastische Ausstreuungen, wie die jeden Anhalts entbehrenden Nachrichten, daß die Stellung der Minister Studt und Frhr. v. Hammer st ein erschüttert oder daß der Rücktritt des Oberpräsrdenten von Schlesien, Her zogs zu Trachenberg, aus irgend einem andern Grunde als wegen seines Augenleidens erfolgt sei. * Berlin, 11. Juni. (Die Bekämpfung der Wurm krankbeit.) Der »NeichSanzeiger" veröffentlicht über die Durchführung der Maßregel, durch mikroskopische Unter suchungen die wurmbehafteten Personen des Ober- berqamtsbezirks Dortmund zu ermitteln und die aus der Arbeit Ausscheidenden einer Abtre ibun gskur zu unter werfen, folgendes: „Für insgesamt 52 von der Krankheit befallene Gruben wurden derartige Untersuchungen für die ganzen unterirdischen Beleg schaften ungeordnet, aus 29 von der Zechenverwaltung selbst und auf 23 durch Anordnung deS OberbergamtS Dortmund. Die Unter suchungen-erfolgen überall auf Kosten der Werke und müssen regel mäßig wiederholt und möglichst beschleunigt werden. Wöchentlich sind mindestens 200 Arbeiter jeder Zeche zu unteriuchen. Die Wurm behafteten werden einer AbtreibungSkur unterworfen und der Arbeit unter Tage entzogen, bi- sie wurmfrei sind. Nach der Wieder anlegung werden sie mindestens dreimal binnen vier Wochen unter sucht. Die Anordnungen enthalten auch besondere Vorschriften über die Einrichtung, Reinigung und Desinfektion der Aborte unter Tage und verbieten die Berieselung mit Sumpswasser. Gleiche Maßnahmen stehen sür weitere Zechen in Aussicht. Zur richtigen Auswahl wird durch eine allgemeine Bergpolizeiverordnung sür sämtliche Steinkohlen gruben des OberbergamtsbezirkS Dortmund die Untersuchung von 20 Prozent der unterirdischen Belegschaft vorgeschrieben werden. Bei der Zeche Erin ging von der ersten zu der zweiten Durch- Musterung die Zahl der Wurmträger von 79 Prozent aus 44 Prozent, auf Julia von 20 auf 15,67 Prozent herab. Eine weitere Polizeiverordnung wird die Anlegung jedes Arbeiters zur unterirdischen Arbeit von dem Nachweis abhängig machen, daß Wurmeier bei ihm nicht gefunden werden. Dazu ist sür eine genügende Anzahl zur Untersuchung Wurmkranker ausgebildeter Aerzte und Krankenhäuser gesorgt. Erkrankungen von Familienangehörigen der Wurmkrankeu kamen nicht vor. Die Kosten der Bekämpfungsmaßregeln übernahm der Allge meine Knappschaftsverein in Bochum, er bewilligte dazu 200000^, wovon 75 000 ^l verausgabt wurden. Die Kosten, die durch die Maßnahmen für die einzelnen Gruben, insbesondere für die Fest, stellung der Krankheit, erwachsen, tragen die Zechenverwaltungen. In Oberschlesien wurden trotz wiederholter Untersuchungen seit 1900 keine und in den übrigen OberbergamtSbezirkrn überhaupt keine Fälle von Wurmkrankheit bekannt." — Der Kaiser traf im Lause deS heutigen Nachmittags in Berlin rin und begab sich zum Reichskanzler Grasen v. Bülow. Um 7 Uhr nahm der Kaiser an einem Diner beim OffisierkorpS de« 1. Garde-Felv-Artilleriereziments teil. Abends gedenkt der Kaiser nach dem Neuen Palais zurück- zukehren. — Mit besonderer Schnelligkeit soll, wie daS „B. T." zu berichten weiß, diesmal da» ReichstagSwahlergebnlS aus ganz Deutschland festgestellt werden und im großen ganze» schon am Tage nach der Wahl vormittag« bekannt sein. Durch eine Runoverfügung der preußischen Regierungen sind die Wahlkommissare angewiesen, da« Wahlergebnis auS den einzelnen Wahlkreisen bis 7 Uhr morgens (l7. Juni) an die Regierungspräsidenten telegraphisch zu melden. Um 8 Uhr morgens will der Reichskanzler bereit« Kenntnis über die Wahlresultate auS allen Bezirken haben. Durch die Wabffommisslon, deren Bureaux die ganze Nacht hindurch geöffnet sind, find die Wahlvorsteher angewiesen, die Wahlergebnisse aus allen Wahlbezirken telegraphisch, telephonisch ober durch Eilboten bis 5 Uhr morgen- zu übermiiteln. Die Postämter sind deshalb in der Nacht vom 16. zum 17. Juni geöffnet. Die Vermittlung der Wahlergebnisse an di« Wahlkommissarien geschieht auf Staatskosten, das heißt gebührenfrei. Früher war den Wahlvorständen drei Tage Zeit gelassen zur schrift lichen Uebermittlung der Wahlresultate. — Gegen den Hirtenbrief deS Fürstbischof- Kopp nahm bereits eine Versammlung der Berliner Polen Stellung. Es wurde dem Bedauern Ausdruck gegeben, daß der Hirtenbrief in den katholische» Kirchen Berlins und der Vororie zur Verlesung gelangt sei. Einer der bekanntesten Polenfübrer, Schneidermeister Berkan, erklärte, der Hirtenbrief werde noch zur Stärkung ver polnischen Bewegung beitragen und so daS Gegenteil von dem bewirken, was er bezwecke. Im Interesse der Kirche liege dieser Hirtenbrief wahrlich nicht. Andere Redner beschuldigten den Fürstbischof direkt der Liebe dienerei gegen die Negierung. Herr Kopp habe die Interessen des Zentrums denen der Kirche vorangesetzt. Die Geistlich keit babe überhaupt außerhalb der Kirche nichts drein,ureben. Ein polnischer Geistlicher warnte vor zu scharfer Bekämpfung des Zentrums, dessen Hülse die Polen nicht entbehren könnten. Seitens der polnischen Sozialisten wurde unter Hinweis auf die antipolnischen Angriffe des Fürstbischofs versucht, die Polen zur Abgabe »hier Stimmen für die Sozialdemokratie zu veranlassen. Angeregt wurde ferner, den Hirtenbrief durch rege Beteiligung an den Kirchenwahlen zu beantworten, damit die Herren Geistlichen, wo nur irgend möglich, mit polnischen Kirchenvertretern ru rechnen hätten. DaS Vorgehen der Polen in Oberschlesien und ihre Auflehnung gegen die bis herigen Zentrumsabgeordneten wurden gutgeheißen. — Der Barthsche Freisinn hat es um die Sozial demokratie wahrlich verdient, von Vieser rücksichts voll behandelt zu werden. Aber die Sozialdemokraten erkennen dieses Verdienst nur an, wo sich ibnen die Barthsche Partei als Hülfstruppe zur Ver fügung stellt. Wo es aber die freisinnige Ver ¬ einigung wagte, gegen die Sozialdemokratie aufzutreten, wird sie von dieser so schlecht behandelt, wie es nur der Sozialdemokratie möglich ist. So hebt die „Danziger Zeitung" hervor, daß der in Danzig ausgestellte Kandidat deS Barthsche» Freisinns mit einer Flut von sozialvemo- kratischen Schmähworten überschüttet werde: „Drücke bergerei der Bankvirektorenpartei", „Winseln wie eine hysterische Jungfrau", „Jammerlappen", „politischer Eunuch", „schmähliche und schuftige Unterdrückung der Rede- und Meinungsfreiheit", „geistig bankerott und abgewirtschaftet", „liberal sich nennender Haufen", „blövsinniger freisinniger Hokuspokus", „freisinnige Schwinvelpolitik" — das sind so einige Perlen auS dem sozialdemokratischen Schimpfwörter schatze. — Ter bisherige Rcichstagsabgeordnete für Fritzlar, Homburg und Ziegenhain, Liebermann v. Sonnenberg, teilt in einem offenen Briefe folgendes mit: „Ich werde, nm es zu ermöglichen, meinen Freunden überall noch die Hand zu drücken, in Len nächsten Tagen mit dem Automobil Len Wahlkreis durchfahren und in den Dörfern auf einige Minuten halten. Wer gerade zu Hause ist. den bitte ich zu mir zu kommen." Hoffentlich fährt Herr v. Lieber- mann dabei nicht gerade einige seiner besten Freunde über den Haufen. — Am 10. Juni 1903 verstarb im 55. Lebensjahre nach längerer Krankheit der Vortragende Rat im preußischen Justizministerium, Geheime Oberjustizrat Werner. Der „Staatsanz." widmet ihm einen sehr warmen Nachruf, dessen Schluß lautet: In seinen wechselnden Stellungen, in der Tätigkeit als Staats anwalt, im richterlichen Berufe wie als Justizverwaltungsbeamter hat Werner Hervorragendes geleistet. Mit einer gediegenen juri- stischen Bildung verband er einen seltenen Blick für die praktischen Lebensverhältnisse und ein ungewöhnliches organisatorisches Ge- schick. Eigene Neigung wie besondere Besähigung wiesen ihn gerade auf das Gebiet, dem seine Tätigkeit im Justizministerium vorzugs weise gewidmet war: das Bau- und Gesängniswesen. Die Ordnung sür die Gefängnisse der Justizverwaltung von 1898 ist sein Werk. Bei zahlreichen Neubauten von Gcrichtsgebäuden und Gesäugnissen, namentlich bei den noch unvollendeten Bauten aus Anlaß der Berliner Gerichtsorganisation, war es Werner, der die mit solchen Ausgaben verbundenen großen Schwierigkeiten ebnete und den Architekten die Grundlagen sür ihr Schaffen bereitete. Eine ganz ungewöhnliche, nie ermüdende Arbeitskraft und eine seltene Liebenswürdigkeit der Umgangsformen kamen ihm bei der Lösung solcher Aufgaben zu statten. Der frühe Tod des reich begabten Mannes hinterläßt eine schwer aussüllbare Lücke in dem Ministerium, dem er angehörte, wie in dem großen Kreise der Amtsgenossen und Freunde, denen die Lauterkeit seines Charakters, der Reichtum seiner Bildung und die Herzlichkeit seines Wesens un vergeßlich bleiben werden. — Der Ausschuß der preußischen Apo thekerkammern hat neulich in seiner Sitzung fol gende Beschlüsse gefaßt: Hinsichtlich des Antrages der Kammer von Sachsen über die Regelung der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Apotheken auf Grundlage der Vorschläge des Deutschen Apotheker-Ver eins erkannte der Ausschuß an, daß durch die Resolution des Reichstages alles erreicht sei, was vorläufig erreicht werden konnte. Der Antrag, der bei der Abstimmung die Mehrheit der Kammern gefunden hatte, wurde daher einst weilen zurückgestcllt und dem Vorsitzenden der Auftrag er teilt, zur geeigneten Zeit entsprechende Schritte zu tun. — Die Forderung der Einführung von Ehrengerichten wurde vorläufig fallen gelassen. — ES ist mehrfach die Frage aufgeworfen worden, ob die Krankenkassen verpflichtet seien, denjenigen Mitgliedern, welche vom Kaffenvorstand aus Veranlassung des Kassenarztes einem aus wärts wohnenden Spezialarzt zur Behandlung überwiesen werden, die entstehenden Eijenbahnfahrkosten — eventuell welcher Wagenklasse? — zu zahlen. Wenn die Notwendigkeit spezial ärztlicher Behandlung vorliegt, bezw. von der Kasse anerkannt wird, muß die Kaffe auch die Reisekosten tragen. Welche Bahnfahrt zu vergüten ist, wird von der allgemeinen Lebensstellung des Ver- sicherten abhängen. — Die von einigen Gerichten vertretene Auf fassung, 8 3 des Hafipflichtgejetzes stelle grundsätzlich die Witwen, die einen Verletzten nach einem Unfall geheiratet, denen gleich, die vorher die Ehe geschlossen, ist vom Reichs gerichte al» irrig verworfen worden. Ausdrücklich werde in dem betreffenden Paragraphen gesagt, daß der Witwe Er- satz gewährt werden soll sür den Unterhalt, den sie durch Len Todesfall verliere, und darunter könne doch nicht ein Unter halt verstanden werden, den die Witwe bei Lebzeiten des Mannes nie gehabt. Daß die Witwe des Verunglückten auch dann zu einer Rente berechtigt sei, wenn sie ihm erst nach dem Unfall angetraut ist, wird vom obersten deutsche» Gerichtshof verneint. — Die Berliner Stad tveror d ne ten-Versam mlung erklärte sich heute unter Zurückweisung weilergebender sozial demokratischer Anträge damit einverstanden, daß städtischen Arbeitern, die sünf Jahre im städtischen Dienste stehen, jährlich ein Urlaub von einer Woche, und zwar unterFortbezug deS Lohnes, gewährt werde. Die Sozialdemokratie versuchte in die Debatte hierüber agitatorische Gesichtspunkte hineinzuflcckten, die Versammlung ließ aber nur praktische Momente gelten. Ferner beschäftigte sich die Versammlung u. a. mit der Orga nisation der NeinigungSarbeiten in den höheren Lehranstalten, wobei rin Antrag deS Stadtverordneten Rosenow zur Annahme gelangte, die Klassenzimmer täglich zu reinigen. — Ter hiesige bayerische Gesandte Graf v. Lerchenseld- Kösering hat Berlin mit Uilaub verlassen. Während seiner Ab wesenheit führt der Legation-iekrelär Graf zu Ortenburg- Tambach die Geschäfte der Grsundischast. — Zum Berghauptman» in Dortmuad ist der Vortragende Rat im Pandelsministerium Baur ernannt worden. * Elbing, ll. Juni. Rechtsanwalt Stroh-Elbing und Gutsbesitzer Wunderlich-Kl Röbern sind vom Bundes vorstände deS Bundes de« Landwirte in Berlin au- dem Bunde ausgeschlossen worden, weil sie gegen den offiziellen BundeSkandidaten v. Oldenburg agitiert haben. (Elb. Ztg.) * Hannover, !1. Juni. Geheimer Regierungsrat vr. Sattler, der Landtagsabgeordnete von Hannover, würde am Sonnabend dieser Woche im Kreise der Seinen die silberne Hochzeit feier« können, wenn — er «S nicht als seine Pflicht erachtete, bis zum Wahltage in dem Kisker von ibm v«rtreteaen 18. hannoverschen Wahlkreise an möglichst vielen Orten den Wählern Rechenschaft über leine Tätigkeit als Reichstagsabgeordneter abzulegrn. Der geichästsführende Ausschuß des Provinzialwahlkomitss der national- jiberalen Partei Hannovers wird Herrn vr. Sattler eine Glück- wunschadrefse überreichen. * Iserlohn, ll. Juni. Nachdem eine gemeinschaftliche Sitzung von Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer statigefunden hat, fand gestern eine Sitzung derFabrikanten- und Arbeitgebervereinigung statt, in der, der „Rh. W. Ztg." zufolge, ron den Arbeitgebern die Bedingungen, die zwischen den Vertretern der Arbeitgeber und Arbeit nehmer vereinbart worden sind, gut geheißen und angenommen wurden, sodaß also der Streik oder vielmehr die Aus sperrung sür beendet anzusehen ist. Die Arbeit kann jederzeit wieder ausgenommen werden. Eine Anerkennung der Organisationen der Arbeiter bleibt ausgeschlossen. ch Eisenach, ll. Juni. Die deutsche evangelische Kirchen ko nferenz ist hentc im großberzogl. Resivenzschloß zusammengetreten, um Beschluß zu fassen über die bereit viel erörterte Frage des enaeren Zusammenschlusse- der deutschen evangel. Landeskirchen. Zu der Kon ferenz sind folgende Abgeordnete erschienen: Präsident v. vr. Barkbausen, Frhr. von der Goltz und Wirk!. Oberkoas.-Rat v. Braun-Berlin, Generalsüp. v. Vieregge - Magdeburg, Wirkt. Oberkons.-Rat Voigts und Abt 0. Hartwig- Hannover, Kons.-Präs. vr. v. Kalybäus - Kiel, Generalsüp. Lohr-Cassel, Präs. deS königl. bayer. OberkousistoriumS v. Schneider und Oberkons.-Rat v. Kelber-München, Kons.- Rat Mey-Speyer, Präs, von Zahn und Oberbofprediger v. Ackermann-DreSden, Präs. Frhr. von Gemmingen und Prälat v. von Sandberger-Stuttgart, Wirkl. Geheimrat vr. Wiclandt und Prälat v. Helbing-KarlSruhe, Oberkons.- Rat v. Büchner und Oberkons.-Rat v. vr. Flöring-Darm- stadt, Präs. Giese und Geh. Oberkirchenrat v. Bard-Schwerin, Staatsminister vr. Rothe-Weimar, Geh. Kirchenrat v. Nicolai- Allstedt, Kons.-Rat Präscke-Neustrelitz, Oberhospred. v. Hausen- Oldenburg, Präs. Spieö und Generalsüp. Moldenbauer- Wolsenbüttel, Staatsrat TrinkS-Meiningen, Staatsminister von Helldorf und Generalsüp. v. Lohos-Altenburg, Staats» Minister Heutig und Kirchenrat v. Rudlosf-Gotha, Oberkons.- Rat Werner-Dessau, Staatsminister Petersen und Oberhof prediger Zahn-Sondershausen, Generalsüp. Vr. Braune und Geh. Staatsrat v. Holleben-Nudolstadt, Kammerpräs. Frhr. von Hadeln-Arolsen, Geb. Staatsrat Graesel-Gera, Kons.-Rat vr. Kuhlgatz-Bückeburg.Generalsuperintendent Wessel-Detmold, Senator vr. Plessing-Lübeck, bei dessen Behinderung Senior v. Ranke, Senator Vr. Ehmcke-Bremen, Hauptpastor v. Grimm-Hamburg, Geh. Oberregierungsrat Frhr. von der Goltz-Straßburg und Kons.-Präsident Schwendner-Bischweiler. Der Vorsitzende gedachte des seit der letzten Tagung ver storbenen Oberkonsistorial-RatS Risch-Speyer und deS durch Amtsniederlegung ausgeschiedenen Generalsuperintendentea Kretschmar-Gotba und gab einen Bericht über die Tätig keit deS ständigen Ausschusses während des verflossenen Jahres. Zur Vorbereitung der Frage eines engeren Zusammenschlusses der deutschen evangelischen Landeskirchen gaben darauf der Präsident des evangelisch-lutherischen LandeSkonststoriumS in Dresden von Zahn und Ober- konsistorialrat v. Kelber-München einen einleitenden Bericht bezüglich des von der letzten Eisenacher Konserenz gewählten Dreizehner-Ausschusses der Konferenz gemachten Vorschläge zu einem engeren Zusammenschluß der deutschen evangelischen Kirchenregierungen. Dann trat man in eine allgemeine Be sprechung der Angelegenheit, welche morgen fortgesetzt wird. * Breslau, 11. Juni. Die Abschiedsfeier zu Ehren des Erbprinzen Bernhard von Sachsen-Meinin gen findet, wie nunmehr endgültig feslsteht, am 20. d. M. im Gebäude der Zwingergesellschaft zu Breslau statt. Bei dem beschränkten Raume daselbst und da von der Militärbehörde, die ihre Einladungen bis zum Bataillonskommandeur abwärts ergehen läßt, für etwa 150 Personen Platz erbeten wird, blei ben für Civilversonen aus ganz Schlesien nur etwa 120 Plätze verfügbar. Ls ist deshalb, wie die „Schles. Ztg." schreibt, nicht möglich, die Aufforderung zur Teilnahme an weitere Kreise ergehen zu lassen. * München, 11. Juni. Für die bayerische Gesandt schaft in Dresden dürfte an Stelle des zurücktretenden Frhrn. v. Niethammer der jetzt in Bern amtierende Graf Mont ge las, für diejenige in Petersburg als Nach folger des Frhrn. v. Gasser der rangälkeste Legationsrat Frhr. v. Gutenberg in Betracht kommen. — Der angekündigte Personenwechsel in der päpstlichen Nuntiarur zu München hat sich bereits vollzogen. Tie Münchener „Aug. Ztg." meldet: Der apostolische Nuntius Msgr. Macchi und dessen Uditore Msgr. Montagnini statteten am Mittwoch vormittag dem Prinz-Regenten Besuche ab, bei welcher Gelegen heit Msgr. Montagnini sich verabschiedete. Der Regent zeich nete dabei den scheidenden Uditore mit dem Verdienstorden vom hl. Michael 2. Klasse aus. Nach dem Besuch beim Prinz- Regenten fuhren die beiden Herren zu gleichem Zweck zu den Mitgliedern des königlichen Hauses. Msgr. Monragnim kehrt nach nur achtmonatiger Tätigkeit in München wieder auf seinen Posten als Uditore nach Paris zurück, von wo er tm No vember vorigen Jahres Hierher berufen wurde. Ueber seine» Nachfolger sind noch keine Bestimmungen getroffen worden; man glaubt, daß der Uditore bei der Nuntiatur in Brüss.l, Msgr. Vasallo di Ta r a g r o s s a, der erst im Oktober vorigen Jahres von hier aus, wo er den Sekretärposten bekleidete, als Uditore nach Brüssel kam, Msgr. Montagnini ersetzen wird. Italien. Krisengernchte. * Ron», 11. Juni. Gegenüber Gerüchten, als stände die Demission des ganzen Kabinetts ober doch einzelner Mitglieder desselben bevor, sagt die „Tribuna", da- Gerücht entbehre bislang jeder Bestätigung. E- sei indessen wahr, daß heute Zanardelli und Giolitti eine lange Besprechung gehabt hätten. „Capitan Fracassa" meldet, daß morgen ein Ministerral slallfinden wird. Großbritannien. 3ollfragen. * London, ll. Juni. (Unterhaus.) Auf die Anfrage Buxtons, ob die Regierung den Schriftwechsel mit Deutsch land bezüglich der Bewilligung von Vorzug-zöllen für englichc Waren durch Kanada veröffentlichen würde, aot- worlete der Premierminister Balfour, der Schriftwechsel sei noch nicht vollständig und könne daher nicht veröffentlicht werden. Orient. * Athen, ll. Juni. Die Prinzessin Nikolaus ist von einer Tochter entbunden, die den Namen Olga erhielt. — Die Bewegung im Peloponnes gegen das Korinthen-Monopol hat infolge der getroffenen Maß- nahmen nachgelassen. Afrika. «rten -egen Figtg. * Ucni-Nnff, ll. Juni. Der von dem General O'Connor den Einwohnern von Figig bewilligte Aufschub lies heute vormittag 8 llhr ab. Tie Vertreter von 7 Dörfern trafen früh ein, uni ihre Unterwerfung anzubieten und werden
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