MORIZ RITTER (Historische Zeitschrift 131, 1925) Mit Moriz Ritter, der in Bonn am 28. Dezember 1923 fast 84jährig starb, ist der Senior nicht nur der Universität Bonn, sondern auch der deutschen Historiker und wohl auch der letzte Schüler Leopold Rankes, der im Sinne des Meisters arbeitete, von uns geschieden. Er hatte noch Dahlmann und Arndt im Bonn der 40er und 50er Jahre erlebt - wie kein anderer verkörperte er, der nur ein Jahrzehnt lang in der Fremde weilte, die Überlieferung der rheinischen Hochschule, und er bedeutete für sie in seiner langen und ausgeprägten Wirk samkeit ein Stück vermehrter Tradition über das frühere hinaus. Denn in ihm lag ein Drang zur Objektivität, der ihn immer mehr zu einem allgemein verehrten und zugleich höchst einflußreichen Mit glied der Bonner Universität werden ließ, obwohl er einstmals als Inhaber einer ursprünglich katholischen Geschichtsprofessur manche Zurücksetzung hatte ertragen müssen, die seine Zugehörigkeit zum altkatholischen Bekenntnis nicht aufheben konnte. Je mehr aber die wissenschaftliche Leistung Ritters stieg, je mehr gerade seine unbe dingte Sachlichkeit protestantische und katholische Sonderanschau ungen hinter sich zurückließ, um so mehr wurde er, der niemals Schule machen oder Einfluß hatte ausüben wollen, ein Führer im engeren Kreise der rheinischen Hochschule und im weiteren der deutschen Historiker, so daß er am Abend seines Lebens als Präsi dent der Münchener Historischen Kommission dasselbe Amt be kleidete, dem einst Ranke und dann Sybel vorgestanden hatten. Leicht war die Entwicklung zu dieser Höhe nicht gewesen. Denn in der innersten Natur Ritters lagen neben reichen Fähigkeiten auch starke Hemmnisse für eine große Wirkung. Er fühlte es selber, wie er nach gewissen Seiten begrenzt war — ängstlich hütete er sich, über seine selbstgewählten Arbeitsgebiete hinauszugehen, obwohl sein erstaunliches und ebenso gegenwärtiges wie sachgenaues Wissen es oft bedauern ließ, daß er sich nicht stärker auf weiteren Gebieten als Forscher betätigte. Aber sein Begriff von Objektivität war vielleicht auch um deswillen so hochgespannt, weil sein Zutrauen zu sich selber kein großes war. Wie er nicht die Eigenschaft blendenden oder auch nur auffallenden Auftretens besaß, so lag es tief in seiner Natur, niemals etwas aus sich selbst zu machen, lieber zu schweigen, als