Joachim Camerarms In der stürmischen Bewegung, in der sich unsere Universität aus einer scholastischen Hochschule zu einer humanistischen Ilinvsrsitas litararum empor hob, standen zwei Männer Seite an Seite, das Alte niederrcißend und hinweg räumend, das Neue ordnend und aufrichtend, der eine durch einen frühen Tod seiner Tätigkeit entrissen, während der andere jahrzehntelang in unserer Stadt segensreich gewirkt hat: Kaspar Borner und Joachim Camerarius. Borners Gedächtnis wird im Bornerianum wach erhalten. An Camerarius erinnert wenigstens noch daS Medaillon an der Universitätsbibliothek, aber sonst trägt in unserer Stadt kein Gedenkstein seinen Namen. Und doch ist er eine der glänzendsten Gestalten unserer Hochschule. Männer wie Casaubonus und Scaliger nennen ihn noch lange nach seinem Tode neben Melanchthon, andere sogar vor Melanchthon als den gelehrtesten Deutschen des ganzen 16. Jahrhunderts, eine einzigartige Zierde Deutschlands. Totius Oermsnikw lumon, so hatte ihm schon einer seiner Kollegen tief bewegt in die Gruft nach gerufen, als er am 19. April 1574 zur letzten Ruhe gebettet wurde, totius Oormuniss Ininon ab scrliolas nostrne kirrni88iinu oolumnu. Joachim Camerarius stammte aus dem alten, vornehmen Geschlechte der Kammermeister von Bamberg, die ihren Ursprung aus Kärnthen herleiteten. Der eigentliche Geschlechtsname, Liebhart, soll schon früh durch den Berufs namen Kammermeister, latinisiert Camerarius, verdrängt worden sein. An geblich schon 1152 war Konrad Liebhart, mils8 korotioinii, ouinorna innAi^ar Bischof Eberhards II. von Bamberg. In Bamberg lebten auch Joachims Eltern, Johann Kammermeister und Martha, geborene Wetzel. Nachdem ihrer Ehe schon mehrere Kinder entsprossen waren, wurde ihnen am 12. April 1500 früh Hz 11 Uhr noch ein Knabe Joachim geboren. Die Mutter scheint geistig bedeutender gewesen zu sein als der Vater; ihr scharfer Geist wird uns ge rühmt, und ähnlich, wie Goethe von sich selbst sagt, wird schon von Camera rius gesagt, er habe vom Vater die Gestalt, die herrlichen Gaben des Geistes aber von der Mutter empfangen. Die Mutter war es auch, die den jungen Joachim, nachdem er in Bamberg den ersten Unterricht erhalten hatte, zu seiner weiteren wissenschaftlichen Ausbildung im Herbst 1512 nach Leipzig brachte; er war also damals noch nicht ig Jahre alt; doch darf hieraus allein noch nicht auf eine besonders frühe Reife seines Geistes geschloffen werden. Die Hochschulen mußten ja damals noch einen großen Teil der Aufgaben unserer Mittelschulen erfüllen, da die jungen Studenten oft nur mit den Kenntnissen und dem Alter eines Knaben auf die Universität kamen; deshalb unterhielten viele Universitätslehrer Bursen, in denen die Söhne reicherer