Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.04.1906
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-04-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060403019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906040301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906040301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-04
- Tag1906-04-03
- Monat1906-04
- Jahr1906
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezug-» Pret- i» derHauplerpedttto, oder deren UuOgatz«- strllen abgeholl: vierteljährlich ^» bei täglich zwrimaltg« AÜfteLuug dl» Haus vierteljährlich ^l L—. Durch e«sev« aus wärtigen Au-gabestelle» und durch die Post bezogen für Deutschlaud und Oesterreich vierteljährlich 44kz für dir Lbrigru Länder laut Zeittmg-prei-Iiste. Dies« Nummer kostet auf 4 4K ML allen Bahnhöfen und bet III kn(l d« Zeitaagt-Verkäufer, I «edakkiau mid Ersedttt«»: Johauni-gafle 8. Lelephou Nr. 153, Nr. L22, Nr. 117«. Berliner Nedattion»-V«re«»r Berlin 7, Dorotbrrnstratz« 83. Del. I. «r. SL7K. Dresdner «edatttans-Varmmr Münchner Str. 6. Morgen-Ausgabe. MpMer. Tageblatt Handelszeitung. Amtsblatt des Natts imb -es Noüzeiavttes -er Lta-L Leipzig. Nr. 168. Dienstag 3. April 1906. Anzeigen.Pret- dk «gespaltene Petttzeil« für Leipzig und Umgebung Lk Pf^ für auswärt« SO Pfg. Familie»- Wohnung», aud Stellen, «»zeigen SO Pf. FinanzielleNnzeigen, Geschäftsanzeigen unter Text oder an besonderer Stelle nach Laris. Für da- Erscheinen an bestimmten Tagen r. Plätzen wird keine Garantie llhernommen Anzeigen und Extrabeilagen an» in der Morgen-Ausgad« Schluß der Annahme nachmittag- 4 Uhr. Anzrigen-Annahmr: «NgUsttlSplatz 8, Ecke JoüanniSgass«. Vaupt-Filiale verltn: I arlDu n cker.Herzgl.Bnyr.Hofbuchhandlg^ Lktzowstraßr 10 lyrrnfprrch« Amt Vl Nr. 4003). Slltal -SrdeSttion: Dresden,Marleustr 34. 1VV. Jahrgang. Var Aicktigitr vom Lage. * Der Kaiser hielt gestern mittag unter dem Jubel der Bevölkerung mlt den bisher m Düsseldorf stationierten Husaren eine» festliche» Einzug in Lrefeld. (Siehe Deutsches Reich.) * Zu dem Abschluß der Verhandlungen in Alge ciras hat der Kaiser dem Botschafter von Radowitz und dem Grafen Tattenbach seine warme Anerkennung au-gedrückt. * Der Reichskanzler Fürst von Bülow beabsichtigt am Donnerstag im Reichstag bei der Beratung des Etats de« Auswärtigen Amte- über die Ergebnisse der Ma- rokkokouferenz ausführlich Bericht zu erstatten. * Die Erste Kammer de» sächsischen Landtags er- ledigt« gestern den Münz-, Berg- und Hüttenetat. Die Zweite Kammer beschloß, die Petition de» Rates der Stadt Leipzig über Errichtung eine» Realgymnasium- auf sich beruhen zu lassen. (S. Bericht.) * Die Wahlrecht-Vorlagen wurden gestern vom preußischen Abgeordnetenhaus unter Ablehnung der in der Reform weitergehenden nationalliberalen und freisinnigen Anträge in zweiter Lesung angenommen. hS. Deutsches Reich.) * Der Herausgeber der-Grenzboten" und Besitzer der Verlagsbuchhandlung Friedrich Wilhelm Grünow, Johannes Grünow in Leipzig, ist gestorben. (S. Leip ziger Angelegenheiten.) ?olitir»er rum ffnrksU <ler yolk-rlidlnng. Unfern Lesern sind die ziffernmäßigen Ergebnisse der letzten Volkszählung schon bekannt. Diese haben aber ein so großes politisches Gewicht, daß man unmöglich ohne nähere Betrachtung daran vorübergehen kann. Es verkörpert sich in ihnen eine Entwickelung, die uns hin- sichtlich der Wehrkraft unseres Volkes mit lebhaftem Stolze und mit gutem Vertrauen auf die fernere Sicher heit unseres Vaterlandes erfüllen muß, während sie das wichtige Problem der Beschaffung aller Lebensbedürfnisse für diese wachsenden Massen verschärft. Wenn man alle Kolonien einrechnet, so ist Deutschland an Seelenzahl das fünfte Land der Erde. Großbritannien mit seinen riesigen überseeischen Besitzungen ist dann das erste, Rußland ist das zweite, die Vereinigten Staaten das dritte, Frankreich das vierte und Deutschland das fünfte. Von China, das die zweite Stelle einnehinen würde, ist dabei abgesehen. Will man die nationale Stärke vergleichen, so fallen die meisten Kolonien aus. Dann tritt das europäische Rußland mit etwa 115 Millio nen (Zählung von 1897: 105,6 Millionen) an die Spitze, worauf die Vereinigten Staaten (ohne Portorico und Kuba) mit 76,3 Millionen folgen. Dann kommt Deutsch land mit neuerdings 60,6 Millionen. Großbritannien hatte 1905 43,7 Millionen; rechnen wir Britisch-Nord- amerika mit 5,6 Millionen, Britisch-Südafrika mit 3 Millionen und Australien mit 5,5 Millionen hinzu, so ergibt sich an Weißen unter englischer Herrschaft die Zahl von etwa 58 Millionen. Weiter: Japan 49,7, Oesterreich. Ungarn (1900) 47,1, Frankreich (1901) 39,0 Millionen und Italien 33,5 Millionen. In Europa behauptet Deutschland also den zweiten Platz. Wenn auch Rußland nahezu doppelt so viel Ein wohner zählt, so steht es doch an nationaler Geschlossen heit, an verfügbaren wirtschaftlichen Kräften weit hinter unserm Reiche zurück, selbst abgesehen von der schweren Zeit, unter der jenes gegenwärtig leidet. England ist uns an wirtschaftlichen Kräften mindestens ebenbürtig. Die 14 Millionen weißer Untertanen in den Kolonien fallen aber nicht ohne weiteres ins Gewicht. Ja, auch Englands europäische Bevölkerung ist, was Wehrkraft anbelangt, nur zur See organisiert. Dort allerdings ge ¬ waltig. Weitaus das Interessanteste ist ein Vergleich mit Frankreich. Das Nachbarreich war im 18. Jahr hundert ungleich bevölkerte^ als Deutschland. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts haben wir es eingeholt und seit dem Kriege überflügeln wir cs bedeutend: * Deutschland ohne Frankreich mit Elsaß-Lothrlngen Elsaß-Lothringen 1846 , . 33,5 Mill. 35,4 Mill. 1856 , > 34,7 - MO - 1866 , , 88,1 - 38,0 - Deutschland mit Frankreich ohne Elsaß-Lothringen Elsaß-Lothringen 1872 , . 41,2 Mill. 36,1 Mill. >881 , . 45,4 - 37,6 - 1891 . , 49 7 . 38,3 - 1M1 . . 56,8 - 38,9 - 1905 . . 60,6 . ca. 39,5 - (Zählung liegt noch nicht vor.) Zur Zeit des großen Krieges waren beide Nationen gleich stark. Seitdem hat Deutschland an Einwohnern 22,5 Millionen, Frankreich 1,5 Millionen gewonnen. Jetzt gibt es auf je zwei Franzosen drei Deutsche. Wenn nun auch die deutschen Heere entfernt nicht in gleichem Maße entwickelt sind, so bedeutet die Million waffen ¬ fähiger Nichttoldaten. die Deutschland besitzt, Frankreich aber nicht, eine kolossale Kraftreserve. Unser Nachbar volk empfindet das schwer und wird unter dem Eindruck dieser Verschiebung von Jahr zu Jahr friedlicher. Hatte eS doch im Sommer 1905 trotz der lockenden englischen Hilfe nicht den Mut, die Delcassüsche Politik weiter zu verfolgen. Der Prozentsatz dec Bcvölkerungszunahme in Deutschland hat im letzten Jahrfünft 7,52 betragen, im voraufgehenden 7,82. Nehmen wir nur 7,5 an, so kommen wir für das Jahr 1910 auf 65,25 Millionen, für 1915 auf 70,1, für 1920 auf 81,0 Millionen, während Frankreich dann etwa 42 bis 43 Millionen zählen dürfte. Mit anderen Worten: nach 20 Jahren werden auf jeden Franzosen zwei Deutsche kommen. 20 Jahre, das klingt nach einer langen Frist; im Leben einer Gene ration bedeuten sie auch eine solche. Im Dasein einer Nation sind sic rasch verflogen. Sind doch seit dem Tode unseres alten Kaisers schon 18 Jahre verflossen. Ist cs zu viel gesagt, wenn wir meinen, eine solche Betrachtung könne uns wohl mit Stolz erfüllen? Und muß «licht die ruhige Fortdauer dieser Entwickelung der Friedenspolitik Deutschlands einen immer gewaltigeren Nachdruck verleihen? Doch die Sache hat auch ihre bitter ernste Seite. Wenn einem Vater die Söhne heranwachjen, so sinnt er nach, wie er ihnen selbständiges Einkommen verschaffe. Einen eigenen Hausstand in deutschen Kolonien können die neuen deutschen Generationen nicht gründen. Dafür sind wir durch den Verfall des alten Reiches zu spät gekommen. Was noch zu haben war, er weist sich zur Ansiedelung größerer Massen deutscher Nationalität ungeeignet. Wenn diese dennoch das Vater haus verlassen, so werden sie uns untreu, sie verschmelzen sich mit fremden Völkern und machen uns Konkurrenz. So betrachtet, ist die Auswanderung ein Ucbcl. Es kommt allerdings darauf an, den Zuwachs in einem Hause zu behalten. Glücklicherweise ist die deutsche Aus- Wanderung stark zurückgegangen. Jni Jahre 1881 hat Deutschland durch überseeische Auswanderung 220 902 Seelen verloren. Das war allerdings das Maximum. Aber der Durchschnitt der Jahre 1880 bis 1894 steht mit 121 706 Auswanderern doch schwer zu Buche. Seitdem ist er ganz bedeutend zurückgegangeu. Er beträgt für die Jähre 1895 bis 1905 nur noch 28 304 Personen, also »ich! einmal ein Viertel jener beunruhigend hohen Zahl. Der Zuwachs unserer Bevölkerung hat in Deutschland selbst Beschäftigung urch Einkommen gefunden, so -aß er daheim bleiben könnlre. Wünschenswerteres als dies kann doch nicht gedacht werden. Es ist dieIndustric gewesen, die der neuen Generation diesen Dienst hat leisten können; in zweiter Linie der Handel, dann auch das Beamtentum und die sogenannten freien Berufe. Die Landwirtschaft nicht! Von 1882 bis 1895 hat nach der deutschen Berufszählung die Zahl der Erwerbtätigep um 3 927 000 zugenommen. Die Erwerb tätigen in der Landwirtschaft stiegen nur um <16 000, die der Berufslosen um 788 000, die der Erwerbtätigen in der Industrie dagegen um 1885 000, im Handel um 768 000, in den wechselnden häuslichen Diensten um 35 000, im öffentlichen Dienste um 395 000. Man kann der Landwirtschaft keinen Vorwurf daraus machen. Sie ist nun einmal auf das gegebene Areal angewiesen; der Zuwachs durch Kultivierung von Oedländereien ist unbe deutend und wird durch Verlust an Eisenbahnen, Wegen, Ziergärten, Hofräumen und Gebäuden ausgeglichen. Was die sorgsamere Bodenbestellung anbelangt, so werden die hierfür erforderlichen Arbeitskräfte durch Maschinenleistungen ausgeglichen. Die landwirtschaftliche Bevölkerung, einschließlich der Angehörigen, ist sogar von 19 225 000 auf 18 501 000 zu rückgegangen und machte 1895 nur noch 35,7 Prozent der Gesamtbevölkerung ans, weniger als die Industrie allem. Wird 1910 wieder gezählt, so wird die landwirtschaftliche Bevölkerung mit 1kO4 Millionen bestenfalls stabil ge blieben sein, unter einer Gesamtbevölkcrung von 65^ Millionen aber nur noch 28,4 Prozent ausinachen. Abermals werden 4 Millionen neue Erwerbstätige herangewachsen sein und von den übrigen Bernsen Be schäftigung und Einkommen verlangen. Diese unab wendbare Entwickelung muß das einseitige lieber- gewicht der Landwirtschaft im Staate cindämmon, wenn wir nicht dahin gedrängt werden sollen, unsere neuen Millionen durch Auswanderung ans Ausland abzugebcn. Seretrlsrigkrit «na ffornlptisn in «lrn vereinigt«« Staaten. Angesichts der Selbstüberhebung einzelner Schichten der llnionsbevolkerung, und besonder» der Panker-Presse, die nrbl et orbi mit großem Geräusch verkündet, Laß die Union allein noch die Hüterin der Kultur sei, dürfte es angebracht sein, an der Hand unwiderleglicher Tatsachen und einioer besonders charakteristischer Fälle au- der letzten Zeit den Nachweis zu bringen, wie wenig die Unionsregierung eigenen Lande dem besten Gute Ur Kultur, dem Gesetze de- StaateS, Geltung verschaffen kann und die Beobachtung guter Sitten im öffentlichen Leben zu garantieren imstande ist. Wer die amerikanischen Gesche und die öffentlichen Statistiken liest, erhalt den Eindruck, als ob dir Vereinigten Staaten ein Mustcrland seien. In Wirklichkeit kennt er aber daS Land selbst gar nicht. Er weiß nicht, daß diese Gesetze ost nur dazu da sind, um umgangen oder ignoriert zu werden. Er weiß isicht, inwiefern diese Statistiken genau, sa glaubwürdig sind. Die bekannteste Form der Nichtachtung der Gesetze sind daS Lynchen und der politische Mrnchelmord: beide sind in der letzten Zeil auch in der deutschen Presse genügend behandelt worden und bedürsrn hier deshalb nur der Erwähnung Richter Lynch arbeitet heute nicht nur mit großer Prompt heit in den Südstaaten, sondern auch in den größeren Städten des Norden», »nd selbst in New Kork ist der Nus: „Lvnckn I ihn!" schon vernommen worden Wenn inan aber selbst ge- I neiat ist, das Walten de4 Richter» Lynch, wenn auch nichi I zu entschuldiaen, so doch aus den Verhältnissen herau- milder pflegt. Nm ssen, daß die veulschrr Keich. Leipzig, Z. April. * Der Kaiser in tzrcfeli». Während des gestrigen Vor mittags trafen aus verschiede«»!, Richtungen zahlreiche Extra züge mit Kriegervereinen und anderen Vereinen hier ein und wurden auf dem Babnbose von ihr,« Kameraden adqeholt. Ein« überaus zahlreiche Menschmmeu» dielt dir Feltstraße zu briven Scuen besetz!. Auswärtige und C,efelver Vereine sowie mihreir lausen» diesige und au-wä.ll,z« Schulkind» zu beurteilen, so fehlt uns doch jede» PerständniS für jene weitere Erscheinung der Selbsthilfe, die die letzte fkonse- quenz der Irrlehren vom Segen individueller Freiheit »nd Gleichheit bedeutet. Oder ist es nicht etwa der Geist der Anarchie, wenn die Farmer in b^nsas, denen es an^Feld- arbeitern fehlt, einen Bahnzua überfallen, ihn -um Stellen bringen und die Insassen in ihre Dienste pressen? In der Union sand man dieses Verfahren lzöchst praktisch und un gemein „»mark'. Höchst erbauliche Zustände herrschten vor kurzem in Ko lorado, wo sich die „Unions" bereits die politische Herrschaft gesichert hatten. Jahrelang dauerte dort der Achtstunden krieg. Seine Ursache war des amerikanischen Arbeiter» tra ditionelle Forderung: wehr Lobn und dafür kürzere Ar beitszeit! Der Bergwerkstaat Aolorado glich lange Zeit einem Kriegsschauplatz, die Zechen wurden mit Dynamit ge sprengt, Scharmützel zwischen Arbeitern und Arbeitswilligen wurden geliefert, bei denen bis zu 50 Tote auf der Wm>l- tatt liegen geblieben sind. Mer da Demokraten wie Re- mblikaner seit einem Jahrzehnt um die Stimmen der Ar- >eiter buhlten, so fand die Regierung weder den Mut, ge nügende TruvpeudetachcmentS auf den Kriegsschauplatz zu schicken, noch die Energie, die entsandten Truppen eingreifen zu lassen. , DaS Wort Freiheit, das der amerikanischen Jugend stet gepredigt wird, zeitigt die wunderbarsten und traurigsten Folgen, die eine weitere Wirkung auf die amerikanische Zucht ausüben. Streikende Schuljugend ist gerade nichts seltenes, und erst kürzlich ist der Fall vorgekommen (in Sullivan, In diana), daß sogar einige Schülerinnen und ein Junge ihre Lehrerin gefesselt zwei Stunden lang in daS eisige Wasser des Teiches setzten. Respekt gegen Erwachsene ist eben dem echten Jungamerikaner ein unbekannter Begriff. Dadurch wird cs dann erklärlich, wenn man über die militärische Disziplin indcn Vereinigten Staaten folgenden Bericht liest von den 5231 Soldaten, die vor einem Kriegsgericht standen: Zur Ausstoßung aus der Armee wurden im verflossenen Fiskaljahre 2700 Mann verurteilt, darunter 1111 wegen Fahnenflucht; 917 wurden wegen Absentierung ohne Urlaub bestraft, 363 wegen Diebstahls, 608 wegen Ungehorsams, 347 wegen Fortblcibens von den Ucbungen, 287 wegen Betrunken heit im Dienst, 187 wegen Schlafens auf Posten usw. Aus dem Bericht des Marineministers erfährt man, daß bei der Flotte im vergangenen Jahr 12!4 Prozent, also rin Achtel der gesamten Mannschaft, desertiert seien; das sind recht bedenkliche Zeichen für die Disziplin der amerikanischen Truppen. Da das reguläre Heer der Vereinigten Staaten aus rund 55 000 Mann besteht, so ersieht Wan ans obigem Bericht, daß ungefähr jeder 10. Soldat vor einem Kriegs gericht gestoben hat, während per der Flotte (ich das Ver hältnis noch ungünstiger stellt. Vor allem fällt einem die ungeheure Zahl der Desertionen in Heer und Flotte auf; ferner die 84. Abseütierungen ohne Urlaub, die doch recht bedenklicher Art gewesen sein müssen, da sie nicht mit ein fachem Arrest, wie man sonst wohl Urlaubsüberschreitungen abgetan, sondern oon einem Kriegsgericht abgeurtcilt wurden. Die 608 Fälle wegen Ungehorsams, die 347 Fälle wegen Fort bleibens von den Uebungen geben auch zu denken. Eine ganze Reihe Offiziere ist in der letzten Zeit vom Kriegsgericht aus der Armee entfernt, wegen Unterschlagung, wegen Trunken heit im Dienst, wegen Betragen», das gegen die Ordnung der Disziplin verstößt, oder wegen „oonckuot uuksooiinnpr »n okkioivr »iick a -xeartlsmnri". 33 Leutnants haben im Laufe des Jahres einen Abschied in mehr oder weniger frei williger Weise erhalten, und in 11 Fällen war es, was man in Deutschland „schlichten Abschied" zu nennen vflegt. Um diese Ziffern zu würdigen, darf man nicht vergessen, daß die ganze amerikanische Armee nur gegen 3800 Offiziere hat. Schlimme Dinge über die Beamtenwirtschaft in den Ver einigten Staaten zu vernehmen, ist man seit lange gewöhnt. Bunoesbeamte, Staatsbeamte, Kommunalbeamte wetteifern förmlich miteinander in Käuflichkeit und Spitzbüberei, wie sie nicht ärger gedacht werden können. Das letzte Jahr aber scheint sämtliche Vorgänger in bezu< auf Korruption Über boten zu haben. Am meisten Aufsehen hat wob der Post skandal hervorgerufen, der einen so ungeheuren Umfang an genommen hat, daß selbst die Botschaft des Präsidenten fttoosevelt sich ganz rücksichtslos über die Unterschlagungen im Postdienst aussprach und mit scharfen Worten die Vor- gänge in jenen dunklen Regionen geißelte, in die ein ameri- kansicher Staatsmann sonst nicht leicht hineinzuleuchten wagt. Aus der anaestellten Untersuchung, ine der oberste Beamte rm Postdienst. Generalpostmeister Henry Panne, anstrengte und energisch durchführtc, entsprangen 44 Anklagen gegen 31 Per- onen. Fast jedes Departement war durchseucht'am schlimm- ten trieb es August W. Machen in seinem Ressort. Er er- >öhte die Miete der in seinem Departement benutzten Räum- ichkeiten für Zweigpostämter. Die Vermieter waren dank rare Leute. . . . Die Firma George D. Lamb in New Haven, Connecticut, die in weniger als 10 Jahren 1 Million Lederriemen für Briefträger lieferte (!), mußte Htr jeden Riemen 2!4i Cents an Machen abführen. Für Patentorief- kastenhaltcr, deren Herstellungskosten kaum 25 Cents be tragen, zahlte die Postverwaltung jahrelang 1,50 Dollar-. An die Lieferanten der Patentkalter wurden in acht Jahren 128 651 Dollars ausgezahlt, jedoch mußten an Machen und einen Zwischenmann namenS Lorey von dieser Summe 51 460 Dollars als Provision abgegeben werden. Geradezu toll trieb cs Machen bei dem Ansireichen der Briefkasten. Er zwana die Postmeister in entfernteren Städten, die Bries- kästen alle von einem gewissen John T. Clipper in Lock Haven Pa. anstrcichen zu lassen, selbst wenn die ortsansässi- gen Stellen sich erboten, die Arbeiten zum dritten Teil dcS von Cupper geforderten Preises zu verrichten. Lorey nnd seine Genossen erkiesten oon Cupper in 5 Jahren nachge wiesenermaßen 20000 Dollar- an Sundenlohn. Man könnte alle diese Fälle noch um ein Vielfaches vermehren Man könnte erinnern an die in den letzten Wochen und Monaten enthüllte Korruption im Versicherungswesen, an Tainmanh, an die skandalösen Zustände im Indianerterritorium usw. usw Jedenfalls dürsten aber auch schon die wenigen Bei spiele genügen, um darzutun, wie wenig die bei uns vielfach üblichen Lobpreisungen Amerikas und amerikanischer Zu stande mit den tatsächlichen Verhältnissen in Einklang stehen. bildeten Spalier. Punkt 12 V, Uhr kündeten Kanonenschüsse die Ankunft de» kaiserlichen Sonderzuge- an. Nachdem der Kaiser zu Pferde gestiegen war, galoppierte er zu dem aus einer Wiese aufgestellten Husaren-Rrgiment Nr. 11, dessen 1. Eskadron Paradeuniform angelegt hatte, während die übrigen Eskavronö feldmarschmäßig ausgerüstet waren. Der Kaiser ritt die Front ab und setzt« sich, gefolgt von einem Ltibgendarm, mit der Kaiserstandarte an die Spitze des Regiments, um cS durch die etwa 5 km lange Feststraße in die Stadt «inzusühren. An der Ecke des Ostwalles und der Nheinstraße waren zu beiden Seiten Tribünen errichtet. Der Oberprästdent der Rheiuprovinz, Flhr. v. Schorlemer-Lieser, begrüßte den Kaiser, worauf die Tochter de- Oberbürgermeisters der Stadt, Fräulein Ilse Oehler, vortrat und ein Willkommgedicht sprach. Dann Überreichte sie dem Kaiser einen Blumenstrauß. Der Kaiser reichte der jungen Dame die Hand und dankte ihr mit freundlichen Worten. Hierauf hielt der Oberbürgermeister Oehler, dem der Kaiser die Anlegung der Goldenen AmtS- lettc gestattet hatte, eine Begrüßungsansprache. Er erinnerte an den Besuch des Kaiser- im Jahre 1902, an dem der Kaiser in Aussicht gestellt hatte, daß Creseld Garnison er halten sollte, an die am Tage danach erfolgte Benachrichtigung von der Verlegung des Husaren-Regiments nach Crefelb und an die Freude der Bevölkerung über dies« Kunde. Drr Redner brachte den freudigen Dank drr Bevölkerung dafür zum Ausdruck, daß der Kaiser selbst da« Regiment hier ein- zusühren die Gnade habe, und hieß das Regiment willkommen mit dem Wunsche, daß eS seine neue Heimat lieb gewinnen werde. Er betonte, welche Auszeichnung dem Regimente dadurch zuteil geworben sei, daß der Kaiser selbst die Ein führung vornehme, und schloß mit einem Hoch auf den Kaiser. Dieser reichte hierauf dem Oberpräsideule» die Hand und dankte ihm mit huldvollen Worten, wobei er betonte, daß da- Regimen! einen so glänzenden Einzug bekommen habe, al- wenn eS von einem Kriege siegreich heimgekehrt wäre. Zum Schluffe sagte der Kaiser, er habe der Stadt Crefeld sein Wort gegeben und er halte sein Wort. Dabei erhob sich lauter Jubel. Unter den begeisterten Zurnfen der Bevölke rung ritt der Kaiser an der Stütze des Regiments die Fest straße entlang zum Friedrichs-Platze, wo ein Kinderchor von 1400 Schulkindern unter der Leitung des Königlichen Musik direktors Müller-Reuther die zwei Lieder «Freude, schöner Götterfunken" und „Frisch auf, Kameraden, auf- Pferd, auf» Pferd* saug. Der Kaiser dankt» freundlichst und ritt dann zur Kaserne, wo die Uebergabr der Gebäude durch den Ober bürgermeister Dr. Oehler erfolgt«. * Die Landflucht der Landarbeiter wird im April heft der „Deutschen Monatsschrift" von Elisabeth von Oertzen, einer Frau, die ihr ganzes Leben auf dem Lande zubrachte, aus intensiver Beobachtung heraus in sehr beherzigender Weise erörtert. Weniger Lohnfrage und Vergnügungssucht sind nach der Ueberzeugung der Verfasserin die ausschlaggebenden Gründe für die Ab wanderung der ländlichen Arbeiter in die Stadt, als der Umstand, daß der Landarbeiter jahraus, jahrein, Sonn tag wie Alltag, auf dem Dorfe als die unterste Stufe der Bevölkerung überall sich behandelt sieht: in der Kirche und beim Tanze, auf Familien- und Schützenfesten, im Gasthause und in der Gemeindeverwaltung. Kein öffent liches Amt wird vom Tagelöhner bekleidet, fast keinem Verein gehört er an, keine wesentliche Verbesserung steht für ihn oder seine Kinder in Aussicht. Dazu kommt, dass er sein Dasein unter steter Beobachtung zubringt: der Mann, der gesessen hat, die Frau, die in ihrer Jugend liederlich war, werden ihre Vergangenheit nie wieder los. Und nicht allein die eigenen Standesgenossen sind gut orientiert, auch der Gutsherr, der Pastor usw. wissen ganz genau Bescheid, überall macht sich eine drückende Kontrolle fühlbar. Vom einstigen patriarchalischen Ver hältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeiter sind eben überwiegend nur die Fesseln und die Demütigungen dcS engen ländlichen Zusammenlebens übrig geblieben; die Aequivalenz dafür fehlt mehr nnd mehr und darum wird dem ländlichen Tagelöhner das Leben unbefrie digend. Hier muß eingesetzt werden, um Versäumtes nachzuholen. Es gilt, dem ländlichen Tagelöhncrstande ein gewisses Standesbewußtsein zu verleihen, seine Lebenshaltung in Wohnung, Kleidung, Vergnügen, Bildung zu bessern. Dazu bedarf es des Zusammen schlusses aller Gebildeten auf dem Lande, namentlich auch der weiblichen Kräfte. Auf welchen Wegen vorzn gehen sei, zeigt der „Deutsche Verein für ländlickie Wohl fahrts- und Heimatspflege" (Heinrich Sobnrey), dessen Bestrebungen leider sowohl von den einzelnen Guts besitzern wie von den landwirtschaftlichen Vereinen bis her viel zu wenig unterstützt worden sind. 6. verbrauch-a-nahmc bei einigen VolkSnahrnnnS- «tttteln. Soweit sich die Bewegung dcS Konsums im Jahre 1908 ziffernmäßig verfolgen läßt, ergib» sich eine zwiespältige Tendenz: Der Verbrauch von industriellen Rob- Und Fertig erzeugnissen hat im Jahre 1905 eine Zunahme erfahren. Während der Verbrauch von Nabrungs- und Genusimiitrln zurückgegangen oder aber dem Bevöllerung-zuwack« nicht entsprechend gewachsen ist. DaS ist schon de» öfteren für den Fleischvcrbrauck feffgestellt uuv geht anch au- den Brr- brauchsberecknungen sür einige wichtige Nahrung«- und Ge- mrßmitteln hervor, die Deutschland vom AnSlande beziehen muß. Da- sind hauptsächlich Kaffe«, Reis, Herinae nnd Düdfrückite. Seit 1900 wurde ebenso wenig Kaffee ton- smniert wie im Vorjahre. Damals ließ sich eine BerbrauchS- eioschränkuag eher erklären, da infolge der wirtschastlichrn Krise nnd de- dadurch bedingten Mindereinkommens im Hau-balt gespart werden muß. Da der Kaffe,preis aber ick letzte» Jahre keine Erhöhung erfuhr, so zeigt sich in dem Mindcrverbiauch bei Kaffer deutlich die Wirkung der Verteuerung bei ein heimischen Nahrungsmitteln. Ank den Kops der Bcvk'sernug kamen im Jahre 1908 nnr 2,90 kg roher Kaffee gegen 3,00 im Jahre 1901. Einen oock stärkeren Rückgang al« der Kafferkonsum erfuhr der Verbrauch von gesalzenen Heringen in Deutschland, di« überwiegend vom .Au-lanke bezoaen l werden. Im letzten Jakre war der Verbrauch von Heringm I geringer al- in irgeuv eine»! Jahre leit 190«' uuv 'eltü I niedriger »iS in drr Periode 1886—1898. Drr Gesamt-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite