Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.02.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190802167
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19080216
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19080216
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1908
- Monat1908-02
- Tag1908-02-16
- Monat1908-02
- Jahr1908
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
D. 48. Morgen-Ausgabe 8. MxzMrTagMaü Handelszeitung. Amtsblatt -es Nates ««- -es N-kizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-Pi ett s>« «« „d a«««»««, St» 8«!v«IInu » Vi-, stna»i,ai< so M„ n«a«»»» 1m. r »K -ulwtn« M Bi.. «IN«»» ».so Mi *»»U»«I,ndS0VI., Smin». In^<««i>7S W.. »irN«in«> llv vi Anl«r«,». »«d»»« t««»Mani IkN«» V«l-«»,-badr d«. qki. iS»». «dü»r o^«an»an»ri«eii «» b«-r,u,«? Stell-«» Br«i« «rdähi. >«bat» n«a l-rO. F-Orrteilt» ilolrrta« U»»<« -ich« »urück- ß«»oge» »«»«». A», da« LUchttn«, «» las,«» IM» VIL»«I> wir» krt-u Garantie Ldrrnommen «njet^A-Nnimd»«, Nu<ri«»<vl»tz S, b«i ILmtlicha» FUiolra u. allen Annoncen Gindin»« de« In» «ad » illaade«. -«»»r.Mlvtle verlw, T»rl L»nck„, Hevl. Vase, -osduch- tzandlanz. Llltzoioftrade lv. «elevtz.» V/, «L «SA). Sonntag 16. Februar 1908. 182. Jahrgang nr Da» wichtigste vonr Lage. - Die Ostmarkenkommission deS Herrenhauses nahm definitiv in der - weiten Lesung mit 14 gegen 11 Stimmen die Ostmartenvorlage nach ihren Beschlüssen in der erste« Lesung an. lS. Letzte Dep.) * Die Lehrer der beiden Münchner Hochschulen rich ¬ teten eiue Sympathieadresse an Professor Schnitzer. lS. Dschts. R.j * Durch einen Brand im Fernsprechsaal deS Leipziger Hauptpostamtes wurde gestern abend auf mehrere Stunden der Fernsprechverkehr erschwert. lS. Lpzg Ang.) * Der Gcgensulian Muley Hafid hat an das diplomatische Korps in Tanger einen Protest gegen die Einmischung fremder Mächte in die innermarokkanischen Angelegenheiten gerichtet. lS. Ausl.) * Nunmehr hat auch die ungarische Delegation den Okku pationskredit genehmigt und ihre Vorlagen anfgearbcitet. mlichen Drucke, Venn er Bekenner und Drückeberger. Hoch klingt daS Lied vom braven Mann, dem Lehrer der katholischen Dogmengeschichte und Pädagogik an der Münchner Universität Schnitzer, der nicht nur ein Professor, sondern auch ein Konfessor, nicht nur ein Kenner, sondern ein Bekenner sein will. Zwar ob er stand haft bleiben wird, Weitz man noch nicht. Auch Schell verkündete einst seinen Zuhörern die Botschaft von der Treue gegen sich selbst und gegen die eigene Ueberzengnng, und wenige Tage darauf harte er sich unter- W'as im Jahre 1907 geschehen ist, bleibt beschämend für uns alle. Im ersten Teile des Jahres schien die Flut der freiheitlichen Bewegung innerhalb deS Katholizismus säst noch im Steigen. Der Würzburger Katholikentag brachte neben der Auslegung des Präsidenten Fehrenbach, dcß der Forscher zivar forscher» dürfe, daß aber das Lehramt zu entscheiden habe, doch auch noch manche freiheitliche Kundgebungen. Drum aber kam das Nundschreiben des Papstes gegen die Modernisten. Run mag in mancher« stillen Gelehrtenzimmer von Straßburg, München, Würzburg und Münster ein innerer Kampf entbrannt sein. Die „Reformkatho. lilen" werden emsig gesucht haben, ob die Enzyklika nicht Maschen ent halte, durch die man sein Gewissen hindurch ins Freie retten.könnt. So hat man denn gesagt, die dort verdammten 'Lehren seien eigentlich m Deutschland nicht vertreten; die Enzyklika richte sich eigentlich nur gegen italienische und französische Theologen. Das war eine trügerische Aus flucht. Aber man klammerte sich an die Ausflucht, um in sich den Wahn aufrecht zu erhalten die neuen Bahnen zum Fortschritt, zur Wahrheit, zur Versöhnung von Kultnr und Kirche weiter wandeln zu können. Daß es ein Wahn war, werden die Reformkatholiken inzwischen wohl erkannt haben. Und nun ziemt es sich nicht mehr, vor dem Beschämenden der Situa tion das Gefühl zu verschließen. Im 20. Jahrhundert pariert ein Drittel der deutschen Bevölkerung noch immer auf einen Wink Rom-! Wie Rom gebeut, so geschieht es! Nicht in gleichgültigen Fragen, in Aenherlichkeiten, wird diese Gewalt geübt, sondern in den Kernfragen des Menschenlebens: den religiösen. .... . . , Und doch liegen auf der andern Seite die Drnae nicht so, daß wir nun in Ueoerhebung oder Mitleid auf die deutsche katholische Welt herabsehen dürfen. ES ist ganz richtig, wenn jetzt in liberalen Zeitungen offen ausgesprochen wird: wer von den Katholiken Freiheit uud Ueber- -euguug-treue wolle, der müsse die Kirche verlassen. Zu klar »st eS ge worden, daß dort nicht Freiheit herrscht, sondern Unterwerfung. DaS ist keine Beleidigung deS Kotholi-iSmu-, sondern eine der höchsten katho lischen Autorität folgende Wesevsbestimmuna. Aber ein gerechte-, voll ständiges Urteil über die Lage deS Katholizismus ist eS nicht, weil der Vergleich fehlt. Deshalb hat viele- von dem, waS über dir Nieder- werfuno deS Modernismus geschrieben wird, fast gar keinen Gesinnungs wert. Unsere katholischen Volksgenossen haben ein Recht darauf, daß wir unS bemühen, gegen ihr Verhalten und Legen ihre Zustände gerecht zu sein. Diese Gerechtigkeit sollte immer geübt werben. Sie macht sich ganz bestimmt belohnt. Und da ist die erste sieb aufdrängende Tatsache, daß der Ueber- zeugunaSzwang in seiner schärfsten Form nur gegen die Angestelltev derK»rche geübt wird. WaS die katholischen Kollegen deS Professor- Schnitzer auS den medizinischen, philosophischen oder juristischen Fakut- täten sagen, kümmert Rom nicht »n gleichem Grade. Die Redakteure der liberale» Zeitungen, die Satiriker deS „SimplizissimuS" und deS „Kladderadatsch" können Katholiken sein — die läßt die Kirche un behelligt. Sie haben fast dieselbe Freiheit wie die protestantische» Laien. Nur wer zur Beichte geht, setzt sich dort der Gefahr auS, daß.ihm d»e Abso lution verweigert wird. Zwar kann durch Familie, durch soziale und wirt schaftliche Umstände, namentlich in engen Verhältnissen und auf dem Lande, ein Druck ausgeübt werden, aber der protestantische Laie unter steht nnter ähnlichen Verhältnissen einem ähnlichen Drucke, Venn er auch dem Grade nach schwächer sein mag. So muß eS der Protestant verstehen, wenn der katholische Laie namentlich der in einer Großstadt lebende, sich ziemlich ebenso frei fühlt wie der protestantische. Wenn man nun aber an den Kern der Sach« näher herangeht uud sich fragt, wie denn die Disziplin, die über die Kirchendiener euSaeübt wird, zu beurtellen sei, so w»rd man deS AnsprnchS, vorurteilslos zu sein, ledig, wenn man nicht zwei Tatsachen zugibt: daß auch dre protestantisch! Kirche diese Disziplin kennt und daß sie nicht ganz un sinnig ist. Man stochert nur von außen an diesen Dingen herum und dringt nicht in sie eia, wenn man da- nicht frank »nd frei anerkennt. Eine Gemeinschaft pflegt auf Satzungen aufgebaut zu sein, und dra Organen dieser Gemeinschaft wird zur Pflicht gemacht, diese Satzungen «inzuhalten. Die Behörden der großen protestantischen Landeskirchen stehen vielfach auf dem Standpunkte, daß die Bekenntnisschriften deS 16. Jahrhunderts zu den rechtsgültige« Satzungen der protestantischen Kirchengemeinschast gehören, und messe« daran den Glauben anaestellter oder anzustellender Pastoren. Die Katholiken könne» sich mit Recht auf di« Fälle Fischer, Römer, Cäsar berufen, «m zu beweisen, daß äuch die protestantische Kirche Glaubenönachprüfungen kennt. Luch di« -rote- stantischen Theologielebrer an den Universitäten sind okt unter di« Luve genommen worden, und mau hat der Orthodoxie vom Staat aus manche Konzessionen gemacht. Luch die Synaaoae kennt die GlaubenSdisziplin. Und dir frei religiösen oder monistischen Gemeinschaften — werden sie sich im Srinzip anders verhalte»? Werden sie eine, »Sprecher" odrr Prediger ruhig gewähren lasse«, der sich von monistischen — sagen vir einmal: zu ortho- dox-kacholischen Gla»ben San sichten fortentwiaelt hat? Die Voraus- setzona der Bestallung d«D Sprechers war seine llebereinstimmung mit den Grundanschaunngen der Gemeind«; fällt diese liebereinstimwuug weg, so kann und muß unter Umständen eine Revision deS Verhältnisses vorgenommen werden. Dazu kommt, daß die beiden großen Kirchen, die protestantische und die katholische, mit ihren Wurzeln an geheimnisvolle Lebensnerven des deutschen Volkes rühren. Deshalb ist da- Interesse an Vorgängen in diesen Kirchen viel größer als bei den anderen kleinen religiösen Ge meinschaften. Und vor allem darf nicht die enge Verbindung dieser beiden großen Kirchengemeinschaftrn mit dem Staat vergessen werden. Der ganze Staatsapparat ruft zur Kirche, und diese Rufe verhallen nicht unaehört; sie erreichen zum großen Teil ihren Zweck. Daher erichüttern ernste Ereignisse in den Kirchen das Staatslebrn und Staatswesen bis in die Grundfesten. Das wäre nicht der Fall, wenn die Lkirchey freiwillige Organisationen wären . wie die freireligiösen Gemeinden oder die monistischen Vereine. Immer und immer wieder wird wohl der Gedanke auftauchen, um die Erschütte rungen und den Zwiespalt der feindlichen Staatskirchen sder Kürze wegen . sei dieser Ausdruck gestattet) zu beseitigen oder wenigstens nicht auf den Bestand deS Staates übcrareisen zu lassen, die Kirchen organisatorisch auf den Fuß freiwilliger Organisationen zu stellen. In ähnliche Rich tung weist der früher von Prof. Hans Desbrück gegebene Rat, den Er eignisse« auf katholisch-klerikaler Seite nicht zu viel Beachtung zu schenken. ES steckt zweifellos etwas Richtige- darin. Manche Heroen unserer Geisteskultur würden ihrem inneren Wesen nach wohl der Meinung znneigen. daß es unwürdig freier Geister sei, sich darum zu kümmern, was in den mehr oder weniger rückständigen Fakultäten einer rückständigen Kirche gelehrt oder nicht gelehrt wird. Aber jene hochgemute Auffassung hat eine andere Staatsauffassung zur Voraussetzung, als wir beute haben. Sie konnte wohl am besten im Schatten deS aufgeklärten Absolutismus gedeihen, in einer Zeit, wo die höchste BildungSfchicht zugleich die herrschende Klasse war oder umgekehn die Herrschenden mit der höchsten Bildung durchtränkt waren. DaS ,st durch die Entwicklung zu demokratischeren Staatsgebilden ander- geworden. Die katholische Kirche als Volksmacht hat durch den demokratischen Ausbau deS Staates außerordentlich viel an Macht ge- Wonnen. DaS allgemeine Stimmrecht ist in Deutschland eine Stütze deS KlerikaliSmuS geworden. Es ist daS Bleigewicht geworden, das sich an den deutschen GeisieSflug hängt; diese Nebenwirkung müssen die Freunde deS allgemeinen gleichen Wahlrechts rundweg zugestehcn; sie müssen um so mehr Aufllärungsarbeit von sich aus leisten. Wir wollen einstweilen versuchen, den geistigen Maßstab der Goetheschen Zeit auch für die Beurteilung des 19. und 20. Jahrhunderts festzuhalte». Unter diesem Maßstabe kann, wir wiederholen es, das LebeuSwerk von Schell in Würzburg und daS bisherige Werk von Schnitzer in München nicht als Großtat erscheinen. Aber doch müssen vir unS «nh al« Einzelpersonen hüten, auf diese Männer herabzusehen. Wer von uns hat ö'oisticheS auf sich genommen? Wer von unS hat in GewiksenSfrage» aekampft gegen Umgebung, gegen gut« Freunde, getreu« Nachbarn und desgleichen, dazu gegen eine gehäistge Oeksentkichkeit? Wir wollen die katholischen Bekenner achten, denn da- üene Deutsche.Reich ist n i cht rS i ch an Bskenncru.' Es ift daS eine eigentümliche Erscheinung: eS reißt sich heute nicht gern einer auS der Gemeinschaft, in die er gestellt 'ist. DaS soziale Empfinden scheint das individuelle Bewußtsein, ja sogar das Gewissen M übertönen.. Die Unbequemlichkeit und die Aufregung, die mit dem Kampf gegen alte überkommene Institutionen verbunden sind, werden gescheut. Und dabei find die Unbequemlichkeiten gar nicht besonders groß. Ist etwa Professor Schnitzer in München bisher zum Märtyrer geworden? Märtyrer ist doch wohl etwas anderes. Um seiner Ueberzeugung willen daS zu werden, waS man früher Märtyrer nannte, ist heute schwer. Stände Tod und Gefangenschaft auf Ueberzeugunas» und Gewissenstrcue — wir dürsm glauben, die Blutzeugen würden nch drängen, wie den Zeiten deS ersten Christentums und der Reformation. ES gibt Leute, die, wenn ein kühles Lüfter! weht, ängstlich den Mantel kragen aufschlagen, um sich nicht zu erkälten, und die doch im Kugel- r«en eine völlige Nichtachtung ihre- LebrnS zeigen. Diese Eigentüm lichkeit scheint sehr vielen der modernen Menschen rm Blut zu liegen. Her* Bueck «nd di« Arbeitgeberverband«. Sollen Arbeitgeberverbände unter sich in der Gew nnung von Mitgliedern konkurrieren? Zur Beantwortung dieser Frage wird uns au- industriellen Kreisen geschrieben: Die Frage wirft sich auf angesichts der von Herrn Bueck, dem Geschäftsführer der Hauptstelle deutscher Arbeit geberverbände, gegen die OrgaaisationSbestreduugea anderer der Haupt stelle nicht angeschloffeuer verbände neuerdings geführten Kämpfe. Auf den ersten Blick möchte man die Frage in verneinendem Sinn« beant worten. Denn die Einigkeit unter den Arbeitgeberverbänden muß für die Arbeiterklasse al- unerläßlich uud unantastbar angesehen werden. Dieser Standpunkt ist bisher auch zwischen den einzelnen Arbeit- geberverbäuden als maßgebend betrachtet worden. Herr Bueck bat diesen Standpunkt verlassen. Als zum Beispiel die deutsche Glasindustrie sich zu einem einzigen großen Arbeitgeberbund zu- sammeaschließea wollte, hat er die darauf gerichteten Bestrebungen be kämpft. Und neuerdings glaubt er die Bemühungen einer großen sächsischen Arbeitgebervereiaiaung, alle die vielen bisher un organisiert gebliebenen kleine« Industriezweige zu organisieren, vom reinen Koukurrenienstaudpuukt au- behandeln und bekämpfen zu müssen. E- wird hierdurch die Frage aufgerollt, ob die bisherige vornebme Zurückhaltung der angegriffen«« Arbeitgeberverbände wirklich am Platze ist. Der Kampf des Herrn Bueck wird nur verständlich, wenn man erkennt, daß sich im Laufe der laugen Zeit, in der ihm die Vertretung der Interessen der deutsche» Industrie anvertraut war, in ibm die lieber- reugnng herausgebildet ha», daß diese Vertretung ausschließlich sein Privileg wäre. Mit einer unzugänglichen Hartnäckigkeit, die neue Gesichts punkte und neue Bestrebungen a«t von alterSher vertrautem Gebiete, auf der sie unter anderen Verhältnissen Erfolge errielt hat, nicht gelten lass« will, sucht Herr Bueck sein vermeintliches Privileg zu wahre». In der Zeit, in der Herr Bueck bei der Vertretung der Interessen der deutsche» Industriell« kein« Mann von Bedeutung «eben fit fab, ist «S der deutsch« Arbeiteifchast ohne irgendwelche nennenswerte Gegenwehr der Industriellen gelungen, in d« Geweikschaften eiue Organisation an-zubaue», die mit ihrer ÄabreSeianähme von 4b Millionen Mark jede Organisation der deutschen Arbeitgeber weit t» d« Schatten stellt. Hier ist nun die Frage berechtigt, ob dies« Tatsache möglich gewesen wäre, w«» an der Spitze der stärksten Organisation der deutschen Industriellen ein Mau, gestanden hätte, der di« Sachlage mit richtigem Blick sosort erkannt und darnach gehandelt hätte. Dem mag «na sei«, wie ibm wolle: klar liegt «S jedenfalls, daß «in Man», de« eine richtige StellunguLhme zu der Arbeiterfrage auS eigener Initiative nicht gelangen ist, nicht de» Anspruch an di« deutsch« Arbeitgeber'chaft stell« kann, ihr Heil einzig «nd allei» ihm antuver- trau«. Der bemerkenswerteste Unterschied zwischen den Arbeitgeber verbänden alt« Stils, wie sie sich vielfach in den von Herr» Bueck geleitete» Zeniralyerband deutscher Industrieller charakterisieren, und d« «oder»« Arbeitgeberverbänden besteht vornehmlich darin, daß bei ersteren die Spitze, welche von einigen angesehenen, meist auch einer .früheren Epoche angehörende» Männern gebildet wird, saft ohne Zusammenhang mit dem abseits stehenden Kreise der Mit glieder bleibt, während in den anderen vornehmlich ra» Gefühl der Solidarität in beständigem, engstem Zusammen- arbeit« aller Mitglieder gepflegt und gestärkt wird. Nur von der gekennzeichneten Verfassung der dem Zentralverband angeschlosse- ne« Verbände aus wird eS beispielsweise erklärlich, daß Herr Bueck — doch sicher im Gegensatz von neun Zehntel der von ihm vertretenen Industriellen — seinen betannten, den Koionialsyndikaten günstigen Stand punkt in der Kohlensrage einnehmen lann. Und noch eins! Herr Bueck ist bekanntlich Syndikus deS Kartell» der FeuerversicheruogSgesrllschaften, unter dessen Macht die von den dagegen ohnmächtig« Industriellen zu zahlreichen Prämien unaufhörlich in die Höhe geschraubt worden sind. Die Versicherungsgesellschaften haben durch die kluge, dabei jedenfalls mit großen Opfern verbundene Wahl deS Herrn Bueck, de» hauptsächlichsten Vertreter» der Interessen der deutschen Industriellen, den Beweis der vorzüglichsten Taktik geliefert. Aber man muß sich fragen, würde eine solche Kurzsichtigkeit, wie sie dabei die dem Zentral- verbaod deutscher Industrieller angeschlosseuen Verbände zeigen müssen, in einem modernen Verbaode auch nur denkbar sein? Mit verblüffender Deutlichkeit tritt hier zutage, daß die Mitglieder jener Verbände ent weder in völliger Unkenntnis der Zwitterstellung de» Geschäftsführer« de» Zrntralverbande» oder ohne jeden Einfluß auf ihn sind. Die dentiche Arbeitzeberschaft kann aber jetzt nur dann den schweren Kampf gegen ihre mächtige» Gegner erfolgreich führen, wenn sie gleich ander« Berufsständen die Bestimmung ihrer Geschicke selbst in die Hand nimmt, wie dies in den von Herrn Bueck bekämpften Verbänden der Fall ist. Von diesem Gesichtspunkte au» würde e» nur freudig zu begrüßen sein, wenn auch die auf moderner Grunelage errichteten Arbeitgeberverbände au» ihrer bisherigen Zarückhaltung bervorträten und ihren den neuzeitlichen Verhältnissen und Bedürfnissen augepaßteu Bestrebungen, Mitglieder auf Kosten der veralteten Ver bände znfiihrten. ,ie uno niumcnipieie, oocy oie ^.ou- t nur an den Tdcaterball denken, den die nun schon Jahr um Jahr im zu übermüttgcn > in ... da. l — ich möchte eS „Er- sich ein Haus, aus dessen ">tze herausschauen. Und mal M Straßemtreibeu Kölns, gych der a abep-man mus ' ' " berichte die Ss_ schlagsäulen werfr», g» wre man jetzt in Berlin und was alles tanzt. Auf Halensee muß man ni^ nic^ , den, das gam Bälle. Berlin, 14. Februar. Plakatträger in bunten Trachten und mit ungeheuren Tafeln, gro- teske Renaissancefiguren mit Kniehosen und Riesenhüten, die nichb stil echt sind, gehen in diesen Tagen durch die Stadt, stehen in den offenen rflügel« aller Ballrestemrant-, lachen mit maschiniertem Lachet« en Passant»» an, unter dessen Paletot sie einen Frack vermuten, und bne« eindringlich, daß das junge Jahr jetzt ein paar Wochen lang Scherzen geneigt ist. Berlin hat nicht da- laute, karnevalistische ausgelassene Trubel Münchens fehlt, ß nur einmal eine« Blick in die Zeitunyen, wo die Ball- ipalten beherrschen, auf die unabsehbaren Anzeigen ckr An- . , Zersen, um beiläufig zu ermessen, wo man jetzt in Berlin, wre man jetzt in Betlin und was alles tanzt. Auf Halensee muß man nicht besonders Rücksicht nehmen: dort tanzen die kleinen Mädchen, die nicht immer süß sind, aber doch immer die Kavaliere eines Abends fin den. das ganze Jahr. Man hat dort SommerbLÜe, wie Winterdälle — höchstens, baß der Fasching den Eifer nur noch ein wenig erhöht. Aber die ganze Stadt haben die Harlekinaden jetzt gepackt. Dre vornehmen, intimen Hausbälle lösen die großen Bälle der Repräsentation ab, die großen Balle verblassen hinter den Maskeraden. Ünd man schafft sich kostbare Dominos an, um wohltätig zu sein, wie man ja auch auf ge wöhnliche Art tanzt, um human zu wirken: nur die Ehrlichen, die nichts weiter wollen als ihren Jux, laufen -um Maskenverleiher und pumpen für ein paar Groschen ein Grandsergneurkostüm unmöglicher Farben, Zuckerhutbarett und Gesichtsvermummung mit Habichtsnase, womit man sicherlich der Donna im Vorstadtdrehsaal imponieren wird, noch ehe man sie zu Weiße, Bock und Stulle lädt ... Die feinen Leute machen keinen Radau. Man trifft sie auf Re douten. Einmal Hai in Wien — das ist schon lange her, singt Mynheer van Bett — die alte Pauline Metternich, der frsr'uitigen Eugern: Freundin, die in Paris als Gamin auf den Omnibus stieg, dann die Festivität an der Donau wieder aufnahm und jetzt Palma Vecchios Frauenreize nicht ohne Erröten in den Schaufenstern betrachten kann, einmal hat sie, als sie selbst noch viel betrachten lassen konnte, die blauen, dis roten und die weißen Redouten gebracht, die zu dem Pariser Gassen bubenruhm den gelassenen Patronessenehrgeiz fügten. Berlin kommt mit der Grazie immer ein wenig später: nun hat auch Berlin dir „weiße Re- doute", dir Redouten der Farben entdeckt. Und schon beginnen sie mit der gleichrn Hast, die überall das wilde Tempo dieser Riesenstadt zeigt, einander zu ragen. Nach der weißen Redoute, die Monsieur Zickel im .Lustspielhaus gab, folgt rasch die Revolutionsredoute der Sezession. Rot wird sie sein, rot wie einst das Blut, das der arme Capet mit eini gen Untertanen vergoß. Und die Ankündigung hält feder gern zunächst für das bekannte Tuch, daS gewisse Tiere zur Tollheit reizt. Wer aber näher zusieht, der bemerkt auf blutigem Grund das zierliche Fräulein Marianne, das zwischen Schwert und Fackel, mit dem Richtbeil in ein ladender Hand, Bürgern und Bürgerinnen durch den Wohlfahrtsaus- schuß verkündet, daß die „Schreckensherrschaft der Maler beginnt: Bür ger, Damen der Halle, stellenlose Napoleons, Dandies und Werdandys, Mit- und Obneholen, Pompadours, Marquisen und Rouleau;, Kritiker, Emporkömmlinge, Maria Antoinetten, Göttinnen der Vernunft und der Unterhaltung, Soldaten, Pointilisten, Van Göghs, Eözannisten, Emi- granten, Maltanten, Louis Seize, Jakobiner, Augustiner, Spatendräu, mit einem Wort Revolutionsbeflrssene: kommt alle und helft uns die Stange der Freiheit aufzupflanzen. Und man freut sich, vaß man nicht in Rußland lebt. Vielleicht könnte man von dort ganz richtig naäi Sibirien abmarschieren, nur weil man plötzlich mit dem roten Zettel erwischt würde, der mit den Reminiszenzen an das Blut des armen Capet und einiger Untertanen auf Späßchen deutet, die im heiligen Rußland keinen lachen lassen .. . Man liebt hier die Tollheit auf den Bällen. Lustig sind d»e Ge- pndebälle, emphatisch die Märchenfeste und Blumcnspiele, doch die Toll- beit dünkt unS häufiger. Man muß » ' kecken Ball der «bösen Buben", die nun Knabenanzug die Mädchen in den kurzen Kleidchen zu Übermut, Cancanaden führen. Oft schlagen Rutschbahnulk und Babyscherz minder kindliche Derbheit um. „Ein Karussell, eine Schießbude sind Und dann ein höchst merkwürdiges Unternehmen Ziehung zur Unhöflichkeit" nennen. Man denke si, sech» Fenstern Herren und Damen in Lebcnsgrö mau tritt vor daS Gebäude, bewaffnet sich nnt einem handlichen Balle uich wirft den vergnügten Herrschaften die Hüte vom Kopfe. Wenn man trifft, bekommt man noch einen Preis. Ich finde daS schauderhaft roh." . . . Findet der Zeitunaschroniqueur. Ich finde auch. Aber man soll keintm die Geschäfte, soll keinem daS Vergnügen stören. Und den beiden „bösen Bub« , Herrn Meinhard und Herrn Bernauer, die jetzt gar Tbegterdirektoren wurden, ist's mit all diesen Bällen sicherlich nicht Geschäft, ist - nur Vergnügen für die andern: man zahlt die „Bosen- Buben-Äelüste" mit einem Goldstück pro Kopf ... Man tanzt, man tanzt. Und die vornehmen Damen in Berlin IV., df« stets voll Würde und Gesittung sind, auch wenn sie nicht auf den Redouten gkLn-en, ersetzen tue Keckheit, die man schwer verschmerzt, durch einen Aufwand der Gefühle: sie legen die Seele in tue Berne. Sie werden Äesthenker «nd geben in den vielumworbenen Salon- Kostüm fest« und Maskeraden, von den« man spricht. Am Abend tanzen dann die Kommerzienräte, oie mittag- über Di-kont beraten, lqnzen die Re-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite