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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.08.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020830014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902083001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902083001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-08
- Tag1902-08-30
- Monat1902-08
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend Häher. — Gebühren für Mchweisungen und Offertenannahme L5 Lz (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), uur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesärderung 60.—, mit Postbefürderuug 70.—» Armahmeschluß für Anzeigen: Abeud-AuSgab«: vormittag» LS Uhr. Morgen-Aufgab«: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen find stet» au dw Expedition - -/zu richte». - - Die Expedition Ist Wochentag» uuuntexbrochm geöffnet von früh 8 bi» Abend« 7 Uhr. Druck nud Verlag von E. Polz in Leipzig. 96. Jahrgang. Frankreich und Siam. V. 8. Zwischen Frankreich und Siam hatten sich die Be ziehungen in Folge von Unruhen am Mekong-Flusse und einer gegensätzlichen Auslegung der bestehenden Vertrüge vor einiger Zeit derart zugespitzt, daß der Ausbruch eines Conflicts befürchtet wurde. Man hat sich aber schließlich so weit geeinigt, das; diplomatische Conferenzen zwischen den Vertretern anberaumt wurden, die den Streit jetzt schlichten sollen. Diese Konferenzen finden augenblick lich in Paris im Auswärtigen Amte statt, haben aber vor läufig nichts erreicht und dürften jedenfalls noch längere Zeit in Anspruch nehmen. Zum Delegtrten Siams ist der Viceminister des Innern Phya Sri Sahadbeb er nannt, Frankreich läßt, außer durch den Minister Del- casso, durch den Gesandten am Hofe zu Bangkok, Klobu- kowski, seine Interessen wahrnehmen. Der Streit ist, wie wir schon erwähnten, in Folge verschiedener Auffassung zweier Verträge entstanden, von denen der eine im Jahre 1888 zwischen Frankreich und Siam, der andere im Januar 1890 zwischen Frankreich und England geschlossen wurde. Auf Grund des Ab kommens vom Jahre 1893 hatte Frankreich das linke Ufer des Mekong-Flusses von Siam erhalten. Die Er werbung war nicht sonderlich werthvoll, aber sie erregte doch das Mißtrauen Englands, weil dieses hierin die Vorbereitung zur Gründung eines hinterindischcn Colonialreiches der Republik erblickte, das im Verein mit den Besitzungen Rußlands in Mittelasien Indien nicht ge ringe Gefahren bereiten konnte. Auf Englands Betreiben kam dann drei Jahre später ein neues Abkommen zu Stande, welches die Einflußsphären Frankreichs und Englands am Mekong nnd im Menamthale fcststcllte. Danach sollten das linke Ufer des Stromes und das Gebiet östlich vom Menamthale der Republik, der Westen des Menamthales dagegen den Briten zufallen. Es ist gewiß kein Zufall gewesen, sondern auf englische Machenschaften zurückzuführen, daß die Siamesen nach wie vor den Mekong als den Grenzfluß ihres Landes be trachteten und darnach handelten. Als westlich vom Flusse in Lnang Unruhenausbrachen, wurden siamesische Truppen dorthin entsandt, um die Ordnung wieder herzustcllcn. Der Generalgouverneur von Tonking aber erblickte in diesem Vorgehen eine Verletzung der Abmachungen des Jahres 1893 und stellte alsbald eine Truppenmacht den Siamesen gegenüber. Hieraus nun entwickelte sich der Streit. Die Fran zosen wünschten, um in Zukunft vor Einfällen Siams sicher zu sein, ihre Einflußsphäre zu befestigen, was die Siamesen nicht gestatten wollten. Sie wollen weiter eine Aenderung des Vertrages aus dem Jahre 1896, der ihnen die Hände völlig bindet und ihnen Lirect die Möglichkeit nimmt, die siamesischen Uebergriffe so zurückzuweisen, wie sie sich dazu für berechtigt halten. Siam mar nämlich in der Voraussetzung, daß die Republik ihren Truppen nnr bis an die Grenze des Menamthales folgen würde, immer rücksichtsloser vorgegangen, hatte zum Mekong seine Agenten gesandt und die Bewohner von Laos zur Abschüttelung der französischen Oberhoheit zu bewegen gesucht. Frankreich war aber auch nicht müßig. Es setzte sich in den Besitz der Hafenstadt Chantabnn, nm wenigstens eine gewisse Sicherheit für die Durchführung des Vertrages vom Jahre 1893 zu haben, und ließ vom Gesandten Klobukowski, der im Rufe eines energischen und umsichtigen Diplomaten steht, die Forderung wegen Abtretung der Provinz Luang Prabang erheben. Das sind übrigens lange nicht die einzigen Wünsche, welche die Franzosen auf der Conscrenz Siam gegenüber verlautbaren werden. Es ist die Rebe von der Er richtung französischer ConsulargcrichtSbarkeit für die aus Anam und Cambodja stammenden Bewohner Siams, von Erleichterung der Handelsbeziehungen Siams mit Jndochina, von Vermehrung der ausschließlich englischen Polizei, ebenfalls durch Personen aus Jndochina, Hnd noch von manchem Anderen sonst. Biel wirb auf den Verlauf der Conferenzen die Hal- tung -er Engländer und Japaner einwirken. Wir haben schon erwähnt, daß Siams Vorgehen zum Thcil auf die Engländer zurückzuführen war. Nicht minder ist Japan thätig gewesen, Siam gegen Frankreich aufzuwiegeln und sich selbst an die Stelle der Republik zu setzen. Das Jnselreich hat im Laufe der letzten Jahre bedeutende Fortschritte auf wirthschaftlichem Gebiete in dem hinter indischen Reiche gemacht und scheint auch politisch sich mehr und mehr in Bangkok zu befestigen. Es verlautet wenigstens, daß Verhandlungen wegen -es Eintritts japanischer Seeofficiere in die siamesische Marine schweben. Bewahrheitet sich dcks, so werden die Franzosen auch in Zukunft mit ernsten Schwierigkeiten rechnen müssen, mag bas Ergebniß der Conferenzen sonst so günstig wie möglich sein. Japan betrachtet Siam offenbar als ein Glied der großen asiatischen Völkerfamilte, die zu be herrschen cs sich berufen fühlt, von diesem Stanbpuncte wirb eS nicht avgchen, auch wenn ihm durch die bündigsten Verträge gegentheilige Verpflichtungen auferlegt werden. Vorläufig scheint es, als würde Frankreich aus den Conferenzen als Sieger hervorgehcn. SS heißt, -aß Eng land beruhigende Versicherungen nach Parts hat gelangen lassen; das würbe jedenfalls einen günstigen Einfluß auf die Siamesen ausüben und diese vermuthltch zur Nach giebigkeit bewegen. Ohne Englands Willen wirb man in Bangkok nichts unternehmen, was den Gegensatz ver schärfen und am Ende einen Conflict wachrnfen könnte. Auch Japan wird seine weitere Haltung in letzter Linie von der; Engländern abhängig machen. Aber die siame sische Frage wird deshalb noch nicht für immer ihre Er ledigung finden. Der augenblickliche Zustand ist nur eine Etappe im Wettstreit zwischen dem maritimen und dem continentalen Zwcibunde. Wenn es einmal zwischen beiden Gruppen zur letzten Auseinandersetzung kommt, so wird auch Siam hineingezogen, nnd dann wird cd auch entschieden werben, wer der wirkliche Herr in Bangkok wirb. Deutsches Reich. Berlin, 29. August. (D eu t s ch l a n d SS te l ln n g zuJtalienunddasWelfenthu nr.) Das welftzche Hauptvrgan sucht ein hämisches Vergnügen darin, den Eindruck der Anwesenheit des italienischen Königs auf deutschem Boden durch eine historische Reminiscenz zu trüben. Es erinnert nämlich an die Note des Grafen Schleinitz, preußischen Ministers des Auswärtigen, vom 13. October 1800' in der aus l e g i t i m i st i s ch e n G r u n - den das Mißfallen über die italienische Einheitsbewegung ausgesprochen wurde. Das Blatt fügt hinzu: huldigen noch heute der in dieser Note vertretenen Auf fassung und können uns darin auch nicht durch die jetzt üblichen Verbeugungen der Dreibunds genossen beirren lassen." Hier soll also der Anschein erweckt werden, als ob erst die Dreibundspolitik sich in Gegensatz zur Schleinitz'schen Note gestellt habe. Dem gegenüber ist festzustellen, daß schon im Sommer 1802, also IZ4 Jahre nach der Schleinitz'schen Note und lange Zeit nicht nur vor der Abschließung des Dreibundes, sondern auch vor dem Bündnisse mit Italien im Jahre 1800, das Königreich Italien von Preußen ausdrück lich anerkannt worden war. Ja, bereits viel früher, am 6. Februar 1861, also kaum ein Vierteljahr nach der Schleinitz'schen Note, nahm die hervorragendste politische Körperschaft Deutschlands, das preußische Abge ordnetenhaus, einen Antrag an, durch den der Ant wortsadresse auf die Thronrede yinzugefügt wurde: „D e r fortschreitenden Consolidiruug Italiens entgcgenzutreten, erachten mir weder im preußischen noch im deutschen Interesse." Mau mag daraus ersehen, daß zu einer Zeit, wo von der Einverleibung Hannovers noch gar keine Rede war, in großen und ernsthaften politischen Kreisen Dentschlands ein volles Gefühl für die historischen Nothwendigkeiten bestand, welche die Beseitigung der boirrbonischen Herr schaft nnd den Anschluß des Königreichs beider Sicilicn an Italien unabwendbar gemacht hatten. Ueberhaupt em pfiehlt sich gerade diese historische Reminiscenz sehr wenig für das Welfenblatt, weil gerade aus ihr die Berechtigung und die Nvthwendigkeit der Geschehnisse von 18W herge leitet werden kann. Denn cs besteht eine merkwürdige Aehnlichkeit nicht nur zwischen den Geschicken der welftschen und der neapvlitanisch-bourbvnischen Dynastie, sondern auch zwischen den Ursachen, die diese Geschicke herbei führten. Beiden Dynastien war eins gemeinsam: ein autokratisches Gefühl, das einerseits Mißstimmung im eigenen Lande erregte, andererseits die Herrscher ver hinderte, die Zeichen der Zeit richtig zu deuten. Ferdi nand II., der „RL bornira", wollte ebenso vollkommener Selbstherrscher sein, wie die Könige Ernst August und Georg V. von Hannover, die beide die gesetzlich bestehende Verfassung brachen. Und Franz II., der kurz vor der Katastrophe zur Regierung kam, mißachtete, als der italie nische Einhcitskampf begann, ebenso den Rath, das Princip der italienischen Nationalität sich anzneignen und eine Allianz mit Piemont einzugchcn «Denkschrift des Grafen von Syracus vom 3. April 1860), wie König Georg V. bei Ausbrnch des für die Vorbereitung der Einigung Deutsch lands nöthigen Krieges von 1860 den Rath mißachtete, zum mindesten die Ne u t r a l i t ä t z u w a h r e n und sich nicht Preußen, das ebenso wie Piemont in Italien der gegebene Vorkämpfer der Einigung war, in den Weg zu stellen. So haben sich beide Dynastien in der gleichen Weise selber das Grab gegraben. U Berlin, 29. August. (Arbeit--, Lohn- undWirtb- schaftSverbältnisse im Auslände.) Die deutschen Ge nossen der internationalen Socialdemokratie bedienen sich zur besseren Durchführung ihrer agitatorischen und revolutionären Bestrebungen gern des Mittels, die ArbeitS-, Lohn- und WirthschaflSverhältniffe im Ausland als besonders günstig gegenüber den deutschen Zuständen binzustellen, um die Ar beiter glauben zu machen, daß ihre Lage nirgendwo un günstiger sei, als sie eS gegenwärtig in Deutschland ist. Vor Kurzem ist bezüglich Englands an der Hand amtlicher Veröffentlichungen der Nachweis erbracht worden, daß in diesem wegen seiner angeblich hohen Löhne oft als Muster dingestellten Lande thatsäcblich die Minimallobnsätze — und diese kommen für die Mehrzahl der Arbeiter in Betracht — erheblich niedriger sind als in Deutschland. Die Vor gänge in Belgien im Frühling dieses Jahres haben die socialdcmokratische Parteileitung nicht nur zur leb haften Unterstützung der belgischen Arbeiterbewegung veranlaßt, sondern auch der socialdemokratischen Presse Anlaß geboten, zur Nachahmung des belgischen Beispiels aufzusordern und die Erfolge, die auf diesem Gebiete von den belgischen Arbeitern bereits erreicht sind und weiter an gestrebt werden, als auch in Deutschland erreichbar binzustellen. We liegen aber in Wirklichkeit die ArbeitS- und Lohnverbält- nisse in Belgien? AuS den Veröffentlichungen keS Socio- logischen Institut« in Brüssel Uber Umfang und Entschädigung der Arbeit in der Mehrzahl der industriellen Unter nehmungen Belgien«, wobei die Arbeit«- und LohnverhLltnisse von rund 800 000 Arbeitern festgestellt wurden, ergiedt sich, daß 215 000 Arbeiter 10 Stunden, 85 000 Arbeiter 10>/, Stunden, 100 000 Arbeiter 11 Stunden und 125 000 Arbeiter mehr als 11 Stunden arbeiten. Dagegen haben nur 70 000 Arbeiter, also etwa der neunte Theil der belgischen Arbeiter schaft, eine Arbeitsdauer unter 10 Stunden. Keineswegs aber befindet sich diese ganz« Zahl im Genüsse de« so- genannten Achtstundentage«. Nur 27 000 Arbeiter oder etwas über 4 Proc. aller belgischen Arbeiter sind 8 Stunden beschäftigt, dagegen 573 000 Arbeiter 10 Stunden und mehr. Unter den 225 000 Arbeitern, die über 11 Stunden beschäf tigt sind, befinden sich 25 000 Frauen und 15 000 Kinder. Wa« die belgischen Arbeitslöhne betrifft, so erweist auch in dieser Beziehung da« Ergebniß der Umfrage die günstigere Lage der deutschen Arbeiterschaft. Wenn also die „deutsche" Socialdemokratie versucht, sich zur> Begründung ihrer «e- strebungen für di« Hebung der socialen Lage der deutschen Arbeiterschaft auf die Verhältnisse im «u-lande zu beziehen, so ist da« einfach eme bewußte Vorspiegelung falscher Thal fachen, die nur auf Unwissende und blindlings Vertrauende Wirkung haben kann. 5. Berlin, 29. August. (Beamtenfan g.) Wie die Socialdenrokratie mit Rücksicht auf die nächsten Wahlen sich auf den Bauernfang beliebt, so versucht das Cent rum den Beamtenfang. Die „Köln. Volksztg." entdeckt plötzlich, daß die mittleren und unteren Beamten politisch viel zu indifferent seien. Dies sei um so bedauer licher, als gerade bei den gegenwärtigen Jnteressenkämpfen der verschiedenen Erwerbsstände die Beamten als Nichtinteressenten naturgemäß eine neutrale Stellung einnähmen, die sie dazu befähigte, Träger einer von Extremen sich fernhal tenden, maßvollen Politik zu sein. Gerade aber weil für die Beamten eine solche Politik natürlich ist, müssen sie sich an — das Centrum ansckließen, denn, so sagt der Patriarch — Pardon! die „Köln. Volksztg." —, „die Politik der Centrumspartei ist eine den Grundzügen ausgleichender Gerechtigkeit folgende Politik." Dieses Selbstlob ist nicht übel, aber eS kommt noch viel besser. Die CentrumS- partei würde mit dem Beamtenfange nicht etwa sich selbst, sondern dem Vaterlande einen Dienst er weisen, denn, meint der Patriarch — Pardon! Die „Köln. Volksztg." —: „Wenn die eine ausgleichende Politik ver tretende CentrumSpartei in richtiger Weise sich ces gekenn zeichneten, noch ziemlich brach liegenden Gebietes (t. b. des BeamtensangeS. A. d. R.) annimmt, so wird sie sowohl dem Beamtenstande, wie sich selbst und nicht in letzter Linie dem Vaterlande einen guten Dienst leisten." Ob das Centrum dem Vaterlande einen Dienst leisten würde, wenn es den Beamtenstand dazu erzieht, die polnischen Agitationen gegen Preußen und Deutschland zu unterstützen oder im par- ticularistischen Gekläffe der bayerischen Klerikalen zu secuudiren oder mit den nack dem eigenen Geständnisse der „Köln. Volksztg." nach Frankreich hinüberschielenden elsässischen Klerikalen zu alliiren, wissen wir freilich nicht. Welcher Köder aber soll dem Beamtenthume bingeworfcn werden'? Es soll ein Beamter, d. h. ein mittlerer oder unterer Be amter, denn höhere Beamte, beispielsweise Richter, sind ja in der Centrumsfraction zur Genüge vertreten, einen Reich e- tagöwahlkreis von Centruins Gnaden erhalten. „Wir halten Viesen Gedanken für sehr beachtenswert!)", meint die „Köln. Volksztg." Wir glauben nicht, daß die Aufstellung eines mittleren Beamten in irgend einem rheinischen oder bayerischen Wahlkreise der CentrumSpartei mehr mittlere Beamte zuführen würde, als sie wohl jetzt schon zu ihren Anhängern zählen mag. O Berlin, 29. August. (Telegramm.) Die „Nord deutsche Allgemeine Zeitung" meldet: Ter Reichskanzler Graf v. Bülow hatte heute eine eingehende Be sprechung mit dem italienischen Minister des Auswärtigen Prinett«. 6. II. Belli», 29. August. (Privattelegramm.) Die Veranstalter der Gumbinncr Temonstrntion, Hauptmann von Frankenberg und Proschlitz und Oberleutnant Rum bauer vom 1. Feldartilleric-Negt., sind nicht ver abschiedet, sondern, was bei Subalternosficieren unge wöhnlich selten vorkommt, mit Pension zur Disposition gestellt worden. Leutnant George, Mitveranstalter der Demonstration, ist in das Pomnierscke Trainbataibon Nr. 2 versetzt. — Die heutige Ausgabe des „Militär-Wochenblatt" bringt diese Veränderungen. — Eine Aussperrung sämmtlicher Arbeiter der Motorwagenfabrik zu Tempelhof ist gestern erfolgt. Die Arbeiter, etwa 100 an der Zahl, mußten seit einiger Zeit täglich eine Ueberstunde machen. Als die Direction der Fabrik nun verlangte, daß die Arbeiter anstatt früher neun auf einige Zeit elf Stunden am Tage thätig sein sollen, kam es zu einem Streite, der nun zur Aussperrung aller betheiligten Arbeiter führte. (D Schwerin, 29. August. (Telegramm.) Prinz Albrecht von Preußen traf beute Vormittag mit den Herren des Gefolges in Wiligrad ein und wurde auf dem Bahnhöfe durch den Herzog Johann Albrecht aufs Herzlichste begrüßt. Der Prinz fuhr mit dem Herzog nach dem Schlosse, wo ein Frühstück eingenommen wurde, und bleibt auch heute Mittag zum Diner in Wiligrad. * Bromberg, 29. August. Der Magistrat und die Stadt verordneten haben an das Staatsministerium eine Petition gerichtet, in welcher sie ersuchen, die in der Sitzung des Ab geordnetenhauses vom 13. Januar 1902 vom Minister präsidenten in Aussicht gestellte Errichtung einer landwirth- schaftlichen Hochschule in Blomberg nunmehr bewerk stelligen zu wollen. r. Eisenach, 29. August. Bei der Ersatzwahl für den 15. Wahlbezirk für den weimarischen Landtag (Kreuz burg a. W.) wurde an Stelle deS in den ReichSdienst über getretenen BezirkSdirectorS vr. Eucken-Addcnhausen der Be- zirk-director Trautvetter mit 20 Stimmen gewählt. Hosrath UniversitälSprofcssor Vr. BinSwanger-Jena erhielt 5 Stimmen. * Mainz, 28. August. Der Oberbürgermeister beruft auf morgen die Deputation für socialpolitiscke Angelegenheiten zusammen, um über die Erböbung der Fleischpreise zu be- rathen. Di« Verwaltung beabsichtigt, bei der NeichSreg,erring um Aufhebung der Grenzsperre vorstellig zu werden. In der nächsten Stadtverordnetenversammlung soll ferner ein Antrag um Aufhebung des Octrois auf Fleisch und Schlachtvieh cingebrackt werden, um wenigstens dadurch eine Ermäßigung der Fleischpreise für die Consumenten her- beizuführen. LnVwigSbura, 29. August. (Telegramm.) Heute Vormittag >,11 Uhr fand die feierliche Beisetzung der Herzogen Margarete Sophia in der Familiengruft des diesigen Schlosses statt. Vom Bahnbof, wo die Leiche kurz zuvor au« Gmunden eingetroffen war, geleitete der König, ferner der Gemabl der Verstorbenen Herzog Albrecht, sowie die übrigen Fürstlichkeiten den Traue, wagen zu Fuß nach demSchlosse, gefolgt von den Specialgesandten der auswärtigen Mächte, an ihrer Spitze dem Vertreter des Kaiser«, Generalleutnant v. Deine«, den Standesherren, dem diplomatischen CvrpS, den Staatsministern, den Mitgliedern des Geheimen Rathes, den Präsidenten beider Kammern, dem Hofstaate und der Generalität. Die Königin und die übrigen fürstlichen Damen erwarteten den Leichenzug im Schlosse, auf dessen Hof die Garnison Spalier bildete. Darauf fand in der ScLloßcapelle, vor deren Altar der Sarg niedergesetzt war, ein Trauergottesdienst statt, der vom Bischof Keppler- Roltenburg abgehalten wurde. Nach der Versenkung des Sarges begabeu sich die nächsten Angehörigen zur Ein segnung in die Gruft. Nach der Rückkehr aus der Gruft schloß ein allgemeines Gebet die Feier. Alsdann begaben sich die Fürstlichkeiten im Sonderzuge nach Stuttgart zurück. * Ans Württemberg. Eine niedliche Verquickung von Religion und Politik hat ein süddeutsches Centrumsblatt fertig gebracht: In Schramberg «Württemberg) hat kürzlich die liberale Partei bei der Schultheißenwahl nach wiederholtem, erbittertem Parteikampfe den Sieg über das Centrum -avongetragen. Am Tage nach der Wahl bekamen die Arbeiter der Uhren fabrik des Commerzienrathes Junghanns, des Haupt- widersacherS des Centrums, einen freien Nachmittag, der zu einem kleinen Waldfesr ansgenutzt wurde. Auf dem Heimwege benutzten einige Frauen einen leer zurück fahrenden Vierwagen, aus dem auch etwa ein Dutzend Arbeiter Platz nahmen. Unterwegs wurden die Pferde scheu, das Gefährt kam an einer abschüssigen Stelle ins Treiben; der Fuhrmann verlor die Herrschaft über die Pferde und an einer Wegbiegung kippte der Wagen um, wobei die 22 Insassen in weitem Bogen in den Berneck bach auf Fekssteine geschleudert wurden. Zwei -er Ver unglückten, ein 22jährigcr Arbeiter und eine 00jährige Frau, erlagen ihren Verletzungen; von den übrigen sind etwa zehn bedenklich verletzt. In diesem Unfall erblickte das klerikale „Deutsche Vvlksblatt" das Strafgericht Gottes, das über die Junghanns'sche Fabrik herein brach wegen des Ausfalls der Stadtschultheißenwahl, und das Blatt fügte hinzu, bei diesem Unglück sei es allen klar geworden, daß der Wahlkampf im Princip ein Kampf gegen die katholische Religion war. Die „gut katholisch sein wollenden" Katholiken, die nicht für das Centrum gestimmt hätten, seien nun vor dem ganzen Lande gerichtet und der Amtsantritt des neuen Stadtvorstandes sei mit blutigen Zügen in die Annalen der Sadt eingetragen! Ein anderes Centrnmsblatt, die „Angsb. Postztg.", druckte diese Aus lassung blinder Parteiwuth, die in den weitesten Kreisen abstoßend wirken muß, mit voller Zustimmung nach. Italien. Russischer Besuch. * London, 29. August. (Telegramm.) „Central News" erfahren aus Rom, der russische Marineminister habe die italienische Negierung amtlich verständigt, daß ein russisches Geschwader, bestehend aus sechs Schlacht schiffen, vier Kreuzern und vier Torpedobootzerstörern, an läßlich des Gegenbesuches des Zaren am italieni schen Hofe nächsten Winter Italien besuchen werde. (Voss. Ztg.) Großbritannien. Ter Besuch des Königs von Italien in Berlin. * London, 29. August. (Telegramm.) Bei der Be sprechung deS Besuches Victor Emanuel's sagen die „Times": Nichts konnte sorgfältiger ausgearbeitet oder prächtiger sein als die Vorbereitungen, welche gestern für den Empfang des italienischen Herrschers in der deutschen Hauptstadt des deutschen Reiches getroffen worden sind. Nichts konnte geist voller und hochherziger sein, als die Rede des Kaiser« und die deS erhabenen Gastes. Rußland. Ter russische Botschafterwechsel in London. I. 6. London, 27. August. Die bevorstehende Ersetzung des russischen Botschafters Baron Staal durch Graf Benckendorf, den bisherigen russischen Gesandten in Kopen hagen, wird in RegierungSkreisen als eine für die englisch russischen Beziehungen sehr günstige Wendung bezeichnet. Man erblickt darin einen Erfolg der Königin Alexandra, welche ebenso wie ihre Schwester, die Zarin-Wittwe, große An strengungen macke, um eine engere Freundschaft zwischen Rußland und England herzustellen. Graf Benckendorf bat wäbrend seiner diplomatischen Tbäligkeit in Kopen hagen die alte Politik der dänisch-russischen Freund schaft mit altem Eifer gepflegt, die nach der Auf fassung der weiblichen Hoftreise Kopenhagens gleich bedeutend mit der Abneigung gegen Deutschland ist. Die weitere Folge dieser Richtung ist daS Bestreben, zwischen Rußland und England auf Grund einer gewissen Abgrenzung der Jnteressenkreise eine Art Einvernehmen bezw. einen woclus vivoucki herzustellen. Der bereits 80 jährige Baron Siaal war nach der allgemeinen Ansicht schon zu alt, um allen Er fordernissen der wechselnden Tagespolitik zu genügen, so daß man daS zeitweilige Erkalten der Beziehungen zwischen Ruß land und England der mangelhaften geistigen und politischen Regsamkeit des BaronS Staal zur Last legte. Orient. * Lofia, 29. August. (Telegramm.) Die Negierung bat an die hiesige Vertretung Rumäniens eine Note gerichtet, in der die Unterordnung der rumänischen Schule in Sofia unter die bulgarische Schulaufsicht ver langt wird, widrigenfalls diese Schule geschlossen würde. Amerika. Lentralamerikantsche Wirren. * Washington, 29. August. (Telegramm.) AuS Co lumbia hier eingegangene Meldungen besagen, daß fast die ganze Streitmacht der Ausständigen auf dem Isthmus, etwa 2500 Mann, Aguadulce eingeschlossen halten und daß sich
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