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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.02.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-02-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190902082
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19090208
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090208
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1909
- Monat1909-02
- Tag1909-02-08
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BezugS.Preit ,tr L«tx-tg unv «orort« durch u»t«r« LrLger und Spedtteure m» Hau» gebracht; vv munatl., ».70 »«erreljährl. «ei untern güialen u. Annahmestellen abgehalt, 7L mmiatl.. T.chst viertrltahrl. Var» »» »»«: »aerlMld Leuilchland« und der deutschen Kolonien uterteljjhrl. st.stst monatl. auttcht- Postdeftellgeld. sterner » Belgien, Dänemark, den Donauftaaten, Italien. Luxemburg, Niederlande, Nor- wegen, Oesterreich-Ungarn, Rußland, Schweden, Schwei, n. Spanirn. In allen adrigen Staaten aur direkt durch di» BelchLitsileü« da» Blatte« erb^Nich. Da« Leimiger Lageblati erschein« wbchent- llch 7 mal und zwar morgen«. ' Abonnement-Annabme > Bugustasvlatz 8, bet unseren Lrtgern, Mlialen, Spediteure» und Annahmestellen, sowie Postämtern und Lrtestrtgern. Dt» einzelne Nummer kostet Ui Nebaktton and »rschiftststelle» Jobanniigasse 8. Sernsprecher, I468L 11683, I4SS1. tWMrTagMM Handelszeitung Nmisöralt des Nates und des NolizeianUes der Ltadt Leipzig. Anzeigen.Preis 'ür Inserate au« Leipzig und Umgebung dt« kgeivaltene Petitzeile L> L, sinanzieue Anzeigen 30 H Reklamen I non au«wiln« 30 Reklamen 1.L> asti vom Ausland S0^, stnanz. Anzeigen 75H, Reklamen 1.Ü0 Inserate».Behbrden >m amilichenLeilSO^. Beilagegebübr :> v. Tausend exkl. Post gebühr. BeschLstsanzeigen an bevorzugirr Stelle im Prei'e erhöht. Rabatt nach Tari Iesterteilte Auitrllg« können nicht zurück gezogen werden. i)ür »a« Erscheinen an bestimmten Tagen und Plötzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Augustutzplatz bei sLmtlichen Filialen u. allen Annoncen- itzpeditionen de« In- und Auslände«. Haupt-Stltale Berlin: Carl Duncker, Herzogl. Baur. Hosbuch- handlung, Lüyowstraßc 10. (Telephon VI, Nr. 4M3). Haupt-Filiale Dresden: Seestrage 4,1 (Telephon 462I>. Nr. 39. Montag 8. Februar 1909. 1V3. Jahrgang. Da» wichtigste. * Am Sonntag wurde in Leipzig der Erste Soziale Ausbildungskursus durch eine Ansprache des Reichstags abgeordneten Dr. Junck eröffnet. sS. d. des. Art.) * Eine von 7000 Vertretern des Braugewerbes, der Gast - Wirte usw. besuchte Versammlung in Frankfurt a. M. pro- testierte gegen die neue Brausteuervorlagc. sS. Letzte Dcp.) * Nach einem amtlichen Petersburger Telegramm sind die (Gerüchte vom Rücktritt des Finanzministers Kokowzew als Erfindung zu betrachten. * In Tiflis wurden gestern mehrere heftige Erdstöße wahrgenommen, die aber keinen nennenswerten Schaden anrichteten. sS. Letzte Dep.) Eine politische Finanzoperation. Der Vorschlag Iswolskis, die türkische Kriegsschuld an Rußland zu gunsten Bulgariens zu verrechnen, rührt wahrscheinlich nicht von Is wolski her: das ist das erste eigenartige Wesenszeichen, das ihm anhaftet. Diese verschmitzte Finanzoperation, von der bis heute selbst kundige Banktechniker noch nicht sagen können, wie sie in allen Einzelheiten ge lacht ist und welche Konsequenzen sie etwa zeitigen wird, stammt schwer lich aus dem Hirn des Ministers, der in der denkbar schwersten Zeit — unmittelbar nach der Annexion Bosniens und der Herzegowina — vierzehn Tage lang in London antichambrierte, um sich dort In spirationen oder gar Instruktionen zu holen. Fast könnte man auf den Einfall kommen, er rühre aus der Bankierumgebung des Königs Eduard her. Aber, wie dem auch sei, Iswolski hat das fremde Kind adoptiert und muß also bis auf weiteres als sein Vater gelten. Der Vorschlag, der Bulgarien in eine gewisse Abhängigkeit von Rußland bringen soll, liegt allerdings auf der Linie der Gedanken, die Iswolski in seiner Dumarede ausführte. In dieser Rede wies er auf die Notwendigkeit hin, einen Balkanbund zu gründen, und zwar sollte diese'- Balkanbund aus Bulgarien, Serbien und Montenegro bestehen. Selbstverständlich unter der wohlwollenden Oberaufsicht des weißen Zaren. Dieser Gedanke eines Balkanbundes mutete geradezu phan tastisch an, denn die Bulgaren trennt der wildeste Haß von den Serben - sie befehdeten sich im mazedonischen Bandenkriege bis aufs Messer — und die Serben und Montenegriener sind so wenig untereinander einig, daß von Serbien aus Attentate gegen die montenegrinische Dynastie inszeniert worden sind. Diese Attentatsversuche erfreuten sich der Unterstützung der serbischen Staatsbehörden und hochgestellter serbischer Beamter, und die Bomben, mit denen man das Brudervolk beglücken wollte, wurden in einem staatlichen Arsenal verfertigt. An diesen Tat sachen ist nicht zu zweifeln und es gehört schon ein ausgeprägter Op timismus zu der Annahme, daß die in Serbien herrschenden Mächte dieiem Treiben gänzlich fern gestanden hätten. Unter solchen Um ständen ist der Gedanke, die erwähnten drei Mächte zu einem Balkan bunde zusammenzufassen, so abenteuerlich, daß man es fast nicht be greifen kann, wie er im Haupte eines leitenden Staatsmannes entstehen konnte. Indessen scheint es jedoch, als ob Rußland allen Ernstes eire derartige Konstellation herbeizuführen versucht. Der Finanzvorschlag Iswolskis kann ja doch Wohl nur den einen politischen Zweck haben, in Bulgarien Einfluß zu gewinnen und das neue Zartum von Oesterreich abzudrängen. Ob diese Berechnung sich als richtig ermessen wird, ist mehr als zweifelhaft. Sonderbarerweise gewinnt nämlich durchaus nicht immer dc<. gebende Teil Einfluß auf die Politik des nehmenden, sondern auch der umgekehrte Fall tritt ein. So ist es zum Beispiel mit Frankrelch und Rußland: Frankreich ist durch die enormen Werte, die in Rußland investiert sind, an die russische Politik fester ge- bunden, als ihm unter Umständen lieb sein kann. Nun wird man einwenden, es handle sich hier um eine Summe, die in Rußlands ungeheurem Budget gar nicht in Betracht komme und die nur eine Gefälligkeit darstelle, durch welche Bulgarien zur Dankbarkeit ver- pilichtet werde. Wir glauben, daß König Ferdinand der letzte Herrscher Europas ist, der sich durch sentimentale Erwägungen leiten ließe. Die Kämpfe vor Plewna und im Schipkapasse werden noch heute gefeiert und Bulgarien erinnert sich an diesen Gedenktagen des russischen „Befreiers", trotzdem aber hat cs sich dem russischen Einfluß unter den schwersten Kämpfen entwunden. Das ist deshalb geschehen, weil in dem kleinen, aber kräftigen und Vorwärtsstrebenden Volksstamm ein Drang, sich ausznleben, wurzelt, der nicht durch Rückblicke gehemmt werden kann. Die Gewährung einer Anleihe würde noch weit weniger imstande sein, Bulgarien der Vorherrschaft des russischen Staates zu unterwerfen. Und diese Gefälligkeit verliert besonders dadurch an Wert, daß heute bereits in dem maßgebenden Wiener Blatte ganz on paossnt, aber mit deutlichem Zwecke darauf hingewiesen wird, daß Bulgarien nicht aus die russische Anleihe angewiesen sei. Oesterreich verhält sich dem Jswolskischen Vorschläge gegenüber überaus kühl. Es legt weder Bulgarien noch der Türkei ein bestimmtes Verhalten nahe, sondern erklärt, daß ihm jede Lösung willkommen sei, die den Frieden sichere, vorausgesetzt, daß das Interesse der orienta lischen Bahngesellschaft, die von der bulgarischen Regierung depossediert wurde, genügend gewahrt werde. Diese Haltung ist klug und für Deutsch land ist sie überaus bequem. Wir brauchen uns für die Regelung dieser Angelegenheit weder im bejahenden, noch im verneinenden Sinne zu engagieren. Bei diesem Anlaß sei noch darauf hingewiesen, daß vor kurzem die Haltung getadelt worden ist. die Deutschland anläßlich der Annexions frage eingenommen hat. Ein distinguierter Diplomat, der Gesandte z. D. Raschdau, hat in einem vielbeachteten Vortrage seine Ansicht dahin aus gesprochen, daß wir uns mit der Politik Oesterreich-Ungarns nicht hätten identifizieren sollen. Darauf muß erwidert werden, daß wir uns mit einer kühl abwartenden Haltung Oesterreichs Freundschaft endgültig ver- scherzt hätten, ohne unser Prestige in der Türkei wiederzugcwinnen. Wir hätten uns, trivial gesagt, ganz einfach zwischen zwei Stühle gesetzt. Oesterreich war in gewissem Sinne eingekreist und hätte vermutlich ohne die feste Haltung Deutschlands nachgeben müssen. Diese Haltung aber bewies, daß wir uns nicht einschiichtcrn lassen, und das Ententen gebäude des Königs Eduard bekam zum erstenmal einen Riß. Es zeigte sich, daß dies weitschichtige Bündnissystem zur Aktion doch nicht recht geeignet ist, wenn nur Deutschland ruhig und fest bleibt. Wir haben Oesterreich einen Dienst erwiesen und haben — zum erstenmal seit langen Jahren — einen Erfolg davongetragen. Dieser Erfolg hat uns aller dings nichts Greifbares eingebracht, aber er hat die Welt davon über zeugt. daß noch immer mit Deutschland gerechnet werden muß. Es ist die erste Aktion, die einmal wieder gelang, und vielleicht ist es kein Zu fall, daß zugleich unsere inneren Verhältnisse einer Neuregelung ent- gegengeführt wurden. Wir möchten gerade an unser Verhalten in der Annexionsfrage die Hoffnung auf eine fruchtbare Aera unserer aus wärtigen Politik anknüpfen. Neuregelung -er Geistlichen-Gehälter. Die am 8. d. M. in Dresden zusammentretende außerordentliche evangelisch-lutherische Landessynode wird sich in der Hauptsache mit der Neuregelung der Besoldung der Geistlichen zu beschäftigen haben. Be reits die 8. ordentliche Landessynode hatte im Jahre 1906 eine Reihe von Anträgen an das Kirchenregiment gelangen lassen, die im wesent lichen auf eine Neuregelung der gesamten Äesoldungsverhältnisse der Geistlichen hinausliefen. Als hierbei zu berücksichtigende Grundsätze waren unter andern die folgenden aufgestellt worden: 1) Erhöhung des Mindesteinkommens der Geistlichen von 2400 auf 2500 neben freier Wohnung oder Wohnungsgcld, 2) Gewährung von 7 Alterszulagen von zweimal 500 .<l nach je fünf Jahren und fünfmal 400 .E nach je drei Jahren zur Erreichung eines Höchstbetrags von 5500 nach 25 Dienstjahren, 3) Anrechnung der im geistlichen Hilfsdienst zugebrachten Jahre vom 25. Lebensjahre nach erfolgter Ordination, 4) Gewährung der Möglichkeit einer Anrechnung von außerhalb Sachsens zugebrachten Dienstjahren. Diese Punkte haben zum Teil durch übereinstimmende Be schlüsse der Regierung und des Landtags bereits ihre Erledigung gefunden, teils ist diese nur noch von der zustimmenden E r - klärung der Landessynodr abhängig. Das letztere trifft be sonders zu auf den der außerordentlichen Synode unterbreiteten Ent wurf einer Verordnung über die Zulagen für Geistliche und geistliche Stellen. Hiernach soll vom 1. Januar 1009 an daS Mindestein kommen eines ständigen Geistlichen auf 2600 F neben freier Amtswohnung oder Wohnungsgeld erhöht werden und sollen Zu lagen nach je drei Jahren gewährt werden, durch welche nach.24 Jahren als Höchstbetrag ein Einkommensbczug von 6000 F erreicht wird, und zwar sollen die Alterszulogen betragen zweimal 400, zweimal 500 und viermal 400, zusammen 3400 F. Hieraus ergibt sich folgende Uebersicht für das Einkommen ständiger Geistlicher, wie es nach der gegenwärtigen Vorlage vom 1. Januar 1909 ab hctragen soll: 2600 F Mindesteinkommen, 3000 .L nach 3 Dienstjahren, 3400 .lk nach 6 Dienstjahren, 3900 .E nach 9 Dienstjahren, 4400 .E nach 12 Dienstjahren, 4800 nach 15 Dienstjahren, 5200 .tk nach 18 Dienst- jähren, 5600 .tk nach 21 Dienstjahren, 6000 .<l nach 24 Dienstjahren. Verpflichtet zur Ausbringung der zu einer standesgemäßen Lebens haltung des geistlichen Standes nach der Neberzeugung sowohl der staat lichen gesetzgebenden Faktoren wie des .Kirchenregiments benötigten er höhten Einkommensbezüge blieben, wie bisher, in erster Linie die zur Beschaffung der Parochialbedürfnisse verpflichteten Kirchgemeinden oder, wo solche nicht in Frage kommen, die beteiligten Stiftungen. 85 Pro zent des Mehrbedarfs sind jedoch vom Landtag bereits mit gemeinjähriq 224 000 im Nachtragsetat auf 1908/09 bewilligt worden, so daß nur etwa 15 Prozent von den Verpflichteten selbst aufzu bringen sind, die hierzu nach ihrer Leistungsfähigkeit ohne drückende Be lastung der Gemeindeglieder auch wirklich imstande sind. Demgemäß sollen nach dem der Landessynode unterbreiteten Ent wurf gewährt werden: 1) Stellenzulagen zur Erfüllung des Mindesteinkommens ständiger Geistlicher auf den Betrag von 2600 ^l; 2) persönliche Zulage nach dem Dienstalter sStasfel siche oben); 3) außerordentliche persönliche Zulagen, in besonderen Verhältnissen; Bei Berechnung der Dienstzeit für den Zweck dieser Zulagen kommt die im ständigen geistlichen Amte, sowie im ständigen Schulamte vom vollendeten 25. Ledensjahre und die im geistlichen Hilfsdienste nach be standener Wahlsähigkeitsprüfung und nach erfolgter Ordination voni vollendeten 30. Lebensjahre ab verbrachte Dienstzeit in Betracht. Auf Ansuchen kann das Konsistorium unter Zustimmung des Kultus ministeriums auch die Dienstzeit anrechnen, die außerhalb Sachsens in der vorerwähnten Weise im Kirchen- oder Schuldienst oder im Dienste der Mission oder ähnlicher, von der evangelisch-lutherischen Landes- kirche anerkannter und unterstützter Organisationen verbracht worden ist. Geistlichen, die die Annahme einer einträglicheren Stelle ohne hin- reichenden Grund ablehnen, werden Zulagen nach dem Dienstalter nicht gewährt. Außerordentliche persönliche Zulagen werden gewährt: 1) in Fällen besonderer Schwierigkeit der Amtsführung oder beson derer Arbeitslast; 2) ausnahmsweise und in der Regel nur vorübergehend in den Fällen besonderer persönlicher Familienverhältnisse, jedoch erst nach völliger Ausführung der Dienstalterszulagen, und zwar nach dem Betrage von im ganzen höchstens 300 .E und in der Regel nur an solche Geistliche, deren jährliches Einkommen damit einschließlich etwaiger Zulagen nach dem Dienstaltcr auf höchstens 6000 .<l gebracht wird. Sämtliche Zulagen aus Staatsmitteln werden in der Regel nur an Geistliche solcher Gemeinden oder Stiftungen bewilligt, die nicht imstande sind, die Stellen aus eigenen Mitteln angemessen anszustatten. Das Gehalt eines H : l s s g e i st l i ch e n , neben dem noch ent sprechendes Wobnungsgeld oder freie Wohnung zu gewähren ist. wird vom 1. Januar 1909 ab aus 2000 <t für das Jahr sestaestellt und ist nach dreijährigem Dienst als Hilfsgeistlichcr aus landeskirchlichen Mitteln auf 2200 .6 für das Jahr zu erhöhen. Erste* Sozialer Ariebil-rrnartursur in Leipzig. Der seit längerer Zeit von einem Ausschuß sozialgesinnter Bürger Leipzigs vorbereitete Erste Soziale Ausbildungskursus wurde am Sonn- tagnachmittaq 5 Ubr in der Aula der Handclslehranstalt mit einer schlichten Feier eröffnet. Die Dauer des Kursus ist auf vier Wochen berechnet s7. Februar bis 7. März); die stattliche Zahl der Teilnehmer verteilt sich auf alle Bezirke des Landes. Zur Eröffnungsfeier waren u. a. die Mehrzahl der Mitglieder des Ausschusses, sowie zahlreiche Herren, die dem Unternehmen ihr Interesse bezeichen wollten, erschienen. Wir bemerkten u. a. Reichstagsabg. Dr. Junck, die Landtagsabgg. Müller und Dr. Zoephel, Bingermcister Dr. Roth, Stadtrat Weber, Hofrat Dr. Raydt, Vorsitzender der Gewerbekammer Grüner, Realgymnasialoberlehrer Dr. Barge, Dir. Bassenge, Fabr. Fritz Gontard, Prof. Dr. Kötzschke, Schuldir. Linge, Reichsgcrichtsrat a. D. Dr. Galli, Justizrat Dr. Gensel, Dir. A. Herr ich, Handelskammersyndikus Dr. Wcndland, verschiedene Vertreter politischer Vereine usw. Die Eröffnungsfeier wurde eingc- leitet durch eine programmatische Aussprache des Vorsitzenden des Aus schusses, des Herrn Reichstagsabg. Dr. Junck. Er dankte zunächst allen, die sich um das Zustandekommen des Kurses verdient gemacht haben, insbesondere auch den Dozenten, dem Senate der Handelshoch, schule, der bereitwillig die Räume zur Verfügung stellte, und den Mit gliedern des Ausschusses, die sich besonders bemüht haben und führt dann etwa folgendes aus: Damit genug des Dankes! Niemand von uns strebt nach An- erkennung, sei es von oben, sei cs von unten. Wir folgen nur dem Gefühle der Pflicht, wenn wir uns zu einer Arbeit verbinden, deren Ziele ich kurz schildern will. Nach unserer innersten Neberzeugung gehört tätige Sozialpolitik zu den wichtigsten Ausgaben der Zeit. Viele meinen sogar, Sozialpolitik sei recht eigentlich das Problem, das die geschichtliche Entwickelung unseres Volkes der lebenden Generation aufgespart und gestellt hat. Spätere Geschlechter wer den uns danach bewerten, ob wir unsere Aufgabe richtig erkannten und was wir zu ihrer Lösung taten. Tie Verschiedenheit der politischen Anschauung im übrigen kann dazu führen, daß der eine jenes, der andere dieses für sozialpolitisch richtig hält, dieser langsamer, jener schneller vorwärts will, daß dem einen die Sorge für den Arbeiter- stand, dem anderen die für das Beamtentum, dem dritten die Förderung des M i t t'e l st a n d e s näher liegt usw. Aber daß wir überhaupt sozialpolitisch tätig sein müssen, darin sollten alle einig sein. In unserem Ausschuß herrscht diese Einigkeit, obwohl wir Männer der verschiedensten politischen Glaubensbekenntnisse sind. Zwischen ein zelnen von uns spannt sich ein weiter Bogen. Wir haben aber darüber niemals gesprochen und gar nicht zu sprechen gebraucht, weil wir darin übereinstimmten, daß gerade soziale Ausbildungskurse ein Zweig der Sozialpolitik seien, der gepflegt werden müsse. Unsere Versicherungsgesetzgebung will sorgen für die Zei- ten vorübergehender oder dauernder Not, indem sie dem Hilflosen ein Recht auf Unterstiiung gibt und ihn dadurch auch moralisch aufrecht zu erhalten strebt. Unsere Schutz gesetzgebung will den, der arbeitet, vor übermäßiger Ausnutzung seines Körpers und Geistes bewahren. Eine dritte — wohl noch am wenigsten geklärte — Richtung der Sozialvolitik will dem Arbeiter, dem Gehilfen, überhaupt allen, die vereinzelt schwach, vereinigt stark sind, gesetzliche Wege ebnen, sich selbst zu helfen. Große, herrliche Aufgaben, mit deren planmäßiger Verfolgung wir zum Teil an der Spitze der Kulturvölker marschieren. Allein das alles wäre uns nichts nütze, wenn nicht jeder einzelne von uns dock dem rechten sozialen Geiste erfüllt wäre, wenn wir nicht alle in jeder Stunde unseres Lebens persönlich bereit wären, jedem unserer Volksgenossen als einem ebenbürtigen die Hand zu reichen. Jene Kluft beruht zu einem großen Teile auf dem Unterschiede der Bildung. Da- mit ist nicht die Bildung des Herzens und des Gemüts gemeint. Die steht auch dem Aermsten, vielleicht eher als anderen, offen. Gemeint ist die Aneignung der Güter, die das geistige Leben der ge samten Nation hervorbringt, die Vermittelung von Kennt, nissen, die über den Bereich des täglichen Erwerbslebens hinaus- reichen. Die Leistungen unserer Volksschule in allen Ehren, aber ge rade auf dem Gebiete des Rechts- und Wirtschaftslebens bedürfen sie einer Ergänzung, deren übrigens nur der fähig ist, der sich im reiferen Lebensalter befindet. Hier will der Ausschuß für soziale Ausbildungs kurse, indem er an die Seite so vieler anderer gemeinnütziger Bestrebun gen tritt, einsetzen. Wir dürfen aber nicht verhehlen, daß wir noch an ein anderes denken. Wir sehen einen großen Teil unserer Volksgenossen Millionen von Arbeitern, den Fahnen einer Partei folgend, die — kurz gesagt — glaubt, den Staat bekämpfen zumüs'sen, auf dessen Boden wir stehen. Zwar beginnen die Ziele dieser Partei mehr und mehr zu verschwimmen. Die Stimmen derer mehren sich, die fragen, ob es denn nicht klüger sei, den Staat zu stützen, anstatt ihn u m zu stürz en. Andere fragen, ob man sich denn — bei allem Streben nach Verbesserung der wirtschaftlichen Lage — eines der wenigen idealen Güter rauben lassen solle, die der rauhe Luftzug des Lebens dem Menschen lasse: die Liebe zum Vaterlande. So schcn wir zu unserer Freude eine nationale Arbeiterbewegung mehr und mehr erstarken. Sie gilt es zu unterstützen. Natürlich wäre es eine Anmaßung, wenn wir auf dem ganzen Felde geistiger Bildung pflügen wollten. Wir beschränken uns darauf, zu zeigen, wie unser Staat geworden ist, welche Verfassung, welches Recht, welche Mittel und Einrichtungen ihn zusammenhalteif, wie sich unsere Volkswirtschaft entwickelt hat und wie sie heute steht, um dann unsere Schüler im besonderen auf das Gebiet der Sozialpolitik zu führen, die den Ausgangspunkt unserer Bestrebungen bildet. Unser Ziel ist, Ar beitern und Gehilfen, die tcilnehmen wollen an dem öffentlichen Leben der Nation, das Rüstzeug von Kenntnissen zu geben, dessen jeder bedarf, der draußen mitrcden und wirken will. So gehen wir freudig an unsere Arbeit. Es hieße die Zeichen der Zeit verkennen, wollte das deutsche Volk gerade jetzt stillstehen. Nun erst recht Sozialpolitik, muß die Folgerung bleiben, die aus den letzten Wahlen zum Reichstage zu ziehen ist! Zum Schlüsse wendet sich der Redner mit herzlichen Worten an die- jenigen, die als Schüler am Kurse teilnehmen wollen. Sie seien aus gewählte Männer, denen man eine große geistige Anstrengung in der verhältnismäßig kurzen Zeit eines MonateS wobt zinrauen dürfe. Keine andere Aufgabe erwarte sie, als zu lernen. Keine Verpflichtung werde ihnen zugemutet. Als freie Männer, wie sie gekommen, sollten sie auch scheiden. Nur eine Bitte sei ihnen an das Herz gelegt: möge jeder stets bereit sein, draußen im Leben mit kühnem Wort und entschlossener Tat einzutreten, wenn es gelte, den nationalen Staat, das Vaterland zu verteidigen und zu stützen. Möge unsere gemeinsame Arbeit gesegnet sein. sLebhafter Beifall.) Der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses, Herr Nealgymna- sialoberlehrer Dr. Barge dankte Herrn Reichstagsabgcordnten Dr. Junck in warmen Worten für seine Bemühungen um die Einrichtung des sozialen Ausbildungskursus und erläuterte eingehend das zur Aus führung angesehtc Programm. Für die eigentliche Sozialpolitik seien l',b Wochen vorgesehen. Es komme vor allen Dingen auf sachliche Be lehrung und aut Weitung des Blickes an; den Vorträgen sollen stets Besprechungen folgen. Der Direktor der Handelslehranstalt, Herr Hosrat Dr. Randt, begrüßte hierauf die Teilnehmer des Kursus an der Stätte, wo die Vor träge stattfinden sollen, und wünschte dem Unternehmen gutes Gelingen. ' Hm Namen der Kursusteilnehmcr dankte Herr Gewcrkschasts- sekretar Sauer allen denen, die zur Vorbereitung dieses vielen Nutzen versprechenden Werkes beigctragen haben. — Hiermit hatte die Erösf. nungsseier gegen 6 Uhr ihr Ende erreicht. Möge der Arbeit in diesem Kursus ein guter Erfolg beschicken sein!
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