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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.04.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-04-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190904163
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19090416
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090416
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1909
- Monat1909-04
- Tag1909-04-16
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Auzeigen« Preit fstr Jnferate au« Leipzig und llmgebunp dte Sgespaltene Petikzelle 2b ch. finanziell« Anzeigea 30 Reklamen 1 ^p; van autwärt« bv Reklamen 1.20 uk: da» Au«land SOch, fiaanz. Anzeigea 7L^ Reklamen 1^>l- Inseratev.vehdrden >« amllicheaDellM^ Beilagegeblidr b p. Tausend exkl. Post« aedühr. Seschäsieanzeigrn an bevorzugt« «stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Lari, Fefterteilt« Austräge können nicht zurück gezogen werden. Für da« Erscheinen an bestimmten Lagen und Plätzen wird kein« lSarantir übernommen. Antigen-Annahme: Uu-ustu-platz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Anaoncen- itrpedittonen de« In- und Au«laude«. Haupt-Filiale lverli»: Corl Duncker, Herzog!. P-pr. Hofbuch handlung, Lützowftrahe 10. (Lelephon VI, Rr. 4MH. Haupt-Filiale Dresden: Serstrade 4,1 (Lelephon 46211. 183. Jahrgang. Nr. 105. Freitag 16. April 1909. Das wichtigste. * Ju der Leipziger Straßenbahutariffrage hat das Oberverwal« tungsgericht in Dresden die Entscheidungen der Kreishauptmaunschaft Leipzig und des Rates der Stadt Leipzig aufgehoben. sS. Lpzg. Ang.) * Graf Zeppelin veröffentlicht eine längere Erklärung über die Verwendung derVolkSspeude, die die Höhe von 6 096 555 aufweist. sS. Vermischtes.) * Die Londoner Zeitungen veröffentlichen heute einen längeren Brief des H a n d e l s m i » i st er s Churchill, in dem sich dieser verächtlich über die Dreatznought-Furcht ausläßt. Die Debatten hierüber seien ein großer Fehler. Es bestehe kein natürlicher An tagonismus zwischen England und Deutschland. iS. d. bes. Art.) * Wie das Berliner Auswärtige Amt der „Saale- Zeitung" mitteilt, besteht für die Deutschen in Konstan tinopel keine Gefahr. S. M. Schiff „Loreley" liegt im dor tigen Hafen. Im übrigen hat sich die Situation in Stambul nach dem Sturz der Jungtürken wieder einigermaßen beruhigt. Weiteres s. d. bes. Art.) * Einer Meldung der „Turquie" zufolge ist ein englisches Geschwader von Malta nach den Dardanellen abgegangen. Auch Frankreich entsendet Kriegsschiffe. Von Toulon geht das Panzerschiff „Victor Hugo" nach Konstantinopel ab. * Der russische Minister des Aeußern Iswolski hat, wie aus Petersburg gemeldet wird, die geplante Reise ins Ausland vorläufig verschoben. * In der portugiesischen Deputiertenkammer er klärte der neue Ministerpräsident Telles, daß er das Pro gramm des früheren Kabinetts zu dem seinigrn machen werde. * In dem mexikanischen Mine «lager Velardena haben sich blutige Unruhen ereignet, bei denen 32 Personen getötet und viele verwundet wurden. sS. Ausl.) Zriv Geschichte -es deutschen Ostens. Soeben ist im Verlage von Duncker L Humblot sLeipzig) ein be merkenswertes Buch erschien«?». Es trägt den Titel „Die Stadt Posen unter preußischer Herrschaft", und der Verfasser, Moritz Jaffa, bezeichnet es als einen „Beitrag zur Geschichte des deutsch?» Ostens". Tas Werk ist im Auftrage des Vereins für Sozialpolitik berausgegeben. Der Autor brachte für seine mühevolle Aufgabe den unermüdlichen Fleiß mit, den die Lied? zur Sache gewährt; er kennt die Stadt Posen aus eigener Anschauung genau, steht den verschiedenen Mischungs>?lementen der dortigen Bevölkerung vorurteilsfrei gegenüber und besitzt die Gabe einer klaren und lebhaften Darstellung. Ob sein Buch allen Anforde rungen der Wissenschaft genügt, vermögen wir nicht zu beurteilen!: seit dem selbst Tanie als Historiker „vernichtet" ist — wie wenigstens die Herren Aubart und Nordom behaupten—, werden Skeptizismus und be scheidene Zurückhaltung noch mehr als bisher zur Pflicht der Laien. Dem politisch Interessierten weiß Herr Jaffa mancherlei Hörenswertes zu sagen. Der Deutsche hat in Angelegenheiten der Polenfrage immer wieder das Bedürfnis, sein Gewissen zu beruhigen. Es ist nun einmal deutsche Art, nach Gerechtigkeit zu streben. Schon Klopstock warnte die Volks- genossen davor, diese Tugend zu übertreiben ; möchten wir dieser Mahnung noch recht lange bedürfen! Das Wort Goethes „Der Handelnde ist immer gewissenlos" darf nicht als ein Imperativ auf- gefaßt werden: gerade durch den Versuch, die Motive des Gegners zu würdigen, unkerscheidet sich der Kulturmensch von dem Barbaren. Es ist nicht richtig, daß eine solche Objektivität die Energie des Kampfes schwächen müsse; im Gegenteil, die Erkenntnis der kausalen Notwendig, keit wird «ns innerlich stärken. Wir kämpfen, weil wir müssen, und sind, indem wir unser Tun in die großen Zusammenhänge «einreihen, der traurigen Pflicht enthoben, in dem Gegner einen „Teufel" zu sehen. In den Gewissensbedenken, die an der deutschen Politik unzer trennlich sind, spielt auch die Frage eine Rolle, ob wir uns denn wirk lich um die ehemals polnischen Landesteile verdient gemacht haben. Nun, diese Frage beantwortet Jaffe ganz zu unseren Gunsten. „Was die Stadt in der Zeit der südpreußischen Regimes svon 1793—1806) und dann im ersten Menschenalter nach der Reokkupation s1815) geworden war, ihr physisches Wachstum und ihr wirtschaftliches Gedeihen, Sicher heit und geistige Bildung, ihre Konsolidierung zu einem geordneten Gemeinwesen und ihre Verfassung, all das verdankte sie dem preußischen Beamtentum." Aristokratien haben bisweilen glänzendere Eigenschaften in der Verwaltung entwickelt, als sie je bei einer geschulten Beamten schaft angetroffen wurden. „Doch der polnische Adel", sagt Jaffe, „ist kein Beispiel hierfür; als die Städte Großpolens an das Herzogtum Warschau kamen, konnten sie dem Geschick dafür danken, daß sie dreizehn? Jahre, anstatt unter Woiwoden und Starosten, unter er preußischen Kriegs- und Domänen- kammer und dem coir «orius looi gestanden hatten." Die weitere Ent wicklung Posens, nachdem cs uns im Jahre 1815 wieder zugefallen war, muß in erster Linie dem Staate und den Behörden zugute geschrieben werden; nur sehr langsam ist hier ein leistungsfähiges Bürgertum ent standen, nur sehr allmählich haben sich Gemeinsinn und Opferwilligkert entfaltet. Es soll nicht geleugnet werden, daß die Bnreaukratie später eher hemmend als fördernd gewirkt hat. Aber „es war kein Wunder, wenn sie sich hier mehr noch als anderswo als die berufene Leiterin der Selbstverwaltung ansah". Indem sie dabei blieb, das vom Gesetz ihr übertragene Aussichtsrecht immer weiter im Sinne einer patriarchalisch gesinnten Voiinundschaft auszuüben, vergaß sie nur. daß Zeiten und Menschen sich geändert hatten. Das gilt auch heute noch; zum mindesten gilt es für ganz Norddeutschland. Gleichviel, für Posen war die deutsche Verwaltung ein Segen. Wenn heute jener mittlere und kleine polnische Bürgerstand existiert, der uns so viel zu schaffen macht, so existiert er vermutlich nur, weil Friedrich Wilhelm I. und Friedrich H. gelcibt und gewirkt, weil sie die Fundamente der preußischen Administration gelegt haben. Wir wissen uns von dem Bestreben frei, irgendeine „Hohen- zollernlegende" zu unterstützen; hier aber sind wirklich die starken Wurzeln jener .Kraft, die sich jetzt in wilder Aggressive gegen alles Deutsche ankiobt. Auch die ängstliche Frage, wer denn eigentlich „angesangen" habe — das „große Unrecht" einmal als historische Tatsache vorausgesetzt —, beantwortet Jaffe anders als die polnische Presse. „Der prcuhüche Staat kam den Polen mit Vertrauen entgegen, ja selbst mit dem Wunsche, gewisse nationale Besonderheiten zu schonen." Die Verwaltung ließ durchaus nicht die Tendenz der Germanisierung erkennen; die 'Staatsregierung wandte sich erst einer entschieden „nationalen" Politik zu, als 1831 die Unruhen jenseits der russischen Grenze ausbrochen. Und hinsichtlich des wirtschaftlichen Kampfes bemerkt Jaf'L: „Die von den Polen immer wiederholte Behauptung, der Anfang mit dem „Boykott" sei ans deutscher Seite gemacht worden, hätte auch für solche Leute, die die Geschichte des Ostens nicht genauer kennen, jeden Schein von Wahr heit und Berechtigung verloren, wenn der Ostmarkenverein mit der ruhigen Besonnenheit, die leit Jahrzehnten die polnische Arbeit durch drang, vorgegangcn wäre." Die Arbeit der „Liga polska", die seit 1848 wirkte, war eine so geräuschlose, daß die Deutschen die Gefahr nicht be merkten. Jaffö scheini hier nur zu übersehen, daß der Ostmarkenverein die öffentliche Meinung Deutschlands erwecken, daß er die Staats regierung aus ihrer Apathie aufrütteln wollte; deshalb gilt auch für ihn das Wort: „Freund, hier ist's Zeit zu lärmen!" Wie schwer zuerst diese zweite Aufgabe war. darüber belehrt uns das warm empfundene, aber nicht enthusiastisch idealisierte Bild, das der Verfasser von der Persön lichkeit und dem Wirken des früheren Oberbürgermeisters Richard Witting entwirft. „Hinter dem Oberbürgermeister Witting ist in Posen die Empfin dung lebendig geblieben, daß seit Menschengedenken für dieses Gemein wesen niemand so viel gewirkt hat wie er. Dst Einwohnerschaft erkennt in ihm den Mann, der sie wieder gelehrt hat, großen Zielen im kommu nalen Leben nachzustreben, und sie sieht weiter in ihm den Urheber des Interesses, das der Staat heute der Stadt zuwendet." Wir können diese Sähe in Erinnerung an eigene Erlebnisse in der Ostmark nachprüfen und bestätigen. Die Wendung vom energielosenOptimis- mus zur erhaltenden Tat ist Wittings Verdienst. Im schroffen Gegensatz zu den „lokalen Gewalten", vor deren blinder Macht Ibsen warnt, hat der damalige Oberbürgermeister, der jetzt Direktor der Nationalbank für Deutschland ist, eine Kulturpolitik großen Stils empfohlen und im wesentlichen durchgesetzt. Das war keine Kleinigkeit, aber Witting besaß den Glauben, der Berge versetzt, und das Führer temperament, von dem Jaffs mit Recht sagt: „Auch, wo er irrte, ging man mit ihm." Ein Dutzend solcher Männer in den leitenden Stellun gen des deutschen Ostens, und es braucht uns vor der slawischen Ueber- slutung nicht zu bangen. Aber solche Männer sind nicht leicht zu finden und wenn sie gefunden sind, so ist die Negierung noch lange nicht ent schlossen, den Fund zu nützen. „Der Leiter einer großen Gemeinde", so lesen wir bei Jaffs, „hat niemanden über sich, der ihn inspiziert, seine Ziele werden ihm nicht gesteckt, seine Anregungen Hat er zumeist in sich selbst zu finden. Vor seinen Augen muß ein klares Bild von der Zu kunft seiner Gemeinde stehen, und über die Wege, die in dies« Zukunft hineinführen, muß er mit sich im reinen sein. Das, was ihm nottut, was ihn zum wahren Bürgermeister stempelt, ist nichts Geringeres als ein Stück von jener schöpferischen Phantasie, die den Staatsmann aus macht." Sehr treffend, und man könnte sich darüber wundern, daß staatsmännische Kapazitäten sich als Finanziers vermummen, wenn man nicht Holle, Kraetke und so viele andere hätte, so daß also das Bedürfnis nach bedeutenden geistigen Kräften völlig saturiert ist. Kulturpolitik. Um einmal einige Klarheit über die Kulturtendenzen und ihre zweckmäßigste Verwirklichung zu schaffen, hat sich die „Franks. Ztg." der dankenswerten Aufgabe unterzogen, die stimmen einiger hervorragender Kulturkämpfer im neuen Sinne dieses Wortes, und zwar einiger Männer sowohl wie einiaer Frauen einzuholen und auf diese Weise viel- leicht einige brauchbare Bausteine zu erhalten. Sie hat den Persönlich keiten, an die sic sich gewandt hat, einige besonders wichtige Fragen vorgelegt. Die erste Frage war, ob der „Kristallisationspunkt , als« der Zeitpunkt einer Festigung der kulturellen Strömungen einiach abzu warten sei und den verschiedenen künstlerischen, wissensclxiftlichen und anderen Kärlturtendenzen gegenüber nur das Prirnip des loissvr aller obzuwalten habe — oder ob die kulturelle Kristallbildung bewußt gefördert werden könne. Für den Fall der Bejahung der Möglichkeit einer bewußten Kulturpolitik ergab sich ihr die zweite Frage, von welcher Seite aus und in welcher Richtung ein Vorstoß im Kamps für eine deutsche Kultur heute zu machen sei. Vorausgeictzt, daß auch diese zweite Frage so oder so in positivem Sinne beantwortet werden konnte, hielt die „Franks. Ztg." schließlich die Untcrfragc noch für angebracht, in welcher Weise eine Beeinflussung der allgemeinen Kultur durch einen speziellen Faktor möglich und wünschenswert sei. Von den befragten Persönlichkeiten haben sich u. a. geäußert: Peter Altenberg, Ferdinand Aoenarius, Peter Behrens, Alfred v. Berger, Richard Dchmel, Georg Göhler, Ludwig Gnrlitt, Julius Hart, Karl Lamprecht, Helene Lange, Kurd Lahwitz, Friedrich Naumann, Georg Simmel, Karl Scheffler, Bertha v. Snttner, Henry van de Velde. Die Kenntnis der Antwort unseres Leipziger Historikers Karl Lamprecht dürfte unseren Lesern manche wertvolle Anregung bringen, und deshalb geben wir hier dessen Ausführungen zum Teil im Aus zug«, zum Teil im Wottlaut wieder. Lamprecht bezeichnet zunächst den Gedanken einer Kulturpolitik im Deutschen Reiche trotz einiger früherer Versuche kindlicher Art als neu. Nirgends in der Welt iei Kulturpolitik im großen Stile wohl schwerer ,u treiben und eben darum weniger getrieben worden als bei uns. „K ü l t u r beißt S t i l. Ww aber soll man einem ganzen Volte, noch dazu im Sinne einer un bekannten Zukunft, Stil beibringeu? Die Frage kann nur im einzelnen gelöst werden und ist unter diesen Umständen natürlich am ehesten und bequemsten da zu lösen, wo die Nation schon als Ganzes austritt: in der Regelung gewisser äußerer Verhältnisse. Und auf diesem Gebiete wird die Lösung dann allerdings auch dadurch erleichtert, daß unserer äußeren Machtpolitik jetzt zum ersten Male wieder festere Ziele und damit ein sichererer Stil zu winken scheinen. Also äußere Kulturpolitik! Worin aber kann eine solche Politik bestehen? Generell ist darauf leicht zu antworten: in einer solchen Regelung der nationalen Einwirkungen nach außen, daß in ihnen die Nation als Träger und Förderer einer ganz bestimmten Kultur erscheint und damit auch in die Rolle eines solchen Trägers und För derers immer mehr hineinwächst. Im speziellen aber läßt sich dieser Formulierung ein ganzes Programm von Aufgaben entnehmen. Zunächst ein Programm mehr äußerlicher, die Nation passiv er fassender Aufgaben. In dieser Richtung muß die öffentliche Erziehung durch Presse und Verwaltung — in der Verwaltung namentlich auch durch Heranbildung der eigenen Angehörigen — dahin gerichtet werden, daß der Deutsche im Auslände sich ständig in würdigen, mithin ebenso bescheidenen wie selbstsicheren Formen als der volle Repräsentant der Kultur seines Vaterlandes führe und gebe ... Ich schreibe diesen Artikel von Locarno aus. Ich hatte eigent lich die Absicht, nach Montreux zu gehen, um für einige Zeit Erholung zu suchen. Als ich aber in Basel die Fremdenliste von Montreux durchsah und sand, daß in ihr bei französischem Texte alle Engländer als aus „Oliglancl" stammend angegeben werden, alle Deutschen aber aus „^Ilernagrio" statt aus „Deutschland", habe ich meinen Plan geändert. In Orten, in denen mein Vaterland nicht mit anderen großen Kulturländern sl pari geschätzt wird, und handle es sich auch nur um Kleinigkeiten, gehe ich nur, wenn ich muß. Weit wichtigere Seiten einer äußeren Knltnrpovlitik sind aber natürlich die der kulturellen aktiven Auswirkung. Einmal, weil eine solche Auswirkung auch nach innen festigt und einigt. Dann aber weil heute äußere Politik überhaupt zum guten Teile nicht mehr Macht politik ist, sondern Kulturpolitik. An diesen Gedanken, der Friedens kongresse, internationale Versammlungen in Sachen von Religion, Humanität, Wissenschaft, Kunst unbedingt ernst nimmt, hat sich in Deutschland, und namentlich im Norden, erst mancher zu gewöhnen . . . Bevorzugte Punkte einer solchen Auswirkung nach außen werden natür lich solche sein, in denen sich die Kultur unseres Volles vor der anderer Völker auszeichnet. Und hier bietet sich ganz an erster Stelle di- Wissenschaft dar. Zwar sind wir auch ans diesem Gebiete nicht den andern Völkern io sehr voraus, wie mancher glaubt und glauben lassen möchte. Immerhin liegt aber eben in wissenschaftlicher Richtung eine iiesondere Veranlagung unseres Volkes. . . Gewiß wird in der Fremden- wliftk an unseren Hochschulen ein Unterschied zn machen sein, der auch onst von allgemeiner Bedeutung ist: der Unterschied zwischen Ziv:- isation lind Kultur. Zivilisation bedeutet Herrschaft über die eblose Natur und die organische Natur einschließlich der bloßen, remder Gepalt unterworfenen Pbnsis des Menschen durch äußere, tech nische, in unserer Zeit vy.r allem wissenschaftlich-technische Mittel: Kraftkonzentratoren, Krastumwandlcr, Arbeits- und Zerstörungs- sKrieg-j Maschinen usw. ... Zivilisation in diesem Sinne ist nicht Gegenstand der Kulturpolitik; und so mag man die lehrmäßige Ucber- liefcrung unserer Zivilisation, namentlich auch soweit sie die Kriegs kunst betrifft, an fremde Völker ruhig unmöglich machen, insoweit sie den Stand unserer Herrschaft in irgendeiner Richtung gefährdet: die Fragen der Kulturpolitik trifft das nicht. Denn Kultur ist etwas anderes, und zwar, wie schon eine elementare univcrsalgeschichtlichc Er fahrung ergibt, weit Höheres. Kultur bedeutet die spezifische gcistigc Behauptung der Welt; ist Religion, Kunst, Wissenschaft, in sofern diese der Weltanschauung znstrebt; ist das Unvergängliche, weil unbedingt Traditionsfähige im Leben der Völker; und dadurch oas, was letzten Endes Ansehen und Ausschlag gibt im Verlauf der Geschichte. Ta sicht man denn ohne weiteres, daß es Hauptaufgabe jeder äußeren Kulturpolitik sein muß, die'c Momente in ihrer spezifisch nationalen Fassung anderen Völkern nahezubringen lund dadurch — lügen wir für die innere Kulturpolitik hinzu — sich ihrer erst recht bewußt zu werden). Und nun, in diesem Zuiammenhange, wird man verstehen, was es heißen würde, die deutsche Wissenschaft als das vielleicht ft'ir unser Ansehen hervorstechendste Kultnrelemcnt so zu pflegen, daß ihre Kenntnisnahme zugleich bei anderen Völkern für uns Achtung und schließlich Sympathie erwecken müßte." Die türkische Revolution. Man schreibt unS von unterrichteter Sefte: Die M>litärrevolte in Konstantinopel hat lunäckst mit einer Niederlage des jungtürkischen Komitees geendet. Ob es dabei bleibt, over ob von außerhalb heran gezogene Truppenteile die Herrschaft des Komitees von neuem befestigen werden, bleibt abzuwarten. Tie Gesamtlage ist augenblicklich ebenso unklar wie der Ursprung der Revolte zurzeit noch zweifelhaft ist. Sicher jedoch erscheint aus jeden Fall der religiös-islamitische Grundzug der Bewegung. Gerade deshalb muß die Wiener Vermutung, daß englische Einflüsse die Triebkräfte der Revolte feien, starken Zweifeln begegnen: die Rücksicht aus Indien verbietet Großbritannien im Reicke des Kalifen eine islamitische Bcweaung zu entfachen, deren Rückwirkungen auf die gesamte mohammedanische Welt sich nicht über sehen lassen. Vollends abgeschmackt muiet die Meinung an, daß Rußland bei der Revolte seine Hand im Spiele habe. Dieselben dringenden Gründe, aus denen Rußland in der serbischen Krisis sich zu einer Politik des Friedens entschloß, nötigen vaS Zarenreich, Schritte zu unterlassen, die eine sehr ernste Bedrohung bes Friedens bedeuten würden. Eine solche liegt auch in der Aussicht, daß die türkischen Verhältnisse fortan der Stabilität entbehren müßten. Greift eine derartige Ueberzeugung auf Grund tatsächlicher Begebenheiten Platz, bann steht die orientalische Frage vor einer neuen Phase, veren friedlicher AuSgang als höchst zweifelhaft gelten darf. Darum liegt eS nickt nur im türkischen, sondern auch im europäischen Gesamtinteresse, wenn Ruhe und Ordnung im türkischen Reiche rasch und für die Dauer wiederher gestellt werden. * Die türkische Situation wild ferner durch folgende Meldungen illustriert: Der europäische Friede iu Gefahr? * Pest, 15. April. (Tel.) Ungünstige Perspektiven eröffnet ein hervorragender Politiker im „Neuen Pester Journal", der behauptet, bei längerer Fort setzung des militärischen Kampfe» wären Christen und Fremde ihre» Leben» und Eigentums nicht sicher. Europa müßte durch Drohungen oder durch Erscheinen der Flotten im Bosporus einen starken Druck auf die Türket ansüben. Sollten die Mächte dann weiter in d>e Tripelallianz und die Tripclentente gespalten sein, wäre der europäische Friede« in sehr großer Gefahr. Für Oesterreich-Ungarn al« unmittel barer Nachbar sei es nicht ratsam, vor einer sehr beruhigenden Klärung
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