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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.05.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-05-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190905029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19090502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1909
- Monat1909-05
- Tag1909-05-02
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Bezugs.Prei» M d»rch «y« trs,o »n» Sv»»»«« «« <«u» ,»brach,; »v ^m.n-U, ».7» »trr,»»tbrl v», »niern güralr» a. «uaaha>«>teU,n -bgrhalt, 7L ch t-tS vi»rt«l^tzrl. chchchch««»ll» »M «ar« «chtultch. »ad »« »«ttschr» «anatl. gern« »t»rttlt«ha. ».«» »»«chl Post ch Vrl-ira, vtnrmarl, d»n gttlt«. Laresdarz. «>kdrr1a»d«, «ov> »al dri p^a« r»,rbt«M »chch»« >»ch«a». vch 7 mol ,»» M«r mor^at »boaarmmn^laaoda« > Ua,ad»«vlaH 8. bet »»terra lrlger». Mltalea. Spediteure» «ch Ltmohmcpellea. >»wt« Postämter» aa» vrteftrbger». «» «t»»ch»« «ammer lost« K «edoklt»» «» «rschäftbftell« I»h»»»i«g»ste 8. F«»W«chrr, I4S»L 14««, »4«. HMerTllgMM Handclszeitung Amtsblatt -es Mates und -es Molizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Suzeigeu-Preis M Kyer»l, «« LetvB, and llmgebu», »t« S-elpalten« Petit-etl« 2S 4, finanjicüe «njeigen 30 ReNamen l d>» «arwitrtl 30 4, «eNamrn UL) ^e; »ei» A»,laad KOstnaal. «n^ge» 7L^ Reklame» US) Inseritr».vehbrdea n» amllichenLerlM^ Betlage^bübr S p. laasead exN. Posi- aebühr. VelchLsiaaarrigea ,n b»»»r»g«rr Stelle im Prml« erhbhU Rabatt »ach »ari Yesterteiltt «lastrL-e kbnnea nicht jarück- »e>ozca werden. Für »a» Srichetaen en bestimaUrn lag»» nad Plttzen werd kein« Saraati« übernommen. >»»et^n.«n»ahm«i Ullgu<t»«Ptatz 8, bet lümtlichen Filialen u. allen Aanoiieen- »xpedltionen de« In- nnd Au»la»de«. P«»Vt-Sillile Bern»! I«l Lunckor, Her,»«:. Bopr. Hofbach- handluag, Lü-owftratz« 10. (lkelepbon VI, Vir. 4MS). PauPt-FtUal« Dre-denr «eestrade 4,1 (lelephon 4821). Nr. 121. Das wichtigste. * Die Jlnavzkommission des Reichstages lehute den kou- servative« Antrag auf Einführung einer WertzuwachSstcuer mit 14 gegen 14 Stimmen ab. Der Antrag der Wirt- ichaftlichen Bereinigung auf unverzügliche Ausarbeitung einer Gesetzesvorlage betreffend Besteuerung des Wertzuwachses auf Immobi lien nnd der zweite Teil dieses Antrages betreffend Erwägungen über einen Wertzuwachs auf bewegliches Kapitalvermögen wurden angenom- men. Alle anderen Anträge wurden abgelehnt. lS. 2. Beil.) * Die Internationale Photographische Ausstel lung zu Dresden wurde gestern mittag in Gegenwart des Königs feierlich eröffnet. sS. d. des. Art.) * Wie ans dem Haag gemeldet wird, erhielt die holländische Kronprinzessin laut Eintragung ins Standesamtsregister die Namen I u l i a n a', Luise, Emma, M o ri e, W i l h e l m i n a. s I. AuSl.) * Belgrader Meldungen zufolge bereitet der serbische Ex kronprinz gegenwärtig eine Armi-erevolte vor, die den Sturz König Peters herbeisühren soll. sS. Ausl.) * An leitender Stelle in Konstantinopel wird das Gerücht be stätigt, daß der E x s n l t a n nach Monastir überführt werden wird, da die Lage Salonikis am Meer« nicht genügend Schutz gegen einen eventuellen Befreiungsversuch bietet. sS. d. des. Art.) * „Daily Telegraph" wird aus Tanger vom IO. April gemeldet, in M o g ad o r seien ein E n g län'd er und zwei Franzosen er mordet worden. Der französische Torpcdobootszerstöver „Cassini" 'ei nach Mogador abgegangen. * Aus Teheran wird gemeldet: Tie Proklamation der dörfischen Berfassung wird für Dienstag, dem Vorabend des Geburtstages deS Schahs, erwartet. Das Wahlgesetz ist bereits in Ans- orbeitung. ReichstagsbLlLev. Aus Neichstagskreisen wird uns geschrieben: Die Situation des Reichstages erinnert an die Erregung der Novembertagc. In dem Kommissionszimmer im Obergeschoß tagt die Finanzkommission in ihrer Stärke von 28 Mitgliedern. Tatsächlich sind vielfach über 100 Abgeordnete in diesem Raum als Gäste und Zu schauer anwesend und folgen den Phasen der Redeschlachten, die trotz aller sachlichen Erörterungen deutlich den Politischen Hintergrund bei den Ausführungen jedes Fraktionsvertreters erkennen lassen. Die irüherc Verständigung innerhalb des Blocks ist in der alten Form ichon jetzt nicht mehr aufrecht erhalten, seitdem die konservative Partei durch Herrn v. Normann erklären ließ, daß sie sich in der Reichsfinanz, resormfragc an Blockbesprechnngen nicht mehr beteiligen würde, eine Auffassung, in der sich die Konservativen mit dem Staatssekretär Sydow einig sind, der sich ollen Bemiihnngen des Staatssekretärs v. Bethmann» Hollweg, die Neichsfinanzreform mit dem Block zu machen, entschieden cntgcgenstellt, nnd aus seiner Ueberzeugung, daß diese Reform nur mit dem Zentrum kommen könne, kein Hehl macht. Gereizt ist auch der Ton zwischen dem rechten und linken Flügel der Blockparteien geworden, richt nur in der Finanzkommission, sondern auch bei anderen Be ratungen. In solcher Situation zu prophezeien, ist natürlich eine sehr undank bare Aufgabe. Für die konservative Fraktion ist der Weg nach Damaskus ietzt wirklich nur sehr teuer zu erkaufen. Die Unbestimmtheit, mit der Fürst Bülow in seinem Telegrammen die Adressen ans dem Lande be antwortete, wobei er regelmäßig nur von einer Heranziehung des Be sitzes sprach, das Wort Nachlaß- oder Erbschaftssteuer aber ängstlich vermied, hatte bei manchen Seelen Zweifel hervorgerufen, ob überhaupt eine Stellungnahme der Regierung gegen die Konservativen zu erwarten sein würde, wenn diese an Stelle der Erbschaftssteuer eine andere Be- sitzstener Vorschlägen. Das ist ja ein unzweifelhaftes Verdienst deS nationalliberalen Abgeordneten Dr. Weber, daß er durch das so lehr angcfeindete Besitzsteuerkompromiß die konservative Partei über haupt dazu brachte, einmal dem Gedanken zuzustimmen, daß eine Lösung der Reichsfinanzreform nur unter Heranziehung des Besitzes möglich lein würde, während bei Beginn der Beratungen die konservativen Parteiführer diese Notwendigkeit lebhaft bestritten hatten. Die in zwischen im Lande anwach-'ende Bewegung zugunsten der Erbschaftssteuer hat aber die ReichSregierung veranlaßt, sich ihrerseits so festzulegen, daß auch sie ohne Einbuße an jeglicher Autorität nicht znrückkann. Fürst Bülow glaubte durch den Empfang der Abordnungen aus den ver schiedenen Landesteilen, Abordnungen, die sich auS allen Berufsschichten und Anhängern aller Parteien zusammensetzten, die Stimmung für die Erbschaftssteuer zu erhöhen, tatsächlich hat er aber dadurch den Wider stand der radikal-agrarischem Elemente in der konservativen Fraktion an- scheinend gestärkt. Ter ungekrönte König von Preußen, Herr v. Hey de- brand und der Lahsa, der sich >m preußischen Abgeord netenhaus« als Selbstherrscher dünkt, dem alle Minister zu Willen sein muffen, hält den Augenblick für gekommen, den Kampf gegen die Re gierung zu unternehmen und ihr zu beweisen, daß sie ohne die Konser vativen nicht regieren könne und nicht regieren dürfe. Anscheinend glaubten die Herren gewonnenes Spiel zu haben. Die theoretisch und sachlich undurchführbare Zuwachssteusr kür Wertpapiere hat unter dem Schlagwort deS mühelosen Spekulationsgewinnes bei der Menge der Urteilslosen eine verführerische Wirkung. Man glaubt durch die An träge bewiesen zu haben, daß man vor einer Besteuerung deS Besitzes nicht -urückschrecke, und glaubt so die Forderung gefunden Sonntag 2. Mai 1909. zu haben, entweder den Mock ans diese Bahnen der kon- servotiven Anschauungen zu lenken, oder aber die Neichsfinanzreform gegen den Block mit dem Zentrnm zu machen. Dir sachlich geradezu verenichtende Kritik des Reichsbankpräsidenten Havenstein und die scharfe Erklärung des Reichsschatzsekretärs Sydow, die in die Worte ausklang: „Entweder Neichsfinanzreform mit Erbschaftssteuer oder keine Neichsfiiianzrcsvrm!" batten die Herren sicherlich nicht erwartet. Ob es den bisher 15 Anfängern der Erbschaftssteuer in der konservativen Fraktion gelungen ist, die Fraktion zu veranlassen, wenigstens im der Kommission eine der Stärke dieser Anhänger entsprechende Stimme der Jraktionsmindcrhcit cinznräumcu, muß dahingestellt bleiben. Es scheint, als wenn die preußischen Junker es ruhig auf sich nehmen, auf die künftige Mitarbeiterschaft der konservativen Intellektuellen und der nichtagrarischen Elemente zu verzichten und die konservative Reichs- tagssraktion als preußisch-agrarisch-fcudale Gruppe neu zn organi sieren. Solange in der preußischen Verwaltung konservative Gesinnung nnd Beamtentum als gleichbedeutende Begriffe gelten, so lange ist die Macht dieser Partei m Ostelbien nicht zu zertrümmern, und selbst im schlimmsten Falle können die Herren auf 30 bis 10 Mandate immerhin rechnen, es sei denn, daß die Freikonservativen sie verdrängten. Junker trotz gegen NegierungSsestigkeit, das ist der Eindruck, unter dem man gegenwärtig steht. Nene Männer treten bei diesen Kämpfen hervor. Ta die Finanz reform alles beherrscht, so stehen natürlich auch die Vertreter der ein zelnen Parteien in dieser Frage jetzt im Vordergrund des Interesses. Unter den Nationalliberalen ist es besonders Dr. Weber, der sich hier ebenso wie beim Börsengesetz einen Namen gemacht hat. Der sozial demokratische Mgeordnete Stückten, der ihm neulich in «ttner Zittauer Versammlung entgegcntrat, glaubte doch auch als politischer Gegner an erkennen zu muffen, daß die nationalliberalc Partei vielleicht in den letzten Jahrzehnten niemals einen Mann in Finanzfragen vorgcschickt hätte, der über derartig weitgehend: sachliche Kenntnisse verfügte wie der Löbauer Abgeordnete Weber, der dabei im Anfänge der IOer stehend, zu den jüngsten Abgeordneten des Deutschen Reichstages gehört. Wie ein Schwalbenschwarm sich im Gesims cinnistet, so haben in- Zwischen neben den Abgeordneten auch di>: Interessenten der verschiedenen Gewcrbezwcige, welche durch die Neichsfinanzreform betroffen werden, im Reichstagsgeböude Onartier bezogen. Man kennt ihr« Namen und ihre Gesichter und man betrachtet sie schon beinahe al? zum Bau ge hörig. Manchmal treiben es einzelne allerdings zu arg und werden dann von dem exponierten Posten zurückgezogen. Branntwein-Interessenten, Vertreter der Brauereien, Vertreter der Kaffeegroßhändler und andere tauchen in der Wandelhalle empor, um im Reichstagshause die Steuer für sich erträglich zu machen oder andere Stenern vorzuschlaaen. Ein neckischer Zufall ist es dabei, daß einer der Hanptwortführcr der Branntwein interessenten „Florian" heißt und dadurch an jenen Schutzpatron er innert, der dafür sorgte, daß die Häuser der anderen angezündet würden, damit die eigenen verschont blieben. In Amerika hätte man schon längst W.tten abgeschlossen darüber, ob die Reichssincnzreform zustande kommen wird in dieser Session oder nicht, nnd auch darüber, welche Besteuerungsarten man wählen wird, nm den großen Bedarf des Reiches zu decken. Soweit bei der gegenwärtigen Lage ans der Stimmung der Beteiligten und Interessenten geschlossen werden kann, scheint das eine sicher, daß im Fall: einer Verständigung über die Erbschaftssteuer diese verbunden werden würde mit der zwischen Reich und Gemeinden geteilten Wcrtzuwachssteuer für Grundstück:, mit einer auf 100 Millionen Ertrag gebrachten Brausteuer, mit «iner ans denselben Betrag gebrachten Branntweinsteuer nnd zwar wahrscheinlich doch in Form der Regierungsvorlage, d. h. des Monopole-, und mit einer auf einen Betrag von 50 Millionen abgestuften Tabaksteuer in Form der Banderole. Dazu würde das Zündhölzchenmonopol treten und eine ganze bedeutende Erhöhung des Kaffeezolles jedoch voraussichtlich eine Erhöhung des Zolles auf Tee nnd Kakao nicht eintreteu, da Kakao — leider ^agt die Finanzkommission — handelsvcrtraglich gebunden ist, während ein- Erhöhung deS Teezolles bei uns nur einen geringen Er trag brächt-. Darüber hinaus würde man voraussichtlich die Fahrkarten steuer zu reformieren versuchen und gleichzeitig den früheren Beschluß des Reichstages auf Herabsetzung der Zuckersteuer wieder umstoßen, um den voraussichtlichen Steuerausfall, der hierdurch entstehen würde, zu verhindern. Treten hierzu noch 25 Millionen Matrikularbeiträge, so ist ein Betrag von etwa 460 Millionen gesichert, der dem augenblicklichen Bedürfnisse des Reiches genügte. Dann aber wäre eS die Hauptaufgabe für die Zukunft, daß die Finanzkommission sich in neuer Form als Spar- samkeitskommissivn etablierte und bei der Beratung der nächsten Budgets ihr Augenmerk darauf lenkt, daß durch Einführung kaufmännischer Grundsätze oder durch Einffihrung eines kaufmännischen Beirates für die Verwaltungen und durch rücksichtsloses Streichen unnötiger reprä sentativer Ausgaben in Heer, Marine und Verwaltung diejenigen Er sparnisse erzielt werden, die nnS wenigstens für absehbare Zeit diese Finanzresorm als einen Abschluß der Steuergesetzgebung des Deutschen Reiches sicherten. Eduard von Simson. Heute vor zehn Jahren ist in Berlin der Königsberger Jurist Eduard von Simson gestorben, der sowohl in dem tollen Jahre 1848 als Leiter des Frankfurter Parlaments und Nachfolger Heinrich von Gagerns, als auch als Sprecher der Deputation, die Friedrich Wilhelm den Vierten in den Avriltagen des Jahres 1849 vergeben? die deutsche Kaiserkrone angcbotcn bat, endlich aber als Präsident deS norddeutschen und des deutschen Reichstages eine hervorragende politische Rolle gespielt bat. 1810 in der Stadt der reinen Vernunft als Sohn eines un gebildeten israelitischen Kaufmanns und einer Frau, die auS einer hervorragenden jüdischen Familie stammte, geboren, zeigte der Knabe, als eine Art Wunderkind, eine überraschende geistige Entwicklung. Er besuchte zuerst eine Königsberger Privatschule, nm später auf daS be rühmte Gymnasium der Stadt, daS einst Kant als Schüler und Herder als Lehrer gehabt hatte, überzugeben. Fanny Lcwald, seine entfernte Verwandte, erzählte in ihrer „Autobioaraphie": „Ich hatte eine außer- ordentlich große Meinung von me nen Anlagen und von meinem Wissen, nnd dicie zn unterdrücken, hatte Herr Nlrick) nur ein Mittel: Er hielt mir beständig das Beispiel eines Knaben vor, der kurz vor mir die Schule besucht hatte und viel schneller vorwärts gekommen war, viel mehr 183. JcchMnq. geleistet hatte als ich. Dieser Knabe hieß Eduard Simson und ist der in unserem politischen Leben rühmlich bekannt gewordene Präsident und Professor Eduard Simson." Tatsächlich machte der Knabe, der mir dreizehn Jahren zum Christentum übertrat, ebenso wie der Student der Rechte die Studienjahre wie im Fluge durch und war bereits mit acht zehn Jahren Doktor und zugleich im Besitz der v«mia lossncki. Der Philosoph Herbart, den er eifrig börte, bildete damals den Stolz der Königsberger Universität, und ihm batte es Simson wohl in der Haupt sache zu verdanken, wenn er sich, abseits von seinen politischen nnd wissen schaftlichen Interessen, stets eine rege Anteilnahme an den schönen Künsten, die er aufs eifrigste gepflegt hat, bewahrte. 1829 beginnt er eine zweijährige Studienreise, die ihn zuerst über Berlin nach Weimar führt, wo er mit einer Empfehlung ZelterS versehen, zu Goethes acht- stastcm Geburtstage bei dem Dichterfürsten eintrifft. In der von seinem Sobne herauSgegebenen „Autobiographie" haben wir eine interessante Schilderung des Goethckreises und des Dichters selbst, der den jungen Gelehrten mit außerordentlicher Freundlichkeit aufnahm. Sein Weg führte ihn dann nach Göttingen und Bonn, wo er durch deu Historiker Niebuhr die stärksten geistigen Anregungen erhielt. Ohne den frühen Tod des berühmten Gelehrten, der sich für ihn zu interessieren versvrach, wäre Simson in die diplomatische Karriere eingetreten. Statt dessen schlug er nach einem längeren Aufenthalt in Paris, wo er sehr freund schaftlich mit Börner verkehrt bat, die Dozentenlanfbahn ein und bat, von seiner parlamentarischen Tätigkeit abgesehen, die folgenden drei De zennien als Lehrer des preußischen und römischen Rechts in Königsberg zugebracht. Bei den Frankfurter Parlamentswahlen siegt er über den cxtremliberalen Johann Jacoby, den berühmten Verfasser der „Vier Fragen", und wird im Parlament selbst zum Schriftführer erwähl:. Späterhin ist er bekanntlich mit einer freilich nur kleinen Majorität an die Stelle Heinrich von Gagerns getreten, und damit beginnt die eigent liche Glanzzeit der staatsmännischen Karriere Simsons, die ihn im April 1849 als Sprecher des Parlaments nach Berlin führte, wo er Friedrich Wilhelm IV. vergebens die deutsche Kaiserkrone anbot, ihn dann zum langjährigen Präsidenten deS norddeutschen und deutschen Reichstags machte und ibn endlich auch bei der Versailler Deputation die Hauptrolle spielen ließ. AuS seiner Frankfurter Parlcrmentszeit be sitzen wir eine interessante Schilderung der Persönlichkeit Simsons auS Ker Feder Heinrich Laubes. „Eduard Simson von Königsberg ser ist erst viel später als Neichsgerichtspräsident geadelt worden) ist ein feiner Mann in al! seinen Eigenschaften, ein feiner Kunde, wie der Volksaus druck vielsinnig zu sagen pflegt. Fein an Verstand, sein an Bildung, fein in der Erscheinung und Aeußerung. ... Er ist nicht nur dialektisch durch und durch gebildet, er hat auch diese nnd andere Hilfsmittel der Bildung zu jener Harmonie nnd Grazie in sich verbunden, die man nach dem römischen Ausdruck „Urbanität" zu nennen pflegt, weil ein umfassender deutscher Ausdruck in unserer Sprache fehlt. Simson ist in all diesen Jahren das Ideal eines Präsidenten gewesen, der eS ausgezeichnet ver stand, selbst in der höchsten Erregung an die Bildungsinstinkte der Volks vertreter zu appellieren. Nachdem er in den fünfziger Jahren der wissenschaftlichen Tätigkeit wiedergegeben worden war, wird er bei der Regründnna deS Reichsgerichts s1879) an die Spitze des höchsten Ge- richrshcsscS berufen. 1891, nach elffabriaer Tätiakeit in dieser Stellung, zwang ibn sein hohes Alter zum Rücktritt, nnd seine letzten Lebensjahre hat er in Berlin im Kreise seiner Kinder nnd Enkel verlebt. Simson ist bekanntlich auch der Mitbegründer nnd erste Präsident der Goethe- Gesellschaft gewesen, und man darf sagen, daß zeitlebens über dem Werden nnd Wirken diese? Mannes etwas von dem Geiste Goethes ac- schwebt hat. Scharibrrdentrubel. Langsam steigt man den alten „Brühl" hinauf. In diesen ersten Früblingswochen, in denen die internationale Handelsschaft für Leipzig Messe auf Messe folgen läßt, die Groß-Messe, die Leder-Messe, die Pelz- Messe, die Buchhändler-Messe: in diesen lauten, geschäftlich aufgeregten Wochen, hat auch daS älteste Geschäftszentrum der Stadt im Aeußerlichen sich völlig umgewandelt. Der „Brühl" hat sich in Pelz vermummt. Aus Rußland, aus Kanada, Vvn den großen Pelzzentralen Paris und London sind alle Großherren, alle Händler hier zusammengeströmt, nm den Luxus der Damen aller Erdteile auf ein kurzes Jahr durch nngelxmren Kauf zu decken. Im Straßenbild des Brühls merkt man freilich von den ungezählten Millionen nichts, die täglich, stündlich jetzt durch die Riesen- lager der Pelzgroßhändler rollen. Im Straßenbild dominieren die Russen. Man siebt sie in ihren langen schwarzen Kaftanen unaufhörlich die Straße abschrciten, mit langen, Weißen Bärten, immer in eifriger Gestikulation, in eifrigem Feilschen, Kalo zwei nnd zwei, dann wieder in erregten Gruppen, in allen Nischen, an allen Ecken, unter allen Haus fluren, durch die der müde, dumpfe Pelzgeruch schlägt. Man hat den Brükl in wenigen Minuten durchquert, aber die kurze Strecke wirkt wie ein Stück verpflanztes Rußland. Nichts ist hier von Fröhlichkeit, nichts von freiem Atem, nur daS Geschäft gilt. Und der Kontrast wirkt um so schärfer, wenn man auS all dieser drückenden, muffigen Enge dann eine kurze Weile später draußen vor dem Frankfurter Tore steht. Wo die Wiesen beginnen, und die weiten, freien Gelände, über denen die Lust von Lust und Meßspektakel dröhnt, wenn hier die Stadt der Jahrmarkt buden errichtet wird. . . . Man durchwandert mit einigem Staunen die langged-ehnten Duden« straßen, die mit einem Kram von geräucherten Fischen die Flucht der Attraktionen beginnen, an Strümpfen und Zwieback, an Hüten und Näh nadeln, Schokolade, Pantoffeln und Teetaffen vorbeifübren, an einer An zahl von nützlichen Gegenständen. Dann drängt sich Karussell an Karussell, man bewundert die Rntschbabnen. die Drehbühnen, diie künst lichen Eisbahnen oder die amerikanischen Lustbahnen, bewundert nocti allerlei weitere Bahnen, hinter deren Geheimnis der Passagier erst beim Aussteigen kommen wird: all diese VerkebrSapparate umzucken, um.- branden, nmtosen deS Besucher? vielbclchäffigteS Haupt, das nun doch allmählich den Gedanken von der Rotation der Welten und — wa? man auf der Schulbank vielleicht nicht ganz kapierte — den Sinn von der mechanischen Kraftzerlegung der Resultanten in verschiedene Komponen ten begreift. Nichts ist so sonderbar an dem ganzen Meßbudentrubel, wie da? unaufhörliche, unbegreifliche, gleichzeitige Drehen von tausend bunten, grellen, schreienden Dingen, tue bald oben, bald unten, dann links, dann rechts austauchen, verschwinden, wiederum auftauchen, wiederum ver- schwinden, mit rätselhafter Slbsicht, mit rätselhaften, abenteuerlichen Formen. Man kann in zierlichen Sänften durch die Lüfte gaukeln, Sänften, die auf ein sonderbares Rokoko gestimmt sind nnd den kleinen Marquisen, die nach Ladenschluß ans den Meßvlatz kommen, die Wabl der unten versammelten Galan? erleichtern. Sie blicken so recht von oben herab auf die jungen Herren, wählen und schreiten dann in be wußtem Kvntrastempsinden von den Sänften den Automobilen oder dem „Toboggan" -n, einer sinnreichen Einrichtnyg, die in der Hauptsackie darin besteht, daß man einen Turmbau von etwa fünfzig Meter Höbe auf einer Latte zu erklimmen sncht, indes die Latte einem unter den Füßen forigezogen wird. Drehorgel steht an Drehorgel: die eine bat als Spezialität noch einige schrille Pfeifen, die andere läßt drei Decken mit einem beson deren Aufwand von Energie bearbeiten, und keine ist natürlich kollegial genug, ein wenig zu ruhen, wenn die Kollegin begann. Die einen sind sentimental und schwanken, wenn sie etwas von sich hören lassen, nur zwischen Mignons Romanze und Verdis „Troubadour", waS drei Schritte nebenan eine Pseiforgel von modernerem Geiste nicht hindert, mit einem Niggertanz dazwischen zn fahren. Gleich Wagner? Oper ha» auch das musikalische Gciamtopu? der Meßbnden „unendliche Melo die'' und wer sie zwanzig Minuten lang aus sich wirke« ließ, wird gut
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