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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.07.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-07-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080707015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908070701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908070701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1908
- Monat1908-07
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Morgen-Ausgabe 8. Bezugs-Preis Handelszeitung. Amlsbiatt des Nates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig »r uns >>.2k»rr« virrch >mt«r« IrLgei und Lv«di»iur» m« Hau« gedruch»! «».gab« 4 <,« uwrarn«) iN«trlttI>rNld 1 Vi, monatlich I M.; «!u«aav« U (moraen« und ab«nd») mrnat. ladrltch 4.SO M., monollich I SO M. Durch dt« VoN ,« dr,tedr«: (2 wat täglich) innerhalb Leutlchlanb» and de» beutlchen »toloairn viertel,Llirlich ä,2k>M.. monatlich t,7S M. autschl. Post, 'iellellgeld, ür Oesterreich NNW», Ungarn 8 li viertel lädrlich. ,ferner »i Bei. gien. Tänemart, den Dvnauftaaien, Italien, Uuremourg. lltiederlande, Norwegen, -tust» land Schweden, Schwei, und Lvanrev. In allen übrigen Stoaten uur direkt durch »U Lrved. ° «l. erbSltli« «bonnemrnt-Unnabuie: Nugustubolatz 8, ve> unirren rrägern. iNlia»»n, Lpediteure» und Annahmestellen, iowie Postämtern uub Brielrrägerw Di» einzelne Ätunimer tostet >v VsK- Hetakllon und «strprdtttou: Iohannilgaste 8. ^eleodon Nr. I46S2. Nr 148«!. Nr l48Su. Anzeigen-Prrw tE» Iuleraie aas n«l^»ig uao ilmgedung K» st aeivalten, Pmitgeil» L OI„ stnonztell« »innige» 8V PI., Nekiaiuen j Pi., »W> «u«wtri« 8V Pi., «eil-men t-w M.; »,m Aul land SO PI., ftnawi A-»eigen 7Ü Pst, Siellame, PLO M. Inlernte ». Behörde« i amtliche» Aeil 40 Pi. veilagegebübr b M. ». rauiend exkl. Post, gebühr. Selchält«an>eigen an bevorzugter Stelle im Preile erhöht. Rabatt nach larn gesterteilt« Auitrtae künnea nicht zurück- aezogru werden. Aür da« lirkcheinen an baslunmren Tugen na» Plätzen wir» lein» Garantie übernommen Anzeigen. Annahme! August»«»!»» 8, hat Itmtlichea Filialen u. allen Annoncen» Lrpedilioaea de« Ja» und An«la ade«. Vauvt-Ailtale Berit»i v»rl Dunckee, Herzogi. Bavr. H»)b»ch- handlnag, Lützowstrahe l<X tTrlephon Vl. Nr. 480S). Paovt-Stltale Dresden: Eeestrahe 4, l (Teleodon 462h). Nr. 186. Das Wichtigste. * Die Vermählung des Prinzen August Wilhelm, 1. Lohn des Kaiserpaares, mit der Prinzessin Alexandria Viktoria, findet Ende September statt. sS. Dtschs. R.) * In München begann der Deutsche Städtetag seine Tagung. sS. bes. Ber.s * Der hamburgische Senat hat der Bürgerschaft einen Gesetz entwurf für eine Wertzuwachs st euer unterbreitet. * Gegen die Fahrten deutscher Luftschiffer nach Frankreich wird dort protestiert. sS. Dtschs. R.) * Wie uns ein Privattelegramm meldet, gab Fürst Eulen burg in der gestrigen Verhandlung zu, den Milchhändler Riedel zu kennen, bezeichnete aber dessen Aussage als unwahr. (S. Ber.) * Wie verlautet, wird der französische Minister des Ncußern die an ¬ gekündigte Interpellation Jaurös über Azemur beantworten. lS. Ausl.) * DaS griechische Ministerium hat sich neu konstituiert. sS. Ausl.s * Die Kosaken des Schahs haben trotz des Protestes des eng lischen Geschäftsträgers von neuem die englische Gesandtschaft in Teheran umstellt. sS. Letzte Dep.j Vor und hinter -en Atnlissen. Es ist schon lange her, daß die Sommermonate in der Politik eine wirkliche Sauregurkenzeit bedeuteten. Seit Jahren liegt cs vielmehr so, daß auch in den Wochen, die für Diplomaten wie für Schulkinder als Ferien gelten, weder in der hohen Politik des Auswärtigen Amtes noch auch in der Erörterung dringender innerpolitischer Fragen eine Ruhepause eintritt. Auch in diesem Jahre ist es nicht anders. Weder die Abreise des Fürsten Bülow nach Norderney, noch des Kaisers Nordlandreise lassen den Schluß zu, daß Ferien für die Politik eingetreten seien. Der Draht zwischen Berlin und der ostfriesischen Insel wie das Tepeschenboot, das unablässig zwischen dem Bord der „Hohenzollern" und der nächsten Tele- araphenstation hin und hereilen wird, sorgen dafür, daß die aktuellen Probleme der auswärtigen wie der deutschen Politik ihre stete Erörte rung finden, und in den Reichsämtern der Reichshauptstadt rastet man in diesen Wochen so wenig wie in der politischen Wintersaison. Das Rätsel, das die Zusammenkunft in Reval den Diplo maten aufgegeben hat, und die R c i ch s f i n a n z r e f o r m, die als ruhelose Fran Sorge in den Ncichsämtcrn umgeht, lassen keine politische Fcrienstimmung aufkommcn. Sie bleiben so im Vordergrund des Jn- leresses, daß selbst die übliche politische Sommersrage, ob sich wohl sur den Herbst ein Wechsel in hohen Reichsämtern vorbereitet, noch nicht in den Rahmen der Erörterung getreten ist. Selbst von Nieberdings AmtSmüdigkeit, von der man nach seinem Jnbelgeburtstag sprach, ist es still geworden. Nur der Rücktritt des unheimlichen Gastes in den Ministerhotels, der Unheil verkündend wie die Weiße Frau aufzutreten pflegt — nur der Rücktritt des greisen L!' kanus scheint nach dem leichten Schlaganfall, den er erlitten, be vorzustehen. Und auch dieser nicht unmittelbar. Von einem Abgang Bülows aber redet und schreibt zurzeit niemand. Obwohl es noch vor Wochen Kreise gab, in denen man einen Wechsel im Reichskanzleramt für den Herbst als sicher annahm. Ein Mann, dem der Kaiser in so promoncierter Weise »ein Vertrauen ausgesprochen hat, wie es Fürst Bülow in der Kaiser rede zu Brunsbüttelkoog erleben konnte — scheint in seiner Stellung gesicherter als je, selbst wenn sein Gesundheitszustand weniger gefestigt wäre, als er zu sein den Anschein hat. Und doch lagen Gründe genug vor, um noch vor kurzem des Fürsten Rücktritt für möglich zu halten. Der Erfolg seiner Blockpolitik, der sich bei Beginn der österlichen Par lamentsserien nach Annahme des Reichsvereinsgesctzes und der Börsen gesetznovelle in so Hellem Lichte zeigte, konnte darüber nicht hinweg läuschcn, daß dieser kleine Befähigungsnachweis für die Führung der Reichskanzlergeschäftc nicht auch schon die Gewißheit bot, den großen Nachweis für die Meisterschaft zu leisten, den die schwierige inter nationale Lage und die ungelöste Reichsfinanzfrage unerbittlich fordert, wenn das Deutsche Reich hier nicht unabsehbaren Schaden leiden soll. Die Gegner Bülows müßten politische Stümper sein, hätten sie hier nicht mit ihrer Maulwurfsarbeit gegen den Kanzler eingesetzt. Konnte cs einem Monarchen gegenüber wirkungsvoller sein, als wenn man die ourch die Zusammenkunft in Reval deutlicher als je zuvor offenbar ge- wordenc Einkreisung Deutschlands aus di« Schuld des Reichskanzlers schob, der es nicht verstanden hab', eine solche Einkreisung ,u verhindern? Und kann man den ersten und allein verantwort lichen Beamten des Reiches schlimmer diskreditieren, als wenn man ihm nachzurechne» vermag, wie unter seiner Amtsführung die Schuldenlast des Reiches von Jahr zu Jahr gewachsen ist, lo ungeheuerlich, daß wir heute nicht wissen, wie wir auch nur die Zinsen jener Schuld durch neue Steuern decken sollen? Ein besseres Material konnten sich dieselben Maulwürfe, die vor Jahresfrist Posadowskys Sturz vorbereiteten, wobei ihnen der Kanzler zum mindesten nichts in den Weg gelegt, nicht wünschen. Mer ihr erster heimlicher Waffengang gegen den vierten Kanzler ist erfolglos geblieben. An drr persönlichen Gunst, in der Fürst Bülow bei dem Kaiser steht, und au den geschickten Operationen, mit denen dieser Diplomat schon oft brilliert hat, ist der Schlag mißlungen. Das ist die bisher in dieser Hinsicht viel zu wenig beachtete Bedeutung der Kaiserrede in Brunsbüttelkoog. Der Kaiser hat hier ..seinen Hamburgern" und über sie hinaus dem ganzen deutschen Volke in kraftvollen Worten gesagt, was vor allem Bülows intime persönliche und politische Gegner hören sollten: daß er sein volles Vertrauen aus den Kanzler Fürsten Bülow setzt und daß er ganz Deutschland auffordert, Dienstag 7. Juli 1908. 102. Iahrqana. dieses Vertrauen zu teilen. Damit trat vor die Kulissen, was sich hinter den Kulissen abgespielt hat. Und damit ist die politische Situation bei aller Verworrenheit der politischen Lage in dem Sinne geklärt: Bülow wird der Mann bleiben, mit dessen Leitung der Reichsgeschäfte wir bis auf weiteres zu rechnen haben. Um so wichtiger ist es, sich über Bülows diplomatische Haltung klar zu werden. Dafür sind zwei Anhaltepunktc vorhanden. Den Angriffen gegenüber, die seine Haltung in der auswärtigen Politik als zu schwäch lich, als zu naä)gieblg hingestcllt haben, verstand er es, sich als ener gischer Mann zu geben, der daran erinnert, daß unsere Soldaten auf ihren Helmen nicht den Wahlspruch der Hildesheimer tragen: „Gib uns Frieden, .Herr, in unseren Tagen". Er ist nicht mehr der unbedingt Friedfertige, zwischen dem und Herrn von H o l st c i n die Differenz be- stand, ob man auch einmal mit dem Säbel rasseln solle. Das Unwahr scheinlichste ist nämlich Ereignis geworden: die völlige Aussöhnung, ja die Entente Bülow-Holstein. Wer sich der Ereignisse vor etwa anderthalb Jahren erinnert, zu welcher Zeit der Gewaltige des Auswärtigen Amtes noch auf eigene Hand Politik trieb und der Harden- feind noch nicht bekehrt war, wird die Bedeutung dieser Personal sensation zu schätzen wissen. Wie Herr von Holstein heute wieder in einem durchaus freundschaftlichen Verhältnis zu dem Kanzler steht, dem sein Rat durchaus nicht unwillkommen ist, so pocht auch Bülow nicht mehr allein aus eine friedliche Ausgleichsmöglichkeit der Differenzen, die in Marokko entstanden und nun auf dem Balkan ein noch ernsteres Gesicht bekommen haben. Er greift — just 10 Jahre nach dem Tode des eisernen Kanzlers — auch einmal zu dem Mittel des kalten Wasserstrahles durch den so lau warm gewordenen Schlauch der „Norddeutschen Allgemeinen", und wird in derselben Kaiserrede gefeiert, in der sein Monarch auf das Sturm lied der Hamburger antwortet, daß wir den Frieden wollen, aber nur den ehrenvollen. Er hat damit erreicht, daß man weniger ihn als den Kaiser für einen Hort des Friedens hält, und daß man ihm darum nicht mehr den Vorwurf machen kann, zu nachgiebig in der Politik gegen das Ausland zu sein. Er wird hier fortan im Sinne der Holstein- schen Taktik die schärfere Tonart vertreten. Schwieriger bleibt für ihn die Position in der Reichs sinanz- frage. Er hat in ihr bisher eine Ressortfrage des Neichsschatz- amtes gesehen. Stengel mußte gehen, als er sie nicht listen konnte. Bülow blieb. Das wird nach der Hamburger Kaiserrede sich kaum wiederholen können. In ihr verband der Kaiser das Schicksal Bülows mit dem SydowS. Er lobte das Hamburger, das kaufmännische Blut in Bülows Adern als Bürgschaft für gute Finanzpläne. Und lobte in demselben Atemzuge den neuen Reichsfinanzsekretär. Aber Bülow hat nicht nur in Nordernei Zeit, wieder Verhandlungen mit den Blvckführern zu pflegen. Es heißt sogar, man täusche sich, wenn man meint, der könnte nach seiner Romreife zum Pap st den Weg wegen der Dezem- bertage 1907 nicht mehr zum Zentrum finden, als der Hilfstruppe in Finanznöten. Der Hinweis darauf, daß eben der Block bei der Finanz reform versage — daß es des Blocks, nicht des Kanzlers Schuld sei, wenn Sydows Pläne scheitern sollten — werde an der Stelle, auf deren Ver trauen es dem Kanzler vor allem ankommt, Verständnis finden. Ganz klug gedacht, sofern man nur nach oben blickt. Wir meinen freilich, der Unwille des zentrumsüberdrüfsigen Volkes werde durch diese Rechnung einen dicken Strich machen. Indessen macht schon der Gedanke die Lage des Liberalismus im Block schwierig. Des Kanzlers Position aber ist vorläufig so sicher wie nur irgend möglich. Das tritt als Resultat von dem, was hinter den Kulissen geschehen sein mag, als Tatsache vor die Kulissen, und mit dieser Tatsache wird man im Sommer für den Herbst und Winter rechnen müssen. Nationale Arbeiterorganisationen iin Aonigreich Sachsen. Die Niederlage der Sozialdemokratie bei den letzten sächsischen Neichstagswahlen hat allerorts die Frage entstehen lassen, wie das er reichte Resultat auch für die Zukunft gesichert werden kann. Dabei bat auch die Frage der Begründung der nationalen Arbeitervereine eine bedeutsame Rolle gespielt. Gegenüber einer durchaus irreführenden Darstellung des „Berliner Tageblattes", welche die in Sachsen be- gründeten nationalen Arbeitervereine mit den sogenannten „Gelben Gewerkschaften" verwechselt, ist es jedenfalls notwendig, auf folgendes hinzuweiien. In der gewerkschaftlichen Organisation kommen für das Königreich Sachsen drei Gruppen in Betracht. Da sind zunächst die sogenannten freien Gewerkschaften sz. B. die Metallarbeiter», die Textil- arbeiter- und die Holzarbeitergewerkschaften), welche aber im engsten Zusammenhänge mit der sozialdemokratischen Partei stehen und des halb ohne weiteres als sozialdemokratisch gelten können. Neben ihnen bestehen die Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine, welche aber fast nur für die Metallarbeiterbranche in Betracht kommen, da die übrigen Branchenvereinigunyen der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine nur schwach ausgebildet sind. Sogenannte ,Gelbe Gewerk- schäfte n", welche im Gegensätze zu den übrigen gewerkschaftlichen Organisationen auf das Streikrecht im wesentlichen verzichten, bestehen in Dresden in der freien Vereinigung Dresdner Metallarbeiter und in Meißen in der Organisation der Arbeiter eines dortigen Granit- Werkes. Auch im Handwerk hat diese Lrganisationsform sich einge- bürgert und ist in Dresden in einer Bäckerorganisation vertreten. Eine besondere Rolle spielen noch in Sachsen die Evangelischen Arbeitervereine, welche weder einen rein gewerkschaftlichen Charakter, noch einen rein politischen Charakter besitzen, und etwa 18 000 Mitglieder zählen. Darunter befinden sich aber auch eine große Anzahl von Handwerkern und Kleinkausleutcn, so daß die Zahl der organisierten Arbeiter eine geringere ist, und gegenüber den L5000 Mitgliedern der sozialdemokratischen Gewerkschaften, nicht -wesentlich ins Gewicht fällt. Die in letzter Zeit begründeten und schnell zur Ausbreitung ge langten nationalen Arbeitervereine können in gewisser Beziehung mit evangelischen Arbeitervereinen verglichen werden, in sofern sie nämlich einen gewerkschaftlichen Charakter tragen, nicht nach Branchen, sondern nach Orten zusammengcsaßt sind, die nationale Ge sinnung, die Geselligkeit und das Untersliihungswesen pflegen, dabei ledoch von jenem evangelisch-kirchlichen Charakter absehen, der den evangelischen Arbeitervereinen eigen ist. Diese in letzter Zeit in ver- schiedencn Orten Sachsens begründeten Vereine dürsten heute bereits gegen 10 000 Mitglieder innerhalb Sachsens zählen und finden außer- ordentlich schnelle ^Verbreitung. Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß in Zukunst ein Hand in Hand gehen zwischen dem nationalen und evan gelische Arbeitervereine sich ermöglichen läßt, wenn diese ihren kirch- lichen Charakter gegenüber dem Betonen des nationalen Gesichtspunktes mehr zurücktreten lassen. Es ist eine bekannte Tatsache, daß der Arbeiter sich nur schwer dazu versteht, einem konservativen, nationalliberalen oder freisinnigen Ver- eine beizutrctcn, daß er dagegen mit seinesgleichen sich gern auf natio nalem Boden zusammcnsindet, um dem Terrorismus der Sozialdemo kratie zu entgehen. Wenn die Sozialdemokratie diese Vereine als „gelbe Gewerkschaften" hinstclll, so weiß sie genau, weshalb sie das tut. Ter Name „gelbe Gewerkschaft" hat etwas Herabsetzendes an sich und man möchte gern die Mißstimmung gegenüber diesen Organisationen auf die neu begründeten und schnell vorwärts schreitenden nationalen Arbeiter vereine übertragen. Jedenfalls dienen sic der nationalen Idee, und diejenigen Mitglieder des Reichstages, welche sie durch Vorträge unter- stützen, sollten daher bei objektiver Würdigung der Sache Zustimmung finden und vor solchen Angriffen gesichert sein, wie sie von dem ge nannten Berliner Blatt in Unkenntnis der Sachlage erhoben worden sind. Bemerken wollen wir dabei noch, daß cs sich bei diesen nationalen Arbeitervereinen namentlich um die in den Hauptgebieten der Textil- industrie begründeten lokalen Arbeiterorganisationen handelt, die unter einander bisher noch nicht in irgendwelchen Zusammenhang getreten sind Daneben bemüht sich der Bund vaterländischer Ar- beitervereine ebenfalls, in Sachsen Fuß zu fasten, und bat in einigen kleineren Orten Gründungen von Ortsgruppen veranlaßt, doch treten diese an Bedeutung gegenüber den vorgenannten großen Lokal- vereinen in Werdau, Crimmitschau, Schönheide usw. zurück. Der Nüffel -es Generals -'Aina-e. sVon unserem Pariser ^.-Korrespondenten.! Paris, 4. Juli. Die französische Negierung hat wieder einmal ihrem Oberbefehls haber in Marokko einen Rüffel erteilt. General Drude wurde ab berufen, weil das Geschrei der Kolonialpartei nicht verstummen wollte, seine „Untätigkeit" wäre mit den französischen Interessen nicht vereinbar. General d'Amade, sein Nachfolger, hat sich dies zur Lehre genommen und führt ein frisch-fröhliches Kriegsleben. Drude hielt sich streng an die Vorschriften seiner Negierung und war überlaicht, daß ihn leine Disziplin um das Kommando brachte: d'Amade handelte daraufhin, ohne sich an Disziplin zu kehren und entsprechend den Wünschen der Kolonial partei, die ihn früher oder später wie einen einfachen Drude hätte zum Teufel jagen lassen, wenn er nicht jede Woche ein neues Eckchen Marokkos erobert haben würde. Minister Pichon versicherte auf der Kammer tribüne, daß man keinen Schritt über das Schaujaland hinaus tun werde. General d'Amade strich sich den Schnurrbart und sagte sich: Das wollen wir einmal sehen! Und flugs zog er seine Truppen zusammen und mar schierte aus die ganz außerhalb des Schaujalandes liegende .Hafenstadt Azemur. Herr Pichon hatte weiter versichert, daß er zwischen Abd-el- Aziz und Muley Hasid Neutralität wahren werde. General d'Amade wußte, daß Azemur die einzige Hafenstadt im Besitz des Gegensultans war; darum ließ er dem hasidisuschen Gouverneur dort sagen, er habe schleunigst den Platz zu verlassen. Und wie ein rechter Eroberer forderte der „brave General" die Notabilitäten in Azemur auf, eine neue Behörde zu bilden. Nachdem cr diese glorreiche Tat vollfvhrt, benachrichtigte er seine Minister, was er zu tun für gut befunden. General d'Amade wird jetzt ebenso erstaunt sein, wie einst General Drude, daß ihm ein tele graphischer Rüssel erteilt wurde, weil cr sich nicht an sein« formellen Instruktionen gehalten, wo doch sein Vorgänger vhn« weiteres abberufen worden war, eben weil cr sich an die Instruktionen gehalten hatte. . .! Die Verlegenheit in Paris am Ouai d'Or;ay war außerordentlich. Der Minister des Aeußern fuhr sofort zu Herrn Clemenceau, als er die Nachricht von der Besetzung Azemurs erhielt, und im Einverständnis mit dem Kriegsminister Picguart ging augenblicklich der Befehl an d'Amade ab, er müsse das Gebiet des Om-er-Rbin verlassen und sich wieder in das Schaujaland begeben, um nicht mehr über seine Grenzen hinauszugehen. Es ist Wohl selbstverständlich, daß sämtliche französische Botschafter in den fremden Hauptstädten zur gleichen Stunde die Weisung erhielten, die Regierungen zu informieren, daß die Besetzung Azemurs uur ein kleiner, selbstherrlicher Akt eines französischen Generals gewesen ist, für den die Republik nicht die Verantwortung übernimmt. Es ist recht beschämend für eine Regierung, zu einem solchen diplomatischen Schritt gezwungen zu sein, und wir möchten den preußischen General sehen, der die Wil- Helmstraße in eine ähnliche Verlegenheit gesetzt hätte! Jedenfalls ist die Disziplin der Pariser Journalisten viel größer als die mancher Generäle. In einer patriotischen Aufwallung schweigt sich die große Mehrzahl der Morgenzeitnagen völlig über den „Zwischen fall" aus. Sie drucken bloß di« offiziöse Note über den Tadel ab, die mit Meisterschaft bestrebt ist, diese kleine marokkanische Blamage zu ver- dunkeln. Nur zwei oder drei unabhängige Blätter halten mit ihrem Be dauern über des Generals „Sans-Göne" nicht zurück. So sagte das „Journal" u. a.: „Sofort, als die Negierung von der Belebung Äzemur-:- Kenntnis erhielt, ließ sie den General d'Amade wissen, daß sie «ein Vor geben mißbillige. Das ist die unangenehme Lösung eines üblen Zwischen falls, aber die einzige, die unsere marokkanische Politik von dem Vorwurs eines flagranten Widerspruchs zwischen Worten und Taten bc'reicn kann. General d'Amade hat eine Expedition außerhalb des Scbauja landes vorgenommen, deren Folge, wenn nicht deren Ziel, eine Inter Pension zugunsten Md-el-Aziz' gegen Muley Hafid ist. Würde wenigstens eine ernste Tatsache, ein Angriff oder Unordnung gemeldet, womit dem Chef unseres Expeditionskorps eine prompte Initiative aufgezwungen worden wäre? Keineswegs! General d'Amade kam auf einer Jnipek- tionstour entlang der südlichen Vorposten :m Schaujaland nabe A-emnr. Von den Behörden des Prätendenten wird sein Bote, der nach Mazaghan weiter soll, sestgebalten. Ist das ein genügender Grund, um zu einer Intervention zu schreiten, die der Politik der Negierung zuwidcrläust, einer Politik, die nicht nur dem Land, sondern auch allen Großmächten notifiziert worden war? Diest Intervention ließ sich weder mit dem Polizcimandat von Algeeiras, noch mit unteren besonderen Interessen in Nordcrfrika rechtfertigen. Die Vertreter Mulen Hands verjagen, hieß das nicht offen Abd-cl-Aziz unterstützen? Dies wird allgemein so interpretiert werden, in Marokko wie zweifellos auch anderswo. Das mußte General d'Amade wissen. Er kennt die lokale nnd die internetio- nale Lage. Er wird über die Ansichten der Regierung aus dem lausen den gehalten. Es wird selbst erzählt, daß er in den letzten Tagen, als cr die Msicht kundgab, Azemur zu besetzen, von Paris einen formellen Gegenbefehl erhalten hatte. (Wenn das „Journal" hier recht informiert ist, wäre es unbegreiflich, wenn ein w ungehorsamer Offizier nicht vor ein Kriegsgericht gestellt würde.! Seine Handlungsweise ist allo um so schwerer zu erklären. Oder aber, man kann sie nur mit der großen Ver suchung erklären, in der sich der sehr tatenfrohe und schneidige Heer führer befand. Nicht zum erstenmal gibt Toldatcnübereifer den Diplo- maten zu scharfen. In solchen Fällen bleiben der Regierung nur zwei Lösungen: billigen oder tadeln. Man kann sich leicht denken, wohin die Billigung geführt hätte. A'w, so unangenehm eS sein mochte, einem trefflichen General einen Tadel auszu'prechcn, war cS doch das beste, um mit dem Zwischenfall schnell auszuräumcn, ind«m man seinen Charak ter sofort präzisierte." — Das „Pesit-Parisicn" sagt ebenfalls, daß die jüngsten Erklärungen des Ministers nnd die von ihm verlesenen In- strnktiouen in vollsten: Gegensatz zu dem Vorrückcu d'Amades standen. „Es mußte um so mehr EiHaunen erregen, als es keiner Notwendigkeit
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