Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.02.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-02-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191002110
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19100211
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19100211
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1910
- Monat1910-02
- Tag1910-02-11
- Monat1910-02
- Jahr1910
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezuqS.Preis stk Leipzig und Bornrtr d«rch u»s«r, Lräger uiid Epeditrur« in» Hau» gebrach», VV 2, monatl., l.?v <chl vtrrtrljtbrl. Bei unser« Filialen u. Annahmestellen abgehvUr 7S monatl., L.LL ^g viertrljthrl. vnrch »ie Poft: innerhalb Deulichianb« und der deutlchen Kolonien viertel jthrl. li.tst monatl. I.lst antschl. Postbestelloeld. Ferner >n Belgien, Dänemark, den Dommstaaten, Italien, Luremburg, Niederlande, Sior« weqen, Oesterreich-Ungarn, Rußland, Lchwedea, Schweiz n. Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch di» Äeschästtsielle de» Blatte» erhältlich. Da» Leipziger Tageblatt erscheint wdchent- lich 7 mal und zwar morgens. Abonnement-Annahme i Augustusplatz 8, de, unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Di« einzelne Nummer kostet tv Redaktion und Teschäftsstellei IohanniSgassc 8. Fernsprecher: I469L I4M. I4LS^ cipugti Tagcblail Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis istr Anserute au» Leipzig und Umgebung d» Sgelpalten« Petitzeile 2S-4, knanzielle Anzeigen 30 Reklamen I von au»wärt» 30 Reklamen l.L> vom AuNand SO^s, sinanz. Anzeigen 7L^ Reklamen l.50 Inseraten, vehdrden n» amtlichen Dell 40^. Beilagegebübr ü p. Lausend exkl. Post gebühr. iSeschästsanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Lari Fester«eilte LustrLge können nicht zurück« gezogen werden. Für da» Erscheinen an bestimmten Lage« und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Lugustutzplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen« Expeditionen de» In» und «urlanbe». Haupt-Filiale verNn L««I Duncker, Herzogl. v^hr Hösbach» Handlung, Lützowstiabe iOi (Lelephon Vt, iltr. 4M3). Haupt-Filiale Dresden: Eeeftrahe 4, l (Telephon 462tt> Nr. 4>. Freitag 11. Februar 1910. 18t. Jahrgang. Das wichtigste. * Ein gefährlicher Erpresser wurde von der Leip ziger Kriminalpolizei gestern in der Person eines Kontoristen aus Bernburg verhaftet. sS. Lpzg. Ang.) * In Borna wurde durch die Leipziger Kriminal polizei ein Mann verhaftet, der in schmutzigen Briefen an junge Leute Anträge stellte, die den Tatbestand des 8 175 StGB. wieder geben. sS. Lpzg. Ang.) * Die Erste Kammer erledigte am Donnerstag einige Et st und Rechenschaftssachen. sS. Landtagsbericht.) * Der Reichstag setzte gestern die Beratung des Militär etats fort. sS. Neichstagsbericht.) * Die W a h l r e ch t s d e b a t t c im preußischen Abgeord netenhaus- wurde am Donnerstag durch den M i n i st e r p r ä s i - deuten v. Bethmann Hollwcg zunächst mit einer großen Rede ringeleitet. sS. Leitart. und Parlamentsbcricht.) * Der deutsche Botschafter in Madrid, Gras Tattcnbach, ist in der Nacht zum Donnerstag gestorben. sS. Dtschs. R ) * Die Rcichsbank hat den Diskont aus 4 Prozent und die Bank von England die Zinsrate auf 3 Prozent ermäßigt. sS. Handelszcitung.) * Aus Pest wird eine Verschärfung der ungarischen Situation gemeldet. sS. Ausl.) * Die österreichische Regierung erklärte gestern im nieder- österreichischen Landtage, daß sic einer Einführung von Schiffahrts abgaben ablehnend gegcnüberstehcn werde. sI. Letzte Dcp.) * Der Schachwetlkampf Dr. Laskc r—S chlcchtcr in Berlin um die Weltmeisterschaft endete gestern mit -5 : 5 unentschieden. sS Letzte Tep.) D-v preußischen wnhlrechtsdebatte erster Scvg. Am Donnerstag begann im preußischen Atgeordnctenhause die mit Spannung in ganz Deutschland erwartete Wahlrcchtsdebatte. Am ge spanntesten war man aus die Rede des Ministerpräsidenten von Beth- mann Hollweg. Sie bildete ganz natürlich das Ereignis des Tages, aber sie bedeutete zugleich eine starke Enttäuschung. Mit philosophischen Exkursionen kann man so ziemlich alles beweisen, und wenn es Herrn von Bethmann Hollweg lediglich darauf ankam, diese Erfahrungs tatsache durch einen neuen Beweis zu bekräftigen, so muß ihm der Lorbeer zuerkannt werde». In einer mächtigen Steigerung legte er dar, wie sich in seinem Kopfe die Stellung der einzelnen Parteien zur Wahlrechtsfrage malte. Bei der Sozialdemokratie begann er, das Zentrum streifte er mit flüchtiger Scheu, die liberalen Gruppen spezialisierte er und mußte dann aus den Worten des nationalliberalen Sprechers entnehmen, daß diese Methode verfehlt war, weil zwischen den Liberalen eine Verständigung angebahnt ist. Vor den Konservativen aber machte er mit der Kritik halt; ihnen sagte er vornehmlich Artigkeiten. Ukd dann der Höhe punkt: .Eine preußische Regierung, die sich als Partei regierung etablieren wollte, würde dem geschichtlichen Preußen sein Ende bereiten; und eine Partei, die es darauf abiähe, die es ver suchte, eine Regierung so in ihren Bann zu zwingen, würde den Toten gräber dabei spielen." Nur schade, daß die bittre Logik der Tatsachen, daß die zahllosen Erfahrungen des Alltagslebens, daß die ganze Geschichte deS preußischen Staates, wie wenn sie eben nicht in den engen Panzer eines philosophischen Systems zwingt, gerade daS Gegenteil von den Ansichten und Meinungen des preußischen Ministerpräsidenten verraten. Was das Schlimmste aber ist — aus den Worten des preußischen Ministerpräsidenten spricht ein so intensiv nach rückwärts sich sehnender Geist, eine so gründliche Verständnis losigkeit für die politischen Forderungen unserer Zeit, ja man darf sagen, ein so starker persönlicher Widerwille gegen die doch (leider?) konstitutionelle Institution des Parlamentarismus, daß mau kaum Hoffnung auf eine Verständigung hegen darf. Die wiederholten bösen Noten, die dem ReichStagSwahlrecht vom Ministerpräsidenten, der doch auch Reichskanzler ist, erteilt wurden; diese „Anzapfungen" des Reichstags, müßen den schlechtesten Eindruck machen und haben den denkbar schlechtesten Eindruck gemacht. An den paar dunklen Klecken auf dem ministeriellen Gemälde von den Gefilden der Preußisch- Seligen sind die gräßlichen demokratischen Einrichtungen schuld: Reichs tagswahlrecht und Presse. Weshalb da eigentlich in Preußen das Wahlrecht reformiert werden soll, da doch alles aufs beste be stellt ist, sagte Herr v. Bethmann Hollweg leider nicht. Konsequenz vermögen wir in diesen Dingen nicht zu finden. Und wir fürchten, der Ministerpräsident hat mit diesen Bekenntnissen seiner romantisch-philosophischen Seele, trotz der zielbewußt umrahmten Apo- heose der höchsten preußischen Institution, weder seine Position „über den Parteien" gestärkt, noch dem Werke der Wahlreform einen Dienst ge leistet. Wäre die Aufgabe gestellt gewesen, von vornherein den Boden einer Verständigung zu untergraben, so hätte sie nicht bester gelöst werden können, als hier geschehen. Eine schwere Enttäuschung lagert sich über Preußen-Deutschland. Stimmungsbild ans dem prenszischen Abgeordnetenbanse. ss. Berlin, 10. Februar. sPrivattelegramm.) Die Vorstellungen, die man sich in einem Teile der Bevölkerung Berlins von großen Demonstrationen in der Prinz - Albrecht - Straße, von Umzügen und Straßenausläufen gemacht batte, haben sich als völlig übertrieben erwiesen. Ein paar Menschen mehr als sonst, Müßig gänger und Interessierte, deren Gesicht sich beim Anblick der weithin leuchtenden Plakate mit der Aufschrift: Tribünenkarten vergeben, in trostlose Hoffnungslosigkeit verzieht. Zwei Polizeileutnants und niedere Charge der bewaffneten Macht — das ist alles. Man hatte im Polizeipräsidium auch gar nicht mit etwas anderem gerechnet und in folgedessen auch nichr die geringsten Vorsichtsmaßregeln getroffen. Nur cinnial. als der Wagen des Ministerpräsidenten vorfährt und Herr von Bethmann Hollweg sich in den Landtag begibt, scheint die Bedeutung des Tages mehr durchzubrechen, und von den Zuschauern, d:e sich allmählich in etwas stärkerer Zahl eingefunden haben, wird ein Hoch auf das allgemeine und gleiche Wahlrecht ausgebracht. Dann flutet das geschäftliche Treiben ver Straßen, unberührt von den poli tischen Ereignissen, die sich dort drinnen in dem großen weißen Hause abjpielen sollen, weiter. Anders im Parlamentsgebäude selbst. Hier ist alles in fieberhafter Aufregung. Schon lange vor der festgesetzten Zeit sind die Zuschauertribünen zum Brechen besetzt. In der Hofloge haben einige Offiziere sogar auf den Treppenstufen Platz genommen, da die Stühle nicht ausreichcn. Tie Plätze der Regierung sind ebenfalls Vicht besetzt: man sieht, außer dem Ministerpräsidenten, den Minister des Innern v. Moltke, Finanzminister v. Nheinbaben, Justiz minister Bese ler, Geheimen Oberregicrungsrat v. Falkenhayn, den Kultusminister Trott zu Stolz, Nnterstaatssekretär Holtz, die Minister v. Breite nbach und Sydow. Das Parterre ist binnen kurzem mit Abgeordneten dicht gefüllt. Alles atmet spannende Erwartung dessen, was der Tag bringen wird. Tie Sitzung wird etwas eigenartig eingelcitet. Aus den Worten des Abg. Strotz er (Kons.), der noch vor Eintritt in die Tagesord nung spricht, tönen die Namen Frau von Schönebeck, Herr Weber, die Ausdrücke Zeugen und Duellsordernng: eine ganz kriegerische Stim mung. Es sind die Vorläufer des Redelampses, wenn sie auch nicht zur Sache selbst gehören. Dieser beginnt auch sofort mit scharfem Geschütz, mit dem gröbsten sogar, das die Sozialdemokratie anscheinend zur Ver fügung hat. Kaum hat sich Herr von Bethmann Hollweg erhoben, um als erster zu ver neuen preußischen Wahlrcwrm zu sprechen, da geht ein ungeheurer Sturm durch die Reihen des Radikalismus. Zwar ist die Zahl seiner Vertreter auf 5 znsammcngeschmolzen, doch können sic mit dem Eindruck, den ihre Demonstration ans die gemarterten Trommelfelle macht, völlig zufrieden sein. Wildes Geschrei, Volksverräter und Pfui rufe schallen dem Ministerpräsidenten entgegen. Die Antwort ist ein ebensolcher Lärm aus der Rechten deS Hauses. Minutenlang geht cs so und man könnte alauben, eher eine aufrührerische Volksmassc vor sich zu Halen, als ernste Männer, berufen, den Willen des Volke? in fach- kicher Weise zu wahren. Herr von Bethmann selbst scheint be troffen durch den elementaren Ausdruck der Mißstimmung und feine Hand streicht nervös über die Falten deS tadellosen grauen Gehrockes. Dann beginnt er mit stärkerer Erregung, als man sonst an ihm gewöhnt ist, die Pointierten Worte durch lebhafte Hondbewegnngen unterstützt. Was er sagt? Im Rahmen eines Stimmungsbildes muß man ja mit einer Kritik vorsichtig sein, wenn man den Forderungen des Minister präsidenten folgen will, denn Herr von Bethmann ist kein Freund der Stimmungsbilder. Man kann ihm vielleicht nicht ganz so unrecht geben. Es gibt eine Form di-ftr gedrängten Berichte, die von einer gewissen Oberflächlichkeit und Sensationslust nicht ganz frei ist. Von diesem Fehler möchten wir uns freilich fernbalten. Sb eine solche Mahnung aber bei der Debatte über die preussische Wahlrechtsreform ganz am Platze war, ist immerhin zweifelhaft Seine Ausführungen drehen sich im großen und ganzen um den Nachweis, daß Preußen und sein Beamtentum nicht reaktionär gesinnt seien. Darum könne auch der Reform des Wahlrechts dieser Vorwurf nicht gemacht werden.. Er erkennt es völlig an, daß man reformieren müsse, warum? verrät er nicht. Er hüllt sich überhaupt über die ganze Re form in undurchdringliches Dunkel. Er gebt, wie man so zu sagen vfleat. wie die Katze um den Brei herum. So berührt er denn die heterogensten Gebiete, sogar der Religion und dem Glauben wibmet er einige Worte. Leicht wird es ihm allerdings durch die Obstruktion der Sozialdemokratie nicht gemacht. Diese Partei gefällt sich darin, ihre Mißstimmung durch stetige Zwischenrufe kund zu tun. Trotz ver- schiedenlicber Ordnungsrufe gelingt es dem Präsidenten nicht. Ruhe zu schassen. Am stärksten wird die Opposition noch einmal, als Bethmann geendet. Lautes Zischen klingt vernehmlich durch den Beifall hindurch, der sich doch auf feiten der Konservativen erhebt, obwohl die Rede des Ministerpräsidenten nicht darauf zugeivikt war, Beifallsäußerungen einer einzelnen Partei zu erwecken. Auch nm die Zustimmung der Rechten scheint Herr von Bethmann gar nicht buhlen zu wollen: denn, wie er erklärt, würde sich die Regierung auch von einer Konzession um die schönen Augen der Konservativen willen sreibalten. Ob es ihm da mit wirklich so ernst ist. wird nur er selbst in der Verschwiegenheit seines Herzens empfinden. Das Haus selbst scheint von der Neberzeugungs- treue seiner Worte nicht so eingenommen. Das beweist am besten bie Zustimmung der Konservativen selbst. Bei den übrigen Parteien ist von einem Eindruck der Rede nicht viel zu bemerken. Sie nehmen sie in eisiaem Schweigen hin und enthalten sich jeglicher Aeußcrung von Zu oder Mißstimmung. Langsam leert sich das Haus, denn die Worte des Ministers von Moltke, der die einzelnen Bestimmungen der Vorlage erörtert, ver mögen kein sonderliches Interesse hervorzurufen. Erst als Freiherr von Nicht Hofen l.Kons.) spricht, kehren die Abgeordneten in den Saal zurück. Er erteilt zunächst den Sozialdemokraten einen gehörigen Rüffel wegen ihres Benehmens dem Ministerpräsidenten gegenüber. Sodann erörtert er die Stellung seiner Partei zu der Vorlage. Die bittere Pille, die er mit dem „schwerwiegenden Be- denken" gegen die geplante Reform des Wahlrechts der Regierung zu schlucken gibt, weiß er etwas zu überzuckern, indem er Herrn von Beth mann Hollweg gleichzeitig der vollen Svmpathic seiner Partei ver sichert. Recht drastisch ist er manchmal in seinen Ausführungen: er hat etwas von Herrn von Oldenburg an sich. So wird man es jedenfalls nicht als parlamentarisch bezeichnen können, wenn sich der konservative Redner an die Stirn tippt, um die geistige Befähigung der Sozial demokraten zu kritisieren. Bei seiner Partei erweckt er mit solchen Mätzchen allemal schallende Heiterkeit. Vom Abg. Träger sFrs. Vvt.) ist wenig zu verstehen. Das ist um so bedauerlicher, als ihm der fol gende Redner Schiffer sNatl.) nur zustimmen kann. Namentlich begrüßt er es, daß die Freisinnige Volksportei nicht ans einer Neber- tragung des Reichstagswahlrechts aus Preußen bestehe. Dadurch sei es möglich geworden, eine Einigung mit der Linken herbeizirfübren. Wenn er auch die Einführung der direkten Wahl als eine Errungen schaft ansieht, so ist er mit der ganzen Vorlage doch durchaus nicht ein- verstanden. Er präzisiert vielmehr noch einmal die Forderungen seiner Partei auf Beseitigung der indirekten und öffentlichen Wahl und aus Neueinteilung der Wahlkreise. Die Privilegien, die die Vorlage den Wählern zustehen will, nennt er eine „Belohnung des Examens aus Kosten des praktischen Können«". Die Regierung hält die Vorlage für notwendig, weil sie der König versprochen habe. Umgekehrt sei es ober, weil sie notwendig, habe der Monarch sie versprochen. Er hofft jedoch, daß die Regierung noch nicht dos letzte Wort gesprochen habe, denn dann müßte man an einem Erfolg nicht nur zweifeln, sondern verzweifeln. Was auch geschehen möge, die Wahlrechtsfrage würde stets lebendig bleiben, solange sie nicht im Sinne ausgleichender Gerechtigkeit gelöst sei. Er schließt mit einer eindringlichen Mahnung an die Sozial- demokratie, sich aller unnützen Demonstrationen und Kundgebungen zu enthalten. Das ist freilich nicht im Sinne dieser Herren, und so geben sie ihren Unwillen durch anhaltendes Zischen kund, das jedoch der Bei fall sämlicher bürgerlicher Parteien bei weitem übertönt. Schiffers Rede hinterläßt unstreitig den stärksten Eindruck im ganzen Hause. — Danach vertagt man sich. — Morgen werden Herold sZtr.), Freiherr von Zedlitz sFreikons.1, Ströbel sSoz.), Korfanty (Pole) und Pachnicke lFrs. Vgg.) sprechen. Die sogenannte zweite Garnitur werden die Abga. Malckewitz für die Konservativen und Krause für die Nationallibcralcn sein. Pretzstimmen. Tie freisinnige „Vossische Zeitung" schreibt: „Der Minister präsident sprach so eintönig, leine Ausführungen waren so pro fessoral, sie ergingen sich so verwunderlich in Allgemeinheiten, daß man oft ein gelindes Staunen nicht zurückhalten, aber kaum je auch nur in herzhaften Unwillen ausbrechen konnte. In der Tat, anders als sonst in Menschenköpfen malt sich in diesem Kopse die Welt, vielleicht _ hat einst der romantische General von Nadow''- östliche Staatsträume gehabt, vielleicht muß man auf Ancillon zurückgehen, um ein Muster zu finden, oder auch man wird in Herrn von Bethmann Hollweg den allerneuesten Hegelianer erblicken, der in den preußischen Einrichtungen den Satz erläutert: Alles was ist, ist vernünftig." Die ultramontane „Germania" schreibt: „Für den Minister- Präsidenten sind die Fragen der politischen Kultur und Erziehung wich tiger, als die Frage der Reform deS preußischen Wahlrechts. Die Aus- führungen des Ministerpräsidenten über die Frage der geheimen oder öffcnlichcn Wahl waren nicht überzeugend, aber sic waren auch nicht so entschieden ablehnend gegenüber der Forderung der ge heimen Wahl, daß man daraus nicht die Hoffnung schöpfen dürfte, di- Regierung werde die geheime Wahl annchmen, wenn die Mehrheit des Hauses diese als die bessere anerkennen und annchmen würde." Die agrarische „Deutsche Tageszeitung" schreibt: „Herrn von Bethmann Hollwea heute zuzuhören, war ein hoher Genuß. Eine so fein polierte Rede, eine Rede, die derart in volkspsychologischen und gesellschafts-philosophischen Tiefen zu graben unternahm, hat man selten in einem deutschen Parlament gehört. Nie hat ein Staatsmann den überzeugenderen Beweis dafür geliefert, daß er kein Mann popu lärer Phrasen und kurzlebiger Worte ist. Treffend legte der Kanzler dar, daß das preußische Wahlrecht weder die Parteiverhältnisse geschaffen hat, die die linken Parteien aller Art bekämpfen, noch zu einer Politik geführt hat, die man irgendwie als rückständig bezeichnen könnte. Hier aber kam der Bruch in der geistvollen Rede. Alles, was der Minister- Präsident bis dahin ausgeführt hatte, sprach doch in tiefstem Grunde nicht für, sondern gegen eine Aenderung des b esi . c n d e n Zustandes. So tief die politische, mehr aber noch die ästhetische Wirkung dieser hei aller würdige» und wohltuenden Schmucklosigkeit der Fiktion wirklich großen Parlamentsrede ging, die in die besten Jugendjahre des deutschen Parlamentarismus zurückwics: gerade in dem entscheidenden Punkte fehlte ihr die zwingende praktisch-politische Durchschlagskraft." Die konservative „Kr e uz z e i t u n g", das nationalliberale und das sreikonservative Organ der Hauptstadt geben redaktionell noch keine Meinung kund. Hat die Mittelftands-Vereinrarriia eine politische Tätigkeit arrsgenbt? Diese Frage ist für dir Innungen in Leipzig brennend ge worden. Sie erhielten nämlich vom Nate der Stadt Leipzig mit dem Poststempel vom 7. Februar das nachstehende Schreiben zu gestellt: Leipzig, am 29. Januar 1910. An sämtliche Innungen. Nach den HauZhaltplänen verschiedener Innungen weroen der Mittelstandsvereinignng für das Königreich Sachsen regelmäßig Bei träge aus Jnnungsmitteln zngewendet. Die Verwendung von Innungs mitteln für di« Mittelstandsvcreinigung, die in der letzten Zeit ihre Tätigkeit auf politische Gebiete erstreckt hat, ist aber gesetzlich und statutarisch unstatthaft. Solange die Mittelstandsvereinignng politisch tätig ist, haben daher die Innungen cs künftig zu unterlassen, Beiträge zur Mittel standsvcrcinigung aus Jnnungsmitteln zu leisten. Der Rat der Stadt Leipzig, Gewerbcamt. sgez.) Zopfs, Stadtrat. sgez.) Berndt. Mit einer erstaunlichen Schnelligkeit hat sich die Mittelstand s- vereinigung gerührt und hat an die Leipziger Innungen folgendes Schreiben gerichtet: Leipzig, den 9. Februar 1910. Grimmaische Straße 13. An die verehrlichen Innungen! Das städtische Gewerbeamt hat an di« Innungen seines Bezirkes eine Verfügung erlassen, die folgenden Satz enthält: „Solange die Mittelstandsvcreinigung politisch tätig ist, haben die Innungen es künftig zu unterlassen, Beiträge zur Mittelstandsver einigung aus Jnnungsmitteln zu leisten." Zur Aufklärung teilen wir den Innungen ganz ergebenst mit, daß unser Landesoorstand bereits in seiner Sitzung vom 22. November v. I. folgenden Beschluß gefaßt hat: „Die Mittelstandsvereinigung hält sich von jeder parteipoli tischen Betätigung streng fern." Diese Entschließung stand in der Landesvorstondssitzung vom 4. Februar d. I. abermals zur Beratung, und wurde einstimmig be- schlossen, den Landesorganisationen der politischen Parteien und den ordnungsparteilichen Lanvtogsfraktionen hiervon Kenntnis zu geben Damit sind alle Garantien für die Zukunft geschaffen, daß in der Mittel standsvereinigung nur noch wirtschaftliche Fragen behandelt werden. Aus dieser Sachlage ergibt sich, daß selbst nach dem Wortlaute der Verfügung des Geweroeamtes die Innungen nach wie vor be rechtigt sind, Beiträge zur Mittelstands Vereini gung aus Jnnungsmitteln zu leisten. Wir haben das Gewerbeamt in diesem Sinne in Kenntnis gesetzt, und richten wir an die Innungen die Bitte, ganz in der alten Wesse ihre Beiträge an die Mittelstandsvereinigung zu leisten. Anlaß zu irgendwelchen Bedenken ist nicht vorhanden. Hochachtungsvoll die Mittelstandsvereinigung im Königreich Sachsen. sgez.) Theodor Fritsch, sgez.) Ludwig Fahrenbach, 1. Vorsitzender. Generalsekretär. Wir möchten hierzu folgendes bemerken: Daß die Mittelstands- veriXnigung bei den letzten La n d t a g S w a h l< n, die am 21. Oktober
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite