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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.08.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-08-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190908238
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19090823
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090823
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1909
- Monat1909-08
- Tag1909-08-23
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Dezug-.Prei- str LÄpzt, und ««ort* durch uus«, LrLger und Spediteure in» Hau» aetracht t vv 2> monaü., i.7v vierteljLhrl. vet uniern Filialen u. Snnahmekellen abgeholt! 7L Pf monatl.. r.LS vierteljahrl. ivurch di« D»k> innerhalb Leutschlanb« und der deutsche» Aoloniea »terteljthri. S.I* ^ik. monatl. lpi- autschl. Postbestellgelb. Ferner in Belgien, DLnemark, den Donaukaaten, Italien, Luxemburg, Niederlande, Nor wegen, Oesterreich-Ungarn, Rußland, Schweden, Schwei, ». Spanten. In allen übrigen Staaken nur direkt durch di» «eschtttrstelle de« Blatte» erhLItlich. Da« Leiv,in er Dageblatt erschetttt wSchent» lich 7 mal und zwar morgen». kliwnuemenr-Annahille > LngnstnsplaH 8, bei unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Lnnahmestellen, sowie Postämtern und Briefttäger». Di» etn^lne Nummer kostet 1V Nrdaktton und Geschifttftrll« J»hanni«gasse 8. Fernsprecher: 14 6S^ 14 883, I4SS4. MpMerTUMM Handelszeitung ÄmLsvkatt des Rates «nd des Rolizeiamles der Ltadl Leipzig. 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H. „Swirtigal" mit Eleminson im Sattel. — Im Eintausendsten Rennen in Dresden (Ehrenpreis und 10000 .ti) siegte Hrn. Wenckes „Eomrad e", von Hrn. Jahrmarkt gesteuert. (S. Sport.) * Den Leipziger H e r b st m e s s e - S t e h e r p r c i s, ein 100-Kilometer-Fahren mit Motorführung, das gestern auf dem Leipziger Sportplatz zur Entscheidung kam, gewann Bruno Salzmann aus Heidelberg. (S- Sport.) * In Konstantinopel verlautet, des A r b e i t S m i n i st e r Noradunghian habe seine Entlassung gegeben. ItLirgtürkische Erfolge. Ob der Krieg zwischen der Türkei und Griechenland vermieden werden kann, und wie lange er noch vermieden werden kann, das ist eine jener Fragen, die sich leicht aufwerfen und schwer beantworten lassen. Die Türkei will den Krieg, und so ist zu befürchten, dah die Flamme doch noch emporlodert; Griechenland will ihn nicht, und so läßt sich hoffen, daß die Differenzen friedlich beglichen werden können. Den europäischen Mächten ist ein Konflikt auf dem Balkan unbequem, weil seine Konsequenzen unabsehbar sein würden, und so zeigt das politisch: Barometer zwar noch „Veränderlich" an, aber doch mit einer entschiede nen Tendenz, auf „Schön" hinaufzuklcttern. Für den Augenblick kann und muß nur die eine Tatsache sestgestellt werden, daß die Türkei einen diplomatischen Erfolg errungen hat. Die Schutzmächte haben die griechische Flagge auf Kanea niedergeholt, und sie kommen in ihren Noten den Forderungen der Türkei weit entgegen. Weiter eigentlich, als ihre Würde es gestattet. Die Mächte hatten sich engagiert. Wollten sie Kreta der Türkei erhalten, so durften sie nicht dulden, dass ein griechischer Prinz und nach ihm ein griechischer Mi nister die Insel regierten, Durch die Wahl dieser Persönlichkeiten war den Kretern das stillschweigende Versprechen gegeben worden, dasi sie nach einer Zeit opportunistischen Wohlverhaltens den ersehnten Anschluss an Griechenland erreichen würden. Es war ein Uebcrgangsstadium beschaffen worden, das aber früher oder später in ein den griechisch kretischen Wünschen günstiges Tesinitivum einmündcn zu müssen schien. Indessen, beim Theater und in der Politik kommt alles ander?. Abdul Hamid wurde gestürzt, und mit diesem jähen Wandel wandelte sich auch das Schicksal Kretas. Süsse heute noch der furchtsame Tyrann im Jildis-Kiosk, so wäre die Angliederung der Insel an Griechenland vielleicht schon vollzogen. Sicher aber wäre sie nur eine Frage der Zeit. Der alte Zauderer hätte noch ein Weilchen tcmporisiert, dann ober doch nachgegeben, denn kein Gedanke war ihm schrecklicher als der, einen Krieg führen zu müssen. Nicht etwa, dah Suttnerskrupel ihn quälten, aber er war der Ansicht des russischen Despoten, der da sagte: „,Io siais la xrie-rro, oll« xata les arnrees." Er wusste, dass der Krieg ein völkerbcfreiendes Element enthält: die Nation, die Gut und Blut für einen gemeinsamen Gedanken daran gesetzt hat, wird im Kampfe gegen den äusseren Feind ihrer selbst bewusst, und das Selbst bewusstsein bekundet sich bald in der Forderung politischer Freiheiten. Die Tat macht mündig. Weil Abdul Hamid diesen psychologischen Prozeß kannte und scheute, waren ihm Kriege verhasst, und er hätte schliesslich in eine neue Amputation gewilligt, um nur nicht die gebunde nen Kräfte seines Volkes entfesseln zu müssen. Jetzt ist's anders. Als die Schutzmächte fühlten, dass die Türkei zum Kriege bereit sei und dass sie nicht zurückweichen werde, gaben sie nach. Warum? Was hat sich denn dort unten geändert? Nichts und alles. Nichts; insofern natürlich in so kurzer, so unruhiger Zeit im Heere nicht viel verbessert worden sein kann. Materiell sind die Macht mittel der Türkei keine anderen als zur Zeit Abdul Hamids. Alles aber hat sich geändert, insofern heute der Wille des Volkes ein ent schiedenes Nein spricht, während einst der Sultan nur in Zauberkünsten sein Heil suchte. Der Wille des Volkes! Unsere Reaktionäre lächeln ob solcher Worte höhnisch; das Volk ist ihnen immer nur Objekt, nie mals Subjekt politischer Exekutive. Selbst der Begriff dünkt ihnen unfaßbar und gestaltlos. Hier aber erleben wir wieder einmal die Macht der Imponderabilien: der „kranke Mann" ist ein Bonmot von ehedem; die Türkei erhebt wieder die Stimme im Rate der Völker; sie ist entschlossen, ihr Geschick — sei es zum Guten, sei cs zum Schlimmen — selbst zu gestalten. Und die Mächte erkennen die Berechtigung dieses Anspruchs rückhaltlos an; sie haben ihre Mentorrolle aufgegeben und sind alle bestrebt, sich in Konstantinopel Sympathien zu sichern. Eng land selbst entschliesst sich, seine Aspirationen auf die Sudabai bis ruf eine gelegener? Stunde zu verschieben. Und das alles, weil die Nation begonnen hat, sich selbst zu regieren, weil sie den Mut hat, einen Willen zu haben, und weil sie bereit ist, ihn mit der Waffe in der Hand durch zusetzen. Eine Lehre für alle europäischen Diplomaten, denen die Einmischung der öffentlichen Meinung unbequem ist. Die Zeit der politischen Alchemie ist vorüber. Auswärtige Politik grossen Stils kann nur eine Nation treiben, in welcher die Gebildeten den internationalen Angelegenheiten starke und lückenlose Teilnahme entgegenbringen. Als Begleiterscheinung dieses Interesses müssen die Leiter der auswärtigen Angelegenheiten Anfragen, Interpellationen und Kritiken hinnehmen, so lästig sie bis weilen — auch der Sache wegen — sein mögen. Erfolgreiche Aktionen sind nur dann möglich, wenn der leitende Staatsmann darauf ver weisen kann, dass die öffentliche Meinung seines Landes ihn unterstützt, ja, dass sie ihn vorwärts drängt, und am stärksten ist immer derjenige Staatsmann, der Exponent des Zeit- und Volksempfindens ist, wie cs Otto von Bismarck in seinen besten Tagen war. Ttavl Victor? Bohinert. (Zum 23. August.) Der hervorragende Nationalökonom und Statistiker Geheimer Re gierungsrat Prof. Dr. Karl Victor Böhmcrt verdient eine Würdigung seines Wirkens zu seinem achtzigsten Geburtstage, vielleicht weniger wegen seiner wissenschaftlichen Bedeutung, wenn dieselbe auch sicherlich nicht gering ist, als vielmehr wegen seiner praktischen Betätigung und Erfolge aus dem Gebiete der allgemeinen Volkswohlsahrt. Denn seine wissenschaftlichen Arbeiten mögen noch so gediegen und wertvoll sein, so liegt es doch im Wesen dieser Wissenschaft, der Nationalökonomie, be gründet, mehr noch als im Wesen jeder anderen Wissenschaft, dass ihre Lehrer und Jünger gar verschiedenen Systemen und Parteiungen hul digen und daher ebenso viele Gegner wie Anhänger finden. lieber den Parteien aber steht die allgemeine Volkswohlsahrt, und was Böhmert in praktischer Betätigung für das Wohl des Volkes ge leistet, ist von allen Parteien anerkannt worden, so sehr anerkannt in seinem ernsten aufrichtigen Wollen, dass sogar die sozialdemokratischen Kreise dieser offenbar nur von innigster Nächstenliebe vorgeschriebenen Tätigkeit Böhmerts nicht anerkcnnungslos gegenüberzustehen ver mochten, wie ja auch Böhmert in seinem Wirken als Gelehrter, wie in seiner praktischen Ausübung seiner Nächstenliebe stets das Vorhandensein einer Abhilfe heischenden sozialen Not im vollsten Masse erkannte und an- crkaniue. So Hai sich denn auch Böhmcrt im Lause seines öffentlichen Wirkens allen Parteien zu nähern gewusst, aber im Grunde war und ist doch seine Weltanschauung durchaus liberal. Am 23. August 1829 in Quesitz bei Leipzig geboren, studierte Karl Victor Böhmerr in den Jahren 1848—1850 in Leipzig die Rechts wissenschaft. Aber die politisch erregte Zeit dieser Studienjahre mag ihn wohl auf das Gebiet geleitet haben, dem er später die Aufgabe seines Lebens widmete, die Volkswohlsahrt. So hörte er neben seinen juristischen Studien fleissig die Vorträge Wilhelm Roschers über Volks wirtschaft, Finanzwirtschast, Politik und Statistik. Nachdem er seine beiden juristischen Examina bestanden, amtierte er ein paar Jahre als Gerichtsaktuar in Meissen, liess aber niemals seine Fortbildung auf wirtschaftlichem Gebiete außer achr und gewann durch zwei Preise, die er für zwei Arbeiten bei Preisausschreiben er hielt, „Briefe zweier Handwerker" über das Thema: Wie ist dem Klein handwerk zu Helsen? (1854), sowie „Eine Geschichte der Bremer Schusterzunft", später unter dem Titel „Beiträge zuc Geschichte des Zunftwesens" erschienen, die Geldmittel, nachdem er zum Doktor juriS promoviert, eine volkswirtschaftliche Studienreise zu unternehmen, die ihm Gelegenheit bot, seine theoretischen Kenntnisse auf dem Gebiet der Volkswirtschaft zu erweitern und diese durch praktische Erfahrungen zu vertiefen. Ta er das Kleingewerbe in seiner Jugendzeit vielfach kennen zu lernen Gelegenheit gehabt, so besuchte er nun die Bezirke ver Gross industrie, zuerst den Eycmnitzer. dann die rheinisch-westfälischen, endlich die belgischen und französischen und schliesslich auch die bamalige Pariser Weltausstellung, und von diesen Reisen zurückgekehrt, trat er ans dem sächsischen Staatsdienst aus, liess sich in Heidelberg nieder und redigierte dort die von Rau und Roscher witbegründetc volkswirt schaftliche Wochenschrift „Germania". Von Heidelberg siedelte Böhmert dann nach Bremen über, wo er sich zehn Jahre lang aufhielt und wäh rend der Jahre 1857—1860 das „Bremer Handelsblatt" leitete, das durch ihn eine der wichtigsten Stützen der liberalen, freihändlerischen volkswirtschaftlichen Ideen wurde, und so als Verfechter der Gewerbe freiheit den seit l860 eingetretenen Umschwung in der wirtschaftlichen Gesetzgebung der deutschen Staaten wie später des Deutschen Reiches anreaen und fördern half. Und hierzu wirkte er auch insbesondere durch Mitbegründung der volkswirtschaftlichen Kongresse mit, die Ende der fünfziger Jahre ins Leben traten, und auf denen er mit Karl Braun, Faucher, Lette, Schulze-Delitzsch, M. Wirth, Barth und anderen die wirtschaftliche Vorarbeit für die Parlamente lieferte und vor allem für Gewerbefreiheit, Freizügigkeit, Förderung des Genossenschaftswesens, Neuregelung des Bank- und Miinzwesens im Sinne der Goldwährung und der Beschränkung der Banknoten cintrat. Nachdem Böhmcrt 1861 die Redaktion des „Bremer Handelsblattes" niedergelegt, führte er in den Jahren 1861—1866 das Syndikat der Bremer Handelskammer, folgte dann aber einem Rufe nach Zürich als Professor der Volkswirtschaftslehre an der Universität, wo er bis zum Jahre 1875 wirkte. Und wie ihm beim Aufenthalt in Bremen zu statten gekommen war, dass er die Betriebe und das Wesen des Groß handels aründUch kennen zu lernen Gelegenheit hatte, so konnte er nun in der Schweiz die Klcinindustrie und die Verhältnisse der Arbeiter näher studieren. Er wurde Mitglied einer Kommission zur Unter- suchimg der Lage der Arbeiter und veröffentlichte als Ergebnis derselben die Schrift „lieber die Lage der Fabrikarbeiter im Kanton Zurich". In demselben Jahre wählte ihn der Zcntralvcrein für das Wohl der arbeitenden Klassen in Preussen zum Redakteur seiner Vierteljahrs zeitschrift „Der Arbciterfreund", den er und Gneist gemeinsam ein paar Jahrzehnte leiteten. Hier lernte Böhmert zuerst praktische Versuche der Gewinnbeteiligung der Arbeiter kennen, für die er seitdem in Wort und Schrift eintrat, ebenso wurde er in Zürich, wo er die ersten Anfänge des Frauenstudiums zu beobachten Gelegenheit fand, ein warmer För derer der Bewegung für Zulassung der Frauen zum Studium. Im Jahre 1875 kehrte Böhmert in seine sächsische Heimat zurück, indem er einem Rufe als Professor an das Polytechnikum in Dresden folgte und als Tirektor des Kgl. Statistischen Bureaus angestellt wurde, in welch letzterer Eigenschaft er seit dem genannten Jahre die „Zeitschrift des Kgl. sächsischen Ltatistischen Bureaus" heransgibt, in der er seitdem eine Reihe wertvoller Arbeiten auf statistischem Gebiete, insbesondere auf dem Felde der Sozialstatistik, niederlcgte. Eine grosse Anzahl von volkswirtschaftlichen und statistischen Schriften sind seitdem seiner fleissigen Feder entflossen. Unermüdlich war er durch Enqueten und andere Untersuchungen tätig, um wissen- schaftlichcs Material für die Arbeitergesetzgebung herbeizuschassen. Sv erschienen die Schriften „lieber Gewinnbeteiligung der Arbeiter", „Enquete über die Reichseisenbahnfrage". „Bericht der Kgl. sächsischen Besirkskommisfion für die Tabakenquete", „Ter Branntwein in den Fabriken", „Ter Trnnk auf dem Lande", „Bericht über die Arbeiter äusser dem Hause" und vor allem auch das sehr umfangreiche, aus Ver- anlasiung des deutschen Vereins^für Armenpflege und Wohltätigkeit 1886 bis 1888 hccausacgebcnc Sammelwerk „Das Armenwesen in 77 Städten". Ten Kampf gegen die Sozialdemokratie hatte Böhmert bereits in der Schweiz ausgenommen und seine hervorragenden Publikationen auf dem Gebiete der Arbeiterfrage begannen bereits dort durch die Schriften „Der Sozialismus und die Arbeiterfrage" und „Arbeitcr- veibältnisse und Fabrikeinrichtungen in der Schweiz. In Dresden gab er dann seit 1877 die „Tozialkorresvondenz" und „Das Volkswohl" heraus, zwei Wochenschriften, in denen er insbesondere Belehrungen über soziale und gemeinnützige Fragen, namentlich aber über die Arbeiterfrage erteilt, und zwar von^einem vorurteilslosen, lediglich dem Wohle der Arbeiter §uqewandten Standpunkt. Seit 1888 gab er die gleichen Zwecken gewidmeten „Volkswohlschriften" heraus. Neben dieser unermüdlichen schriftstellerischen Tätigkeit muss aber auch seiner praktischen Ausführung gemeinnütziger Bestrebungen ge- dacht werden. So hat er die Armenpflege Dresdens in einer Weise umgestaltet — auf dem Prinzip der Selbstverwaltung — die vorbildlich für eine Reihe anderer Städte wurde. Daneben schuf er 1880 den „Verein gegen Armennot und Bettelei", der nicht nur einer der stärksten Vereine dieser Art im Deutschen Reiche ist, sondern auch in seiner Wirksamkeit in mancherlei Beziehung andern Vereinen zvm Muster diente So hat dieser Verein unter Böhmerts Leitung eine Mietzins sparkasse, die erste Anstalt dieser Art im Deutschen Reiche, ei>ne Arbeits stätte für minderwertige oder vorübergehend unbeschäftigte Arbeits kräfte und eine Arbestsvermittlung eingerichtet, auch den Bau von Arbcitcrwohnungen in Angriff genommen. Hand in Hand mit diesen Bestrebungen ging seine Tätigkeit gegen den Missbrauch geistiger Ge- tränke und die vvn Böhmcrt eröffnete Bewegung für eine edlere Ge staltung der Volksunterhaltungen. Als Frucht dieser letzteren Bewegung fand im Jahre 1886 der erste Dresdner „Volksunterhaltnngsabend" statt, dem eine große Anzahl ähnlicher, stets stark besuchter Abende folgte. Auch diese Volksunter- haltnngsabcnde sind in zahlreichen deutschen Städten nachgeahmt worden und aus diesen Veranstaltungen heraus entstand in Dresden der von Böhmert geleitete Verein „Volkswohl", der im Jahre 1888 ge- gründet wurde und der eine große Anzahl gemeinnütziger Einrichtungen schuf und dauernd unterhält, so einige „Volksheime", die als Klub häuser für die minder bemittelte Bevölkerung einen angenehmen Auf enthalts- und Erholungsort ohne jeden Verzehrungszwang bieten, da neben billigen Mittagstisch, Unterrichtsstunden, Gesangsabende und andere Unterhaltungen. Neben diesen Volksheimcn hat der Verein dann noch Mädchenheime mit Tienstvermittlung und ein Lehrlingsheim gegründet. . So ist Böhmcrt unablässig tätig gewesen, den groyen Bau seines dem Wohle des Volkes, insbesondere den arbeitenden Klassen ge widmeten Lebenswerkes mehr und mehr auszubauen, und das Feld seiner segensreichen Tätigkeit erweitert sich noch, wenn er auch sein Amt am Kal. Statistischen Bureau niederlegt und auch von seiner Lehr- tätigtest zurückgetreten ist- Literarisch war er auf seinem Gebiete bis in die letzten Jahre hinein tätig, und diese Tätigkeit galt dem Wohle des Volkes im eigentlichsten Sinne des Wortes. Möge sein fernerer Lebensabend sich heiter und sonnig gestalten! Deutsches Reich. Leipzig, 23. August. * Zur Landtagswahl. Im 4. städtischen Wahlkreis (Pirna) sind die konservative Kandidatur des bisherigen Abg. Tr. Spiess und die nationalliberale Kandidatur Burkhardt zurückgezogen worden. Man hat daftir als gemeinsamen Kandidaten den Schuldirektor Dr. Kraner (Pirna) aufgestellt, der sich im Falle seiner Wahl der nationalliberalen Fraktion amchließen wird. * Die konservative Partei in Sachsen bemüht sich jetzt, gute Stimmung für ihre Anschauungen zu machen, um dann im Landtags wahlkamps nicht allzu schlecht abzuschneiden. Die dazu angewandten Mittel entbehre» freilich der DurchichlagAkrast, weil sie schon reichlich alt und ausserdem von liberaler Seite in ihrer ganzen Unbrauchbarkeit genügend gekennzeichnet worden sind. Wenn trotzdem in Zeitungs inseraten des konservativen Preßausschusses damit immer wieder opc- riert wird, so beweist das nur den Mangel an besseren Waffen. Einen gewissen Reiz der Neuheit hat nur eine Notiz in den „Tresdn. Nachr.", wonach im Laufe dieses Jahres aus dem Konservativen Landesverein insgesamt 33 Herren ausgetreten seien, aber die Zahl der während dieses Zeitraumes neucingetretenen Herren fünfmal grösser sei. Indes bei genauerem Zusehen erscheint der Inhalt dieser Nachricht doch recht dürftig. Ter ganze Konservative Landesverein hat im Laufe des Jahres um 160—180 Mitglieder zugenommen. Im nationallibercilcn Lager aber ist allein der Leipziger Verein schon im eisten Vierteljahre 1909 um 410 und seitdem um weitere 263 Mitglieder, also im Laufe des Jahres bis jetzt im ganzen um 673 Mitglieder ge wachsen. Also auch mit diesem Mittel haben die Konservativen gegen die Nationalliberalen wenig Glück, und der Wahlausgang wird endgültig den Beweis liefern, daß es mit der „steigenden Beliebtheit des Konser vatismus", von der einst der Abg. Opitz zu erzählen wusste, nichts ist. * „Ein harmloser Vorgang"? Die „Tresdn. Nachr." schreiben: „Tos „Vaterland" wird seit Jahren auch der Adjutantur Sr. Kgl. Hoheit des Prinzen Johann Georg zuaestellt. Vor einigen Monaten nun teilte die Post der konservativen Geschäftsstelle mit, „Das Vaterland" könne dahin nicht mehr bestellt werden, weil der Bezieher das Bestellgeld verweigere. Dem Borgang lag selbstver'tänd- lich nur ciu Missverständnis zugrunde. Se. Kgl. Hoheit haste keinerlei Kenntnis davon. „Das Vaterland" geht nach wie vor der prinzlichen Adjutantur zu. Die Verwertung dieses nichtssagenden geschäftlichen Vorganges zur Snmmungsmache ist geschmacklos." -- Man scheint >n konservativen Kreisen kein Gefühl dafür zu haben, welch schlechtes Zeug nis die Geschäftsstelle des „Vaterland" der prinzlichen Adjutantur durch die Form dieser Mitteilung ausstellt. * Das Gesetz über den „Veteranenehrensold". Zu dem Gesetzent würfe über Gewährung eines Veteranenehrensoldes erfährt die „Inf." von unterrichteter Seite folgendes: Bekanntlich wurde vom Reichstage kurz vor Schluss der Session ein Gesetzentwurf angenommen, der gemäss dem Anträge des Grafen Oriola den Kriegsteilnehmern einen Veterancn- ehrensold zubilligt. Es sind nun mehrfach entsprechende Anträge bei den Behörden eingegangcn, die aber bisher nicht bewilligt werden konnten. Der Grund hierfür ist darin zu suchen, dah das Gesetz bisher vom Bundesrat noch nicht erledigt wurde und daher noch nicht in Kraft ge treten ist. Es ist aber zu erwarten, dass dies im Herbst sobald als mög- lich geschehen wird. Unterstützungsbedürftige Kriegsteilnehmer mit einem jährlichen Einkommen unter 600 .<( und in einem Älter von über 60 Jahren steht eine jährliche Beihilfe von 120 zu. * Durchgreifende Reformen in der Reichseisenbahnverwaltung »ach preussischem Muster. Zum 1. Oktober d. I. wird, wie wir hören, eine einschneidende Aenderung in der Verwaltungscinrichtungen der Reichs- eisenbahnen erfolgen. Es ist beabsichtiqt, die Organisation der preussi- schen Staatseisenbahnoerwaltung auf die Reichseiscnbahnen zu über tragen, soweit Vie elsass-lothringischen Sonderinteresscn dem nicht gegen überstehen. Nachdem die Organisation der preussischen Bahnen im Jahre 1895 einer durchgreifenden Reform unterzogen wurde, die sich sehr be währt hat, wollen jetzt nun auch die Reichseisenbahnen diese Organisation einführen. Tie beabsichtigten Aenderungen bei den Rcichseiienbahuen sind folgende: 1) Die bei der Gencraldircktion eingerichteten vier tech nischen Bureaus, nämlich das betriebstechnische, bautechnischc, maschinen technische und vas Materialienbnrean, ferner die sieben Bctricbsdirek- tionen, sowie endlich die Telegrapbeninspektion werden ausgehoben. Da durch wird es möglich, elf Eisenbahnbetricbsdirektoren, den Vorstand der Telegrapbeninivektion, drei Stellvertreter der Vorsteher der technischen Bureaus, den Leiter der Konstruktionsabteilung des maschinentechnischen Bureaus sowie drei Eisenbakn-, Bau- und Betricbsinspcktoren und Eisenbabninspekloren in Äbganq zu stellen. 2) Die Obliegenheiten der aufzuhebenden Dienst- und Bureauabteilungen werden teils der General direktion, teils den Betriebs-, Maschinen- und Werkstätteninspcktionen übertragen werden. Bei der Generaldirektion erfordert die infolgedessen eintretendc erhebliche Mehrbelastung mit Diensigeschästen die Ber- mehrung der Abteilungen von 3 auf 5 sowie die Erhöhung der Zahl der Mitglieder von 19 auf 25. Bei den technischen Inspektionen muss anläss lich der Erweiterung ihrer Zuständigkeit zu einer Neubegrcnzung der Bezirke geschritten werden. Hierbei lässt sich ermöglichen, eine Betriebs- inspektion auszuhebcn, während die Zahl Ker Werkstätteninspektionen im Hinblick auf den im Laufe der Jahre ausserordentlich gesteigerten Werk-
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