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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.10.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-10-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190910023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19091002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19091002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1909
- Monat1909-10
- Tag1909-10-02
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R.) * Das Reichsgericht hat da? Todesurteil gegen den Dauer fahrer Breuer aufgehoben und die Sache zur nochmalicgn Ver- Handlung an das Schwurgericht Trier zurückverwiesen. (S. Gerichtssaal.) * Aus Petersburg verlautet, daß der Zustand der Zarin ernst ist, so daß der Hof wahrscheinlich den ganzen Winter in der Krim verbleiben wird. (S. Ausl.) * Wie aus Paris telegraphiert wird, macht ein eingeweihter Diplomat, der jedoch ungenannt bleiben will, in einer Zuschrift an den „New Dort Herald" Enthüllungen über einen angeblich zwischen England und Spanien bestehenden Geheimvertrag über Marokko. Dieser Vertrag sei kurz nach der Hochzeit König Alfons' mit der Prinzessin Victoria von Battenberg zwischen beiden Regierungen abgeschloffen worden. * Dem Pariser „Figaro" zufolge wurde die französische Regierung davon verständigt, daß der König von Portugal im Laufe des Novembers nach Paris kommen wird. König Manuel wird dem Präsidenten FalliöreS bei dieser Gelegenheit einen Besuch abstatten. * Wie unS aus Cetinje gemeldet wird, hat die Untersuchung über das vor einigen Tagen entdeckte Militärkomplott in Montenegro entschieden, daß das Komplott beabsichtige, die Regierung zu stürzen, die politisch Verurteilten zu befreien, Nikolaus zu ent thronen und den Prinzen Stanislaus zum Staats oberhaupt zu proklamieren. (S. AuSl.) Dar Vismavckbuch. Als Erich Marcks, einer der wirksamsten Vertreter der individua listischen Richtung in der Geschichtswissenschaft, noch zu den Zierden der Leipziger Universität zählte, war es bereits bestimmt, daß die Mitwelt von ihm, dem feinsübligen Schilder» des Charakters der Königin Elisabeth von England, dem packenden Zeichner des Wesens und Wirkens Kailer Wilhelms des Ersten, eine Bismarckbiographie zu erwarten habe. Groß ist bereits die Zahl derer, die sich unterfingen, die mächtigste Persönlichkeit des 19. Jahrhunderts literarisch zu porträtieren, neben mancher gut gemeinten, aber herzlich unbeholfenen Skizze stellten sich recht beachtliche, historisch wertvolle Leistungen ein: aber die ganze seelische Tiefe des einzigartigen ManneS erschöpfend zu ergründen, daS kann von allen Zeitgenoffen nur Erich Marcks gelingen, dessen un bedingte Befähigung zur Vollendung dieses Werkes auch seine wissen schaftlichen Gegner neidlos seit langem anerkannt haben. Marcks bringt für die Bewältigung seiner herrlichen Aufgabe eine ganz erstaun liche Beherrschung des äußerst umfangreichen stofflichen Materials und eine glühende, begeiüerungsreiche Liebe für die Person des Altreichs kanzlers mit. Er schuf als Historiker aber nicht mit kühl wägenden Verstände, sondern, wie er freimütig selbst bekennt, „mit aller Wärme deS persönlichsten Anteils, der Empfindung wie der Phan tasie, mit aller Wärme, aber auch aller Wahrhaftigkeit des Ver siebens und mit der Gerechtigkeit, die die Seele aller geschichtlichen Er fassung ist." Der vorliegende erste Band des Werkes, den die I. G. Cottasche Buchhandlung in Stuttgart und Leipzig in ein schlichtes, aber würdiges Gewand gekleidet hat, umfaßt Bismarcks Jugend und EniwickelungSzeit im weitesten Wortsinn, die Jahre von 1815 bis 1848. In ihm zeigt sich Marcks mit einer oft rührend anmutenden, den Fleiß wie das Fühlen des Forschers und Darstellers gleich ehrenden Sorgsamkeit bestrebt, den Zeiten des Werdens Bismarcks Leben zu ver leihen, und glänzend ist es ihm gelungen — das hat unS schon ein flüchtiges Durchblättern dieses Bandes gelehrt —, eine verwirrende Häufung von Einzelheiten und Einzelzügen zu meiden, vielmehr ein einheitliches Bild von außerordentlicher Plastik zu gestalten, das immer von neuem mit verstärkten Reizen seine Anziehungskraft ausübt. Wir werden im ersten Buche dieses Bandes in den Familienkreis der Bismarck und Mencken eingeführt, wir beobachten den Knaben beim heitern Kinderspiel und den Jüngling auf der Schulbank. Im zweiten Buche verfolgen wir den jungen Mann bei seinen Studien und im Freundeskreise an der berühmten Georgia Augusta und spüren in den darauf geschilderten Jahren seiner Tätigkeit als Auskultator und Referendar bereits die ersten starken Zeichen seiner eignen, erstarkende« Persönlichkeit: „Ich will aber Musik machen, wie ich sie für gut erkenne, oder gar keine!" bekennt der Dreiundzwanzigjährige mit einer kräftigen, gesundem Selbstgefühl erwachsenden Aufrichtigkeit in einem Briefe an «ine in ihrer Art wohlmeinende ältere Cousine. Dann begleiten wir Bismarck durch die heftigen Wirrsale seiner LandedelmannSzeit, durch die Jahre seelischer Kämpfe um Weltanschauung und Glauben bi- hin zur Klärung seines Charakters. DaS dritte und vierte Buch, die diese Zeitperiode umspannen, führen den äußeren Verlauf des Leben- Bismarcks bis zum Eintritt in die ritterschaftlich - politische Wirk samkeit, bi» zur Verlobung und Hochzeit und bi» zu seinem erste» Auftreten im vereinigte» preußischen Landtage. „Es find noch nicht die Zeiten der große» Taten, aber in ihnen erwächst der große Mensch, und nur au» ihnen ist er verständlich." Ganz natürlich ergibt sich hier die Zäsur, das bestim mende Moment für den ASschluß de- ersten Bandes der Biographie in dem „starken Doppelabschluß von 1847, dem Gewinne des Menschlichen, das er sich ersehnt, dem Beginne des Politischen, dem er entgegen gedrängt hatte." Eine denkwürdige Leistung hat Marcks damit bereits vollbracht und mit berechtigter Spannung darf das deutsche Volk der weiteren Offen barungen dieser schöpferischen Gelehrten- und Künstlernalur harren. Seine Arbeiten genossen die lebhafteste Unterstützung des verstorbenen Fürsten Herbert Bismarck, dessen Andenken tiefe Dankbarkeit den Band gewidmet hat, sie erfreuten sich der Anteilnahme anderer Glieder der Bismarckschen Familie, der Förderung von Fachgenossen und Freunden des Historikers; aber verantwortlich sür die Auswahl des Stoffes wie vollends für dessen Bearbeitung und Beurteilung ist lediglich der Verfasser selbst. So selbstverständlick diese Fest stellung ist, so notwendig mag sie Marcks denen gegenüber erschienen sein, die sich infolge der ihm gewordenen, weitgehenden Hilfe der Ver wandten des Altreichskanzlers Möglicherwese zu Mißdeutungen hin reißen lassen würden. Nur argen Naturen kann solcher Gedanke bei kommen, denn die Art der Darstellung allein bürgt schon für die unbedingte Selbständigkeit des Urteils. Wer sich auch immer in dieses Buch ver tieft, wer es in der Stimmung liest, in der es Marcks geschrieben hat — und dahinein wird jeder empfängliche Leser wie von selbst versetzt werden — wird bald des unvergänglichen Wertes dieser Tat offenbar werden. Wir haben nicht eine würdige, ausgezeichnete Biömarckbio- graphie empfangen: Marcks hat dem deutschen Volke daS deutsche Biömarckbuch geschenkt. Juni Reichsgerichtsjubiluuin. Das 30jährige Bestehen des Reichsgerichts gibt einer autoritativen, dem Reichsgericht nahestehenden Persönlichkeit den Anlaß, uns zu schreiben: Am 1. Oktober 1909 vollendete das Reichsgericht das 30. Jahr seines Bestehens. Damit ist diese „bedeutungsvolle, glückverheißende nationale Institution", wie sie der Präsident Pape in der Schlußsitzung des Neichs- oberhandelsgerichts nannte, am Ende des Alters angelangt, welches durch schnittlich den Menschen beschießen ist, und wenn ihr auch ein von den einzelnen Personen, die ihr dicnen, unabhängiger Bestand verliehen ist, so bedeutet doch auch ;ür sie und für das deutsche Volt dieser Zeitpunkt immerhin einen beachtenswerten Augenblick, der zu prüfen anregt, was das Reichsgericht für Deutschland bisher gewesen ist, und was es auch in Zukunft ihm sein soll. Mit Begeisterung ist vor 30 Jahren die Entstehung des Reichs gerichts von ganz Deutschland begrüßt worden. Die Negierungen und der Reichstag wetteiferten darin, die äußere Stellung des neuen obersten Gerichtshofes so günstig wie möglich zu gestalten, dabei Wohl von dem Gedanken geleitet, daß in ihm nun wieder einer der von dem deutschen Volke jahrzehntelang gehegten drei Wünsche erfüllt werde, die später bei der Grundsteinlegung zum Gebäude des Reichsgerichts s1888> in den Weihespruch zusammengefaßt wurden: „Ein Reich, ein Recht, ein Richter." Innerhalb des Menschenalters, das seitdem verflossen, ist diese Be geisterung für die neue Errungenschaft einer ruhigen Beurteilung und Würdigung ihrer Bedeutung gewichen; aber wenn auch, wie Bismarck ein mal vom Reiche selbst gesagt hat, die längere Dauer des Bestehens den Reiz der Neuheit schwinden läßt und damit die Freude daran zu trüben geeignet ist, so kann sich doch das Reichsgericht im großen und ganzen über die Kritik, die ihm zuteil geworden ist, gewiß nicht beschweren. So sind insbesondere die Verdienste der vier Männer, die seit dem Bestehen des Reichsgerichts an dessen Spitze gestanden haben, v. Simson, v. Oehl- schläger, Gutbrod, v. Seckendorfs, die alle, jeder in seiner Art, allerdings ganz hervorragende Richter waren bzw. sind, und, wie v. Oehlschläger bei seinem Amtsantritt gelobte, „den Ehrenschild des Reichsgerichts in ruhmvoll strahlendem Glanze erhalten" haben, von jeher und ganz allge mein dankbar und bewundernd hcrvorgehoben worden. Und vielen der ausgezeichneten Männer, die als Senatspräsidcnten und Räte am Reichsgericht oder an der Reichsanwaltschaft gewirkt haben, wir nennen hier nur einige: Drechsler, Henrici, Bingner, Löwe, v. Hahn, Dr. Löwen- stein, Dr. Bolze, Olshausen, Bähr, Petersen, Jäckel, hat es selbst außer halb des Kreises der Juristen an Ansehen und rühmender Anerkennung nicht gefehlt. Nicht minder und gleichfalls mit Recht ist dem Reichs gericht als solchem und seiner Judikatur von fast allen, auf deren Urteil ernsthaft Gewicht zu legen ist, so von der Wissenschaft, vom Vertreter des Rcichsjustizamts und vom Reichstag selbst oft das Zeugnis zuteil ge worden, daß seine Rechtsprechung in der Hauptsache eine gerechte, be sonnene und maßvolle, von bureaukratischer Auffassung freie, von echtem wissenschaftlichen Geiste und von sozialem Empfinden erfüllte gewesen sei. Dieser Beurteilung gegenüber mag sich das Reichsgericht getrösten, wenn auch ihm von Zeit zu Zeit das sehr moderne, aber deshalb noch nicht richtige Lied von der Klassenjustiz, dem Bureaukratismus und der Welt fremdheit der deutschen Richter ins Ohr gesungen worden ist. Selbstver ständlich ist damit nicht gesagt, daß diese Anerkennung der Tätigkeit des Reichsgerichts auf jedes einzelne von ihm erlassene Urteil auszudehnen wäre; dies wird wohl von ihm selbst nicht in Anspruch genommen. Es hieße Uebermenschliches verlangen, wenn man fordern wollte, daß alle die vielen Tausende von Urteilen s1908 wurden in Zivilsachen 4008, in Strafsachen 5476 Urteile verkündet!), die das Reichsgericht in den 30 Jahren seines Bestehens erlassen hat, sachlich einwandfrei und in der Form ohne jeden Mangel seien. Eines freilich hat nicht selten zu Bean standungen Veranlassung gegeben: die Langsamkeit der Rechtsprechung; war es doch im Jahre 1905 so weit gekommen, daß zwischen dem Ein gänge der Sachen und ihrer Erledigung auch in Strafsachen oft über ein Jahr lag. Allein, diese höchst bedenkliche und vom Reichsgericht, wie man weih, selbst am meisten beklagte Verzögerung der Geschäfte liegt, wie ebenfalls allseitig zugegeben wurde, an der übermäßigen Belastung, die dem Reichsgericht nach und nach aufgebürdet worden ist. Daß in folgedessen am Reichsgerichte, wo, wie allen mit den Verhältnissen Ver trauten bekannt ist, mit der größten Hingebung gearbeitet wird, auch bei der intensivsten Ansvannung aller Kräfte das Anwachsen von „Resten" nicht vermieden werden konnte, liegt auf der Hand. Es ist wiederholt, zuletzt im Jahre 1905, von der HI. Kommission des Reichstages betont worden, daß eine Entlastung dringend nötig sei, und daß die Richter, wenn nicht die Interessen der Rechtspflege und der Nechtsentwickelung leiden sollten, außer zum gründlichen Studium und zu eingehender Bear beitung der einzelnen Sachen, und ausreichende Zeit haben müßten, um sich, wie in der juristischen Literatur, so auch über alle Erscheinungen auf dem Gebiete der Volkswirtschaft und der kulturellen Entwicklung unterrichtet zu halten. Indessen, die Mittel zur Abhilfe, die das Gesetz vom 5. Juni 1905 brachte — Erhöhung der Revisionssumme auf 2500 und Einführung des Begründungszwanges für die Revision —. und die am 1. April 1906 erfolgte Errichtung des 5. Strafsenats haben einen dauernden Erfolg nicht gehabt. In den Strafsachen ist es allerdings bis jetzt, wie man hört, möglich geblieben, die Termine mit angemessener Frist anzusetzen, eine Heranziehung der in ihnen beschäftigten Mitglieder zur Auf arbeitung von Zivilsachen ist noch nicht möglich. In den Zivilsenaten aber besteht bereits abermals geradezu ein Notstand: es müssen die Termine, wenigstens in einigen Senaten, um 10 Monate und länger hinaus angesctzt werden, die Arbeitslast des einzelnen Richters nähert sich der von 1903. Hier tut also, wenn nicht das Vertrauen der Recht suchenden zum Revisionsgericht durch die Langsamkeit seiner Rechts pflege schwer erschüttert werden soll, schleuniges Eingreifen dringend not. Es darf unseres Erachtens nicht gewartet werden, bis die geplante umfassende Novelle zur Zivilprozeßordnung ausgearbeitet ist. Es sind nur alsbald wirkende Maßregeln brauchbar. Ausgeschloffen ist dabei das scheinbar am nächsten liegende Mittel, nochmalige dauernde Ver mehrung der Senate oder auch nur der Richterstellen. Das ist schon in der Begründung zu der Novelle von 1905 gesagt worden und gilt noch heute. Das Reichsgericht, das mit 8 Präsidenten und 60 Räten ins Leben trat, hat jetzt 12 Präsidenten und 89 Räte und ist damit bereits so groß, daß den Mitgliedern ein eingehender fruchtbarer Meinungsaus tausch kaum noch möglich und auch die Fühlung unter den Senaten nur unvollkommen zu erhalten ist. Man muß sich sonach auf andere Weise zu helfen suchen. So mag man zur Aufarbeitung der bei den Zivilsenaten vorhandenen Neste einen oder zwei Hilfssenate errichten — wie es nach 1879 der Fall war—, deren Bestehen mit der Beendigung dieser Aufgabe aufhören würde: man kann sie ja, glaubt man einem Ständigwcrden dieser Hilfssenate, die aus 3 Mitgliedern des Reichsgerichts und 4 Oberlandesgerichtsräten zu bilden wären, entgegentreten zu müssen, von vornherein nur auf eine bestimmte Zeit, etwa 2 Jahre, bewilligen. Außerdem würden aber Anordnungen zu treffen sein, die dem weiteren Anschwellen der Revisionen auch für die Zeit bis zum Er scheinen der neuen Zivilprozeßordnung einen wirksamen Riegel vor schieben. Und hierbei möchte vor allem bedacht werden, daß es sich um eine Nebergangszeit handeln wird, einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren. Deshalb würde sich nach unserem Dafürhalten empfehlen, bei der Auswahl der durch Gesetz zu schaffenden Mittel mehr auf die Wirk samkeit zu sehen, als auf die juristischen Bedenken, die ihm gegenüber etwa zu erheben sind. Denn das muß ohne weiteres zugegeben werden: vollkommen schön sind sie alle nicht. Man entschließe sich also zu der dem Vernehmen nach vom Reichsgericht jetzt selbst in erster Linie empfohlenen Einführung des Difformitätsprinzips, wonach diejenigen in der Berufungsinstanz von den Oberlandesgerichten erlassenen End urteile mit der Revision unanfechtbar sein sollen, durch welche das erst instanzliche Urteil bestätigt wird. Das hiergegen früher geltend gemachte Argument, daß dadurch dem Reichsgericht nicht viel geholfen werden würde, hat sich nach neueren Erhebungen, wie verlautet, als unbegründet herausgestellt, es wird davon eine ganz erhebliche Entlastung erwartet. Demgegenüber sollte der ohnehin nicht genügend begründete Einwand zu rücktreten, daß dadurch die Oberlandesgerichte sür eine zu große Anzahl von Sachen selbständig gemacht würden, und daß dann die Einheit der deutschen Rechtsprechung gefährdet würde: denn dieser Befürchtung soll durch eine gesetzliche Vorschrift der Boden entzogen werden, welche das Abweichen der Oberlandesgerichte von den Ansichten des Reichsgerichts verhindert oder unschädlich macht. Kommen dazu einige der in der Fach presse erörterten sogenannten „kleinen Mittel", auf die man hier nicht näher eingehen kann, so darf man hoffen, daß dann für eine Reihe von Jahren auch die Zivilsenate des Reichsgerichts, von den „Resten" durch die Hilfssenate befreit, mit nicht mehr Aufgaben befaßt sein werden, als sie ohne Ueberanstrengung in einem den Anforderungen einer prompten Justiz entsprechenden Zeit zu bewältigen vermögen. Wir möchten daher unsere Betrachtungen anläßlich des Jahrestages des Reichsgerichts in Anlehnung an ein bekanntes Bismarcksches Wort mit dem Wunsche schließen: Geben wir dem Reichsgericht einen passenden Sattel, reiten wird es dann schon wieder können! Deutscher Reich. Leipzig, 2. Oktober. * Zum Tode des Grafen Hohenthal. Am Sarge des verstorbenen Staatsministerö Grafen Hohenthal fand am Freitagmittag eine Haus andacht statt, der die Angehörigen der Familien Hohenlhal und Vitzthum v. Eckstädt beiwohnten. Darauf wurde der Sarg geschloffen, der am Sonu- abendvormittag nach der Kreuzkirche übergeführt werden wird. Im Trauer hause trafen zahlreiche kostbare Blumenspendcn sowie Beileidstelegramme, n. a. von der Deutschen Kaiserin, dem Grohherzog von Baden und anderen Fürst lichkeiten ein. — Wie wir weiter erfahren, erfolgt die Ueberführung des verewigten Grafen vom Bahnhof Knauthain nach der Knauthainer Kirche, wo er bis zur Trauerfeier aukgebahrt bleibt, Sonnabendabend in der achten Stunde. Der Zutritt zur Kirche ist am Sonnabendabend nur den bei der Ueberführung beteiligten Vereinen gestattet. Am Sonntag steht der Besuch der Kirche dem Publikum von 8 bis 11 Uhr vormittags frei. Tie Teilnahme an der um 1 Uhr beginnenden Trauerfeier kann dagegen nur gegen Karten gestattet werde,:, die in Knauthain selbst zur Ausgabe ge langen. Bei der Trauerseier in Knauthain wird der Ortspfarrer Niedner die Rede halten. Gegen 2 Uhr erfolgt dann der Abmarsch nach Altranstädt, wo die Beisetzung ftattfindet. * Zur Landlagswahl. Am Donnerstag sprach in einer Wählerver sammlung im „Schlohkeller" zu Leipzig der sozialdemokratische Landtags kandidat Redakteur Jllge über das Thema: „Tie Landtagswahten und die bürgerlichen Parteien." Nach zweistündiger Rede stellte sich heraus, daß Herr Jllge nur vor sozialdemokratischen Wählern gesprochen hatte und daher die erhoffte Wirkung nicht erzielt wurde. Dem Beschlüsse der Sozial demokraten, gegnerische Wahlversammlungen nicht zu besuchen, haben sich sonach die bürgerlichen Parteien angepaßt. * Konservative Kampfmethode. In Dresden und wahrscheinlich auch in anderen Orten wird jetzt ein Flugblatt verbreitet, das die Ueberschrift tragt „Liberale Fürsorge für den Mittelstand". Neben einer großen Reihe von entstellten und unwahren Behauptungen bemüht sich dieses Flugblatt, cs so hinzustellen, als wenn die nationallibcrale Partei sich den Maßnahmen wegen Beseitigung der Kohlenteuerung ablehnend gegenübergestcllt hätte. Der konservative Flugblattverfasser — cS ist der bekannte Generalsekretär Kunze in Dresden — führt dabei Aeußerungen an, die im preußischen Abgeordnetenhaus!: von Mitgliedern der nationalliberalcn Landtagsfraktion gefallen sind, die dem rheinisch-westfälischen Kohlenbezirk nahestehen. Ls ist dem Generalsekretär Kunze sicherlich ganz genau bekannt, daß die nationallibcrale Reichstagsfraktion bei Beratung der Interpellation Kamt) im Deutschen Reichstage sich mit aller Entschiedenheit gegen die Preis politik des Kohlensyndikats gewendet und auf das allcrenergischste von den maßgebenden Regierungsstellen Abhilfe in Sachen der Koblentcuerung ge fordert hat. Die nationalliberale Reicl)Stagöfraktion wurde bei dieser Interpellation durch eipen sächsischen Reichstagsabgcordnctcn vertreten, nämlich den Abgeordneten Stresemann. Die scharfe Stellung nahme der nationalliberalen Reichstagsfraktion ist damals Gegenstand heftiger Preßerürterungen gewesen, ohne daß sich die Fraktion in ihrer Haltung dadurch irgendwie beeinflussen lieh. Herrn Generalsekretär Kunze ist dies sicherlich bekannt. Wenn er trotzdem lediglich Reden aus dem preußischen Abgeordnetenhaus anfnhrt, ohne dabei mit darauf binzuweisen, daß gerade von feiten der sächsischen Nationalliberalen, um die es sich ja bei dem jetzigen Landtagswahlkampf handelt, mit aller Entschiedenheit diese Preispolitik der großen Syndikate bekämpft worden ist. so ist das wahrscheinlich eine Folge des vielgerühmtcn konservativen Wunsches, den Wahlkampf mit Anstand zu führen.
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