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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.02.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-02-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120213016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912021301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912021301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1912
- Monat1912-02
- Tag1912-02-13
- Monat1912-02
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Bezuqt-fprett fßr Leivits » » V,i»n« »>rch «ikr, I,Sa«r i"d So«d>i«>« r»«l »tiltch t« Hau» ««drachl «PI. »»aalt.LTV Oil. otinrhöhrl. P«« »»>««» Nilcul«« ». Pn» natzmeslruea adacdoU » VI. «»natl.. LV Mk. ol«rt«>ial>kl. >»«ch »I» P»»: lanarhaw D«un<hlaad, and d»r d«atl»«n galant«» ot«n«liLdkU ».« Ott., manaU. 1L> «t. ««»ichc. Po»d«K«0a<ld g«,a«r i» B«i«ir^ Daa«makk v«a D»aauftaai«n. Statt«», Ü»z«»d»ia. «i.d<,laav«. ««««». O«-«»«!« . Uaaaia PalUaaL, Schw«d«a. i»«d««u a Lpoa««». Sa oll«n üdr>a«a Staat«, aai ou«kt duich dtr s«lchatt»ft«u« o«» Ptott«» «khalmch. Da» U«tp,t,«r Ta,«vlatt «kl»«tat rmal tägltch. Sona» ». Nitrna«» nur mora«a». Ld»nn,m«nt».Onnadm« S«»,,,,,A,g« «, b«t ui»«», traa.rn. iiu>,l«a. S»«d>t«ur,a va» Panahmrlr«il«n. >»w>« Poirim»«rn »ad Bn«tl,aii«ra. laalsp,«,» io U. Morgen-Nudgade. KiBMrTllgtblM Lel.-Anschl.1 HÜUVeAv^etkUttg. Crl.-Änschl. i« 6sr Ämtsvkatt -es Aales »nü -es Aotizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen PrclS fl, Snl«t0t« au» >.'«10,1- uns Um««b««q dt« tlpaltta« P«tt««it« L Ps^di. «.Nam«, »tl« I Ott. von au»watt» »ti P,, «,Uamea L2I> Pkt. Jalerot« von Vrtzoidrn im amt- Uch.« Toll dl« P«l>lj«il, !>o Ps ««Ichäftoaateluen nitt vlatzooUchrtst«, »« Prell« «idal,t Nabatt nach laNf V«llaaru«dUk, Drlamt» aullaa« i ML p Taulrnd «rN. P»il,rdül,«. I«Ild«»lag« >>ob«k. 8<lt«N«U» «uttroa« können nlrdi ,urück» äkiogea wervea trilr va» Eklcheinen an vrlUinntten lastin und Plaa«n wrrd k«>ne Sarantl« ad«rn»mn>«n. Vnj«>a«u. »aaaüm« Sodann,»,ag« «. de, iami»ch,n 8>lial«n «. allen Annoncen. Elved,Nonen de» 2n- an» «»»lande» Lruck an» »„ gliche« ck ttiirft«! Sntzaver Pau» «»«ft«»- Medaktli» „d lSeIchIIt»ftrkk«r 2otiannl»,aI1« L La»»i»gtUal« Deeodrai vttftrab« «. t (lelephoa «»11 Ar. 7S. Dlrnsttg, Len 13. Frdruar is>2. lLS. ZSiirgllNg. Unsere gestrige Abendausgabe umfaßt 8 Seiten, die vorliegende Morgenvummer 18 Seiten, zusammen 28 Seiten. Dss Müstlglte. * Die Nattonalltberale Re i'ch stags- ^fraktion hat nahezu einstimmig beschlossen, einen Kandidaten zur neuen Präsidentenwahl nicht wieder au'fzustellen. Gleichzeitig ist Herr Paasche ersucht worden, den zweiten Vizepräsidentenposten niederzulegen. (S. den bes. Art. Seite 1.) * Die sächsische Zweite Kammer erledigte am Montag eine Anzahl Kapitel des außerordent lichen und ordentlichen Etats und des Rechenschaftsberichtes in Schlußberatung. (S. Land- tagsberichts. Seit« 9.) * Im Brüsseler Bergarbeiterstreik steht eine Einigung bevor. (S. Ausl. Seite 9.) * In England droht der Generalstreik der Bergarbeiter. (C. Ausl. Sette 9.) * Das Ed itt über die Abdankungder chi nesischen Dynastie und die EinsetzungLer Republik ist am Montag amtlich veröffentlicht worden. (S. den bes. Art. Seide 2.) * Die neuerrichtete Professur für Zoologie an der Universität Christiania wurde Mit einer Frau besetzt. (Vergl. Hochschulnachr. Seite 12.) Line Kenüerimg in üer Zusammensetzung üec Gesten Sächsischen Kammer? (Von unserer Dresdner Redaktion.) (:) Dem Sächsischen Landtage sind auch dies mal wieder Wünsche unterbreitet worden, die aus eine Aenderung in der Zusammensetzung der Ersten Kammer abzielen. Bereits am 9. Novem ber 1911 hat die nationalliberale Frak tion eine Interpellation eingebracht, welche sich mit dieser wichtigen Frage beschäftigt und welche folgenden Wortlaut hat: „Was gedenkt die König liche Staatsrcgierung zu tun, um der seit langem von ihr selbst und von den Ständekammern als berechtigt anerkannten Forderungen auf eine den gegenwärtigen Verhältnissen im Lande ent sprechende Aenderung in der Zusammensetzung der Ersten Ständekammer gerecht zu werden?" Die Interpellation ist vom Führer der national liberalen Fraktion Abg. Hettncr und sämt lichen Mitgliedern dieser Fraktion unterzeichnet. Anträge zur Reform der Ersten Kammer sind bekanntlich bereits mehrfach in früheren Sessionen von nationalliberaler, freisinniger und sozial demokratischer Seite gestellt worden. Auch dem letzten Landtage lagen wieder derartige Anträge vor. Der eine wünschte eine Reform im Sinne des Verfassungsgesetzes vom 15. November 1848 oder eine Vertretung aller größeren Berufsgrup pen in der Ersten Kammer. Der andere Antrag, der gleichfalls der letzten Session vorlag, er strebte eine Berücksichtigung der in den wirtschaft lichen und sozialen Verhältnissen eingetretenen Verschiebungen in der Weise, daß einmal je ein Vertreter der Rechtspflege, der Heilkunde, des Unterrichtswesens und der technischen Wissen schaft in der Ersten Kammer durch Wahlen ge langen soll. Zugleich soll bei der Wahl der Vertretung des Grundbesitzes auch der städtische und kleinere ländliche Grundbesitz mit berücksich tigt werden. Sachsen hatte bereits vor der Verfassung vom Jahre 1831 in seinen Landständen erb- ländische Stände, die sich nur wenig von denen anderer Länder unterschieden. Nach der Teilung Sachsens waren aus dem Reste dieser Stände in der Hauptsache zwei Klassen übrig geblieben, und zwar aus der einen Seite die Prä laten, Grafen und Herren, das Hochstist Meißen, die Herrschaften Wildenfels und Schönburg und die Landesuniversität, während auf der anderen Seite die Ritterschaft und die Städte vertreten waren. Schon diese alten Landstände hatten die Aufgabe, beschränkend zu dem herrschenden Willen des Monarchen hinzuzutreten, die Rechtsmäßigkeit des Regierens zu sichern und das sittliche Bewußt sein des Volkes zum Ausdruck zu bringen. Die jetzigen Stände weichen insofern von diesen alten Landständen ab, als z. B. die Zweite Kcuu- mer auS der Wahl durch daS Volk hervorgeht, währeird auch für die Erste Kammer die Wahl von 12 Gutsbesitzern stattfindet. Die zur Ersten Kammer durch die Wahl berufenen Abgeordneten haben ihre Sitze auf Lebenszeit inne, während die Mitglieder der Zweiten Kammer 6 Jahre lang ihr Mandat behalten. Vor dem Jahre 1868 be stand die Kammer aus 20 Abgeordneten der Rittergutsbesitzer, 25 Slbgeordnetcn der Städte, 25 Abgeordneten deS Standes der Landwirte und 5 Abgeordneten aus Handel und Industrie. Seit dem Jahre 1868 setzt sich die Erste Kammer aus folgenden Mitgliedern zusammen: Die volljährigen Prinzen des Königlichen Hauses, das Hochstift zu Meißen, die Herrschaft Wilden fels, die Schönburgischen Rezeß- und LehenS- herrschaften, die Universität Leipzig, die Standes- herrschaften Reibersdorf und Königsbrück, der evangelische Oberhofprediger, der Superintendent zu Leipzig, das Domstift zu Bautzen, daS Kol- legiatstift Wurzen, 12 von den Kreis- und Ober lausitzer Provinzialständen gewählte Gutsbesitzer, 10 vom König ernannte Rittergutsbesitzer, die Oberbürgermeister resp. Bürgermeister von Dresden, Leipzig und 6 weiteren vom König zu bestimmenden Städten, sowie 5 gleichfalls vom König nach freiem Ermessen zu berufenden Personen. Von besonderem Interesse ist unter dem Gesichtspunkte der obenerwähnten Inter pellationen die Tatsache, daß bereits jetzt 6 her vorragende Vertreter von Industrie und Handel durch den König zu Mitgliedern der Ersten Ständekammer berufen worden sind. ES sind dies die Herren Verlagsbuchhandler Albert Brockhaus-Leipzig, Geh. Kommerzienrat Otto Erbert-Plauen i. V., Kommerzienrat Hugo Hoesch-Hütten bei Königstein, Ritter gutsbesitzer Dr. vhil. N a u m a n n - Königsbrück, Kommerzienrat Dr.-Jng. Johannes Georg Rei necker-Chemnitz und der Vorsitzende der Zit tauer Handelskammer Geh. Kommerzienrat Paul Waentig. Es hat also bereits jetzt eine Ver schiebung in der Ersten Ständekammer nach der industriellen Seite hin stattgefunden. Auch sind die Städte Dresden, Leipzig, Chemnitz, Plauen, Zwickau, Meißen, Bautzen, die man heute sämt lich als Industriestädte bezeichnen kann, durch ihre Stadtobcrhäuptcr in der Ersten Kammer vertreten. Es besteht demnach keine Gefahr, daß die Interessen von Handel und Industrie, sowie diejenigen der großen Stadtverwaltungen in der Ersten Kammer nicht genügend gewahrt werden. Trotz alledem zeigte sich die Sächsische Staatsregicrung anläßlich der in der vori gen Session gestellten Anträge geneigt, einer Reform der Ersten Kammer näherzutretcn. Da jedoch eine Einigung unter den Parteien der Zweiten Kammer über die Gesichtspunkte dieser Reform nicht zu erzielen war, kam die Abände rung damals nicht zustande. Die Regierung lehnte eine Aenderung in der Zusammensetzung der Ersten Ständekammer deshalb ab. Jedenfalls dürfte sich die Staatsregicrung auch bei der Beratung der obenerwähnten Interpellation wieder auf diesen Standpunkt stel len und es bei dem gegenwärtigen Zustande der Ersten Kammer belassen. Von besonderem Interesse sind noch die sich widersprechenden Anträge, die damals über die Anträge der Abgeordneten Günther und Genossen, sowie der Abgeordneten Hett- ner, Langhammcr, Dr. Niethammer und Ge nossen, sowie der Abgeordneten Drescher und Genossen, die Zusammensetzung beziehentlich Auf hebung der Ersten Ständekammer betreffend und über die hierzu eingcgangencn Petitionen der sächsischen Hausbesitzervereine und des Verbandes Sächsischer Indu strieller aus der Gesetzgebungsdeputation ge stellt worden waren. Die Dcputationsmitglieder Heldt, Lange, Nitzschc, Riem und Uhlig beantragten, die Kam mer wolle beschließen: die Königliche Staatsregic rung zu ersuchen, der jetzigen Ständeversamm lung baldigst einen Gesetzentwurf vorzulcgcn, mit dem eine Reform der Ersten Ständekammer entweder im Sinne des Verfassungsgesetzes vom 15. November 1848 oder in der Richtung hin, daß allen größeren Berufsgruppen in angemes sener Zahl Sitz und Stimme in der Ersten Kammer cingeräumt wird, vorgeschlagen und noch im Laufe der gegenwärtigen Session zum Ab schluß gebracht werde. Die Deputationsmitglieder Göpfert, Hart mann, Dr. Kaiser, Langhammer, Dr. Löbner und Dr. Seyfcrt beantragten, die Kammer wolle beschließen: dem Anträge der Deputationsminder heit, wie er in der Drucksache Nr. 332 vom 2. April 1906 im Berichte der Zweiten Kammer des Jahrgangs 1905/06 enthalten ist, mit den Abänderungen zuzustimmen, daß die Einkommen grenze von 6000 Mark gestrichen und, soweit die Mitgliedschaft zur Ersten Kammer durch Königliche Ernennung stattfindet, diese durch Wahl, eventuell durch Wahl der Berufsstände, ersetzt wird. Die Deputationsmitglieder Dr. Böhme, Fren- zel. Greulich, Horst, Dr. Spieß uird Traber be antragten, die Kammer wolle beschließen: dem Antrag der DeputationSmehrhett, wie er in der Drucksache 332 vom 2. April 1906 im Berichte der Zweiten Kammer, 2. Band, Jahrgang 1905/06 enthalten ist, zuzustimmen. Bezüglich der Petitionen beantragte die Depu tation, die Kammer wolle beschließen: die ein gegangenen Petitionen, soweit sie nicht durch An nahme einer der vorstehenden Anträge erledigt toerden, auf sich beruhen zu lassen. erfreuliches von üen Uslmnalliberslen. LH Wieder werden die Vorwürfe der Wankel mütigkeit und Charakterlosigkeit auf die Nationailtberalen niederprasseln. Das „Berliner Tageblatt", das Herrn Vassermann in diesen Tagen Weihrauch streute, wird von einem Mangel an Courage, von Umfall und von Schlimmerem sprechen. Die Nationalliberalen, das ist das Neueste in der an Wendungen reichen Geschichte der Präsidial wahlen, wollen nun doch nicht an einem Prä sidium der reinen „Linken" teilnehmen. Wie wir erfahren, ist dieser Beschluß in der Fraktions sitzung, die die Nationalliberalen am Montag ab hielten, gefaßt worden. Der Standpunkt der über wiegenden Mehrheit der Fraktion wird uns folgender maßen skizziert: Da die Fraktion sich von Anfang an dagegen gewehrt hat, ein Großblockpräsidium zu bilden, da aber das Geschäftspräsidium mit den größten Parteien (Zentrum, Sozialdemokraten und Nationalliberalen) an der Ablehnung des Abge ordneten Spahn gescheitert ist und eine erneute Anfrage beim Zentrum ergeben hat, daß das Zentrum bei dieser Stellung verharre, wird die Fraktion sich nicht weiter an dem Präsidium beteiligen. Prinz Schoenaich-Carolath hat für seine Person abgelehnt, für den Posten Les ersten Präsidenten zu kandidieren, und die Fraktion hat sich dahin entschieden, Herrn Paasche zu ersuchen, seinen Posten niederzulegen. Wir begrüßen diesen Beschluß als einen Sieg der Vernunft und der nationalen Gesin nung. Doch wäre es nicht wohlgeraten, die Er- eigniste vom 9. Februar zu vergessen. Das Miß trauen gegen die derzeitige Führung der national liberalen Partei im Reichstage ist rege geworden und muß weiter rege bleiben. Cs hat sich gezeigt, daß nationalliberale Abgeordnete keine Bedenken getragen haben, für Herrn Bebel als ersten Präsidenten des deutschen Reichs tages und nachher — in noch größerer Zahl — für Herrn Scheidemann als ersten Vizepräsidenten ihre Stimme abzugeben. Auch aus der Verlautbarung über die letzte Fraltionssitzung ist nicht zu ersehen, daß man für Vie Ungeeignetheit eines Präsi- diums mit Herrn Scheidemann als Mitglied in- zwiichen das rechte Verständnis gewonnen hat. Für diejenigen, die auf die monarchischen Institutionen Wert legen, war die Stellung des Sozialdemokraten zu diesen Dingen von ganz besonderer Bedeutung. Nun wird von national- liberalen Abgeordneten die Behauptung aufrechterhalten, daß die Sozialdemokratie die monarchischen Verpflichtungen übernommen habe. Die sozialdemokratischen Abgeordneten, die eine solche Erklärung abgegeben haben sollen, sind Bebel, Haie und Moltenbuhr. Wir waren geneigt, eine solche Erklärung als Entschuldigung für das Verhalten der Nationalliberalen bis zu einem gewissen Grade gelten zu lassen. Inzwischen ist aber die offizielle Rechtfertigung der „Nationalliberalen Korrespondenz" erschienen. Zu unserem größten Be dauern haben wir darin die Festlegung jener Ver pflichtung vergeblich gesucht. Der Verfasser der Rechtfertigung hat also entweoer diese Erklärung gar nicht gekannt oder ihr leine Bedeutung für die Oeffentlichkeit beigelegt. Danach und nach anderen Anzeichen muß man darauf schließen, daß jedenfalls nicht für alle national, liberalen Reichstagsabgeordneten die monarchischeVer- pflichtung des gewählten sozialdemokratischen Vize präsidenten eine Rolle gespielt hat. Sie hätten den Sozialdemokraten auch ohne eine solche Verpflich tung gewählt. Der 9. Februar bleibt ein schwarzer Tag in der Geschichte der nationalliberalen Partei. Er hat gezeigt, wohin eine Parteigemeinschaft mit den glänzenden Ueberlieferungen der nationalliberalcn Partei durch Uebertrecdung des Fraktionsgeistcs geführt werden kann. Die Rechtfertigung der „Nat- lib Korrejp." begann nach einigen einleitenden Sätzen — sofort mit einem parterpolrtischen Gedanken. Dag weit wichtiger als alle parteipolitischen Er wägungen die vaterländische Pflicht war, das monarchische Gefühl des Volkes nicht zu ver wirren, hat man nicht empfunden. Tie heutigen Führer der nationalliberalen Partei im Reichs- taae haben sich oewöhnt, an die Partei und immer wieder die Partei zu denken. Dabei hat sich die Partei gar nicht gut gestanden. Möge man wieder an das Vaterland denken, dann wird auch die Partei bester vorankommen; dann wird sie auch den Vorwurf der Wankelmütigkeit nicht mehr zu fürchten brauchen, der doch nur darin seine Be rechtigung findet, daß die Partei sich erst zu weit nach links in die Gefolgschaft des Radi kalismus begibt und dann von den besonnenen Elementen wieder zurückgerufen wird. Würde die Partei als nationale und freiheitliche Mmelpartei einfach gerade aus mit dem Blick am das vater ländische Wohl marschieren, so könnte sie zwar von rechts nach links bekämpft werden, Freunde, wie Gegner aber könnten mit ihr als einer festen Größe rechnen. * Ein Aufruf der narionattiberalen Keich stagsfraktion. Von parlamentarischer Seite wird dem „Wölfischen Bureau" milgeteilt: Die Vorgänge bei der Präsi dentenwahl des Reichstags führten zu einer freien Besprechung nationallrberaler Ver trauensmänner aus dem Reiche, die gestern unter Teilnahme einer Reihe Abgeordneter statt gefunden hat. Bon der Versammlung wurde folgende Erklärung einstimmig angenommen: „Ernste Nachrichten aus verschiedenervLandesteilen lasten erkennen, daß dort über die Haltung^ die ein Teil unserer Reichstagsfraktcon bei der Präsi- dentenwahl eingenommen hat, starke Verstimmung herrscht, und daß zweifellos mehrfach dre Gefahr übereilter Entschließungen vorliegt. Unter Ausdruck unseres vollen Verständnisses für jene Ver stimmung möchten wir die dringende Mahnung an alle unsere engeren Freunde richlen, gerade im gegenwärtigen Augenblick unter allen Um- ständen bei der alten Fahne zu bleiben. Nur wenn alle treuen Verfechter der bedingungslos nationalen, ruhmvollen Ueberlieferungen unserer Partei geschlossen in der Partei ausharren, können wir über die fetzige Krisis hinweg zu einer Gesundung auch der Ver hältnisse im Reichstage gelangen." Darf üss Deutsche Reich Schulüeu urschen? —* Diese Frage erscheint vielleicht überflüssig zu einem Zeitpunkt, wo der Reichshaushaltsetat für das nächste Jahr soeben sestgcftellt hat, Laß wir für rund fünf Milliarden Neichsschulden jährlich 185 Millionen Mark Zinsen aufzuwenLen haben. Die Tatsache, daß das Reich SchuTLen gemacht hat, und zwar in un- heimlicher Höhe, steht also fest, aber trotzdem ist eine Prüfung der Frage, inwieweit des Deutsche Reich überhaupt Schulden machen darf, sehr wohl am Platz. Maßgebend für die Entscheidung über dieseFrage sirrd zwei Artikel der Reichs oerfassung, nämlich einmal der Artikel 70, in dem bestimmt wird, daß, insoweit die Ausgaben Les Reiches.durch eigene Einnahmen nicht gedeckt werden, sie durch Beiträge der Bundesstaaten aufzubringen sind. Es kommt weiter in Betracht der Artikel 73 der Verfassung, nach Lem in Fällen eines außer ordentlichen Bedürfnisses im Wege der Neichsgesetzgedung die Aufnahme einer Anleihe er folgen kann. Aus diesem letzteren Artikel haben nun Finanzpolitiker mit weitem Gewissen die unbegrenzte Berechtigung des Reiches zum Schuldenmachen her geleitet. Aber dieser Auffassung steht die Tatsache entgeo-en, daß der ursprüngliche Entwurf der Reichs verfassung den Artikel 73 nicht enthielt; Lieser ist vielmehr erst durch den Reichstag hinzugefügt worden. Der Verfassungsentwurf hatte also an Reichsanleihen überhaupt nicht ge dacht; ein etwaiges Defizit sollte nur auf die Matrikularbeiträge angewiesen sein. Dieser Gedanke stand in vollem Einklang mit der ganzen Konstruktion des Reiches als Bundesstaat: alles sollte anteils mäßig von den Bundesstaaten getragen werden. Hätte der Reichstag, der die Verfassung festsetzte und hierbei den Anleiheartikel einfügte, ahnen können, was spätere Reichstage von Lieser Bestimmung für einen Gebrauch machen würden, er würde sich wahrscheinlich nicht entschlossen haben, ein solches Kautschukgebilde in die Verfassung hineinzudringen, das.tatsächlich für den späteren Niedergang der Neichsfinanzen ver hängnisvoll geworden ist. Anleihen sollten ausgenommen werden im Falle eines außerordentlichen Bedürfnisses. Was sind nun später mit diesem Begriff „außerordentlich" alles für Experimente vorgenommen worden! Man kann diesen Artikel 73 geradezu als ein^ Schul beispiel ansehen wie man Verfassungen für Staaten gebilde nicht machen soll. Zur Ehre des Reichstages muß man gestehen, daß er an dem späteren Mißbrauch mit diesem Artikel und dem unglückseligen Begriff „außerordentlich" erst in zweiter Linie die Schuld trägt, während der Bundesrat zum Schutze der Finanzen der Einzelstaaten in der weitherzigsten Aus legung dieses Begriffes voranging. Ob babei die grundsätzlichen Bedenken des Reichstages nur plato nischer Art waren, entzieht sich der Beurteilung, jeden falls aber haben seine hauptsächlichsten Finanzpolitiker die Auffassung des Bundesrates seinerzeit scharf bekämpft. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Väter des Begriffes „außerordentliches Bedürfnis" nur an wirk lich außergewöhnliche Ereignisse gedacht haben, etwa an einen Krieg, der so ungewöhnliche Anforderungen an die Finanzen des Reiches stellte, daß ein Zurück- greifen auf die Mittel der Bundesstaaten eine Un möglichkeit war. Im Beginn dieses Jahrhundert» kam man aber zu einer Auslegung, die jedem späteren Mißbrauch des Artikels 73 Sie Tür öffnete. Beim Etat für 1902 ergab sich ein Defizit von 35 Millionen Mark, bas auf Grund des Artikels 73 der Verfassung durch eine Anleihe mit dem schönen Namen „Er gänzungsanleihe" gedeckt werden sollte. Der Reichstag erklärt«, ein Defizit des Reiches könne gar nicht existieren, weil es von den Bundesstaaten durch Li« Matrikularbeiträge m Lecken sei. Diesem berech tigten Einwand gegenüber konnte sich auch >d«r da malige Schatzsekretär Freiherr v. Thielmann nicht entschließen, die vom Bundesrat vorg^schlaqen« Er gänzungsanleihe mit finanztechnischen Gründen zu verteidigen. Lediglich der wirtschaftlich« Niedergang, der im Jahre 190l eingesetzt hatte, mußte die Ab wälzung des Defizits von Len zur Zahlung ver pflichteten Bundesstaaten auf Anleihen rechtfertigen.
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