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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.08.1915
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1915-08-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19150817027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1915081702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1915081702
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1915
- Monat1915-08
- Tag1915-08-17
- Monat1915-08
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Sette 2. nr. 4lS. Nveuü-Lus-avr. Lrtpztgrr Lagedlatt. vleusras. 17. Nuguv ISIS. Werke auf der Höhe der Leistungsfähigkeit zu er. halten. Mit Stolz wie» dann General von Mvltke darauf hin, daß Deutschland trotz anfänglicher Schwierigkeiten sich selbst geholfen habe und auf niemanden» Hilfe inbezug auf seine Munition ange wiesen sei, zollte der außerordentlichen Anpassung», und Leistungsfähigkeit unserer Industrie, den prächtigen Eigenschaften und dem Patriotismus un serer deutschen Arbeiter hohes Lob und betonte mit aller Schärfe, daß Deutschland niemal» diesen Krieg gewollt habe. „Wer mit Ueberlegung," so sagte er, „einen so allgemeinen Schrecken wie den gegenwärtigen Krieg herbeigeführt hätte, der so viel Leid auch für unser eigenes Volk bringt, würde ein wahnsinniges Scheusal sein." Schließlich verteidigte Generaloberst von Moltke den deutschen Einmarsch in Belgien, mit dem wir nur einem Einmarsch der Franzosen und Engländer zuvorkamen, und kam dann auch auf den Untergang der „Lusitania" zu sprechen. „Nun mochte ich umgekehrt eine Frage an Sie richten. Was ist Are Meinung betreffs der Ver senkung der „Lusitania" und „Anne tt i a n"? Wenn Sie zu der Zeit, als eines der bei den Schiffe von Amerika abfuhr, gewünscht hätten, nach Europa zu kommen, hätten S i e dann eins der beiden Schiffe benutzt?" „Nein, sicher nicht." „Sehr richtig," bemerkte General von Moltke. „Ich bin kein Diplomat, aber als Soldat sehe ich nickst ein, warum Kriegszonen nur an Land und nicht auch auf See anerkannt werden. Wenn einige neutrale Nichtkombattanten so verrückt wären, inmitten der militärischen Operationen ein Schlacht feld zu durchqueren, indem sie auf einem feindlichen Munitionswagen führen, so würden sie sich der Ge- sahr der Beschießung ausjetzen, ganz gleich, welches ihre Nationalität, Älter oder Geschlecht wäre. Ihre amerikanischen Mitbürger, die zur Ueberfahrt die „Lusitania" und „Armenian" wählten, trotz unserer öffentlichen Warnungen, die Kriegszone auf feind lichen Schiffen zu durchfahren, und besonders trotz des Kriegsmaterials an Bord, riskierten einfach den Tod. Wenn die Amerikaner auf ihren eigenen Schiffen fahren, wenn sic dafür sorgen, daß ihre Flagge nicht von einer kriegführenden Partei miß braucht wird, dann werden sie vor Angriffen unserer Unterseeboote ebenso sicher sein, wie in ihren» eigenen Lande. Ein amerikanisches Schiff ist amerikanischer Boden auf See. ein englisches Schiff ist englischer Boden, und gegen England führen wir Krieg" Der amerikanische Oberst Emerson teilt nicht mit, ob er von den trefflichen Worten des stellvertreten den Chefs des deutschen Gcneralstabcs erbaut war oder nicht. Aber das tut fa auch nichts zur Sache. Dafür dankt das ganze deutsche Volk Herrn von Moltke aus vollem Herzen, daß er für alle Welt ver nehmlich und verständlich die Dinge beim rechten Namen genannt hat. Das erscheint uns auch unter dem Gesichtspunkt besonders wichtig, als die Negie rung des Herrn Wilson zweifellos den Lärm um unseren lü-Bootkrieg und um die Versenkung der „Lusitania" nur veranstaltet hat, um die Auf merksamkeit des amerikanischen Volkes von dem schändlichen Schacher mit Massen und Munition ab zulenken, den eine profitgierige kleine Klique zum Schaden des Deutschen Reiches mit Hochdruck betreibt. Nach den heute morgen von uns besprochenen Stimmen aus Amerika scheint dieser Versuch Wilsons zu scheitern an dem erwachenden Ehr- und Scham gefühl der Amerikaner, das sich mit Wucht gegen das ruchlüse Treiben wendet, das einigen Millionären die Taschen noch weiter füllt, die Ehre des amerika nischen Volkes aber in den Staub zieht. Und wenn diesen Läuterungsprozeß, der viel zur rascheren Be endigung des Krieges beitragen könnte, die gründ liche deutsche Antwort, die General von Moltke auf dem Umweg über den Obersten Emerson der ameri kanischen Regierung gab, beschleunigen Helsen sollte, so werden wir dem um so dankbarer sein. Der Personenverkehr auf -en finnischen Sahnen eingestellt (L.) Stockholm, 17. August. (Eig. Drahtnachr.z Aus Helsingfors wird gemeldet: Der Perso nenverkehr aus den finnischen Bahnen ist vorübergehend eingestellt. Den neu tralen Schiffen ist das Anlaufen in finnischen Häfen untersagt. Der Uebergangsverkehr Finn lands mit Schweden ruht fast vollständig. Alle russi ¬ schen Behörden in Finnland stehen unter derpanik -- artigen Furcht einer feindlichen Lan dung in Finnland. Zunehmende Unzufriedenheit in Rußland wtd. Petersburg, 17. August. „Njetjch" schreibt, daß auch der Munitionskongreß einen Beschluß faßte, worin er die Aufhebung aller polizei lichen Einschränkungen und einen politischen Gnadenerlaß fordere. Das Blatt folgert daraus, daß die Unzufriedenheit mit dem bisherigen Regime im Lande ungeheuer groß sein müsse. Ein Ukas habe Fürst Wolkonski zum Unterstaatssekretär ernannt, der das Amt nur unter der Bedingung an genommen habe, daß er berechtigt sei, einen Gouver neur nach freiem Ermessen abzusetzcn. Erfolgloser Kriegsrat der Verbündeten in Calais tu. Haag, 17. August, Der jung st e Kriegs rat in Calais faßte keine endgültigen Beschlüsse über die Offensive an der Westfront. Die weitere Verstärkung des englischen Kontingents wird abgewartet. Die Engländer versichern, jetzt 6000 Sol daten täglich über den Aermel-Kanal zu setzen. Die russischen Generale beklagten bitter die neue Verzögerung der Offensive. Es scheint keine sehr gehobene Stim mung geherrscht zu haben. Frankreichs Unzufriedenheit mit Rußland tu Wien, 16. August. Die „Wiener Allgemeine Zeitung" meldet aus Kopenhagen: Die dortigen französischen Diplomaten äußerlen unverhohlen ihre Erbitterung gegen Rußland, besten Leistungen in keinem Verhältnisse zu den von Frank reich gebrachten finanziellen Opfern stünden Nach dem Krieg sei eine Neuorientierung der französischen Politik unerläßlich, wobei Frankreich die Allianz mit Rußland nicht mehr erneuern werde. perfonalveränderungen in den leitenden Kreisen der französischen firmer lr.) Eens, 17. August. (Eigene Draht nachricht.) Die Lyoner „La D(p(che" meldet, daß im Falle eines Rücktritts des Kabinetts Biviani eine Anzahl Person aluerändc- rungen in leitenden Armeekreisen zu erwarten seien. Der Präsident der Republik konfe rierte am Freitag und Sonnabend mehrstündig mit dem Befehlshaber de» Festungsbezirks Paris, General Ga Hirni. Es bestehe keine Aussicht, daß die Radikalsozialisten ohne weitgehende Konzessionen ihre Angriffe gegen das Ministerium und die Armee leitung cinstellen würden. Oer .yejehette Narrn" muß vier Tage lang schweigen Llemenceau, der als Ministerstürzer mehrfach er probte Herausgeber des „bi'Uoiumo koelnnlls", hat jetzt neben Hervö die schärfsten Angriffe gegen das Kabinett Viviani gerichtet. Um bis zum Wieder- zusammeiliritt der französischen Kammer, bis zum 20. August, diesen unangenehmen Kritiker zum Schweigen zu bringen, hat Viviani das Erscheinen des Blattes von Clemenceau auf vier Tage ver boten: vtb. Paris, 17. August. Clemenceaus Blatt ^U'Uomwo ^vebaiue" ist für vier Tage verboten worden. Italienische firtitterieverstärkung am Plateau von Krn tu. Haag, 17. August. Meldungen Pariser Blätter zufolge haben die Italiener während der letzten 14 Tage im Grenzgebiet des Plateaus von Krn eine große Anzahl ihrer Batterien in Stellung gebracht, um die Beschießung der österreichischen Linien intensiver durchführen zu können. Verabschiedung kommandierender Generale in Italien (r.) Zürich, 17. August. (Eigene Drahtnachricht.) Der „Tagesanzeiger" meldet von der italienischen Front, daß infolge der geringen Ergebnisse der bis- herigcn italienischen Operationen wieder vier Generale ihrer aktiven Kommandos enthoben wurden. — Das Ergebnis der ita lienischen Kriegsanleihe soll nach einem Beschluß des Ministerrates erst in der Anfang Oktober zusammentretrnden Kammer bekannt- gegeben werden. Die Kammer werde sich mit der Bewilligung neuer Vorlagen zur Deckung der Kriegs unkosten zu befassen haben. fortgesetzte Protestkundgebungen in fithen gegen den Vierverdand (L.) Sofia, 17. August. (Eigene Drahtnachricht.) Die Zeitung,, Mir" meldet aus Athen: Im ganzen Lande dauern die Protestkund gebun gen g egend enVicrverband an. In Athen kam es zu g r o ß e n A n s a m m lu n gcn vor dem Kriegs ministerium: man sah unter der demonstrierenden Menge zahlreiche Offiziere in Uniform. Die Häuser der englischen und der französischen Ec- sandtschaft wurden durch starkes Polizei aufgebot abgesperrt. Am Tage der Kammer eröffnung sind über 40 Volksversammlungen in Athen anberaumt. ZraazSfisihe und italienische Drohungen an Griechenland »gm. Genf, 16. Augcht. (Gig. Drahtbe- richt.) Zu dem Protest Griechenlands gegen jede Gebietsabtretung schreibt „Echo de Paris", die ablehnende Antwort Griechenlands sei vielleicht nicht die letzte Antwort, da nach den Wahlen vom 13. Juni das Kabinett Gunaris nicht unsterblich bleiben könne. Ferner könnten die Ab sichten der Entente auf dem Balkan auch ganz gut ohne Griechenland verwirklicht werden. Der „Fi garo" schlägt den gleichen Ton an. Die jüngsten Erklärungen Radoslawows an den Vertreter der „United Preß" ließen ourchblicken, daß der Bal kanbund auch ohne Griechenland wieder hcrgcstellt werden könne. Dann würde Rumänien die Stelle Griechenlands einnehmen und Griechen land zn einem Faktor zweiten Ranges werden. Auch der „Tcmps" will noch nicht alle Hoffnung auf Athen aufgeben. Er erwartet von einem Regie rungswechsel eine Acnderung in der Haltung Grie chenlands. Nxm. Zürich, 16. August. (Eig. Drahtbe richt.) Die abschlägige Antwort Griechenlands an die Entente wird von der italienischen Presse ge radezu als ein Schlag ins Gesicht empfunden. Der „Messaggero" bejammert diese Politik, die ihre Wirkungen zum Schaden des eigenen Landes äußern müsse und die keinen Sinn für die historische Stunde des Landes und seiner Geschicke zeige. „Corriere della Sera" schiebt die Schuld am Mißlingen der Politik der Entente natürlich aus die Tätigkeit der deutschen Agenten, die die ganze Welt bevölkern und an allem Nebel dieser Welt die Schuld tragen. Die „Iden Nazionale " erhebt drohend den Finger gegen Griechenland. Der Vierverbaud werde alles aufbieten, um eine direkte Verbindung zwischen der Türkei und den Zentralmächten zu ver hindern, das solle sich Griechenland merken. Die „Tribuna" spricht von den pessimistischen An schauungen über den Ausgang der verschiedenen Schritte der Entente, die besonders in den politischen Kreisen Griechenlands herrschen. In Italien aber schaue man ruhig den Dingen ins Angesicht. „ Gior - nale d'Italia" vertröstet das Publikum. Es sei noch nicht das letzte Wort gesprochen und man miste nicht, wozu sich Griechenland noch entschließen werde. Aus allen Presteäußerungen aber spricht die ungeheure Ueberraschung gegenüber der Tatsache, daß Griechenland es gewagt habe, den Ententenor- schlögen zu widersprechen. Ein Staat, besten Hilfe man sich versichert halten zu können glaubte, ist nun weiter als je vom Kreise der Verbüiideten abgerückt. Man traut auch anderen nun nicht mehr ganz und bereitet sich auf Ueberraschungen vor. Vie montenegrinische Herrschaft in Skutar! tu Cettinje, 17. August. In Skutari wurden mehrere mohammedanischePersönlichkeiten,sowie einige Christen unter der Beschuldigung, im Einverständnis mit der Türkei in Montenegro feindliche Handlungen begangen zu haben, sest- genommen. Die Verhafteten wurden nach Cettinje gebracht. Einspruch Serbiens gegen die Sesetzung Durazzos durch Italien (r.) Genf, 17. August. (Eigene Drahtnachricht.) Der „Herald" meldet aus Ni sch, daß Serbien gegendie Besetz ung Durazzos durch Italien Einspruch erhebe, weil der Vierverband über die Besetzung Durazzos erst nach dem Kriege ent scheiden wollte. Pafltsih droht mit dem Rücktritt Paris, 16. August. (Eig. Drahtbcr.) „Echo de Paris" meldet aus Saloniki, die ser » bischen Mili tär kreise seien gegen jsde Ab tretung von Gebieten, die unter so schweren Kämpfen errungen worden seien. Sollte Pasitsch von der am Montag zusammentretenden Skupschtina die Zu stimmung zu der beabsichtigten Antwort an die Entente nicht erhalten, so werde er seine Ent lassung geben und ein Kabinett, das analog dem bisherigen zusammengesetzt sei, werde an die Stelle des jetzigen treten. Die Verhandlungen mit der Entente würden dadurch natürlich schwieriger werden. M AW liderin Wine... Roman von S2) Erica Srupe-Lörcher. (?'.>Ldruck verboten.) Droben neigte der alte Jean stumm nickend fernen weißen, kurz geschorenen Kopf. Tas war ganz seine Meinung. Tas Gespräch wollte er ganz gewiß im Auge behalten, auch wenn er vorläufig aus Rücksicht auf Fräulein Lilian der übrigen Dienerschaft nichts sagen wollte. Im nächsten Moment fuhr er aus fernem Nachdenken aus. Ueber ihm ging eine Tür. Frau Steiner hatte ihr Mittagsschläfchen beendet uno kam nun herab. Jean verschwand im Speisezimmer und trug das Tablett inrt Kaffeetassen hinaus. In seiner lautlosen Art deckte er draußen den Tisch und servierte den Kaffee mit der ruhigen Grandezza und in der wohlgeschultcn Art, die ihm eigen war. Und seinem ernsten, ruhigen Gesicht mit den bartlosen Lippen Hütte niemand angcmerkt, daß er eigentlich ganz in Gedanken versunken sei nen Ticnst tat. AlS sic alle um den Kasfectisch versammelt saßen, wurde das Gespräch ein allgemeines. Doch nachdem abgeräumt war, zeigte es sich, daß unter den Anwesenden mehrere »varen, die gern eine ungestörte Zwiesprache suchten. Großmama Stei ner hatte, trotzdem sie mit großer Gewandtheit und gewohnter Frische die Unterhaltung ge führt, wohl bemerkt, daß Albert Westphal mit seinem nachdenklichen Blick immer wieder Uvette ansah. Sic mußte den beiden Gelegenheit geben, .ich zu sprechen. Nach dem Kaffee machte Ebeling Lilian auf Einzelheiten der Ullrichsburg auf merksam, die jetzt gerade in der Beleuchtung des Herbsttages sich inmitten des herbstlichen Laubes besonder- plastisch abhob. Aber Lilian ließ Loui» Hagenauer, den sie in ein Gespräch gezogen, nicht los. Ta rief Großmaina Steiner Philippe Kolb an ihre Seite, uEl sich von ihm allerlei von seinen Gastlvielreisen erzählen zu lassen und von seinen Plänen für den Winter von ihm zu hören. Hortense saß neben ihr und hatte ihren Arm durch den der Großmutter geschoben und hörte eifrig zu, ob seine Konzertreise ihn wieder viel in die Ferne führen würde. Großmutter Steiner aber hörte nicht nur seine Berichte, sondern sie gewann auch den Eindruck, daß er an allgemeiner Umsicht und Weltgewanotheit durch seine Reisen ganz außerordentlich schnell gewonnen hatte. Seine Bildung hatte sich ver allgemeinert und sein Gesichtskreis war be» deutend weiter geworden. Er besaß anscheinend neben aller Urwüchsigkeit ein großes Anpas- sungSvcrmögcn. Tic Kritiken waren vorzüglich gewesen. Tie Abschlüsse von neuen Konzerten in bedeutenden Städten bewiesen, daß man ihn schnell schätzen gelernt. Seine Begabung war unzweifelhaft. Wenn er bewies, daß er als Künstler und als Mensch in seinem Wollen und Können höher strebte, so sah sie nicht ein, warum nicht vielleicht doch einst die heimliche Neigung zwischen Hortense und ihm zu einem Ziele führen sollte. Albert beugte sich halb über den Tisch zu Avctte hinüber. „Wie lange denken Sie noch in Altweicr zu bleiben, Madame Binsinger?" „Voraussichtlich noch einige Zeit, da der Arzt gerade jetzt die Höhenluft für mich dort aut findet. Ich hätte langst hinaufgehen sollen. Aber ich konnte mich nicht entschließen, Sie wissen, warum.- ES waren ja geschäftliche Gründe." Ihre Bluse begegneten sich. Albert bat sie mit einem leisen Wink, sich mit ihm zu erheben, um ungestört in der nahen Pergola zusammen zu sprechen. „Wenn ich auch in der Jahreszeit etwas zu spät nach Altweier hinaufgekommen bin, so bereue ich e- doch nicht. Ich habe doch nun die Entlassung von dem Redakteur unseres Blattes, von dem Toktor Huth, ourchgefochten. Es hat mich wohl einen innerlichen Kampf gekostet, einen Mann aus seinem Amt zu bringen. Aber es ging nicht anders, er Hal es verdient. Ich hatte ihn schon lange in Verdacht, das wissen Sic ja. Da mals beim Souper am Rosenmontag ist er mir im Grand-Hotel mit dem Monsieur Dupuy be gegnet, der notorisch zur französischen Propa ganda von Paris nach dem Elsaß gereist war." „Ich weiß es, ich habe Monsieur Dupuy auch bei Ihren! Vater getroffen, als ich unerwartet am frühen Morgen die Nachricht von dem Un fall Ihres Gatten überbringen sollte. Ganz un- absichtlich habe ich aus dem Gespräch zwischen ihm und Ihrem Vater entnommen, oaß Lupuy im Auslrag oer französischen Liga Ihrem Vater- Geld zur Verfügung stellen wollte, um im Elsaß für Frankreich zu wirken." Ivette winkte ab. „Das weiß ich, und das alles hat mir innerlich seit Monaten furchtbar zugesetzt." Albert lächelte. „Man kann es ja der älteren Generation einigermaßen nachfühlen, daß sie sich nicht bedingungslos in die neuen Verhält nisse gefunden hat." „Aber wenn man Angestellter eines deutschen Kreisblattes ist, darf man nicht mit Paris in derartig enger Verbindung stehen, wie der bis herige Redakteur unseres Blattes Dr. Huth es getan hat. Ich muß sagen: Seine Zwittcrgestalt in unserem Verlage l-at mir viele schwere Stun den gebracht. Mein verstorbener Mann glaubte ibn gerade an unserem Blatte von großem Nutzen, da Huth fast 18 Jahre in Paris war und ein so eingcslcifchtcr Pariser geworden ivar, oaß er seinen Scidenzylinder, mit dem er über die Boulevards spaziert, auch in Kolmar unentwegt täglich trug. In diesem Sommer hat er sich denn doch zu viel herausgenommen. Er hat seinen ganzen Urlaub in Pari- verlebt. Wir haben im Verlag zuverlässige Beweise, daß er dort mit oer Regierung in Beziehung gestanden hat. Als sein Urlaub längst überschritten war, telegraphierte er hierher, daß man ihm oas Reisegeld schicken möge, oa er jeglicher Mittel entblößt sei. Wenn er auch cm hochbegabter Mensch war, so konnte sein Bleiben in unserem Verlag doch nicht länger in Betracht kommen. Wir hatten guten Grund zu glauben, daß er nach seiner Rückkehr, als er nach Straßburg fuhr, auch der dortigen Regierung wichtige Mitteilung über seinen Aufenthalt in Paris machte. Aber er ist auch ebenso charakterlos gewesen, in Paris den zuständigen Stellen Mitteilungen über Vor gänge und Pläne im Elsaß zu machen. Sie er innern sich vielleicht noch an den Eklat, oen im letzten Straßburger Landtag oie Vecösfentli.bung dec sogenannten „Schwarzen Listen" verursachte, das heißt Listen derjenigen, die im Kriegsfälle als unzuverlässige Elemente sofort aus Elsaß- Lothringen ausgewicscn werden sollen. Geraoe auf solche Leute, wie Tr. Huth, sind solche Indiskretionen zurückzuführen." „Ihr Vater wird jedenfalls über die Ent lassung von Tr. Huth sehr ungehalten sein, denn er hielt jedenfalls Huth immer noch für ein wichtiges Moment, das elsässische und tran- zösischc Interessen im Blatt vertreten konnte." „Ich kann nicht mehr auf meinen Vater in diesen Sachen hören," meinte Avcttc und hielt einen Augenblick inne, während sie den Blick traurig senkte. „Es ist mir nicht verständlich, wie er seiner Uebcrzeugung nach nicht nur in seinem Hause und in seiner Familie französische Tra- ditionen vflegt, sondern auch nach außen hin vertritt. Und dabei sich um Ehrenzeichen der deutschen Negierung im stillen bewerben kann!" „Ist cs nicht eigenartig, baß Sie sich, AvcUe, trotz der französischen Tradition Ihres Eltern hauses so zum Deutschtum bekennen?" (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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