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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.02.1921
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1921-02-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19210217029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1921021702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1921021702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1921
- Monat1921-02
- Tag1921-02-17
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118. Jahrgang Anzeigenpreis: LZSÄ Änz«i,«n »««-S«d«ld«, t« »lilch«» L«U di« N»apar,tII«zeil« M.LLa v.,»«».-N.S.—z »I««„ A«,«lg«n di, Aonpartlllez«»« M 1.40. »»» aslwüris Mk. ILV. D«lchINt»»j«>r«n «'N platzoorlchllflin i» Prelle »ehtdt. Platz and Daienaarlchrlst »da« «Verbindlichkeit. Bellagenpreile f«r di« D«Ia»ransi»,« Mk. 12.— arlt», sür lellanslag» Mk In.— neii» pro MiUe.Paßaatiag, Postgebühr «ztra. ,,«r»Iprech-paschiatz «r. i4»«. 14aüz, tz zp». — 'pvft'ch«c»!,»nt»7^»>. Schrislleiin», nnd Velchüsitsteü«: Lelpzi,. Zvdaaaiügast« Nr. a. Verla, Vr. Reinhold L Lo : Lripzi» Abend-Ausgabe »»»Voreri, zweimal «,11» Io« tzaa» gebracht, Äonniags allWorgrnLnegab« monaii. »N.1V.—. »lertel ührl. für Abholer monail. Äl. bSV. Morgen-Aalgnb« aüeia M. 7L»> monatlich, Adend-Aotgad« oliela Ai L.— monatlich. Durch unser« on«wSr>I,«n 8>"<>>«» >a» Hou» ge bracht monaltich M. lli^-, viertrlsShrltch S).-i durch di« Post «nnerdald D«utichlan»4, frel in« Hou» -eltaseri, Selamt-Auipab, monatlich M. 9.—, »tertelkührlich M. 27^-. Aabiandtoersaad: monatlich M. lv — und Drv»1ach«n-Por»o. Vinzelrommern Morgei». An»gad« SU Pf« Adend.Lo«gab« :0 p>. Sonntagt-Aurgab« 4V Pf. Las Leipziger I igestsatt eniyrilt die »MNchen »ef.inimua<b„u^n des Rares und der ^olizetl-ntrS der Stadt Leipzig, de» »mtüoriUht» Leipzig, tow», verschiede»« auverer ivehüedr». Nr. 88 DonnersLay, den 17. Februar 1921 Amerikanischer Kredit für Europa V Gründung eines Bankenkonsorliams. Paris, 17. Februar. Wie der «Matin" aus Chicago meldet, hat sich in den Bereinigten Staaten eine Handelsgesellschaft, der 500 Großbanken und Geschäftsleute angehören, gebildet, um den Welthandel neu zu befestigen. Die Gesellschaft nennt sich .Foreign trabe financing corporatton". Sie verfügt über 150 Mil lionen Do klar Kapital. Ahr Vorsitzender ist der Direktor der Staatsbank, W. P. G. Hunding. An ihr sind die bedeutendsten Unternehmungen der Ver. Staaten beteiligt, u. a. auch Hoover, der durch die Nahrungsmiitelverleilung in Europa bekannkgeivorden ist. Cr erklärte, daß den europäischen Ländern lang- fristige Kredite, gegeben werden sollen, damit sie in Ame rika die notwendigen Lebensmittel und Rohstoffe kaufen können. Keine englischen Vorschläge vor dem Amtsantritt Hardings London, 17. Februar. .Pall Mall' und «Globe ' erfahren von maßgebender Seite, das britische Kabinett habe als Ergebnis des Besuches von Sir Auckland Geddes beschlossen, daß kein Vorschlag von England über die Abrüstung sowohl als auch über andere, die Beziehungen zwischen Großbritannien und Amerika berührende Fragen vorgebracht werden soll, bis die neue amerikanische Regierung ihr Amt angetreten hat und die Hal tung Hardings' klar festgelegt ist. Was die Abrüstungs frage anbekreffe, sei Geddes die Ansicht des britischen Kabinetts darüber mitgeieilt worden, so daß, wenn von der amerikanischen Regierung konkrete Vorschläge gemacht werden, der Botschafter in der Lage jein werde, die Ansichten Großbritanniens vor- zuoringen. -u. Das Lrrrtsch-tschechische Wirtschaftsabkommen Oppeln, 17. Februar, lieber die gegenwärtig in Berlin zum Abschluß gebrachten deutsch-tschechischen Berhanulunaen über den Handelsvertrag ecsahren wir von besonderer tschechischer Seite: Auf bem Gebiete der Holzlieferungen ist eine Vereinbarung getrostes worbe» über die Regelung der Ausfuhr gebühren, die nach Ansicht der deutschen Regierung den Bezug von Hölzern aus der Tfchecho-Slowakei unmöglich machten. Eine gemeinsame Beratung der Interessenten soll abgehaiten werten, um von tschechischer Seile eine Herabsetzung der Ausfuhr gebühren zu erlangen. Bei der Einfuhr von Bier nach Deutschland dildete bisher die Bestimmung ein hinderndes Moment, daß gleichzeitig mit dem Zoll eine Konsumaoznbe vom B-er erhoben wurde, zu der noch der Agio-Zuschlag hinzukam. Es wurde von deutscher Selle eine Neuregelung dieser Frage zugesagk. Die Verträge über den Kohlen- au stau sch sehen eine Erhöhung der Mengen von oberschleflscher Feindohle um fünftausend Tonnen monatlich vor, obwohl vorläufig in den Acquivalontmeirgen der Lieferung von Braunkohlen keine Aenderung einiritt. Diese Frage wird bei der Verlängerung des Vertrages über Len Kohlenaustausch gelöst werden. Die isolierte Tfchecho-Slowakei Paris, 17. Febr. Zur Reise des tschecho-slowakischen Ministers des Aeußern Dr. Benesch nach Frankreich sagt Pertinax im Echo de Paris': Benesch, der gewünscht habe, daß öle tfchecho-ssdsla- wische Organisation eine Umgestaltung and Erweiterung erfahre, die den besonderen Bedürfnissen Polens und Rumäniens entspreche, habe damit l ein Glück gehabt. Die Bitterkeit, die man in Warschau über di« Rege lung der Teschener Frage und über die ven der Tschecho-Slo- rvakel zur Zeit der bolschewistischen Gefahr geübte Neu tra l i t ä t empfunden habe, habe Polen zu dem Sonderabkom men mit Rumänien geführt. Man habe somit ein rumänisch-polni sches Bündnis gegen Moskau und ein solches zwischen der Tschecho slowakei und Südslawicn gegen eia etwaiges Wiedererstehen der Doppelnwnarchie. Einem Vertreter des .Journal" gegenübcr erklärt« Dr. Benesch, er sei nach Rom und Paris gekommen, um sich mit den Alliierten über die Möglichkeiten zu verständigen, Oesterreich zu Hilfe zu kommen. Dies werde auch der Zweck seiner Reise nach London sei«, wo er autzer- Lem einen englisch-tschechischen Handelsvertrag abzuschlietzen gedenke. Die Gefahr eines österreichischen Beamlenstreiks Wien, 17. Februar. Die Forderung der Staatsbeamten mn ein« monatliche Erhöhung ihrer Gelzälter mn 5000 Kronen wurde vom Finanz min, sterium zurückgewiesen und erklärt, daß nur auf der Grundlage einer monatlichen Erhöhung von 1000 Kronen verhandelt werden könne- Die Becrmtcnvertreter brachen darauf die Verhandlungen ab. 3n der gestern avend slattgcfuirdenen Versammlung der Staatsbeamten wurde eine Re- solution gefaßt dahingehend, daß eine Verdoppelung der Be- züge und bis zur Regelung monatlich 5000 Kronen gewährt werden sollen. Ein DomvnstrationSzug bewegte sich nach dem Finanzministerium und überreichte neuerlich diese Forderungen. Es dürften voran«sichtlich beute neue Verlxnrdlungen eröffnet werden. Bel Ablehnung dieser For derungen wollen die Beamten in den Ausstand treten. Kemal-Pascha und SowZetrutzland Konstantinopel, 17. Februar Die offizielle Zeitung von Angora veröffentlicht folgende Erklärung Mustafa Kemal-Paschas: .Unsere Beziehungen zu Moskau tahren sott, sehr freundschaftliche zu sein. Das will jedoch nicht sngem, tast wir die Prinziv en dr, Kommu nisten armehmen, denn die soziale' Bedingungen be, Türkei gestatten ihre Dittchtührung nicht. Die Kommunistischen Parteien, dir sich bei uns gebildet haben, haben das eingesehen und ihre Tätigkeit err-gestellt. An- sere Beziehungen zu MoSkan gehen auf di« B e i d e h a i t u n g q u»s r Rach darscbafk aus. Wenn wir an der Londoner Konse- renz tetlnehmen, so Kan,, nelne Rede davon sein, daß dadurch unsere Beziehungen zu Moskau beeinträchtigt werden. Die polnisch russische« Verhandlungen Riga, 17. Febrvar. Die .Rigaische Rundschau" schreibt über den gegenwärtigen Stand der polnisch-russischen Verhandlungen: Di« Ver- Handlungen schreiten langsam vorwärts, wett eS sich tn ihrem weiteren Verlass um Fragen finanzieller und wirtschaftlicher Natur handelt, in denen die Parteien sich nicht einigen können. Be sonders unversöhnlich ist der Standpunkt der beiden Parteien in der Goldfrage. Josse erklärt sich einverstanden, Polen etwa 25 Millionen Rubel in Gold, sowie auch 7 Prozent der Summe von 300 Millionen erhobener Steuern zuzuzestehsn. Dombski forderte aber 11 Prozent von V2V Millionen, was nach den Angaben der polnischen Sachverständigen der Aelrag der Steuern sein sott. Am Schluß der Diskussion erklärte Joffe sich bereit, bis zur Summe von 30 Millionen zu gehen, wobei er zleichzeiUq bemerkte, daß er bereit sei, die Verhandlungen über die Frage der Grenzrsgulierung auszunehmen, statt einer weiteren Er örterung der Wirtschafts- und Finanzlage, die er für zwecklos hielt, co Rußland nicht weitere Zugeständnisse machen könne. Dombski ant wortete, er könne von den Forderungen auf finanziellem Gebiete nicht ablassen, worauf die Sitzung auf unbestimmte Zeit verschoben wurde. Das Verhältnis des Vatikans zu Polen Genf, 17. Februar. Die ankiklerikale Pariser .Ere Nou- velle" veröffentlicht einen aus Rom datierten Brief über das Verhältnis des Vatikans zu Polen, der interessante Aufklärungen »ringt über die Bemühungen Frankreichs, den Ein laß des Papstes auf die Geistlichkeit in Ober- chlesien im Sinne einer Einwirkung aus die Volks abstimmung zugunsten Polens anzurufen. Man er fährt daraus, daß Marschall Fach selbst auf einem Umwege beim Vatikan Stimmung zu machen versucht hat und daß der Fürst bischof von Krakau, der vor 14 Tagen vom Präsidenten Mitterand empfangen wurde, zu dem nämlichen Zweck ln Rom war. Da der Vatikan trotz alledem seine Neutralität ausrechkerhalken will, so wird ihm schließlich mit einem Wiederaujleben der anti klerikalen Strömung in Frankreich gedroht. Zusammenstöße mit Sinnfeinern London. 17. Februar. Rach c-rner Reutermeldung aus Eork griff gestern früh eine starke Abteilung Sinnfeiner curf dem Bahnhofe Innts Hanno« in der Grafschaft Eork einen Personenzug an, in dem sich auch 40 Soldaten befanden. Die Soldaten erwiderten das Feuer: drei Soldaten wurden schwer und drei leicht verwundet. Die Angreifer verloren zwei Tote. Sechs Passagiere, darunter eine Frau, wurden getötet und mehrere Personen verletzt, darunter zwei Frauen schwer. Ein Hilfszug mit den Toten und Verwundeten ist am Nachmittag tn Cork eingetroffen. Nach einer Meldung aus Dublin haben die Stnnfetner gestern abend den zum Tode verurteilten Sinnfeiner Terling, der einen Offizier erschossen hatte, aus dem Gefängnis befreit. Die Befreiung erfolgte in der Weise, daß eine Kompanie Soldaten mit auf- gepflanztem Bajonett unter Führung eines Offiziers die Aus lieferung des Gefangenen verlangte, um ihn in ein anderes Gefängnis zu überführen, und zwar aus Grund von regelrecht ausgestellten Pa pieren. Wie sich später zeigte, handelte es sich um verkleidete St unfeiner, die auf diese Weise ihre Genossen befreien. Sparmaßnahmen bei der Eisenbahn Personalelnschränkung. — Umstellung des Reparakurwesens. Berlin, 17. Februar. Zn den letzten Sitzungen des Verkehrs beirats im Reichsverkehrsmini st erium ist auch die Frage angeschnitten worden, wie man beträchtliche Ersparnisse rm Betriebe der Aeichseisenbahn machen könne. Wie von unterrichteter Seile mikgeteilt wird, hat man dabei zwei Möglichkeiten inS Ange gesagt, nämlich einmal ein« Personalsinichräukuug «und dann die Umstellung deS Reparaturwesens. Bei der Personaleinischränkung wird man nur eine geringe Herabsetzung der Zahl der Beamten vornehmen können, da der technische Betrieb in den Personen- und Güierbahnhösen stets ein Mindestmaß von Kräften erfordert, das ohne Gefahr für die Sicherheit auf den Staatsbabnen nicht weiter eingeschränkt werden kann. Dagegen wird sich wahrscheinlich eine Einschränkung von rund 70 bis 80 Prozent Hilfsbeamten, die früher als Anwärter zu den Arbeitern zählten, vornehmen lassen. Schwieriger ist die Frage der Umstellung des Reparatur wesen S zu lösen. Stallstisch läßt sich feststellen, daß die Privatindustrie bei Ausbesserungen Preise verlangt, die zum Teil di« eigenen Kosten der Reparaturen der ReichSwerkstäkten bis zu 45 Prozent übersteigen. Der vor einiger Zeit ausgetauchte Vorschlag, den Reparaturbetrieb ganz in private Hände üderzusühren, dürste so beim Rvichsfinanzministerium keineswegs auf Gegenliebe stoßen. Man ist hier vielmehr der Ansicht, daß die Reparaturwerkstätten stärker auägebaut werben müssen, und ein Vorschlag, der beim RelchSverkehröministerium Vorgelegen hat, beabsichtigt sogar, e . gene staatlich« Lokomotivfabriken zu gründen, um auf diese Weise die gegenwärtigen hohen Gewinne der Privat industri« auszuschalten. Kündigung des Neberfchichten-Abkommerrs Essen, 17. Februar. In einer Konferenz der Vorstände der vier Bergarde,terv«rdaade wurde heute beschlossen, bas Ueder- schichtenabkommen für den Begbau zu kündigen, so daß vom 13. März an keine Uederschichten mehr verfahren werden vorbehaltlich weiterer Verhandlungen. Sachsen und die SrnShrungsministee-Konferenz Dresden, 17. Januar. (Eig. Drahtbericht.) In der nächsten Woche findet in München die neue KonferenzderErnährungS- Minister statt. Von Sachsen werden daran Ministerialdirektor Dr. Hübel, Geheimrat Dr. Fritsche und der Leiter der Landesgetre.de- stelle, Oberreg erungSrat Rent sch, teilnehmen. Das sächsische Wirtschaftsministerium ist der Auffassung, daß nach dem Er gebnis der letzten Jahre und bei den Verhältnissen in Sachsen die Zwangswirtschaft für Brotgetreide beibehalten werden müsse. Eine Aenderung dieser Auffassung wird nur dann möglich sein, wenn nachgewiefen werden kann, daß tn den anderen Teilen des Reiches die bisherigen Zustände nicht mehr aufrecht zu erhalten sind. Di« sächsischen Vertreter werden verlangen, daß dann der nach der Ab lieferung des Brotgetreides verbleibende Rest nicht dem freien Handel zugesükrt wird. Sollte sich dabei eine Erhöhung der Getreidepre'.se nicht vermelden lassen, so wird Sachsen verlangen, daß eine Erhöhung der Brstp reise ausgeschlossen ist. Aus der Tagesordnung dec Konferenz steht auch die Kartoffelversorgung. Ls wird sich für die sächsischen Delegierten darum handeln, dafür einzutretrn, baß auhersächstsch« Kartoffeln tn großen Mengen zur Ver jagung gestellt werde». Scheidemanns Erinnerungen Soeben ist wieder einer jener politischen Rechenschaftsberichte erschienen, deren wir schon eine ganze Reihe haben, und die immer eine Rechtfertigung der Politik ihrer Verfasser sein sollen, wenn diese es auch nicht wahr Haden wollen. Der Aut^r Les neuesten Buches der Art, Herr Scheidemann, leugnet im Vorwort aus drücklich das Bedürfnis, sich zn entschuldigen oder zu verteidigen. Aber er will nur als beauftragter Vertreter seiner Partei gelten, darin liegt schon eine gewisse Verwahrung. Und eben der eigenen Partei gegenüber will er sich vor allem rechtfertigen, indem er seine Politik als die der Fraktion hinstellt. Zugleich will er die Partei selber verteidigen gegenüber den Unabhängigen, weniger gegenüber dem Bürgertum. Der angeblich alleinige Vater deS .Scheidemann-Friedens" gilt freilich manchen Leuten immer noch als der bö-se Geist des deutschen Volkes. (3n der letzten Zeit hat ihn allerdings Erzberger in Lieser Rolle auf dem Weltlheaker der naiven Gemüter abgelöst.) Der .Scheidemannfriede" war ein Schlagwort, das seime Gegner von der Rechten geprägt haben. Sie haben den Mann, dessen Adamen sie zur Prägung des Schlag wortes benutzten, populär gemacht, als wäre er der bedeutendste Geist der Sozialdemokratie gewesen. Allein in solchen Dingen spielt der Zufall mit. Der Verfasser dieser Erinnerungen, den man als Redner sehr hoch einschätzen muß, kann auch schreiben, aber inhaltliche Schwächen treten beim Schreiben mehr hervor als beim Reden, weil die temperamentvolle Stimme und Geste fehlen, nnd sie satten im Buche mehr auf als in Artikeln. So muh man sich hier dis, alles in allem spärlichen, interessanten Brocken aus einem Brei gleichgültiger Dinge herausftschen, die zum großen Teil schon bekannt und vielfach auch unerheblich sind. Da wird zum Bei spiel jeder einzelne Besuch in der Reichskanzlei alten Regimes registriert, nicht ohne Freude an dem intimen Verkehr mit den damals Mächtigen des Landes, und es werden ganz unwichtige Gesprächswendungen aufbewahrt. Muß man dem alten Redak teur Scheidemann sagen, daß es ein redaktioneller Fehler ist, ein Tagebuch, wenn auch nur in ausgewählten Stellen, nach Jahren sozusagen nut Haut und Haaren adzudrucken? Diese Tagebücher haben schon zur Zeit ihrer Niederschrift kein Kaliber gehabt. Ich glaube, daß die Erinnerungen Eberts über dieselben Zeiträume anders ausfallen würden. Folgen wir den einigermaßen formlos aneinandergereihten Stücken der Erzählung, und nehmen wir einige von jenen schmack hafteren Brocken heraus, — man kommt über das Episodische und Anekdotische hier nicht hinaus, aber manches davon ist wenigstens von typischer Bedeutung. Das Buch beginnt mit Kriegsansang. Ueber die berühmte Sitzung vom 4. August erzählt Scheidemann, daß hinterher in der Fraktion Ledäwur eine Debatte entfesselte, weil einige Mitglieder während der Kanzler rede Bravo gerufen haben sollten. .Von Belgien sprach weder Ledebour noch Liebknecht, noch irgendein anderer, obwohl der Kanzler den Einfall in Belgien ausdrücklich feskgestellt hatte. Die kleiniicl-e Krakeelsucht einiger Mitglieder war daran schuld, daß die gröhte und wichtigste Frage vollkommen vergessen wurde und gänzlich unerwähnt blieb." Derartiges wird öfter berichtet, doch nicht bloß aus der sozialdemokratischen Fraktion, sondern auch aus der alten Regierung. — Nach einigen ANonaten bereits begannen lebhafte Friedenserörterungen, und Scherdemann reiste schon Ende 1914 durch die deutschen Großstädte mit dem Rode programm: .Für einen Frieden der Verständigung." Das war in einer Zeit, als Bassermann das .hochgemute" Wort aussprach: »Wo ein Tropfen deutschen Blutes geflossen ist, da bleiben wir." Dergleichen .Kernworte" erscheinen heute vielen als vollkommener Wahnsinn. (Manchen erschien es schon damals so.) Den Er- obernngSpolilikern war der Reichskanzler bald ebenso verfemt wie Scherdemann, und köstlich ist die Erzählung, wie ein Geheimrat des Auswärtigen Amtes eine Reichstagsrode für Scheidemann entwarf, in der ec die Rechke angreifen sollte. Darin sollten Hiebe Vorkommen gegen «die Männer, die in Hotels berieten, wie sie die zivilen und militärischen Spitzen gegeneinander verhetzen nannten', und von denen die ehrenrührigen Ausstreuungen auch über den Kaiser auLgogangen seien. Die Rede ist nicht gehalten worden. Dann kam die U-Boot-Kampagne! Bekhmanns größte Niederlage und sein schlimmstes Versagen. Es erscheint ln Scheidemanns Darstellung, ohne daß diese irgendwie gehässig ist, noch übler als sonst. Der Staatssekretär Zimmermann erzählte ihm damals über die Entstehung des unheilvollen Beschlusses, durch den rücksichtslosen U-Boot-Krieg die Feindschaft der ganzen Welt zu riskieren: .In Pleß (Hauplgnartier) ist alles FLr und Wider eingehend erörtert worden; sckließlich hat der Reichskanzler ge sagt: .Ich kann Euer Majestät gegenüber eine Verneinung ebensowenig wie eine Bejahung des rücksichtslosen U-Boot-Krieges übernehmen. Ich füge mich der Entsclxidung Eurer Majestät." Aehnlich, aber nicht in dieser zugespitzten Form, hat Bethmann selber später vor dem Untersuchungsausschuß ausgesagt. Seins Haltung war ungefähr das Unverzeihlichste, was überhaupt denk bar war. Der erste politische Beamte des Reiches, der die Qualitäten des Monarchen genau kannte und wissen mußte, daß -er Reichskanzler die Politik zu führen hatte, weil der Kaiser sie nicht führen konnte, verzichtete in diesem Augenblick einer schicksalhaften Wendung, von deren unglücklicher Bedeutung er überzeugt war, auf die Vertretung jedes bestimmten Urteils. Er enthielt sich der Stimme, er hatte scheinbar keine Meinung, er drückte stch von der Verantwortung, er flüchtete sich bureau- kratisch hinter die Entscheidung seines .Vorgesetzten", der seiber wie ein sänvankendes Rohr hin und her geworfen wurde. Un seliger Mangel an Selbständigkeit und Enlfchtuß, unheilvolles System, »n dem die Verantwortung des Kanzlers nur gegenüber einem einzigen Manne galt, der ihm -Se Verantwortung ad- nehmen konnte, selber verantwortenaslos, von niemand zur Rechenschaft zu stehen! Das sind die Vorzüge des monarchischen Systems, wie wir es gehabt haben, des konstitutionellen Mon-
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