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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.06.1921
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1921-06-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19210629018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1921062901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1921062901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1921
- Monat1921-06
- Tag1921-06-29
- Monat1921-06
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sam ongehört. (Abg. Dr. Rosenfeld: Ich hab« alle- wörtlich mitsteno- graphöert.) Ich habe mich ausdrücklich aus den Boden der Erklärun- gen deS Reichskanzlers gestellt, -aß der Ausnahmezustand so schnell wie möglich abgck-aut werde. Ich halbe daS Meinige dazu getan, um ihn in Sachsen abzuschaffen. Meine Stellung zum Ausnahmezustand ist ganz anders, als wie sie Herr Dr. Rosenfeld darstellt. Mer meine Meinung kommt gar nicht in Frage. Ich must die Politik der Reichs- reglerung gegenüber den Ländern vertreten. Allerdings treten sa die Unabhängigen nicht in di« Regierung ein. (Unruhe bei den Unabhänzi- gen.) Gewiß, man muß sich innerhalb einer Koalitionsregierung durch zusehen suchen. Das habe ich aber auch nach Kräften getan. Mir kommen nicht darum herum, daß eine Mehrheit des Reichstages die Anträge auf Aufhebung des Ausnahmezustandes abgelehmt hat. Wir haben weiter die Widerstände großer Länder zu überwinden. Ich muh doch auch Achtung haben vor der Meinung anderer Leute. Herr Rosenfeld braucht daS vielleicht nicht. Die Herren auf der äußersten Linken könnten viel dazu beitragen, daß der Ausnahmezustand aufge hoben wird (Sehr richtig!), wenn sie nämlich von Gewalttätigkeiten ab sehen wollten. Ja der oskpreoßischen Einwohnerwehr befinden sich auch viele Arbeiter. Ich bin durchaus einverstanden, daß bei der Auflösung her oslprer>ßischen Einwohnerwehren zunächst versucht wird, mit milden Strafen auszukommen. Ich hoffe ja überhaupt auf eine Milderung der Sitten. Ich hoffe auch, daß eS gelingen wird, auf dem elnge' schlagenen Wege das durchzuführen, was uns das Ultimatum aofer- legt. Ich erwarte weniger von Strafen, als von der Einsicht der Bevölkerung (Lachen links.) Wir können aus all den Schwierig keiten nur herauskommen, wenn die Bevölkerung endlich elnsieht, daß wir mit den Kämpfen von links gegen rechts und von rechts gegen links unserem Volke nicht nutzen, sondern nur neue« Unheil bringen. Ich hoffe, daß auch die Kreise, die jcht erbittert sind über die Auflösung der Selbstschuhorganisationen, zu besserer Einsicht kom men und versuchen, mit uns in gemeinsamer Arbeit das Volk aus Len gegenwärtigen Schwierigkeiten hcrausznführcn. (Beifall.) Abg.Müller-Frankcn (Eoz.) stellt fest, daß er mit dem Minister durchaus einverstanden fei. Abg. Dr. Geyer (Kom.) fordert sofortige Aufhebung deS Ausnahme zustandes in ganz Deutschland. Darstellung des Falles Aagow Relchsjuflizminlster Schiffer: Der Abg. Dr. Rosenfeld hat meine Darstellung bemängelt, die ich vor einigen Tagen von dem Verfahren gegen Herrn von Iagow ge geben habe. Ich habe damals erklärt, daß die Annahme, von Iagow sei unter die Amnestie gebracht worden, irrig sei, daß es vielmehr un mittelbar vor der Klageerhebung stehe und daß der Haftbefehl erlaßen, aber nicht vollstrecklt sei, mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand d«4 Beschuldigtem Von Iagow hat demgegenüber in einer Tageszeitung eine Erklärung veröffentlicht, die darauf hinauskommt, daß er seit 1S2g nicht einmal krank gewesen sei. (Hört! Hört!) Daraus glaubt Dr. Rosenfeld entnehmen zv dürfen, daß meine Darstellung unrichtig ist. Aber unrichtig ist nur die Annahme deS Herrn Dr. Rosenfeld. Der Beschluß deS Reichsgerichtes, durch den von Iagow von der Voll streckung der Haft befreit worden ist, stammt auS dem März. ES wurde eine Sicherheit von 506 000 Mark hinterlegt. Den Antrag auf Haft entlassung hatte der Verteidiger Geheimer Iustizrat von Gordom ge stellt. Der erste Antrag vom IS. September 1V20 wurde damit begrün det, daß von Iagow in feiner Jugend an schwerer Tuberkulose gelitten hat, und daß er viel Bewegung in frischer Luft und kalte Abreibungen nicht entbehren könne. (Lachen links. Zuruf: Das ist blamabel für Sie.) Am S. Rovember 1920 reichte der Verteidiger erneut einen An trag ruf Verschonung IagowS ein. Auch dieser war gestützt auf die Ge- fundheitSgcfahr für den Beschuldigten, und et war ein Gutachten einet Dr. Neumann auS Lharlottenburq beigefügt, in dem ar,f die in der Jugend durchgemachte Tuberkulose nnd eine zur Zeit noch bestehende Leberanschwellung hingewiesen wurde. (Heiterkeit links.) Abg Dr. Rosenfeld (Unab): Hoffentlich bleibt Herr Schiffer lange Minister, damit er alle diejenigen beschützen kann, die einmal Tuber kulose gehabt Haden. Der Dichter Toller ist schwer krank und muß trotzdem eine Gefängnisstrafe verbüßen. Freilich kann er keine halbe Million Kaution stellen. Reichsjustizminister Schiffer: Abg. Dr. Rosenfeld hat von dem Vertrauen gesprochen, das er bezüglich der Anwendung der allgemeinen Menschlichkeitsgrundsähe in mich hat. Wo ich Einfluß besitze, vertrete ich diese Grundsätze und werde sie immer in der Zukunft auch in die Tat umsehen. Da ich nicht ge wohnt bin, schallende Reden zu halten, so muß ich betonen, daß meine Zuständigkeit keine unbegrenzte ist. Bisher sind nur Fälle angeführt woiden, für die die Länder zuständig sind. Und gerade di« Partei- freunde deS Herrn Rosenfeld wollen sa die Selbständigkeit der Länder aufrechterhalten wißen. Der Beschluß des Reichsgerichtes, der kriti siert wo öden ist, unterliegt nicht meiner Zuständigkeit. Vor allem aber solle« Sie berücksichtige«: Ma» hängt «lemau- tea, ehe man ihn nicht Hot. Sie wiße« doch heul« noch nicht, wo Herr von Iagow steckt. (Lachen links.) Dann ist «S aber wohl rich tig, um fein Erscheinen vor dem Gericht zu erzwinge«, ihm eine Kau tion aufzuerlegen, die im Verhältnis zu seiner finanzielle« Leistungs fähigkeit steht. (Zuruf des Abg. Rosenfeld.) Auch ein Arbeiter wird bei Vorlegung eines AttesteS von der Untersuchungshaft verschont. De Grundsätze der Menschlichkeit müs sen zur Geltung kommen unbeschadet der Autorität der Gesetze. Die Majestät des Rechtes und die Rücksicht auf die Menschlichkeit sind die großen Ziele einer guten Justiz. Auf eine Anfrage deS Abg. Dr. Schreiber (Aentr.) erklärt Staats sekretär Schulz, daß eS aus finanziellen Gründen nicht möglich sei, 5 Millionen Mark in den nächsten Etat für die notleidende Wis- sen schäft einzustellen. Der HauShaltplan wird angenommen. Es folgt dcr HauShaltplan für das ReichSmtnisterium für Ernäh rung und Landwirtschaft. Das Haus vertagt sich auf Donnerstag 2 Uhr. Kleine Vorlagen, Interpellationen über die Sanktionen. Schluß nach 6 Uhr. Sleuerberakung der Reichsregierung (Drahtberlcht unserer Berliner Schrift le ltung.) Berlin, 28. Juni. Die Regierung hält en dem Gedanken fest, in einer formulierten Erklärung dem Reichstag noch vor den Ferien ihr Steuerprogramm wenigstens in seinen Grundgedanken vorzulegen. Das Kabinett ist gegenwärtig damit beschäftigt, diese Erklärung aufzustellen, doch ist eine allgemein gebilligte Formulierung bisher noch nicht gefunden worden. Der Reichstag wird wegen der Fülle seines Beratungsstoffes noch in der nächsten Woche tagen. Das Aeichskabinett ist heute nachmittag zu einer Sitzung zusammen- getreten, auf deren Tagesordnung die Steuerreform steht. Der Be ratung kommt insofern besondere Bedeutung zu, als es sich um end gültige Beschlüsse von außerordentlicher finanzieller und politischer Tragweite handelt. Daß innerhalb des Kabinetts beträchtliche Gegen sätze, insbesondere hinsichtlich der Gestaltung der Besitzsteuern, be stehen, ist bekannt. Es wird sich heute darum handeln, einen Ausgleich der widerstrebenden Meinungen herbeizuführen. Wahrscheinlich wird das Ergebnis der heutigen Kablnettsberatungen die Grundlage der Aus- führungen bilden, die der Reichskanzler morgen im Reichswirk schaftsrat über die Skeuerplänc der Regierung machen soll. Die Interpellation über die Sanktionen im Reichstag (Eigener Drahtberlcht.) Berlin, 28. Juni. Der Auswärtige Ausschuß ist heute im Reichstage zu- jammengetreteu. Von der Regierung wohnte« der Sitzung der Reichs kanzler Dr. Wirth, Außenminister Dr. Rose« und Staatssekretär von Haniel bei. Zur Erörterung standen Oberschleflen und die Sanktionen. Außenminister Dr. Rosen gab eine Darstellung über den augenblicklichen Stand der beiden Fragen. Eigentlicher Zweck der Aussprache war eine Einigung darüber, ob die vorliegenden Interpellationen betreffend Oberschlesien und die Sank tionen im Plenum des Reichstages verhandelt werden sollen oder nicht. In bezug auf die ersterwähnte Interpellation blieb eS bei dem Ueberein- kommen, von einer Beratung lm Plenum zunächst abzusehen. Die Interpellation über die Sanktionen aber soll im Laufe dieser Woche auf die Tagesordnung gesetzt werden. Bei allen Parteien besteht der Wunsch, von der Tribüne des Reichstags ans mit allem Nachdruck darauf hinzu-vcisen, daß die Fortdauer der Besetzung von Düsseldorf, Duisburg und Ruhrort, die von vornherein dem Vertrage von Ver sailles widersprach, jetzt nach der Annahme des Ultimatums eine durch nichts zu beschönigende Willkür sei, die raschesten- beseitigt werden müsse. Der Weg zur Reparation Borkrag des demokrakfche« Abg. Keinakh. ) Berlin, 28. Joni. ' Bet -er Sitzung des DesamtoorstandeS -es demokratischen AeichsausschusfeS für Handel, Gewerbe und Industrie sprach in Frankfurt a. M. Reichstogsabgeordneter Keinath über dir Erfüllung -er Aeparationsbedtngungen. Die Reparationen zo leiste«, sei nur durch Export möglich. Vor- aussehung dabei sei aber Ausschließung des Lxportindex und der Außenhandelskontrolle. Nur durch Arbeit, nicht durch Steuer leistungen könnten wir die Reparationen erfüllen. Sine hypotheka risch« Belastung des Realvermögeas zugunsten der S«1ente fei ge fahrvoll. Keinath wandte sich vor allem gegen die z» stark« steuer- liche Heranziehung dieses Realvermögens, welche die wirtschaftlichen Kräfte unseres Volkes verzehrea würde. Dle deutschen Goldzahlungen Paris, 28. Juni. Die Reparatlonskommlssion veröffentlicht folgendes über die von Deutschland auf Grund deS Zahlungsplanes bisher gelei steten Zahlungen: Die deutsche Regierung hat soeben auf das Konto der Reparations kommission eine neue Zahlung von 44 Millionen Goldmark in europäischen Währungen geleistet. Diese Zahlung wird zur Tilgung der deutschen Reichsschahwechsel verwendet werden, die auf Grund des Artikels5 deS Zahlungsplanes ausgestellt worden sind. Artikels schreibt vor, daß Deutschland bis Ende Mai eine Milliarde Goldmark in Gold oder ausländischen Devisen oder in ausländschen Wechseln oder in Neichsschahwechseln mit drei Monaten Laufzeit bezahlen soll. Der augenblickliche Stand der Ausführung dieses Artikels ist folgender: Der Ende Mai übergebene DreimonatSwechsel lautet auf 839573 000 Goldmark, die auSgeführte Barzahlung zur Erreichung -es Betrages von einer Milliarde beträgt 160 427 0000 Goldmark, das sind also insgesamt 1 Milliade Goldmark. Deutschland hat bis jetzt zwecks Tilgung der Schahwechsel insgesamt 83 949 690 Goldmark gezahlt. In dieser Summe ist die soeben geleistete Zahlung von 44 Millionen Goldmark enthalten. Dle seit Mai des IahreS geleisteten Barzahlungen belaufen sich mithin auf 160 427 000 plus 83 949 690 Goldmark gleich 244 376 690 Goldmark. Die obengenannten Zahlen können noch geringfügige Aenderungen erfahren. Anerkennung der Leipziger Ilrkeile « Loudon, 28. Iunt. .Daily Ehronicle' berichtet: Die englische Regierung beabsichtigt, die Leipziger Urteile gegen die von den Franzosen beschuldigten deutschen Kriegsverbrecher erst abzuwarten, um auf Grund der Aufnahme dieser Urteile in Frankreich eine etwaige Gesamtrevision aller Urteile anzu- strenzen. Der englische Generalstaaksanwalt befürwortet aber seinerseits in folge der Unparteilichkeit des Leipziger Gerichtshofes eine Anerkennung der Leipziger Urteile durch die britische Regelung. Gegen den Friedensverkrag Kundgebung der Kulturliga. Leipzig, 28. Juni. Eine Kundgebung gegen den Friedensverkrag von Verfalles ver anstaltete die Liga zum Schutze der deutschen Kultur am DienStag, dem zweiten Jahrestag der Friedensunterzeichnung, im Zentraltheater. Nach einer musikalischen Darbietung ergriff der erste Redner, Dr. «l.lner- Katttowitz, der vor vier Wochen aus seiner Heimat fliehen mußte, daS Wort und führte aus, daß die Entente in Oberschleflen endgültig Leu Beweis geliefert hätte, daß Treu und Glauben für sie nur Worte sind. Die Entente hat, nach der Meinung des Redners, das Land an Polen verraten und das SelbstbestimmungSrechi mit Füßen getreten. 9Nan hat Millionen von Oberschlestern die Heimat geraubt, man knechtet die deutschen Einwohner in bestialischer Weise. Wer sich offen zum Deutschtum bekennt, der unterschreibt sein eigenes Todesurteil. Aber trotzdem wollen wir Deutsche bleiben. Es Ist ein Gebot der Gerechtig keit, daß Le Aond und seine Scharen das Land verlassen. Erst später werden wir die Summe der Grausamkeiten erfahren, dle jetzt in Oder- schlesien verübt werben. Wer dort unken gegen daS polnische Gesindel kämpft, der kämpft für Deutschland. Wir wollen nicht ruhen und nicht rasten, bis das Unrecht an Oberschleflen gesühnt ist. (Starker Beifall.) Der zweite Redner, Hofrak Anders, auS Kreuznach, schilderte in beweglen Worten die unsäglichen Leiden, denen unsere Brüder im besetzten Gebiet auSgesehk sind. „Für die Franzosen sind wir nicht mehr , Menschen, wir sind Sachen, wir werden entrechtet und geknechtet.' An vielen Beispielen zeigte der Redner, welcher Geist die französische Justiz beseelt. Er schloß mit den Morten: „Wir wollen treu zu unseren deutschen Brüdern stehn.' Wertere gesangliche Darbietungen beschlossen die Kundgebung. Aphorismen Von W. Alexander Kastner. Gebenedeit die Frau, die durch ihr Genie nicht berühmt wird, weil — ihr Genie lm Herzen ist. Die Genies deS Herzens werden ge wöhnlich nicht berühmt. Gewiß sind sie ein Wunder; aber sie be glücken zu sehr, um bewundert zu werden. An Gott und die Frauen muß man glauben. Wissen kann man nlchtL Geistreich« Irrtümer haben die Welt ost mehr gefördert als banale Wahrheiten. Wer in der Freihest etwas anderes sucht als sie selbst, ist zum Dienen geschaffen. , Uebermensch?! — Mo wir schon genug zu tun haben, um nur wenigstens ein Mensch zu sein! t-.' Nur ein Genie kann das andere lieben. s" * Der Optimismus, der richtige philosophische Optimismus ist eigent lich — daS dös« Gewissen der Menschheit. Geduld ist die Stärke der Schwachen, aber Ungeduld ist eine Schwäche der Starken. Man kann sich nur durch zwei Dinge vor den Menschen schützen: durch Verachtung oder durch — Menschenliebe. Der Schriftsteller darf sich nie In ein Mort, eine Wendung ver lieben. Wenn sie einmal ihre Wirkung getan hat, muß er sie treulos »erlassen. Lr soll zu ihr sagen: Du bist hübsch, du bist sogar brillant, aber — komm mir nicht wieder vor die Augen! Ich find« schon andre, hie mir ihre Gunst zuwenden. Leb wohll . Die älteste Handschrift von Dantes göttlicher Komödie, der berühmte Lodice Landlano -er Etadtbibliothek Piacenza, der im Jahre 1335, also 15 Jahre nach dem Tode des Dichters auf 212 Pergamentseiten in Groß- Folio geschrieben wurde, erscheint zur Dante-Feier in einer Faksimile- Wiedergabe bei Leo S. Olschki, eingeleitel von den Professoren A. Balsams und G. Vertont. Ein van Dyck entdeckt. Ein Gemälde, das seit langer Zeit an der Wand eines Zimmers im Londoner King's College hängt, ist jetzt als ein hervorragendes Werk van Dycks festgestellt worden. Die Entdeckung von dem hohen Wert dieses Bildes wurde gemacht als man cs herunternahm, um es zu reinigen. DaS Werk Hal nunmehr einen bevorzugten Platz erhallen und wird, da es früher niemand beachtete, allgemein bewundert. Romantische TheaterauSstelluag. Eine eigenartige Ausstellung ist jetzt im Pariser Victor-Hugo-Museum zu sehen. Man hat hier versucht, die Geschichte des französischen Theaters in der Zeit dcr Romantik durch eine reiche Fülle von bildlichen Darstellungen und anderen Zeugnissen zu veranschaulichen. Die wichtigsten Dramatiker und Schauspieler der Zeit sind in zeitgenössischen Porträts vertreten, die zum Teil von so hervor- ragenden Künstlern, wie Delacroix, David d'AngerS, Chasftriau, Deveria, Iohannvt u. a. herrühren. Besonderes Aufsehen erregt das wundervolle Bildnis von Ehassöriau, daS die große Tragödin Rachel als Judith dar- stellt. Auch Zeichnungen von Dichtern sind ausgestellt, so eine bedeutend« Anzahl der interessanten Skizzen, die Victor Hugo mit Tinte oder auch in Ermangelung anderen Materials mit Milchkaffee hinkrihelte, sodann sehr hübsche Bleistiftskizzen von Alfred de Müsset, Thöophile Gautier u a. Zahlreich sind die Erinnerungen an die .Hernanl-Schlacht', den Theaterskandal bei der Erstaufführung dieses Hugoschen Dramas, der die Blütezeit der französischen Romantik einleikete. Ein« politisch« Komödie. .LäsarS Stunde', eine Komödie von Friedrich Freksa, die unter Zugrundelegung der Geschichte SallustS von der Verschwörung des Catillna römische Figuren als moderne, im politischen Lcben ewig gültige Typen schildert, wurde für den 28. Oktober d. I. vom Münchner Schauspielhaus und vom Staats theater Wiesbaden zur Uraufführung angenommen. DaS Buch erschien im Verlage Georg Muller. Don den städtischen Bühnen. In dem bereits angekündigten Gast spiel des Berliner Deutschen Theaters mit dem Schwank -Potasch und Perlmutter' im Neuen Opcretten-Theater spielen Fritz Beckmann den Potasch, Günther Stark -en Perlmutter und Ellinor Büller das Fräulein Goldschmidt. Leipziger Kanstverei». Di« Emil N o l d e - Ausstellung und di« Ausstellung neuerer Schwedischer Graphik bleiben nur noch biS Sonntag, den 3. Juli, geöffnet. Wie wir hören, werden di« 6 großen biblischen Bilder NoldeS im Rahmen einer Gesamtschau der biblischen Bild«r deS Meisters lm September d. I. im Museum zu Lübeck aus gestellt werden. Haeckels Zugendentwicklung Ein prächtiges Dokument für Haeckel als Menschen sind di« Brte/e an seine Eltern, die unter dem Titel .Entwicklungsgeschichte einer Jugend' jetzt bei K. F. Koehler erscheinen, von Haeckels getreuem Heinrich Schmidt herausgegeben. Schon der jung« Würzburger Student zeigt in ihnen sein Bestes: lebhaftes Intereß« für olles Natürliche und Menschliche, rasche und scharfe Auffassung, hinreißende Begeisterung für seine Wissenschaft, lebhafte Phantasie, Humor, Verachtung äußeren Scheins, fast pantheistische Naturverehrung, unablässigen Zug zum Idea len. Wie vernünftig schreibt er mit 21 Jahren an den Vater nach Berlin: Daß ich gegenwärtig in jeder Beziehung, sowohl in wissenschaftlicher als menschlicher, bedeutende Fortschritte gegen die lehtverflossenen Jahre ge- macht habe, in denen ich allerdings mehr, als recht ist, in vieler Hinsicht zurückblieb, daS wird mir auS meinem ganzen jetzigen Leben und seinen einzelnen Seiten immer klarer. Den größten Dank bin ich dafür wohl meiner herrlichen Alpenreise schuldig, die mich so vielfach mit anderen Menschen, Ansichten und Gesinnungen bekanirtgemacht, aus dem engen beschränkten Kreise meiner alten philosophischen Grillen und hausbacke nen Vorstellungen herauSzerissen und in die ganze Vielseitigkeit bunten Weltlebens htneinversetzt hat. Nächstdem bin ich einen großen Teil deS Danks für eine vielseitigere Ausbildung und Erweiterung meiner LebenS- ansichten auch der Medizin, insbesondere der praktischen schuldig, welche mich gleichfalls mehr in das wirklich« Leben, wie eS einmal ist. und wie wir unS in dasselbe schicken müssen, hat blicken lassen. Freilich war dieses gewaltsame HerauSreißen aus einer phantasiereichen Welt er träumter 3-cale und die plötzliche Versetzung in die rauhe Wirklichkeit, welch« ich erst jetzt in ihrem ganzen Wesen kennenlernte, keineswegs angenehm: um so froher bin Ich aber jetzt, daß dieser harte Sprung, der denn doch einmal nölens volens getan werden mußte, vorüber ist und ich nun die reale Welt mit ebenso realen Augen ansehen kann, wie sie eS verdient. In dieser Beziehung ist di« praktische Medizin und insbesondere dle Poliklinik, wo man die erbärmliche Unvollkommenheit und die elende Mangelhaftigkeit unseres körperlichen und geistigen Lebens so recht aus dem Grunde kennenlernte, eine ganz vortreffliche, wenn auch bitter« und harte Lehrschule. In der ersten Zeit kam mir natürlich diese plötzliche Vernichtung aller der schönen Phantastedtlder, mit denen ich mir eine ideale Weltanschauung in meinem abgesonderten Sinn selbständig und aller Realität bar, erbaut hatte, hart und unleid lich genug vor. Jetzt gewöhne Ich aber allmählich meine ganze Denk- und Anschauungsweise immer mehr an diese real« Betrachtung der menschlichen Ding« und werde nun beim weiteren HlnauStreten in daS raube, stürmisch« Lede« um so w«nlger d«rch dessen Täuschungen über rascht werden. Jede Frau ist eine Enttäuschung — manchmal sogar eine angenehme.
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