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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.08.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-08-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192508028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19250802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19250802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1925
- Monat1925-08
- Tag1925-08-02
- Monat1925-08
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F/SßFtS F»ß/t kinrv!-^f.: 20 Pfennig Ve^ugsprers'Mi«8bW:D^ Beüellald. er». Ausland 6 Mk. cin'cvl.Porio. Srlcvetni lügt. mora Höh.Gewali lcvll«f-,lvn>kNunaau.» irwrtNl.Grl<dS«tSsi..Tru<1ere^ Leipzig, ^obanlnegasie 8 «Fcrnspr.OrlSgcspr. Sanimel-Nr.: 70811. Ferngelpr. 17V88-17VS2): ebenda u. in allen Filialen Anzeigen- und „ „.... Abonnemeni-Annahme auch nimm» jedes PoNn-nr Bestellungen an. Gerichtsstand Leipzig (Amisger. Leipzig) Da» Leipziaer -«tbSU »»< a»etliche« «er»»nt»each»»«e« de» V»»i»»t»räftdi««» Änrpie»»—^ie (Stadl-u. Post») «ufraa«: . Die ILgespalicne 24 mw breite nm,.Zeil« zweiundzwanztg ipscnnig. i^aniitienanze'gen von Privaten wm-Zellc sechs Pscnnig. — Gelcgenbcii-anz. ?iellcngcsuchc. Rektame- zeuen. Aabaiie usw nach Taris, ,«Ur lsiud. enittr. mit A. L.Z. Londcr- vrdtngungen. Pia»- n. Tatcnvorschriit. ni.oerbindl. iSliullungsori u. — ---- - Pp<„chech.rno. Leipzig 3004 Leipziger ÄchrniietNiny zovaunlsaaile > «Srrniprecher 70811) Irt». -verlincr 2evri'iic>inng . rriverr v. S'cin-Sir.b. III. Tel. Sirphanlioi u.0033 5onntsg, den 2. Lugust 1925 DresdnerSchriineiinng Lrcsocn-A..EicHngcntlr.3. nerniprechc: ..2.'/.>n 119. jskrg. Ach ris zsdren u Leipzig, 1. August. Es stehen gegenwärtig in der Welt einige hunderttausend Soldaten mehr unter Waffen als vor Ausbruch der Kriegskatastrophc, der sich in diesen Tagen jährt. In den Budgets der Staaten sind trotz drückender Schuldenlasten die Aus gaben für Rüstung und Heer um das Vielfache gestiegen. Das Flottenbauprogramm Englands erfordert unter dem Druck der Admiralität immer neue Mittel. An zwei Stellen dieses Planeten sind kriegerische Verwicklungen ausgebrochen, die bei der Verbundenheit der Weltpolitik auch deutsche Interessen sehr stark berühren. Die chinesischen Sorgen Englands sind, wie Pariser Blätter melden, augenblicklich Gegenstand von Abmachungen zwischen der englischen und fran zösischen Regierung; Frankreich bietet England Unterstützung in China an und sichert sich dafür im Austausch Englands Zustimmung zur fran zösischen Garantiepolitik an der Weichsel. Und mitten in Europa ein OO-Millionen-Reich, dessen Ostgrenzc von Hatz lind Unverstand gezogen wurde. Das sind nur einige Tatsachen, deren Summierung die europäische Situation von heute ergibt. Man könnte sie geradezu zahlen mäßig und schematisch darstellen. Man brauchte nur die Zahl der schweren Batterien von 1914 neben die von 1925 zu setzen. Das Plus besagt fast alles. Man müßte noch die Tanks, Giftgas bomben, Flugzcuggeschwader und all die neuen Apparate der Zerstörung hinzunchmen, die cs bei Ausbruch des Weltkriegs noch gar nicht gab, und man müßte schließlich feststellcn, der wie vielte Teil der Voltsvermögcn in den Arsenalen und Kasernen investiert ist. Was ist dieser lauernden Meck>anik, zu deren Auslösung es nur eines leisen Druckes bedarf, als geistiges Aktivum entgegenzustellen? Allen falls die Abrüstungskonferenz, die Eoolidge zum Frühjahr einberufen will. Wenn Amerika die Druckmittel, die cs kraft seiner finanziellen Machtstellung als Gläubiger der Alten Welt in der Hand hat, auszunützen ver steht, könnte ein Entwaffnungsprogramm zu stande kommen, das viel zur Beruhigung Euro pas beitrüge. Auch das ist höchst charakteristisch für den fast völligen Stillstand politischer Bewe gung, für die Erstarrung im Mechanischen, daß heute, elf Jahre nach Weltkriegsausbruch, die zu Tode gehetzte Abriistungsfrage noch immer eine der europäischen Hauptsorgen ist. Man ist noch nicht darüber hinaus, und man wird niemals darüber hinwegkommcn, solange es stehende Heere gibt. Es ist nun einmal so, ein noch so gut behütetes Dnnamitlagcr taugt nicht in einer menschlische Wohnstätte. Allerdings mit der schönen Bcrtha-Suttner-Gesinnung, mit dem Ruf „Die Waffen nieder!" ist gar nichts getan. Es gilt, den Zivilgeist in Europa zu stärken, ihn fähig zu machen, jene Mächte zu bekämpfen, die am Krieg ein natürliches Interesse haben. Das ist eine Frage der inneren Politik; sobald es in den Parlamenten Majoritäten gibt, die keinen Pfennig für Rüstungszwecke bewilligen, ist mehr erreicht, als Abrüstungskonferenzen je ! erreichen können, deren Beschlüsse ja doch ! nur zerreitzbares Papier sind. Es ist Sache ! der Wühler, die heutigen Mehrheiten ! in den Sieger-Parlamenten, die jedem Rüsiungskredit zustimmen, zu beseitigen. Denn der Wähler zuletzt fühlt — sollte er das in den wenigen Jahren schon vergessen haben? — die Folgen der weltpolitischen Vorgänge als höchst persönliches Schicksal. Es gibt in Europa zuviel große und kleine Sieger, denen glauben gemacht wird, inan könne ihnen den Sieg wieder streitig machen. Auch der Hinweis auf die Notwendigkeit, die bedrohte Zivilisation in Kolonialgebietcn und Interessen sphären anderer Kontinente zu schützen, ist. ein beliebter Vorwand, die kriegerische Vorbereitung in Atem zu halten. Nur so erklärt sich die psychologische Ungeheuerlichkeit, daß nach den Er- fahrungen des Krieges und trotz des ziemlich genauen Bildes, das man sich von einem kom menden europäischen Krieg machen kann, die Rüstungsforderungen eine Mehrheit der Volks vertreter finden. Man leistet sich eine kost spielige Feuerwehr, die viel eher geeignet ist, einen Brand hervorzurufcn, als ihn zu verhindern. Und gegen diesen Brand schließt man ein ver wickeltes System von Versicherungs- und Rück versicherungsverträgen ab, Garantie- und Sichcr- heitspakte. und krönt schließlich — wie groß muß doch die Angst vor einer neuen europäischen Katastrophe sein! — das Ganze mit einem höch sten Gerichtshof, dem Völkerbund. Uns dünkt, man könnte die Sicherheit einfacher haben. Elf Jahre nach dem Weltkrieg ist die euro päische Situation um nichts befestigter und be- Polen Wnnt mit Ser MsseiMMisuns WWr Alanten 708« MsWiesene ik SchneidmW eillgetroffen Berlin, 1. August. Bon vcn Lst ttstN Dculsckien, Vic Polen bis zum 1. August verlassen haben mittseu, haben bereits 7 0 0 0 Vie Grenze überschritten. 0-s hanvelt sich zumeist nm Lanv- arbciter unv Handwerker. Tic vrcuszischc Ltaatsregierung hat alle Anorvnungeu getroffen, um ihnen Unterkuuftsmöglichkeiten in Luzneivenrühl zu verschaffen, fer ner ist Anweisung gegeben worvcn, vast die Optanten möglichst sofort ans Vic ver schiedenen Regierungsbezirke verteilt werden. Eine gröstere Lumme ist als erste finanzielle Nothilfe von der Ltaatsregierung abgcsandt worden. Anfang nächster Woche d sich der preußische Minister des Innern, Levering, nach Lchneidcmtthl begeben, um die Turchfiihrnng vce R- tstauvsarbeiten in Augenschein zu nehmen. Schncidemühl, l. August. Der Zustrom der aus Polen vertriebenen Deut schen, die in Schncidemühl in einem Konzen trationslager gesammelt werden, hat in der Nacht zum Sonnabend seinen Höhepunkt erreicht. In den letzten 24 Stunden wurden mehr als 3000 Flüchtlinge auegeladen. In der Zeit von 12 Uhr nachts bis 7 Uhr morgens allein 1600. Trotzdem der Mafscnzuzug der ausgcwicsenen Optanten seit langer Zeit fcststand erwiesen sich die Vorbereitungen der Behörden zu ihrer Aufnahme noch als unzureichend. Die Ankommenden werden in Lastautos verladen und in die einstige Flugzeugfabrik Albatros gebracht, wo die riesigen Flugzeughallen als Unterkunstsstättcn dienen. Heute und gestern nacht reichten aber auch diese ungeheuren Räume nicht aus und man belegte die Schulen und einige öffentliche Gebäude, wo die Flüchtlinge in der ersten Nacht ohne Stroh und ohne Decken auf dem bloßen Boden schlafen mußten. Zum Teil waren sie auch gezwungen, auf dem Bahnhof in den Güterwagen und den offenen Schuppen die ersten Stunden zu verbringen und in Wind und Regen zu frieren. Aber auch das eigentliche Flüchtlingslager in den Albatroswerken bietet einen kläglichen An blick. Es sicht darin nicht anders als in einem Ge fangenenlager im Kriege aus. Die riesige Halle bietet einen traurigen Anblick. Man hat zwar versucht, durch Leinwandwände die Halle in einzelne Kojen zu teilen, in denen die Familien gesondert unter- gebracht sind, aber der Raum hat nicht genügt, und jetzt liegen Männer und Frauen auf einer dünnen Etrohschicht i.- den offenen Räumen. 20 Kinder wur- den in den letzten Tagen in dem Lager geboren. Tie Anhäufung von so vielen Menschen aick einem verhältnismäßig engen Raum, wo keiner einen Stuhl, keiner ein Bett hat, hat trotz aller sani tärer Vorkehrungen auch bereits zu zahlreichen Todesfällen geführt. Einige Deutsche sind in den letzten Tagen an Darin- und Mägenerkrankungen gestorben. Bisher sind bereits drei Erkrankungen an Ruhr festcgcstellt, die aber dank sofortiger Ab sonderung nicht zu einer Epidemie geführt haben Unter den Kindern wurden einige Maserncrkrankun- gcn festgestcllt, die aber gleichfalls harmlos ver liefen. Oberst Eng er in, der Lagerkommandant, arbei tet mit nur 22 Hilfskräften Tag und Nacht, um den Flüchtlingen den Aufenthalt im Lager einiger maßen menschlich zu gestalten. Die meisten sind fast vollständig mittellos. Einige Körbe mit Kleidern nnd Wäsche bilden bei den meisten die einzige Habe, denn sic waren gezwungen, ihre Möbel und ihren Hausrat in Polen zu ver kaufen. In Schncidemühl werden die Flücht linge so lange untcrgebracht, bis ihnen Arbeits- stellen nachgewiescn werden können. Sie erhalten Unterkunft und Verpflegung und eine Wegzehrung, die bei Junggesellen 60 Mark, für Familien 200 bis 400 Mark beträgt. Im ganzen sind bis jetzt 4000 Flüchtlinge in Deutschland in Arbeitsstellen unter gebracht. Weitere 5000 warten augenblicklich in Schneidemühl auf Arbeitsgelegenheit. Im Laufe des heutigen Tages werden noch einige größere Transporte erwartet. Damit wird dann der Zu- ström allmählich abflauen. friedigter als vordem. Das Recht auf eigener Leben, das einige Nationen erhielten, geht auf Kosten der beiden deutschen Staaten in der Mitte Europas, denen man dieses Recht ver kümmert. Im Grunde genommen ist dieses Un recht die Quelle der europäischen Unruhe. Rian müßte den großen und kleinen Siegern bei bringen, daß sic zwar alle Ursache zu einem schlechten Gewissen haben, aber nicht den gering sten Grund, zu fürchten, daß die ungerechte Ost- grcnze oder die widerrechtliche Verweigerung der Vereinigung mit Oesterreich uns jemals Kriegs anlaß sein könnten. Es gibt keine politische Wiinschbarkeit, und sei sie noch so groß, die einen Krieg moralisch oder auch nur materiell recht fertigt. Diele fehlende Ueberzeugung bei uns nnd draußen durchzusetzen, wäre eine politische Aufgabe, die helfen könnte, eine gerechter" Ord nung Europas vorzuberciten. Berlin, 1. August. In Erwiderung auf die Angriffe wegen der un würdigen Art, mit der die aus Polen vertriebenen Deutschen in Schncidemühl ausgenommen und untergebracht wurden, die zum größten Teil im Freien und im Begcn kampieren mußten, wendet sich die preußische zuständige Stelle mit folgender Darstellung: Die durch das Wiener Abkommen be dingte Auswanderung der deutschen Optanten bat schon vor dem ersten vertragsmäßigen Ab w a n d e r u n g s t c r m i n des !. August ein gesetzt. Die amtlichen Stellen in Preußen haben seit langem Vorbereitungen getrosten, um den Strom der Optanten nicht nur ausnehmen zu rön nen, sondern ihnen aucb möglichst schnell Erwerbs möglichkeiten zu verschaffen. Schon seit Monaten ist in Schncicdmühl eine Uebernahme- und Arbeits- vcrmittelungsstclle eingerichtet, von der aus die Verteilung aus die einzelnen Regierungsbezirke er folgt. Das Turchaangslager Schncidemühl, zur vorübergehenden Unterbringung bestimmt, war von langer Hand mit den notwendigen Einrichtungen versehen worden. In diesen Tagen aber ist diese Einrichtung einer ganz besonders starken In- anspruchnahmc ausgesetzt gewesen. Die Be legung des Lagers hat durch den andauernden Zu strom Aendcrungen erfahren, so daß genaue Zisssrn über die Belegung gar nicht zu ermitteln sind. Man glaubt jedoch, daß mit der Zahl 6000, die am -il. Juli erreicht war. der stärkste Andrang über schritten ist. Wächst der Zustrom noch beträchtlich an, so stehen dem Regierungspräsidenten in Schneidemühl ausreichende Mittel zur Verfügung. Auch Räume sind genügend vorhanden. Das Lager ist nur als Durchgangslager gedacht, und es wird besonderer Wert daraus gelegt, daß die Weiterreise so schnell als möglich erfolgt. Aber die cndgültiae Unterbrinauna der Optanten ist durch die all gemeine Wohnungsnot und durch die Abneigung mancher Gemeinden, den neuen Zuzug auszunehmen, behindert. Die Gemeinden sind jedoch durch einen Erlaß des Ministers des Innern an den Re gierungspräsidenten nachdrücklich daraus hingewie sen worden, daß sie die ihnen überwiesenen Op tanten auch tatsächlich ausnehmen. SWMizei im RMM Berlin, 1. August. Als heute im Reichstag Vizepräsident Geäf mitteilte, daß der Aeltejtenrat für bestimmte Vor lagen eine Einschränkung der Redezeit angeordnct habe, protestierten die Kommunisten sehr heftig nnd verlangten, daß darüber noch einmal verhandelt werde. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Daraufhin steigerte sich der Lärm der Kommunisten so sehr, daß der Vizepräsident die Sitzung unter- brechen mußte. Nach Wiedereröffnung der Sitzung beschimpften die Kommunisten die Mehrheit des Hauses und den Vizepräsidenten unaufhörlich, so daß die Sitzung abermals unterbrochen werden mußte. Die Abgeordneten Zadasch und HSllein wurden auf 20 Tage ausgeschlossen, und da sie sich weigerten, sich zu entfernen, durch ein Aufgebot von 14 Polizei beamten zum Verlassen des Saales gezwungen (Sitzungsbericht siche Seite 2.) WllkVW «us -em Zeullum Berlin, l. August. Nach einer Mitteilung des „Berliner Tageblatts" haben Arbeitnehmer- und Verbrauchcr-Abgeoräaete des Zentr u m s an den Fraktiousvorstand «in Schreiben gerichtet, in dem sie erklären, daß sie u u - möglich dem Iollkompromiß in seiner jetz'zen Gestalt zustimmen könnten. Sie könnten ihre Zu stimmung nur dann in Erwägung ziehen, wenn die Umsatzsteuer für Lebensmittel be- jsitiqt würde. M Ml! AUWMlMN >r. Die ersten Opantenzüge l)aben die deutsch-polnische Grenze passiert und bis zue Stunde 7000 Deutsche, die in den an Polen ab getretenen Gebieten wohnten und für Deutsch land optiert hatten, nach Deutschland gebracht. Und doch ist cs erst der Afang. Denn im ganzen sind cs nicht weniger als 25 000 Deutsche, die auf Geheiß des polnischen Nationalismus aus ihrer bisherigen Heimat vertrieben werden. 20 000 da von bis zum 1. August. Von Stunde zu Stunde also wird die erzwungene Völkerwanderung an souvellcn, die an der deutschen Ostgrenze eingesetzt hat. Es ist ein grausames, aus cicr mittelalter lichen Denkungsmcise entsprungenes Schauspiel, das sich da vor unseren Augen abspiclt. Denn der Unterschied, ob man Angehörige mißliebiger Religionsgcscllichaften von ihrer Scholle vertreibt oder Angehörige eines Nachbarstaates in Massen über- die Grenze des eigenen Staates gewaltsam abführt, ist nicht sehr groß, es sei denn, daß man die gegenwärtigen Maßnahmen Polens als das verwerflichere ansehcn will. Denn zwischen da inals nnd heute liegt die Geburt der Toleranz, die in den Geschichtsbüchern so sehr als Großtat einer neuzeitlichen Denkungsweise gepriesen wird. Aber Polen wäscht seine Hände in Unschuld. Nicht nur, das; er darauf verweisen kann, daß seine Bevölkerung von der westlichen Kultur noch weit crnsernt ist, den begrifflichen Inhalt des Toleranzgedantens also noch nicht in sich ausge nommen hat, die eigentlichen Schuldigen sitzen mitten in der westlichen Kultur, es sind die hoch gelehrten Richter des Haager Schieds gerichtshofes. Sie sind es, die entschieden i>aben, daß der Staat im Recht sei, der die Be wohner, die die Staatsbürgerschaft ihrer alten Heimat bcibehalten wollen, Landes verweist. Da mit haben sie nicht nur einen an die Barbarei wilder und halbwilder Völker erinnernden Macht spruch über die Deutschen in Polen gesprochen, damit haben sie den Gedanken von Recht un> Billigkeit ans ein das Niveau noch nicht zivili sierter Staaten herabgedrückt und vor allem über ihre eigene Kultur ein vernichtendes Urteil gefällt. Es mag dahingestellt bleiben, ob und inwie weit der Haager Schiedsgcrichtshof durch seinen Spruch den Bestrebungen geschadet hat, die von Deutschland ihren Ausgang nahmen nnd in dem Abschluß internationaler Verträge gipfeln, nu7 endlich dem geplagten Europa den so heiß er sehnten und immer noch nicht erreichten Frieden zu bringen. Sicher ist, daß das Ansehen Haags durch sein Optanten-Urteil sehr gelitten hat. Denn wenn die Stelle, die die Hochburg des Völkerfriedens sein soll, einen Schiedsspruch fällt, der nur dadurch erklärt werden kann, daß in den Richtern der Haß der Kricgszcit nachwirkt, welches Vertrauen soll der Deutsche, soll die Welt dieser Institution noch entgcgenbringcn. Als die Balkan staaten die Angehörigen anderer Valkanstaaten gegenseitig über die Grenzen trieben, als die Türken die Griechen zwangen, Kleinasien zu ver lassen, da sprach man in Europa davon, daß solches eben nur auf dem Balkan möglich sei- Das Haager Schiedsgericht allein fühlt sich berufen, drese balkanischen Methoden als für das übrige Europa nachahmenswert auch bei uns einzu führen. Es ist nicht Deutschlands Pflicht, anderen Völkern Kultur beizubringcn. Polen mag formet! im Recht sein, da cs sich auf den Haager Schieds spruch stützen kann, materiell fordert sein Vor gehen zu Gegenmaßnahmen heraus. Es ist ein alter Rechtsspruch: „viin vi repcllerc licet". (Ge walt kann durch Gewalt zurückgewiesen werden.) Auf dieses Recht staatlicher Notwehr kann sich Deutschland berufen, wenn es be: der Wahi seiner Gegenmaßnahmen auf Mittel verfällt, die dem kulturellen Hochstande des deutschen Volkes eigentlich zuwider sind. Es ist nicht mehr, denn bittere Notwendigkeit, wenn nunmehr auch die polnischen Optanten in Deutschland über die deutsch-polnische Grenze abgcschifft werden, und cs ist Pflicht, dein polnückjen Staate durch ciuen verschärft geführten Handelskrieg und andere Repressalien die Unrechtmäßigkeit seines Vor gehens vor Augen zu führen. Aber noch mehr ist es Pflicht, alles ;u tun, was die Not unserer aus Polen vertriebener Brüder lindern kann.
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