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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.08.1918
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Bandzählung
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1918-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191808011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19180801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19180801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1918
- Monat1918-08
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- Monat1918-08
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888 Sauptschriftlelter: Dr. Sverlh, Leipzig DoNNLkStag, den 1. AttgUst Verlag: Dr. Reinhold L Eo., Leipzig 1818 " . . - .7.^—> - .. . -- » ... V. ' / — Erfolgreicher Borstotz in den Argonnen Der deutsche Heeresbericht AmMch. Großes Hauptquartter, 1. August ISIS. Westlicher Kriegsschauplatz Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht Zwischen Vpern und Bailteol am frühen Morgen r rübergehend lebhafter Feuerkampf. Die tagsüber mäßige Ärlillerielätigkeit lebte am Abend an vielen Stellen der Front in Verbindung mit Erkundungsgefechten auf. Heeresgruppe Deutscher Kronprinz Oestlich von Fsre-en-Tardenois setzte der Franzos« <?m Nachmittage wiederholt zu heftigen Teilangriffen an. Wir warfen den Feind im Gegenstoß in seine Ausgangslinien zurück. .In der übrigen Kampffront Artilleriefeuer wechselnder Stärke; innere Dorfeldgefechte. Nordöstlich von Perthes versuchte der Feind nach starker Feuervorbereitnng den ihm am 30. ZuU entrissenen Stützpunkt i jeder zu nehmen. Er wurde unter Verlosten abgewiesen. Crsolgreicher eigener Dorstoß südlich des Fichtelberges und in den Argonnen. Heeresgruppe Herzog Albrecht Infanteriegefechte an der Mosel und am Parroy- Walde. Wir machten hierbei Gefangene. Der Gegner verlor gestern an der Front lm Luftkampf und durch Abschuß von der Erde aus 28 Flugzeuge. Welter- Der Jahrestag des Krieges Ein Brief Lord Lansdownes Haag, 1. August. (Eig. Drahlberichl.) LordLanSdowne l zu 'Hcginn des fünften KriegSjahreS an feine Freunde einen Brief He chlet, in dem er fick rare folgt aiuSspvichk: .Wir werden unser feierliches > elövnis, auch im fünften'Kr-egSjohre nicht zu erlahmen, bis ein ehrcn- ''chler Frieden erreicht ist, aufs neue bekräftigen, Inzwischen wird hie Bürde, die her Krieg uns auf er legt hat, joden Monat schwerer. Ehe wir ucn unehrenhaften Frieden anerkennen, wollen wir alle bereit sein, . szum b i t t e r st e n E nd e woiterzukämpfen. Es gibt keinen Mann nd keine Frau in diesem Lande, die sich nicht der Tragik dieses Ring- Kampfes bewußt ist. ES gibt wahrscheinlich auch keinen Minister, der es . cht für frevelhaft hält, den Krieg auch nur um einonTag zu verlängern, "--mm her ehrenvolle Frieden erreichbar ist. Soweit Ich es beurteilen kann, besteht ein großes V erlang ennach Frieden in den feindlichen bändern, und ich bin fest davon überzeugt, daß man aufrichtig danach ver engt, eine Auseinandersetzung zustande zu bringen, und wenn diese auch nicht den Frieden selbst bringen wird, so doch wenigstens Be- prechn ngen anzubahnen vermögen, di« zum Frieden führen können, wenn auch gewisse wesentliche Punkte von vornherein aus- liischc den sind.' Nachdem LanSdowne die Schwierigkeiten, diese Punkte genau zu ? äzisieren, auseinandergesehk hatte, fuhr er fort: .Wir müssen bedenken, aß wir nicht nur mit unseren Bundesgenossen, sondern auch mit unseren Dominions zu rechnen haben, da wir sehr wichtige Fragen auf raiiiischem Gebiet sowie Grenz- und Rassenfragen zu lösen - en. Da eine erneute Erklärung über unsere Kriegswünsche noch nicht -olgt ist, haben wir ein Recht zu fragen, wie es eigentlich damit steht. i ange Zeit war die Note der Alliierten vom 10. Januar 1917 das Vkümenk, auf das man sich stützte. Aber seit demA bfa l lR u h l a n d s »! diese Note veraltet.' LanSdowne erinnert dann an die bestehenden .heimabkommen und verweist mit Befriedigung auf die von Balfour -i der UnkerhauSsitzung vom 20. Juni offenherzig abgegebene Erklärung n, daß die Verträge keinerlei Hindernis für den Mieden bilden, und daß die Tatsache, daß die Alliierten vor i wahren einen anderen Standpunkt vertraten, sie jetzt in keiner .-eise hindere, ehrliche F r i e d e n Sv or s ch läg e einzuleiten urädowne fährt dann fort: .-Die denkwürdige Rede deS Präsiden- n Wilson am 10. Januar über die Kriegsziele der Alliierten wird maßgebend erklärt. Aber das Volk möchte gern wißen, ob seine da- -ls dargelegten FriedenSbedingungen eingehalten werden können, be- or dis Zentralmächte bekannt geben, daß sie bereit sind, sämtliche ^rderungen, die Lloyd George seinerzeit gestellt hak, zu bewilligen. ist bemerkenswert, daß der Premierminister vor einigen '",sn in einer Rede zu den kanadischen Journalisten sagte: .Wir müssen 'c d ese Probleme im Lichte der Ereignisse anseben. di? seitdem vor- allen sind.' Von großem Interesse ist noch Wilsons Rede vom Iuü. .Ihre Wichtigkeit wird noch größer infolge der Tatsache, daß and George sie sofort mit ganzem Herzen unterstützte und sagte, die fcnkralmächte können morg'en den Frieden haben, wenn e die Bedingungen annehmen, die der Präsident Wilson gestellt hat. Ansons Rede war aber keine Umschreibung von FriedenSbedingungen, ordern eine in erhabenen Worten abgefaßte. Darstellung der Sache, kür : die assoziierten Völker Kämpfen. Sowohl unsere Freunde als auch fers Gegner werden billigcrweise nicht von unS verlangen, daß wir "ffenllich diejenigen Bedingungen bekanntmachen, unter ocucn wir bereit sind, der Diplo'matie Gelegenheit zur Erprobung er Kräfte zu geben. Die Rede des Generals Smuts in Glasgow '--handelte die Theorie der K n o ck - o u t'-P o li k i k. Er hat dieser holik k ein Ende gemacht und darauf hingewiesen, daß der Zweck deS iampfcS nicht der ist, eine bewaffnete Uebermackt zustande zu dring-n, ondcru daß nur eino dauernde Sicherheit fü.- die Verwttk- i'ung der Vläne Wilsons geschaff:n werden soll. Der Prüfstein für tzerrannahen unseres Sieges wird die Bürgschaft des Gegners sein, ' Doktrin des eingefleischten Militarismus vollständig ouszugeben. In seinen weiteren Ausführungen erklärt LanSdowne, daß er nicht 'Stande sei, positiv zu erklären, ob bereits Aussicht vorhanden sei, be- -g'ck der wichtigsten Punkte ein e b e r e i n k o m m e n zu erzielen, c- könne nur seine Ansicht dahin präzisieren, daß derartige Möglich sten sich in der nächsten Zukunft zeigen werden. Man müsse sich daher darauf vorbereiten, etwa eintretend« Erelqnifle der redlichen D et st «sg,s Innung entgegenzunehmen, st« mtt vernünftiger lieber- hin wurde ein lm Anflug gegen Saarbrücken befindliches englisches Geschwader von 6 Großkampfflugzeugen von unseren Front- und Heimalsagdkräften, bevor es seine Bomben abwerfen konnte, vernichtet. Aus einem zweiten ihm folgenden Ge schwader schössen vir ein weiteres englisches Grohkampfflugzeug ab. Der Erste Generalquarliermeister. Luden dorff. (W.T.B.) 13VVV Tonnen versenkr Berlin, 31. Juli. (Amtlich.) Auf dem nördlichen Kriegs schauplatz versenkten unsere U-Boote 13 000 Bruttoregistertonnen. - Der Chef des Admiralstabes der Marine. Belagerungszustand in der Ukraine Kiew, 1. August. (Drahtbericht.) Der Belagerungszustand ist über die gesamte Ukraine verhängt worden; in Kiew und Odessa sind besondere Schutzmaßnahmen angeordnet worden. Der gesamte Eisenbahnverkehr wird voraussichtlich in militärische Verwaltung genommen werden. WHWltmWdllSilMreliillltiolliireMszehoieu Genf, 1. August. (E i g. Dra ht be ri ch t.) .Echo he Paris'meldet aus Stockholm, Laß nach dort vorliegeirden Moskauer Depeschen das Hauptbuveau der sozialrevolutionären Partei Rußlands in einer Moskauer Vorstadt ermittelt und aufgehoben worden sek. Di« Führ « rder Partei feien verhaftet worden. legung zu prüfen, um dem Gegner Veranlassung zu geben, zu zeigen, ob sein Anerbieten ehrlich gemeint sei. Dieser Punkt müsse genau im Auge behallen werden. Die vorläufigen Bedingungen, die zu unver- -kindlichen Besprechungen führen könnten, müßten von den wirk- lichen Kriegszielen getrennt gehalten werden. Wenn irgendein Augenblick geeignet ist, den vgn mir angedeutelien Weg zu beschreiten, so ist «S der gegenwärtige Augenblick, wo die ruhm reichen Erfolge der Verbündeten im Felde bewiesen haben, daß solche Ge fühle uns auch immer beseelen mögen. Wir werden uns in diesem Kampfe auf Leben und Tod behaupten, wenn wir gezwungen sind, ihn fort- zufetzen. O- Bersin, 1. August. (Drahtbericht.) Die .Norddeutsche Allgemeine Zeitung' schreibt unter der Ueberschrift: .Der Kriegsgedanke im fünf ten Kriegsjahr': Der Eroberungsgedankr ist kein nachhaltig wirk sames Kriegsmotiv. Es bedurfte für die Entente eines stärkeren An- . reizungSmtttels durch eine systematische Verleumdung des Gegners. Deutschland sollte der Friedensstörer sein, der die Weltherrschaft er strebt. Indem man die Deutschen als die Hunnen und die Barbaren verschrie, wälzte man allen Verdacht von sich selbst ab und erregte zugleich in den Masten die Instinkte der Furcht und des Hasses, die sie die Waffen mit der gewünschten Erbitterung und Zähigkeit führen ließen. Mit Verkehrung der Ursachen und Wirkung ward uns, die wir von mehreren Seiten bedroht, zur Kriegserklärung gezwungenj waren, die Urheberschaft am Kriege zugeschoben. Die Vorstellung von dem großen deutschen Unrecht, das die anfänglichen Entenkeführer durch die unwahrsten Beschuldigungen und unflätigsten Beschimpfungen erzeugt hatten, hat alsdann der amerikanische Präsident noch zu ver stärken gewußt, indem er unserem monarchischen Militärstaatswesen sein Bild von dem demokratisch-pazifistischen Zukunftsstaat entgegen hielt. Als echter Amerikaner, ein Gemisch von Idealismus und Uti litarismus, suchte er seinem Lande einen möglichst großen Gewinn aus diesem Kriege und sich selbst den Ruhm eines Menschheitserlösers zu sichern. So ist, wie in der Zeit der französischen Revolutionskriege, denen die Verwirklichung der Humanitätsidee zugrunde lag, wieder eine Idee, die den wahren Kriegszweck verdecken soll, ein dem uner- Hörtesten Weltbetrug entspringender Wahn, der dis irregeleiteten Völker zu einem Kreuzzug gegen die vermeintlichen Feinde des Frie- dens, der Freiheit und Gerechtigkeit entflammt, zum leitenden Kriegs gedanken geworden. Gewiß ein starkes Kriegsmotiv, daS mit Ver nunftgründen nicht zu entkräften, sondern nur mit Waffengewalt aus der Welk zu schaffen ist. Wir Kämpfen heute für den Sieg der Wahr heit. Das verleiht unserer Kriegführung einen neuen offensiven Geist. DaS soll unsere Losung im fünften Kricgsjahr sein. Holländische Preßstimmen Haag, 1. August. (E i g. Drahtbericht.) Fast alle holl Sn- bischen Blätter beschäftigen sich in ihren Leitartikeln mit dem fünften Jahrestag des Krieges. Die Artikel sind sämtlich in resigniertem und düsterem Ton gehalten. Der .Nieuwe Rottevdamsch« Courant' schreibt: Wenn die Zentralmächte gewinnen, so wird das, wie wir in Rußland gesehen haben, auch keinen Zustand des F r ie d en S u n d d e r R u k e in Zukunft schaffen, gewinnt die Entente, so wird es nicht anders sein. — Der Artikel gebt dann auf die unglaublichen Forderungen ein, die in den Entente! ändern gestellt worden sind und sagt, es sei absolut undenkbar, daß daS Deutsche Reich sich mit solchen Be dingungen zufrieden geben würde, denn es würde dann das Rache- gesühl Zurückbleiben, das vielleicht größer sei, als das der Franzosen irach dem Frankfurter Frieden. Der Haager .Nieuwe Courant' macht den Vorschlag, daß alle Kriegführenden sich an einen unparteiischen Rat, der aus Neutralen zusammengestellt se>n soll, mit ihren Friedens bedingungen wenden sollen. Dre einzelnen Mitglied«.- des neutralen RcleS sollen eist vor der E nennung durch die kriegführenden Parteien gutgchcißen werden. Der Laillaux.Prozeh Genf, 1. August. (Eigener Drahtbericht.) Abgeord neter L a i l l a u x hat an den Präsidenten desStaotsgerichts einen neuen Brief gerichtet, worin er gegen die Aussagen -es Majors Daudier vom Spionagedienst des Kriegsministeriums pro testiert, der von verschiedenen Reisen und Zusammen künften Caillaux' gesprochen habe, die In Wirklichkeit nie mals stotstanden. Caillanx wiederholte sein Perlangen, vom Staatsgertcht als Zeuge gehört zu werden - - - Bier Jahre Kriegswirtschaft In der Hauptsache gleicht diese Kriegswirtschaft einem Lei densweg mit sehr vielen Kreuzwegstationen. Die Aussicht ins Freie wird versperrt durch die gewaltige Erzeugung von Dor schriften und Anordnungen aller Art. Während diese Dorschristen auf den älteren Strecken des Weges schon zu Staub zerfielen, wur den die neuen Strecken immer höher damit umtürmt. Nach gerade ist jede soziale und wirtschaftliche Erscheinung von einer mehr oder weniger sinnreichen Verfügung erfaßt, mit dem Erfolg, daß die .Erscheinung', die vielleicht .greifbar' war, nur noch ein aktenmäßiges Dasein fristet. Die unwillige Kritik hat für die Kenn zeichnung der Kriegswirtschaft auch schon andere Bilder gefunden; sie wurde mit einer Maschine verglichen, die leer lief, deren Räder werk sich mangels jedes Widerstandes immer mehr zersetzte und . zerrieb. So wird die Gerechtigkeit des Urteils vielleicht erst kommen, wenn Krieg und Kriegswirtschaft der Geschichte anae- hören. Und da mag selbst dem unparteiisch und leidenschaftslos wägenden Geschichtschreiber wohl nachträglich daS Gefühl über kommen, das der Reiter über den Bodensee hatte. . . Anders die Zeitgenossen, die von Ernte zu Ernte den Krieg miterleben, die Kriegswirtschaft sich entwickeln sehen und dazu vom Gespenst der Uebergangswirtschaft geängstigt werden. Aber wir müssen doch wohl den Weg zurückgehen, um das zu verstehen, was uns als Kriegswirtschaft mit zehntausend Armen umfangen hält. Als der Krieg uns die Straßen nach Uebersee versperrte, hätte die sorgsame Aufstellung und Bewirtschaftung aller Nahrungs mittel und Rohstoffe sofort einsetzen müssen. Allerdings ist eS hinterher leicht, klug und weise zu sein. Für diekrtegSwich- tigen Rohstoffe setzte freilich sofort die öffentliche Bewirtschaf tung ein, der es mit zu danken ist, daß wir heute noch reichen. Aber das andere wichtige Gebiet, die Versorgung der Heimat, blieb trotz der verhältnismäßig früh erfolgten Gründung der Zen- lraleinkaufsgesellschaft ziemlich sich selbst überlasten. Auch bas hakte seine Gründe. Noch waren die Handelswege osten, die zu den Neutralen führten und die in gewissen Grenzen einen Zu strom von Nahrungs- und Genuhmitteln ermöglichten, der für absehbare Zeit nicht zu versiegen schien. Allein di« Blockahe dehnte sich fühlbar auch gegen die Neutralen aus, wozu dann weiter die Rücksicht auf die Valuta kam, die tatsächlich unsere Einfuhr politik bestimmte und noch bestimmt. Ebenso muhte der Eintritt Italiens, dann später der Rumäniens in den Krieg notwendig auf die Kriegswirtschaft zurückwirken. Da sich die Neutralen die britische Seetyrannis gefallen ließen, blieb Deutschland nur übrig, die Organisation seiner Ernährung weiter auszugestalken. Jede Kritik dieser Organisation muh berücksichtigen, daß sie mtt sicheren und unsicheren Größen zu rechnen hatte. Zu den sicheren Gröhen gehörte die Zahl der Versorgungsberechttgten. Zu den unsicheren Gröhen so ziemlich alles, was für diese Versorgung zur Verfügung stand. Wir haben in den vier Krlegsjayren so viel praktische Volkswirtschaftspolitik getrieben, dah heute Ge meingut des Wissens geworden ist, daß die eigene Nahrungsdecke Deutschlands zu kurz war. Um diese Decke zu strecken, ist dann unter eifriger Mitwirkung der Wissenschaft und der Praxis vielerlei versucht worden. Es kam die berühmte Kalorienrechnung, die den sehr beweglichen und sehr unterschiedlich gearteten Men schen wie ein chemisches Erzeugnis behandelte. Dah allein die Abwechslung der Nahrungsmittel eine wichtige Tatsache der Versorgung und der Stimmung bildet, wurde dabei außer acht gelassen. Die Behörden erfühlen die Sache auch viel zu sehr als Auf gabe der Organisation des Vorhandenen, denn als Vorsorge, die Erzeugung im Kreislauf der Agrarwirtschaft zu vermehren. Aus dieser einseitigen Auffassung der Dinge entwickelte sich die eigen tümliche Sozialisierung der Kriegswirtschaft. Ihr Fehler lag darin, daß sie den ökonomischen Aufbau ansich unverändert ließ, ihm aber überall künstliche Reiser eines Staats- und Kriegssozia lismus aufpfropfte. Die Versorgungspläne wucherten üppiger, als die Nahrungsmittel. Bald waren es Lleferungsverträge, die den Erfolg hatten, daß die belieferten Kreise oft ohne die ver traglich zugesicherten Ledensmittelmengen blieben. Diese waren ja vorhanden gewesen, aber längst in andere Kanäle obgeflosten, die den Schleichhandel speisten. Der Schleichhandel ist das un vermeidliche Erzeugnis der Zwangs- und Kriegswirtschaft. Er ist ein echter Verwandter des .Schacher- und Gelegenheitshandels' der normalen Wirtschaft, nur dah er auf dem Boden der Zwangs- wirtschaft unvergleichbar üppiger gedeiht. Der Schleichhandel zerrt an der kurzen Decke, von der er oft ein viel größeres Stück los reißt, als die planmähigc Wirtschaft vertragen kann. Allein die Erfahrung hat gezeigt, daß durch Strafandrohungen und Verord nungen eine wirksame Bekämpfung des Schleichhandels nicht mög lich ist. Im Rahmen unserer Kriegswirtschaft, die noch immer das Pappschwert der Höchstpreise gegen Störungen gebraucht, wird der Schleichhandel überhaupt nicht abzuwürgen sein. Die größte Arbeit, die zudem nur unzulänglich geleistet wird, macht die Versorgung der großen Städte und Industriegebiete. Vielleicht könnte man versuchen, die großen Städte und Industrie gebiete von allen überflüssigen Essern, Kindern und Erwachsenen, für die Dauer -es Krieges zu entlasten. Das Land und kleine Städte kämen als Ausnahmestellcn in Betracht. Voraussetzung wäre natürlich, dah Staat und Reich sich an der Deckung der Kosten beteiligten Die Vergütung, die bezahlt werden mühte, Hütte so hoch zu sein, daß den Landwirten Ursache zur Unzufrieden heit fehlte. Der Erfolg der Umsiedlung wäre für die Kriegswirt schaft dreifach: zunächst wäre es unnötig, die Mengen Lebens mittel hin und her zu fahren, die heute zur Versorgung der Groß städte notwendig find. Also Einsparung an Güterwagen, an Be triebs- und Arbeitskraft. Der Schleichhandel wär«, wenn nicht
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