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Der sächsische Erzähler : 08.04.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735960349-189904080
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735960349-18990408
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735960349-18990408
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDer sächsische Erzähler
- Jahr1899
- Monat1899-04
- Tag1899-04-08
- Monat1899-04
- Jahr1899
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 08.04.1899
- Autor
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Druck und Verlag von Friedrich May, redigirt unter Verantwortlichkeit von Emil May in Bischostwerda. Er nahm ihn in seine zitternde Hand, ließ sie aber wieder sinken. „Ich kann nicht lesen, die Zeilen ver wirren sich, meine Stunden sind gezählt, mein Augen licht nimmt ab. Ich habe Dir von unserem Unglück erzählt, Viktor, jetzt will ich Dir sagen, welche Hilfe sich bietet. Ein edler Mann reicht mir die Hand — erinnerst Du Dich Lord GordonS?" „Ja," erwiderte Viktor. „Andere Bekannte hatten mich armen alten Mann vergessen; einige mögen sich meines Unglücks freuen, viele ungerührt daran vorübergehen. Lord Gordon ist nicht van altem Adel, aber ein Edelmann durch und durch. Lies den Brief Alice, laß Viktor hören, was ein echter Mann mir schreibt." Die Gräfin nahm die Briefe Lord Gordons, legte die Hand fest auf den Arm ihres SohneS und flüsterte ihm zu: „Denke daran, daß ein Wort der Widerrede ihn tödtet." Und dann laS sie mit leiser Stimme: „Mein lieber Graf," lautete das Schreiben, „ich bin tief betrübt und erschracken über Ihr Mißgeschick und fest überzeugt, daß Unredlichkeit mit im Spiele ist. Nur ein Zufall verhinderte mich vor einiger Zeit, Geld in demselben Bergwerk anzulegen. Ich möchte Ihnen so gerne helfen; Sie haben mir in früheren Jahren durch Ihre Freundschaft sehr in meiner Laufbahn ge holfen, lassen Sie mich Ihnen meine Dankbarkeit be weisen. Meine Börse steht ganz zu Ihrer Verfügung. Erinnern Sie sich der Pläne, die wir einst für unsere Kinder machten? Halb im Scherz sprachen wir von einer Heirath; auf Ihrer Seite war ein alter Name, auf meiner Reichthum und, soweit man damals be- urtheilen konnte, Schönheit. Jahre sind seitdem ver gangen, meine Tochter Klara, damals ein Kind, ist ein schönes Mädchen geworden, das Vermögen, welches ich ihr geben konnte, hat sich verdoppelt. Und da sie nicht abgeneigt ist, Ihren Sohn kennen zu lernen, so er innere ich Sie an unser damaliges Gespräch; wenn die jungen Leute sich heirathen wollen, gebe ich meiner Tochter eine Mitgift, die alle Ihre Verlegenheiten beseitigt, und ein Einkommen, um den alten Glanz der Ryeburns zu erneuern. Ueberlegen Sie meinen Vorschlag und geben Sie mir dann Antwort." Tiefe Stille herrschte in dem Gemache, als die Gräfin schwieg; Lord Kilmeyne sah in den Mondschein, Carmens Bild stand vor seinem Blicke, und er glaubte ihre Stimme zu hören: „Meine Liebe ist immer treu und wahr." Sie war sein Weib, welches er am Hochzeitstag auf der Straße in Lissabon verlassen mußte, ihr war er bis zum Tode verbunden — und hier wurde ihm als einziger Ausweg aus all dem Elend eine Heirath mit Lady Gordon gezeigt. Sein erster Impuls war, offen und ehrlich zu sagen: „Ich bin verheirathet, meine Frau ist in Lissabon." Er hatte die Worte schon auf den Lippen, als er dem flehenden Blick seiner Mutter begegnete, und sank auf den Stuhl zurück, unfähig zu denken und zu handeln. Des Grafen Stimme ermunterte ihn. „Du hast es nun gehört, Viktor, was Lord Gordon schreibt; er wendet sich nicht von uns im Unglück, er stellt mir sein Geld zur Versügung. Kein 4 — Ryeburn könnte das annehmen, aber Jeder könnte stolz darauf fein, Lady Gordon heimzusühren." Kein Wort kam über Lord Kilmeyne« Lippen, er dachte nur an Carmen; sein Vater nahm sein Schweigen für Zustimmung an und fuhr fort: „Ich kann nun doch in Frieden sterben, wenn ich auch vergeblich ge lebt habe; mein ganzes Leben voll Entsagung und Arbeit ist ein verlorenes gewesen, und wenn dieser Brief nicht wäre und die Aussicht, die er Dir bietet, würde ich in Verzweiflung hinübergehen. Du hast nun nicht nölhig, Lancedene zu verkaufen, kein Ryeburn würde auch die Schande überleben — wollte Gott, ich könnte noch sehen, daß es unser schuldenfreier Besitz ist!" Noch immer keine Antwort. „Als dieser Brief kam," sagte der Graf nach einer Pause, „wäre ich gerne von meinem Krankenlager auf- gestanden, um dem edlen Manne zu danken. Du mußt eS für mich thun, Viktor; ich könnte keine Ruhe im Grabe finden, wenn Lancedene verkauft würde, ich liebe die Heimath meine- Geschlechts, wie man nur Weib und Kinder lieben kann. Aber Du antwortest ja gar nicht, mein Sohn?" Lady Ryeburn kam ihm zu Hilfe. „Er ist so überrascht, gieb ihm einige Minuten Zeit, sich zu fassen," sagte sie. „Gewiß, aber mein Sohn, mein geliebter Sohn, Du wirst meine Bitte nicht abschlagen, Du wirst die Ehre unseres Namens retten?" Lord Kilmeyne versuchte sich aufzuraffen, aber er vermochte es nicht. Wieder unterbrach die Stimme des alten Grafen die Stille des Sterbezimmers: „Mein Sohn, Du ant wortest mir nicht, mein Leben hängt an Deinen Worten und nicht nur mein Leben, auch die Ehre, der Ruf, der gute Name meines alten Geschlechts." „Um Gottes Willen, Viktor," flehte die Gräfin, „beruhige ihn, sage Ja zu seinem Wunsche!" Große Schweißtropfen standen auf Lord Kilmeynes Stirn; er zitterte vor Erregung. Wie durfte er nur anhören, was sie sagten, während Carmen, sein Weib in Lissabon weilte; er mußte seiner Mutter Herz brechen, die letzte Bitte seines sterbenden Vaters abschlagrn und ihnen offen bekennen, daß er das Mädchen, welches er liebte, geheirathet hatte. Was würde Carmen ihm rächen? Sicherlich, das Beheimniß ihrer Ehe noch etwas länger zu bewahren und nicht durch seine Ent hüllungen das Ende seines Vaters zu beschleunigen. Des Vaters Stimme schlug von Neuem an sein Ohr. „Viktor, wenn Du eS übers Herz bringen kannst, meine Bitte abzuschlagen, wenn Du dies einzige Mittel, unsere Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen, verschmähst, so wäre eS barmherziger, mir gleich ein Messer in die Brust zu stoßen. Du kannst eS Deinem sterbenden Vater nicht abschlagen, antworte mir jetzt, willst Du die rettende Hand ergreifen und uns Lance dene erhalten?" (Fortsetzung folgt.)
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