/ US dem Schaffen eines Künstlers, der noch mitten im Leben steht, einen Lh Abschnitt herauszulösen und für die Betrachtung zu isolieren, hat etwas Gewaltsames; läßt sich doch eine endgültige Wertung der Leistung und ihre Ein ordnung in einen überpersönlichen Zusammenhang noch nicht vornehmen. Bei Hans Theo Richter, dem Zeichner und Graphiker, erhält ein solches Verfahren eine gewisse Berechtigung aus der Situation, in die das Zeitgeschehen ihn versetzt hat. Er büßte 1945 fast alles ein, was er bis dahin geschaffen hatte - Zeichnungen, Drucke, Aquarelle. Den Hauptteil in seiner Dresdner Wohnung in der Unglücks nacht vom 13. Februar, den Rest wenig später in Leipzig, wo er damals ein Lehramt an der Akademie hatte. Außer dem, was in öffentliche Sammlungen gelangt war und sich vielleicht dort erhalten hat, findet sich ganz selten einmal ein Blatt bei einem Privaten oder im Kunsthandel. Es wird zu den Aufgaben der Sammler gehören, das frühe Werk in geduldigem Suchen wieder zusammen zutragen. Für den Künstler selbst bedeutet 1945 ein neues Anfängen, unter schwierigsten äußeren und inneren Begleitumständen. Natürlich sind die Fäden zu der früheren Produktion nicht ganz und gar abgerissen; aber ein bewußtes Weiterspinnen war nach einer derartigen Erschütterung unmöglich. Hinzu kommt, daß fast gleichzeitig für ihn die pädagogische Tätigkeit einsetzt: 1944 bis 1946 als Dozent für Graphik in Leipzig, seit 1947 als Professor an der Dresdner Hochschule für Bildende Kunst. Weit entfernt, den Lehrberuf als Sinekure auf zufassen, gewinnt er vielmehr aus der ständigen Verantwortung vor der ler nenden Jugend Klarheit, Bestimmtheit, Unbeirrbarkeit und Unerbittlichkeit für das eigene Schaffen. Und so entsteht im Laufe von zehn Jahren ein zeichne risches und graphisches Werk, wie es sich nach Umfang und Bedeutung kaum voraussehen ließ und über das ein Rechenschaftsbericht wohl am Platze ist.