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Sächsische Staatszeitung : 19.10.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-10-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480731217-191710193
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480731217-19171019
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480731217-19171019
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Staatszeitung
- Jahr1917
- Monat1917-10
- Tag1917-10-19
- Monat1917-10
- Jahr1917
- Titel
- Sächsische Staatszeitung : 19.10.1917
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Landtags-Beilage zur Sächsischen Staatszeitung. Nr. 111. Beauftragt mit der Herausgabe: Hofrat DoengeS in Dresden. 1917. Landtagsverhandlungen. n. Kammer. Fortsetzung der Sitzung vom 16. Oktober. Abg. Dr. Philipp (kons.): Er möchte schärfsten Widerspruch erheben gegen de» «"Uvurl des Abg. Niethammer, die Schulen und die Lehrerschaft snen schuld an den Schmierigkeiten in der Schulbücherversorguug. Es sei von feiten der Schule und der Lehrerschaft nie ein Hehl dar aus gemacht morden, daß gerade in Schulbuchsragen nichts not wendiger sei al- eine gewisse Stetigkeit, wenigstens die Mehrzahl der vernünftigen Lehrer bekämpfe eben den Wechsel. Man habe sich in ein Buch cingearbeitet, und mancher alte Profesmr Hale sich lächerlich gemacht^tveil er noch nach seinen altcit Schinken weiter unterrichte, wo er seine Randbemerkungen gemacht habe. Der Haupteinmand des Abg. Niethammer habe die Papiersorte der Schulbücher betroffen. Gewiß, cs werde manchmal vielleicht auch schlechtes Papier gedruckt, aber im großen und ganzen iei das Papier noch verhältnismäßig gut. Man müsse sich aber ver gegenwärtigen, ein Schulbuch werde manchmal förmlich massa kriert von den kleinen Schülern. Schwerlich würde cs dann noch von anderen benutzt werden können. Abg. Wilde (joz.): Er »Nüsse sich dagegen wenden, wenn man so Haugs neue Ausgabe»» von Schulbüchern vornähme. Solange die Lehr mittelsreiheit nicht hestche, sei cs für die armen Litern eme ganz außerordentliche Ausgabe, wenn aller drei bis fünf Jahre die Schulbücher wechselten. Hinsichtlich der unerhörte»» Preissteigerung des Papiers könne man unmöglich annehmcn, daß die Papwr- preise noch eine Grundlage hätten. So lväre es Sache der Re gierung, einmal »achzuprüseu, ob die Erzeugung des Papiers wirklich den gegenwärtigen Preisen entspreche. Abg. vr. Niethammer (nl.): Er bitte auf jeden Fall, das bestehe»» zu lassen, daß die Schul bücher bis jetzt aus zu schlechtes Papier gedruckt seien. In dieser Hinsicht bitte er auch de», Hrn. Vertreter der Regierung, ihn» zu glauben, daß es da besser werden müsse aus pädagogischen und allgemeinen Gründen. Damit ist die Besprechung der Interpellation geschlossen. Punkt 4 der Tagesordnung: Interpellation des Abg. Fleißner und Gen., die Bersammlungs und Preßfreiheit betreffend. (Drucksache Nr. 475.) Die Interpellation lautet: „Ist der Regierung bekannt, daß in Sachsen durch die Hand habung des BelagerungSzustandcs und der Zensur Bersamm lungs- und Preßfreiheit in unerhörter Weise eingeschränkt, viel fach so gut wie ausgehoben ist? Gedenkt die Regierung auf Beseitigung dieser Berhältnisse hinzuwirken?" Abg. Fleißner (Nnabh. Soz ): Der gegenwärtige Zustand beruhe bekanntlich aus einer Ver ordnung der Generalkommandos von» 2. Angus» 1915. Die Ge neralkommandos hätten durch Verhangen des Belagerungs- MandeS auf Grund des bekannten prenßischeu G setzes weit- gebcndstcn Spielraum erhalten, alle Gesetze und Verordnungen konnten durch sic aufgehoben oder wesentlich eingeschränkt werden. Aber das nicht allein, sondern die Behörden, denen die Aus führung der Verordnungei» der Generalkommandos zufalle, hatten dabei ebenfalls einen ve»hältnismäßig weiten Spielraum, eine verhältnismäßig große Freiheit in der Anwendung dieser Ver ordnungen. Daß die Sache außerordentlich wichtig sei schon wegen ihres tiefe»» Einschneidens in das ganze politische nnd wirtschaftliche Leben, das werde auch bewiesen dadurch, daß sich während der Kriegszeit wiederholt die Parlamente, auch der sächsische Landtag, mit der Frage beschäftigt hätten. Zu Beginn dieses Landtags habe die Regierung wegen ihrer Unzuständigkeit cs abgelehnt, sich über diese Frage mit dem Landtage zu unter halten. Auch der Reichstag habe sich wiederholt und sehr ein gehend mit der Frage beschäftigt mit dem Erfolge, daß die Re gicrung beruhigende Erklärungen abgegeben habe, cs solle besser werden, die Tinge sollte»» loyaler behandelt »»erden und dergleichen mehr. Die Praxis habe aber gezeigt, daß diese beruhigenden Erklärungen iu der Hauptsache doch ohne nennenswerte Wirkung geblieben seien, daß alles sozusagen be n» alten geblieben sei. Man hab: nun von vornherein nicht eine Änderung dieser bestehenden Verhältnisse verlangt, sondern eine Beseitigung des Belagerungszustandes überhaupt. Er wolle darauf n'cht wieder cingchen, um nicht das zu wiederholen, was früher gesagt worden sei, er wolle nur darauf Hinweisen, daß er und seine politischen Freunde nach wie vor den ganzen Zustand für ungesetzlich hielten. Aber ihre Meinung werde natür lich ai» maßgebender Stelle nicht geteilt. Besonders wichtig aber sei es, daß der frühere Reichskanzler v. Bethmann Hollweg in» Reichstag »viederholt erllärt habe, daß die Zensur nur in militä rischen Dingen angcwcndct werden solle, nicht aber auf politiiche Tinge; er habe auch einmal ganz bestimmt erklärt, daß den Zeitungen gegenüber keine Vorzensur eintretcn solle. Alle diese Versprechungen seien bis aus den heutige»» Tag nicht gehalten »vordcn. Im Reichstage seien deshalb in der vorigen Woche sehr scharfe Worte nicht nnr von ihrer, sondern auch von bürgerlicher Seite gegen diesen Zustand gefallen, einen Zustand, der nachgerade sür alle beteiligte»» Kreise außerordentlich drückend »virke, ganz be sonders für die sozialdemokratischen: das erkläre sich aus ihrem Eharakter als Oppositionspartei. Wer mit der Regierung gehe, Iver die Maßnahmen der Reichsregierung unterstütze, wer vor allen Dingen die ganze Kriegspolitil mitmache und alles das für richtig halte, was da geschehe, der bleibe unbehelligt. Aber alle diejenigen im politischen Leben stehende»» Leute und Zeitungen — ob sie nun rechts oder links stünden, sei ganz gleichgültig — »velche die Negierungspolitik belämpsten, hätte»» natüllich sehr scharf unter diesen Verhältnissen zu leiden. Wie außerordentlich schwierig heute gerade auf dem Gebiete des Versammlungswesens eine Betätigung sei, besonders dann, wenn die Opposition dabei in Frage komme, gchc daraus hervor, daß bei Veranstaltung von Versammlungen, soweit dort Referate gehalten würden, von jedem Referat, sowcit es sich auf gewisse Verhältnisse beziehe, ein voll ständiges Konzept vorher zur Zensur einzurcichen sei. Welche un geheuren Schwierigkeiten dabei entständen, vor allen Dingen für die Versammlmigsrcdncr, die nicht gewöhnt seien, ihre Reden abzulcscn, das liege auf der Hand. Ein Vortrag von ein bis zwei Stunden erfordere, wenn er wörtl ch ausgeschrieben werden solle, eine un- gcheure Arbeit, und da- sei ohnedies ii» der heutigen Zeit des Pap crmangelS eine ungeheure Papicrverschwendung. In neuerer Zeck werde ja etwas davon abgewichcn, mau begnüge sich vielfach damit, daß man von den Rednern nicht das fertige Konzept, sondern nur eine geiv sse Bortragsdisposition verlange. Aber das sei ganz in das Bel eben der Behörde gestellt, nnd das sei eben wieder das Schlimme: die Behörde könne es machen, wie sie »volle, ob sie dieses Entgegenkommen zeigen »volle oder nicht; und dadurch könne es natürlich Vorkommen — und e» sei vorgekommen — d ß den Rednern der verschiedenen Parte richtungen gegen über verschieden verfahren werde. Hinzu komme aber, daß auch die Berlchte, die über jene Versammlungen in der Presse ver- össentncht werden sollten, der Vorzensur unterlägen, also erst ein- gere'cht »verden »nützten, el>e sie überhaupt veröffentlicht werden dürften. In sehr vielen Fällen werde es, wofür die Verord nungen der l^eneralkommandos gar keine Handhabe gäben, der Unab hängigen sozialdemolratischen Partei voi» vornherein verboten, in solchen Versammlungen eine Entschlietzung.eine Resolution zu fassen, ganz gleich, was in der Resolution etwa gesagt werden solle. Tas sei eine unerhörte Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit, daß man selbstverständlich sein lebhaftes Bedenken dagegen aurdruckcn »nüsse. Ein solcher Fall sei kürzlich erst in Würze»» vorgekommen. Redner führt nun einzelne Fälle als Beweis für seine AuS- sührungcn an. In Leipzig seien z. B. im September 1916 vier Versammlungen verboten worden, die sich mit den» Thema be schäftigen sollten „Volk und Friede". Im März 1917 sei hier in oer Dresdner Umgebung, in» Plaucnschen Grunde, eine Bcr- sammllmg verboten worden, die sich »nit der Gründung eines Verein) der Unabhängigen sozialdemokratische»» Partei habe bc- schästigcn sollen. Diese Versammlung habe trotzdem stattgesunden, »veil das Verbot z», spät gekommen sei. Und das Charakteristische sei, daß diese Versammlung in größter Ruhe verlaufen nnd die Gründung vorgenommen worden sei. Es sei absolut nichts vorgekommen, was irgendeine»« Eingriff der Behörden gerechtfertigt hätte. Aber die Versammlung wäre unmöglich gewesen, wenn das Verbot rechtzeitig angekommen wäre, d. h., es wäre die Gründung jenes Vereins verhindert »vorden. Und die Begründung des Verbots gebe dahin: es sei anzunehmen, daß in der Versammlung ge hässige und die Gesinnung Andersdenkender hcrabwürdigcnde Ausführungen geplant seien. Einen Monat später, ungesähr im September, kurz nach der Konferenz in Gotha, wo die Unabhängige sozialdemokratische Partei überhaupt gegründet wurde, sollte wicderum im Plauenschcn Grunde eine Versammlung abgchalten »»'erden, in der über jene Gothaer Konferenz Bericht erstattet werden sollte. Die Versäum» lung habe zwar stattgcfunden, aber ihr Hauptzweck sei vereitelt »vorden. Es sc» der genannte»» Versammlung in» letzten Augen blick untersagt »vorden, daß über die Gothaer Konferenz ein münd sicher Bericht gegeben werde Dieses Verbot sei in dem Falle um so unverständlicher gewesen, ja geradezu lächerlich, weil über die Gothaer Konferenz die Presse in seitenlangen Berichten in großer Öffentlichkeit Bericht erstattet Hobe. In» August 1917 habe in Klein-Zschachwitz eine Versammlung stattsinden sollen, in der man über die Lebcnsmittelteuerung, über die Verhältnisse, wie sie iin Reiche lügen, sprechen wollte. Tas seien so einfache voli- tijch aktuelle Dinge, über die jetzt in den Zeitungen geschrieben werde, daß man meinen sollte, einer solchen Versammlung gegen über müßten doch die Behörden wirtlich etwas mehr Toleranz übe». Aber auch hier habe man zunächst die Einreichung eines Konzeptes des Vortrages verlangt, und da dieses nicht rechtzeitig cingcrcicht worden sei, die Versammlung verboten. In» Juli d. I. habe hier in Tresden eine Versammlung stattgcfunden, in der ein Vortrag über die Landtagstätig keit , eine Art Berichterstattung, gehalten »vorden fei. Tiefer Versammlung gegenüber sei die Tebatte verboten worden. Redner führt noch eine Anzahl weiterer Fälle an, die typisch sür das Vereins- und Bersammlungslcben, wenigstens soweit seine Partei in Frage komme, seien. Der Hr. Minister des Innern habe in der Landtagssitzung der Zweiten Kammer von» 1V. Juli 1917, als man das erstemal übcr den Antrag über Neuordnung gesprochen habe, ausgeführt, er billige eS nicht, »venu die Hand habung der Verordnungen und Gesetze schikanös erfolge, wenn mau eine Nadclstichpolitik treibe, er werde überall bemüht sein, solche»» Bestrebungen entgegenzutreten. Tie Fälle, die er an geführt habe und die er an einer Reihe von weiteren Beispielen noch illustrieren könnte, zeigten, daß hier noch viel Arbeit sür die Regierung sei. Wenn der Hr. Minister das Wort wahr machen »volle, müßte er dafür sorgen, daß auf diesen» Gebiete solche Tinge, wie sic hier vorgckommen seien und jeden Tag vorkämcn, nicht »»'eiter passierten. Es habe nach allem aber den Anschein, als ob dieses Vorgehen der Regierung von oben herein gedeckt, vielleicht sogar gewollt werde. ES sei kaum ein Zweifel, daß die sächsische Regierung in der Handhabung des Belagerungszustands g»»t alldeutsch denke, d. h. die Handhabung des Belagerun s- zustands werde voi» ihr nach einer ganz bestimmten Richtung tun ausgcübt, um eine ganz bestimmte Richtung im politischen Leben zu unterdrücken und die andere gewissermaßen zu bevorteilcn Es sei dann weiter hinzuwcisen aus eine Petition — und damit komme er aus die Zustände in der Presse — des Landes verbands der sächsischen Presse, in der darauf hingewiesen worocn sei, daß die politische Zensur immer »»'eiteren Umfang genommen und sich namcnllich in jüngster Zeit auch aus wirtschaftliche Fragen (z. B. Lebcnsmcktclfragc) erstreckt habe. Seit der Zeck, wo die Petition cmgercicht worden sei, hätten sich die Tinge nicht ge bessert, sondern eher verschlechtert. Er erinnere auch au d:c Ein gabe dreier namhastcr Leipziger Bcrlagsfirmcii, in denen übcr die Tinge geklagt werde, wie sie sich während der Kricgszeit gegenüber der Presse unter der Herrschaft des Belagerungszustands entwickelt hätten. Das Leipziger Gcncralloülinando ha.c das oben erwähnte Versprechen des Reichskanzlers glatt ignoriert, indem cs in einer Vcrsüguug ausgesprochen habe, die Ausdehnung der Zensur auf politische und wirtschastliche Fragen sei anch weiter notig und zwar deshalb, »veil sich die politischen Angelegenheiten in sehr vielen Fällen sehr schwer voi» den mckitärüchen trennen ließen. Tas möge ja bis zu einem gewissen Grade richtig jein. Wen»» cs aber richtig sei, dann bleibe kein anderer Schluß »ibrig als der: die ganze Zensur müsse überhaupt aufgehoben »verden. Es heiße weiter in einer Auslassung desselben General kommandos: „Daß die Zensurvorschristcn verschieden gehandhabt »verden, mag zum Teil an den llnterorganen liegen," — und daS sei charakteristisch, »vas jetzt komme — „denen allerdings manchmal die crsordcrliche Sachkenntnis abgeht." Ein schlechteres Zeugnis könne »na,» eigentlich den Behörden, die den Belage rungszustand durchzusühren hätten, vor allen Dingen der Zensur, nicht ausstcllen. Redner komm» dann auch auf die Frage der Zensierung der Berichterstattung übcr die Parlamcntsvcrhand- lungen zu sprechen, die ja auch einmal den Landtag beschäftigt habe. Auch vor den Parlamentsberichtcn fchrccke die Zenjur nicht zurück. Jedeusalls gingen die Verordnungen der Zcnfur- behördcn gegen die Presfe ins Unendliche und er könne nicht alles Vorträgen. Wenn auf der einen Seite so der Presse in ge wisser Beziehung starke Beschränkungen auferlegt seien, so sehe man auf der andere»» Seite» daß manchmal doch die Zcnfurbchörden sehr loyal verfahren könnten, wenn es sich um Dinge handle, die, wie es offenbar scheine, ihren Beifall fänden nnd die in ihren» Interesse gelegen seien. Redner führt hierfür einen Fall aus den Dresdner Werkstätten des Arsenal- an. Besonder» gegen ein Blatt in Sachsen richte sich tue ganze Schärfe der Zcnsurbehörde, das sei die „Leipziger VolkSze tung." Wenn man wüßte, »vie dieses Blatt seit Monaten, feit langer Zeit in der unerhörtesten Weise drangsaliert werde, wie alles darauf angelegt zu sein scheine, dieses Platt überhaupt unmöglich zu machen, dann »vürde mm» wahrscheinlich ein eingehendes Bild von der ganzen Sachlage erhalten und die Meinung bekommen, daß so gegen ein Blatt, welcher Partcirichtung es auch sei, nicht ver- fahren werden dürfe. Um c» ganz allgemein auszudrücken, der „Leipziger Bolk.zcitung" sc» i» einer ganzen Reihe von Fällen durch eme gauze Reihe von ganz bestimmt speziell gegen sie ge- richtete» Verordnungen untersagt, was allen anderen Blätter» aller Parteirichtungcn erlaubt sei. Was in zehn anderen Blätter» Deutschlands gestände»» habe, die „Leipziger Volkszeitung" dürfe e» nicht bringen. Sei denn das nicht ganz offenbar, daß cs sich hier um die niederträchtigste Schikane einem Blatte gegenüber handle, um nichts weiter? Warum? Nur des Charakters des Blatte- wegcn. Tie „Leipziger Volkszeitung" sei allerdings heute das be deutendste Organ der Unabhängigen deut'chcn sozialdemokratische!- Partei, und wäre es möglich, dieses Platt zu unterdrücken, dann wäre natürlich der Unabhängigen sozialdemokratische»» Partei ihr wichtigstes Publikationsorgan genommen. Dar auf fchieuei» alle diese Maßnahmen angelegt zu sein. Redner führt nun eine große Anzahl Verbote an, um zu zeigen, mit welchen Mittel»» die Zensur speziell diesem Blatte gegenüber arbeite. Er glaube, cs vergehe fast kein Tag, wo das Blatt nicht eine Verwarnung bekomme, die oftmals absolut unverständlich sei. Bei dieser Sachlage könne man wohl, was die „Leipziger Volkszeitung" speziell anbclange, voi» einem Ausnahmegesetz schlimmster Art reden. Hier herrsche die roheste Willkür und Militärdiktatur. Daß man die Unhaltbarleit dieses Zustande- fühle, ergebe fich ans den Erklärungen, die »viederholt im Reichs tag von der Regierung und von anderen Stellen abgegeben »vorden seien. Daß diese Erklärungen entgegenkommender Art, aber mit der Praxis in» schärfsten Widerspruche ständen, glaube et an diesen verhältnismäßig wcuigen Fälle»» gezeigt zu haben. Wenn man heute soviel von Neuordnung spreche und unter politischer Nenordnniig der» politische»» Fortschritt und die politische Freiheit verstehe, so müsse er immer wieder sagen: Die erste Vorausjetzung dazu sei die Aushebung des Belagerungszustandes, die Aufhebung der jetzt der Presse und vor alle»» Dingen auch dem Vereins- und Vcrsammlmigswcsc» gegenüber bestehenden Verhältnisse. Solange diese Verhältnisse weiter beständen, sei in der gegenwärtigen Kriegszeit die Neuordnung nichts mehr als wie eine Phrase. Man sehe also, daß tatsächlich besonders die Oppo sition unter diesen Verhältnissen auf dar allerschwcrste ;»leiden habe, lind sie wünschten also durch die Interpellation zu erfahren, ob die sächsische Regierung nach alledein diese»» Dingen weiter ruhig zusehcn wolle, oder ob sie nicht irgendetwas tun »volle, soweit sie oas imstande sei, daß ein etwas freierer Spielraum auf diesem Gebiete eintrcte. Daß die sächsische Regierung den Belagerungs zustand nicht oushebcn könne, wisse er. Er verlange aber von ihr, daß sie, sowcit sic das imsrande sei, dafür sorge, daß sich der jetzige Zustand nicht noch verschlimmere. Wenn man wirklich nach außen h n dokumentieren wolle, daß Teutschland nicht das reaktionäre Laud sei, als das cs immer hingestellt werde, dann müsse man dafür sorgen, daß die Verhältnisse sich nicht in der Weise weitercntwickeltcn, »vie sie sich bisher entwickelt hätt»n. Er er suche also die Regierung um Auskunft, wie fie über diese Tinge denke. (Bravo! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Vizepräsident Fraßdorf: Ter Vorredner habe mit Bezug auf die Anwendung der Presse- und Versammlungsfreiheit den au-führenden Beborden brutale Vergewaltigung vorgeworsen. Nach Z 27 der Lgndtags- ordnung sei das unzulässig und cr rufe ihn deshalb zur OrstUUNg- Tas Wort zur Beantwortung der Interpellation erhält Regier»mgskommiyar Ministerialdirektor Geh. Rat I9r. Koch (nach den stenographischen Niederschriften): Meine sehr geehrten Herren! Tas Ministerium des Innern hat »"ich zur Bcantivortung der Interpellation bereit erklärt, ob »vohl es eine Verantwortung für die Handhabung des Bereins- und Versammlungsrechts sowie des Presicrechts unter dem gegen wärtigen gesetzlich.» Zustande nicht trägt Wie bekannt, ist die gcamtc vollziehende Gewalt nach § 4 des Gesetze? übcr den Be lagerungszustand auf die stellvertretenden Gcncralkom» andoS übcrgegangcn. Insoweit demnach die Verwaltungsbehörden bei Ausübung des Versammlung?- und Presicrechts tätig werden, tun sie dies nur als beauftragte Organe der stellve'tretenden Generalkommando?, die sür ihre Anordnungen und deren Aus- sührung selbst verantwortlich sind. Tie Beantwortung der Interpellation kann sich demnach allenfalls nur d rauf richten, ob und inwieweit sich die Polizeibehörden bei der Handhab ng des Preise- und Versammln gsrcchtS innerhalb der sür sie maß gebenden Erlasse und Anordnungen der stellvertretende:» General- lommcrndos gehalten haben. M. H.! Tic König!. Staatsregicrung konnte sich zur Be antwortung der Interpellation nur unter der Bcd »gung bereit erklären, daß ihr die Herren Interpellanten vorher alle dic- jcnigcn Fälle schriftlich mcklciltcn, dnrch die sie ihre Behauptung i zu beweisen gedenken, daß in Sachse»» durch die Handhabung des Belagerungszustandes und der Zensur Versammlung?- und Preßfreiheit in unerhörter Weife cingeichräntt, vielfach so gut »vie aufgehoben sei. Hierauf hat der Hr Abgeordnete Flc ßncr dem Ministerium des Innern eine Anzahl Bcschwcrdefälle, welche die Handhabung des VcrsammlungSrcchtcs betreffen, schriftlich mitgcteckt. Bcschwcrdefälle, »velche die HanLhabunz des Preycrechts beträf-n, sind der Regierung von ihm nicht zur Kenntnis gebracht worden. Er darf sich des halb nicht wundern, »vcnn cr auf die von ibm in dieser Richtung vorgclrachtcn Fälle keine Antwort erhält, den»» das Ministerium kann über d.e Kla cn, die cr in seiner lebhaften Weise, usbcsvndcre über die Behandlung der „Leip ziger Volkszeitung" vorgebracht hat, »inb die sich offenbar gegen das zuständige Generalkommando richte»», aus eigener Wahr nehmung nichts berichten. Was nun die einzelnen Fälle bei»»» Versammlungsrccht an- belangt, auf die ich zu meinem Bedauern etwas ausführlicher cinzugchen genötigt bin, fo will ich eine Bemerkung voraus schicken. Ich wiederhole, daß das Ministerium des Innen» mit diese» Fällen nicht befaßt gcwescn ist. Es hat also keine Gelegenheit gehabt, an seinen» Teile zu den einzelnen Falle»» Stellung z» nehmen. ES ist nun auch nicht seine Ausgabe, etwa voi» einer jeden Maßnahme, die in einem solche» Falle durch eine Behörde im Lande getroffen ist, unter allen Umstünden bciveiscn zu wollen, daß das, was geschehen ist, richtig, zweckmäßig und notwendig »var. Tarum kann eS sich nicht handeln. Selbstverständlich »verden, »vie auf allen Gebieten, fo auch auf den» Gebiete dc- Vereins- und VcrjammlungsrcchtcS, zuzeiten Mißgriffe Vorkommen, und selbstverständlich wird auf der einen Seite vielleicht übertriebene Gewissenhaftigkeit eine» Beaintcn und auf der anderen Leite »rangelnde Umsicht zuweilen zu Entscheidungen fübrcn, d c recht fertigen zu »vollen nicht Sache der obersten Landcsbehörde sein kann, uin fo »vcniger, wenn ihr sclbst in diesem Falle die Ko gnition gar nicht zustand. Ich komme nun z» den» an erster Stelle erwähnte»» Leip ziger Falle. Das Polizeiamt hat am ist. Tczembcr 1916 dem die Ver sammlung Anmcldendcn einen Bescheid zugcstellt, und zwar wurde ihm darin die für Freitag, de» 22. d. M., mit der Tages ordnung „Volk und Frieden" abends S Uhr im Zookogijchcn Garten zu Leipzig angefcrte und angezcigtc öffentliche politifch« Berfammlung mit Rückficht auf die Störung der öffent lichen Ordnung, die am 9. und 16. März diese- Jahre- nach Schluß dcr gleichfalls dort abgehaltenen Berfammlung mit ähnlichen Tagesordnungen vorgcsallen war, untersagt.
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