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Naunhofer Nachrichten : 07.09.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-09-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787848183-190409074
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787848183-19040907
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787848183-19040907
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungNaunhofer Nachrichten
- Jahr1904
- Monat1904-09
- Tag1904-09-07
- Monat1904-09
- Jahr1904
- Titel
- Naunhofer Nachrichten : 07.09.1904
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— Eine neue Enthüllung des „Vorwärts". Wie der „Vorwärts" mit« teilt, werden auf Grund einer Verordnung des Ministers des Innern arme Russen, die Deutschland passieren wollen, um in« Ausland zu reisen, durch Agenten des Norddeutschen Lloyd und der Hamburg-Amerika-Linie auf dem Berliner Lehrter Bahnhof bei Androhung der Auslieferung an Rußland so lange fest gehalten, bis sie Zwischendeck^plätze nach Amerika nehmen, auch wenn sie nicht dahin wollen. Wenn sie einen ordnungsmäßigen Paß haben, d. h. wenn sie ohne Gefahr nach Rußland zurückkehren, müssen sie doch Schiffs karten bis London lösen. — Der „Köln. Volksztg." zufolge haben der westdeutsche Spinnerverband, die Vereinigung sächsischer Spinnereibesitzer, der süddeutsche Spinnnoeiband und das Syndikat der elsässischen Baumwollspinncr gegenüber den auf den deutschen Markt gebrachten russischen Baumwollgarnmengen das Ueber einkommen getroffen, Sie gleiche Menge deutscher Garne nach Rußlano auszuführen. — Als „Zeichen der Zeit" meldet die „Natl. Kocresp.": In Worms wird die Gewährung des Festhaustheatersaales an den Evangelischen Bund untersagt, während dieser Saal seinerzeit den Katholiken zur Abhaltung der Papstfeier ohne weiteres überlassen wurde. — Die schnellste Fahrt von Ham burg nach Amerika hat der deutsche Schnelldampfer „Kaiser WilhelmII." gemacht. Gr überholte leinen Schnelligkeits-Rekord für die westliche Fahrt; er brauchte nur 5 Tage 12 Stunden 44 Minuten. — Berlin. Die schon früher und in den letzten Tagen abermals durch die Blätter gegangenen Angaben über eine bevorstehende Abberufung des Gouverneurs für Südweft« afrika Oberst Leutwein und über seine Er setzung durch den Generalkonsul in Kapstadt v. Lindequist entbehren offiziösen Mitteilungen zufolge jeder Begründung. — Halle. Ueber Weißenfels ging Sonnabend abend ein Wolkenbruch nieder, der weite Flächen überschwemmte. In den Straßen stand teilweise das Wasser über einen Meter hoch. — Altona. Gestern fand bei den Majestäten Tafel für die Provinz Schleswig- Holstein statt. Bet der Tafel im Kaisechof brachte der Oberpräsident, Freiherr von WtlmowSki, einen Trinkipruch auf die Majestäten aus. Der Kaster ewiderte mit einer Ansprache, die mit einem Hurra auf die Kaiserin und die Provinz Schleswig- Holstein schloß. Gegen Ende der Tafel teilte der Kaiser die Verlobung des Kronprinzen mit der Herzogin Cäcilie von Mecklenburg- Schwerin mit. — Die Worte des Kaisers wurden mit großem Jubel und Hochrufen ausgenommen. — Geldbeiträge der Kriegervereine für Südwestafrika. Für dre durch den Hereroaufstano geschädigten Mitglieder der Kriegervereine in Südivestasrika Haven die deutschen Kriegervereine 56 370 Mark zu- sammengebracht. Die Summe wird aus reichen in Verbindung mit anderen Beiträgen und den Reichsmitteln, dm materiellen Schaden zu decken. Ein kleiner B-nrag bleibt noch für die Liebesgaben an die Truppen in Süd westafrika übrig. — Ankauf von Kriegshunden für Japan. Die japanische Regierung hat, wie den „Hamburger Nachrichten" aus Berlin gemeldet wird, in den letzten Tagen bei der Hundezüchterei in Zara eine große Zahl Kriegshunde aufgekauft. Die Käufe wurden durch den Generalmajor z. D. Merker, den früheren Instrukteur der japanischen Armee, vermittelt.— Aus Stadt und Land. Naunhof, den 6. September 1904 Naunhof. Aus Anlaß des Ernte dankfestes hatte am Sonntag der Altar platz in unserer Kirche ein recht sinnig fest liches Gewand angelegt. Oben am Altar prankte ein schöner Erntekranz, rechts und links die Garben mit vollen Aehren. Das Taufbecken war voll blühender Blumen, während zu Füßen desselben alle Feld- und Gartenfrüchte in sinniger Weise ausgebreitet waren. Das Gotteshaus war voll Besucher und andächtig lauschte man der schönen Fest predigt. Als sine besondere Zugabe führte der Kirchenchor unter Leitung des Herrn Kantor Späntch die wundervolle Motette „Lobet den Herrn denn er ist sehr freundlich" auf, was dem ganzen Gottes dienst einen besonderen weihevollen Anstrich verlieh. Naunhof. E n interessantes Schauspiel kann man fast täglich bei unS am Markt beobachten. Hunderte von Schwalben halten schon m aller Frühe ihre Beratungen ab, wie und in welcher Weise die große Reise nach dem fernen Süden wohl anzutretcn ist. Alle Telephonieitungen, die Brüstung des RathauieS ist besetzt. Das liebliche Schwälbchen in seinem schwarzen Gewand mit der weißen Brust bietet ein farbenreiches Bild, für den Maler wie geschaffen. Mögen Sie wohlbe halten zum Frühjahr wiederkehren und uns den Frühling verkünden. Naunhof. Nächsten Donnerstag, den 8. Septbr., findet hier Gerichtstag statt. -f- Am Donnerstag ist in verschiedenen Gegenden Sachsens, namentlich in den Elb« gegenden, ausgiebiger Regen niedergegangen. Die Elbe ist daher im Wachsen begriffen, und mit freudigen Gefühlen wird das lang same Ansteigen des ElbwasserspiegelS seitens der Elbanwohner und der Schifferbevölkerung begrüßt. Man hofft bald auf eine Wieder aufnahme des Verkehrs durch die Personen dampfschiffe. f Manöver-Soldatenbriefe Mili täramtlich wird erneut darauf hingewiesen, bei der Adressierung der Soldatenbriese genau zu verfahren. Da die Manöver-Standquartiere fast jeden Tag wechseln, so empfiehlt es sich, am Schluß der Adresse nur zu setzen: „Zur Zeit im Manöver", denn nur dadurch kann die Bestellung der Sendung ermöglicht werden. Die mit dem Sortieren der Soldatenbriefe betrauten Beamten der Postanstalten haben die genaue Manöoerdislokation und können, wenn der Zusatz „Im Manöver" vorhanden ist, die Sendung direkt nach dem jeweiligen Standort des TcuppenstabeS dirigieren. Wenn jedoch irgend ein Ort angegeben ist, so muß die Sendung dorthin expediert werden. Oft mals ist die Truppe von dort aber schon wieder abgerückt, oder kaS Quartier wurde plötzlich geändert; in solchen Fällen hat die Sendung manche Irrfahrt zu bestehen und kommt verspätet in die Hände des Adressaten. Eine amtliche Schätzung des Ertrages der Welt-Ernte in diesem Jahre wird veröffentlicht. Das Gesamtergebnis wird geschätzt an Weizen auf 844 Millionen Doppelzentner, Roggen 345, Gerste 291, Hafer 488, Mais 806 Millionen Doppel zentner. Der Minderertrag der europäischen Ernte beträgt 14,2; er wird aber durch eine Mehrproduktion der überseeischen Staaten zum Teil ausgeglichen. Das Wclterträgnis an Getreide ist um 5 Prozent geringer; der Ausfall findet jedoch in den Vorräten seine Deckung. Futtermangel herrscht in ganz Europa. Die Ernte Deutschlands wird an« genommen in Millionen Doppelzentnern an Weizen 33»/,, Roggen 88, Gerste 29»/,, Hafer 64»/,. Grimma. Donnerstag vormittag kam ein 2spänniges, mit Kohlen beladenes Geschirr des roten Vorwerks die Magazinstraße her- aufgefahren. An der Steigung der Straße neben dem Gottesacker vermochten die Pferde die Last kaum zu ziehen. Angespornt durch die Peitsche, setzten sie ihre äußerste Kraft ein. Plötzlich jedoch stürzte während einer Ruhepause eines der Pferde nieder und ver endete, da die Ueberanstrengung jedenfalls zu einer innerlichen Zerreißung geführt hatte. Die ehema!igen Distriktsärzte der Leipziger Ortskrankenkasse waren, wie schon früher mitgeteilt, wegen Verletzung der ärztlichen StandeSordnung ongeklagt worden. Die Ver letzung wurde darin gefunden, daß sie Mit glieder des SanitätSvereinS (Angehörige von Ortskrankenkaffenmitgliedern) ärztlich be handelt hatten, obwohl die beiden ärztlichen Bezirksvereine unter den obwaltenden Ver hältnissen eine solche Behandlung für standes« unwürdig erklärt hatten. Vom Ehrenrate des ärztlichen Bezirksvereins Leipzig-Land sind nunmehr die angeklagten Aerzte zu der höchsten nach der Standesordnung zulässigen Strafe, nämlich zu je 1500 Mk. Geldstrafe sowie Verlust des Wahlrechtes und der Wähl barkeit auf die Dauer von fünf Jahren ver urteilt worden. Von den Distriktsärzten dürfte Berufung an den Ehrengerichtshof ein gelegt werden. Herr Rudolf Witzgall, städtischer Turnlehrer in Leipzig, hat sein Amt als KreiSturnwart im Kreise Sachsen freiwillig ntedergelegt. Die Gauturnwarte des TurnkreiseS Sachsen sind somit vor die Notwendigkeit gestellt, in ihrer nächsten Versammlung zwei neue Kreisturn, w^rte zu wählen, da bekanntlich der frühere erste KreiSturnwart Herr Seminar-Oberlehrer Fickenwirth-DreSden-Plauen an Stelle des Herrn Direktors W. Bier-Dresden zum ersten Kreisvertreter gewählt wurde. Taucha. Die alte Klage über die ge ringe Teilnahme an den Gewerbekammer, mahlen hat sich auch hier als leider nur zu berichtigt erwiesen. Bei der Wahl der Ur wähler zur Gewerbekammer wurden im Ganzen vier Stimmen abgegeben, und zwar von den Handwerkern; von den HandeiSge- werbetreibenden, die ebenfalls einen Urwähler zu wählen hatten, wurde überhaupt keine Stimme abgegeben. Dabei umfaßt der Wahl bezirk nicht nur die Stadt Taucha, sondern auch noch den größten Teil des Amtsbezirks Taucha. Geithain. Auf unserem Bahnhofe sind probeweise zwei neue Lampen in Gebrauch, deren Licht durch den Hellen, weithinleuchten den Schein Aufmerksamkeit erregt. Es ist ein Petroleum-Glühlicht, das den Namen „KeroS" führt. Dos Petroleum befindet sich in einem Behälter in der Erde und »ird durch den Druck einer über demselben ruhenden Kohlen- säure-Patrone in einem dünnen Drahtrohr der auf hoher Stange befindlichen Lampe zugeführt. Das Licht ist ein so intensives, daß man noch in einer Entfernung von 40 w ein Zeitungsblatt zu lesen vermag. Auf Bahnhof Narsdorf werden ebenfalls derartige Lampen aufgestellt. Am Sonnabend Abend explodierte auf dem Ottoschachte der „FriedenSgrube" in Meuselwitz ein großer Dampfkessel, der das Kesselhaus und den 40 Meter hohen Schornstein zertrümmerte und den Feuermann Hempel begrub. Ferner wurden Preßmeister Hiller und die Arbeiter Fleischer und Müller erheblich, doch nicht lebensgefährlich verletzt. Die Keffelteile, Stücke im Gewicht von etwa 30 Zentner, liegen über 100 Meter entfernt ringsum auf den Feldern. Die Mauersteine liegen 500 Meter weit im Umkreise zerstreut auf der Landstraße und den Feldern. Da» Feuer zerstörte die ganze Anlage bis auf einen kleinen Teil der Brikettfabrik. Tausende wandern auf die Unglücksstelle, um sich von der furchtbaren Gewalt der Explosion zu überzeugen. Feuermann Hewpel wurde bi» Sonntag früh noch nicht gefunden, trotzdem ununterbrochen nach seiner Leiche gesucht wird. Die große Dampfeffe ist tingestürzt. 3 Mann werden vermißt. Der Schaden ist durch Ver sicherung gedeckt. Nossen. Ein 9jähriges Mädchen spielte in Raußlitz mit noch anderen Kindern auf der Friedhofsmauer und fiel dabei in den Friedhof auf die äußere Umzäunung einer Gruft, daß ihm eine Spitze tu die Brust drang und eine andere den Arm verletzte. Die anderen Kinder liefen erschrocken davon und die Verunglückte mußte sich unter heftigen Schmerzen selbst befreien. Schwerverletzt unter großem Blutverlust schleppte sich das Kind nach Hause. Dresden. Ein 100 jähriger Greis ist hier gestorben, und zwar Herr PrivatuS Traugott Neumann. Er wurde am 4. März 1804 bei Görlitz geboren. Seit langen Jahren wohnte er hier in der PöhrhofSgasie. Plauen i. B. Hier findet am 21. September der zweite Zucht-und Zugttermarkt für Bullen, Kühe, Kalben und Zugochsen Vogtländer und Simmenthaler Rasse und Kreuzungen statt. Prämiiert werden nur selbstgezogene Tiere. Zwickau. Wegen 25 Pfennigen vor das Geschworenengericht verwiesen wurde der Fabrikarbeiter Emil Friedrich aus Zschorlau, der angeklagt war, im Mat seine vom Ge meindevorstand in Zschorlau auf 1903 aus gestellte Radfahrerkarte insofern gefälscht zu haben, als er die Jahreszahl 1903 in „1904" abänderte. Das Gericht nahm an, daß er dies getan habe, um die 25 Pfennige für eine neue Radfahrerkarte zu sparen, sich als» einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, währeud die Anklage davon aus ging, daß Friedrich nur die Unannehmlichkeit der Ausstellung einer neuen Karte habe ver meiden wollen. Nach der Ansicht der 1. Ferienstraskammer des hiesigen Landgerichts liegt jedoch „Verbrechen" gegen § 268 des Strafgesetzbuchs vor, das vor das Geschworenen gericht gehört. Die Stadtverwaltung von Reichenbach bat in Dresden um Verlegung der vogt ländischen Manöver. Sie könne kaum für Karls Köpfe. Roman von B. Corony. 18 Hertha verwahrte immer eine schöne Frucht, eine seltene De likatesse oder ein hübsches Bildchen für den Vetter und gab es ihm freundlich, aber doch mit der Miene einer kleinen Königin, die Gnaden austeilt und er, der mit der Laubsäge umzugehen wußte, hatte auch oft einen zierlichen, selbstgefertigten Gegen stand zu schenken, den er mit kindlichem Stolz aus dem Pa- Pier wickelte und nach allen Seiten drehte, um ihn auch ge bührend bewundern zu lassen. „Warum kommst Du nicht zu uns? Da könnte ich Dir das große Vogelhaus und die jungen Jagdhunde und den zahmen Papagei zeigen," sagte Hertha eines Abends. Bruno erwiderte: „Das würde mein Vater nicht leiden." „Warum denn?" „Weil er böse auf den Deinigen ist." „Du darfst ja auch nicht auf den Brunnenhof und da giebt's ebenfalls genug zu sehen; ein schneeweißes Füllen und ein klei nes Reh, das aus der Hand sxißt." Sie nickte betrübt. Erst neulich war ihr die Erlaubnis zur Besichtigung der beiden Tiere entschieden verweigert worden. Im Grunde begriffen die Spielgenossen kaum, warum sie nicht ganz offen und vor allen Augen miteinander durchs Grüne schweifen oder sich besuchen durften. Waren sie doch Vetter und Base und also beinahe Bruder und Schwester. Herr von Walden wollte später überhaupt nicht mehr dul den, daß seine Tochter mit dem Buben vom Brunnenhof ver kehre und da Mehring ein gleiches Verbot erließ, mußten die unschuldigen Spiele der beiden aufhören. Döm Herbst folgte ein ungewöhnlich früher Winter. Bald lag das Gärtchen unter hoher Schneeschicht begraben und der Bach war so fest gefroren, daß die Schuljugend ihre Geschick lichkeit im Schlittschuhlaufen erproben konnte. Als Eis und Schnee schmolzen und die warme Lenzessonne tausend zarte Keime wach küßte, waren die wenig gepflegten Blumen erfroren, aber die kleine Tanne setzte neue Triebe an und wurde im Verlaufe des Sommers um ein tüchtiges Stück höher. Sie gedieh ersichtlich von Jahr zu Jahr uud versprach ein sehr stattlicher Baum zu werden. Gleich ihr wuchsen die Kinder heran, doch war ihnen jede Annäherung verboten, da die Feindschaft zwischen den Besitzern vom Brunnenhof und von Prosnitz fortdauerte. Mehrings älterer Sohn kam, als er das richtige Alter er reicht hatte, auf eine höhere Schule in einer benachbarten Stadt, um sich auf das Studium der Landwirtschaft vorzubereiten, schlich jedoch am Abend vor der Abreise noch heimlich in den Wald, rammte ein von seinem ersparten Taschengeld gekau ftes Holzbänkchen Hebender Tanne ein und legte einen Blumen strauß darauf. Während der Ferien besuchte Bruno immer die Eltern und begrüßte dann, freilich nur heimlich, auch Hertha, die ihren ein stigen Spielgenvssen nicht vergessen zu haben schien, sondern stets lächelnd den Kopf nach ihm umwandte. Ehe man sich's versah, war aus dem Knaben ein hoch auf geschossener junger Mensch und aus Waldens Töchterchen ein bildschönes, aus der Grenze zwischen Kind und Jungfrau ste hendes Mädchen geworden. Arno, zart und schmächtig geblieben, eine interessante, ganz fremdländisch aussehende Erscheinung, begann den Frieden des elterlichen Hauses zu stören. Auf Katharinas Fürbitte hin war ihm seit einem Jahre erlaubt worden, wöchentlich zweimal nach dem nahen G. zu fahren und dort Unterricht im Zeichnen und Malen zu nehmen. Jetzt, wo er in die Anstalt sollte, die Bruno besuchte, gab es eine böse Scene. Arno erklärte, nicht Landwirt, sondern Künstler werden zu wollen. „Unsiim, Unsinn, da wird nichts draus. Zu solchen Albern heiten geb ich meine Zustimmung nicht," erklärte Mehring barsch und entschieden. „Der Beruf Deines Vaters und Großvaters wird für Dich wohl auch noch gut genug sein. Aus dem Bo den ist Gold zu graben und der Landwirt braucht vor nie mand zu kriechen und den Rücken zu biegen. Er ist und bleibt ein freier Mensch und hat's nicht nötig, um Gunst und Beifall zu buhlen. Auf sich selbst und seine Arbeitskraft gestützt, erreicht er viel." „Das Talent erreicht noch mehr." „Oder stößt sich die Flügel lahm an allen Ecken und Enden. Der eine und der andere kommt in die Höhe, während es so und so viele zn gar nichts bringen. Verbummelte Existenzen giebt's genug, auch ohne Dich." „Ich lasse mich zu nichts zwingen!" preßte er hervor. In seinen dunklen Augen blitzte eL leidenschaftlich aus. „Du thust, was ich will!" „Nein!" „Du thust es, oder. . Katharinas Gestalt drängte sich zwischen die beiden. „Geh aus Dein Zimmer!" herrschte sie dem Sohn zu. Zögernd und widerwillig gehorchte er. „Ich will Dir was sagen, Paul," fuhr sie nun fort, sich zu Mehring wendend, „das Schreien und Poltern macht nichts bes ser. Der Junge muß einmal hier heraus und unter andere Men- scheu, die ihm den Kopf zurechtsetzen und denen er vielleicht mehr Verstand zutraut, wie uns beiden." „Wär' ja noch schöner, wenn er das thäte!" brauste der Gutsbesitzer aus. „Ich mein' nur, eben Fremde richten oft mehr aus, wie die eigenen Eltern, und da denk ich mir so .. „Wie denn?" „Der Rechtsanwalt Prosper wär' der rechte Mann, ein vcr- nünftiges Wort zu sprechen." „Hm!" machte Mehring und stützte nachdenklich den Kopf in die Hand. Fast alljährlich brachten die Söhne des Advokaten einige Wo chen auf dein Brunnenhof zu. Dafür mußten die des Gutsbe sitzers dann Prospers Gäste sein. Gerade jetzt lag wieder eine sehr liebenswürdige Einladung vor. Was nun Bruno betraf, so konnte vorläufig kein Gebrauch davon gemacht werden, aber Arno, ja, da gab Katharina vielleicht einen recht beachtenswer- ten Rat. Des erfahrenen, im Mittelpunkt tonangebender Kreise stehen- den Mannes eindringliche Beredsamkeit brachte möglicherweise mehr zu stände, als alles Poltern und das strengste Verbot. Sofort schrieb Mebring an seinen Freund, erklärte ihm die ganze Sachlage, von dem Standpunkt aus, den er nun einmal dazu einnahm, und brauchte nicht lange auf Antwort zu warten. „Schicken Sie Ihren Arno," schrieb der Rechtsanwalt. „Er soll wie unser eigenes Kind empfangen werden und wenn er sich wirklich thörichte Ideen in den Kopf gesetzt hat, so hoffe ich, sie ihm ausreden zu können." 110,20 Am nächsten Tage reiste der junge Mensck ab, etwas sorg- sältig und heimlich Verpacktes zu unterst in oen kleinen Koffer legend. Der Abschied von den Eltern war kühl und befangen.
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