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Naunhofer Nachrichten : 20.05.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787848183-190405200
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787848183-19040520
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787848183-19040520
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungNaunhofer Nachrichten
- Jahr1904
- Monat1904-05
- Tag1904-05-20
- Monat1904-05
- Jahr1904
- Titel
- Naunhofer Nachrichten : 20.05.1904
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Ja einer Hauptversammlung de» wÜrttembergischen Lande« - Verbandes deS deutsche« FlottO*V-eei«S führte Fürst Karl soa Urach aus: Deutschland müsse darauf htnarbetten, spätesten« bi» 1913 ein dritte- Poppelgeschwader seeklar zur Verfügung zu haben. Die Versammlung nahm dem „SchwSb. Merkur" -ufalge einstimmig den Antrag an, den Dresdner Beschlüssen auf eine Flottenvermehrung die volle Zustimmung zu erteilen. — Bischof Benzer von Metz, der Urheber de« Famccker Kirchhofbannes, wurde vom Kaiser, als dieser in Metz mellte, auf den Bahnhof berufen und hatte hier mit dem Monarchen im Fürsteuzimmer eine etwa 12 Minuten währende Unterredung, bei welcher nur der Statthalter Fürst Hohenlohe zugegen war. Noch dem Schluß der Unter redung trat der Kaiser aus dem Fürstenzimmer auf den Bahnsteig, wo das Gefolge solange gewartet hatte, während der Bischof das Fürsteuzimmer auf der anderen Seite verließ, ohne bei der Abfahrt de« Kaisers zugegen zu sein. DaS alle- läßt darauf schließen, daß die Unterredung eine sehr ernste war und vielleicht nicht gerade harmonisch endete. — Berlin. Der Plan der Errichtung einer päpstlichen Nuntiatur in Berlin ist, wie dem „B. T." aus Rom gemeldet wird, end gültig aufgegeben worden. Die Trauben waren zu sauer. — Köln. Der Straßenbahnerausstand in Krefeld ist zu Ungunsten der Ausständigen beendet. — Hamburg. Im Vorort Billwärder erschlug ein durch Gewittersturm umgerisscner Schornstein zwei Maschinisten. — Hannover. In dem Strafprozeß gegen die Verwaltungsmitglieder der in Kon kurs geratenen Hannoverschen L ande-bank. der jetzt vor dem hiesigen Landgericht verhandelt wird, wurde gestern auf Antrag des Stadts anwalt- wegen dringenden Verdachts der Bilanzfälschung und Bilanzverschleierung gegen den Hauptqngeklogten Arthur Schuman», den ehemaligen Direktor der Bank, ein Haftbefehl erlassen. — Die Großherzogin-Wttwe Pauline von Sachsen-Weimar ist im Eisenbahn zuge nahe der Station Orte in Italien einem Schlaganfall erlegen. — Weimar. Infolge Ablebens der Großherzogin-Witwe Pauline haben die meisten öffentlichen Gebäude halbmast geflaggt. Das grobherzogliche Hoftheater bleibt bis auf weiteres geschloffen. Der Großherzog und die Großherzogin, die sich zur Zeit in HeinrichSau in Schlesien aufhalten, kommen heute abend in Weimar an. Die Beisetzung findet voraussichtlich Sonnabend vormittag in der Fürstengruft statt. — Das Leichenbegängnis Stanleys in der Westminsterabtei gestaltete sich zu einer großartigen Feierlichkeit. Der König und die Königin von England, sowie der König der Belgier hatten Vertreter geschickt. Eine aus- gewählte Trauerversammlung wohnte der Feierlichkeit bei und geleitete die Leiche zur Bestattung nach Plrbright. Aus Stadt und Land. Naunhof, den 19. Mai 1904 Naunhof. Wer heute seine Schritte nach dem Schützenplatz lenkt, der wird staunen, was dort tu kurzer Zeit geschafft wurde. Majestätisch erhebt sich der Rohbau der neueW Schütze uh alle, wo morgen Freitag da» Richtfest stattfinden soll. Der Bau ist der Zeit entsprechend groß und ge räumig angelegt und wird für manch größere« BolkHst auserwählt werden. Der Vorstand der Gesellschaft ladet demzufolge heute seine MitMder zu einem solennen Richtfest ein, zu welchem eine rege Beteiligung zu erwarten ist. -f- An beiden bevorstehenden Pfingstfeier- tagen wird an den Türen der evangelisch- lutherischen Kirchen hin und her im Lande wiederum für den allgemeinen Kirchen fonds gesammelt werben. Diese Stiftung hat bekanntlich den Zweck, den Interessen der evangelisch-lutherischen Kirche des Landes in solchen Fällen zu dienen, wo die erforderlichen Mittel au» StaatS-, Kirchgemeinde-, Kirchen- und anderen schon vorhandenen geeigneten Kassen und Fonds nicht oder nicht iu hin reichendem Maße beschafft werden können. Demgemäß werden die Mittel des allgemeinen Kirchenfonds, insbesondere bei der Teilung von Parochien und der Errichtung von neuen Parochien, bei der Begründung neuer kirch licher Aemter und dem Bau neuer Kirchen in Anspruch genommen, wenn Hilfe not ist. Wer die Entwickelung der kirchlichen Verhältnisse des Landes nur einigermaßen beobachtet hat, weiß, in welch überaus großem Maße diese Bedürfnisse gestiegen sind. Die zu ihrer Befriedigung gegebenen Mittel haben nicht Schritt halten können, um so dringender be darf der „allgemeine Kirchenfonds", der in der Lücke emtreten soll, der Stärkung. Möge die Pfinstgemeinde seine bittende Hand reichlich füllen in herzlichem Erbarmen mit dem Mangel evangelisch lutherischer Glaubens genossen im eigenen Lande. - ss- Ueber das Befinden der Frau Prinzess!« Joha«« Georg wird berichtet: Beim Wechsel des Verbandes, welcher bei der Frau Prinzessin Johann Georg gestern Morgen vorgenommen wurde, zeigte die Operation-wunde ein durchaus normales Aussehen und ist in voller Heilung begriffen. Da« Allgemeinbefinden ist gut. 1- Die sächsischen Ministerien haben bekanntlich die Kautionspflicht der Staats beamten aufgehoben und den Beamten die hinterlegten Kautionsgelder zurückgezahlt. Dieser Umstand hat dem Direktorium des sächsischen Beamtenvereins Veranlassung ge geben, an die Stadträte und Gemeinde verwaltungen Sachsens da« Ersuchen zu richten, auch ihrerseits die Kautionspfltcht der Gemetndebeamten aufzuheben. Viele Städte und Gemeinden sind dem Beispiele der Staatsregierung gefolgt, doch besteht immer noch in einer Anzahl von Gemeinden der KautlonSzwavg fort. Eine neue Landes Erziehungs anstalt für blinde und schwachsinnige Kinder wird in Chemnitz gebaut. Die Baukosten werden 3 405 000 Mick, die Ausstattungs kosten 553 000 Mark betragen. -j- Ein gutes Hasenjahr steht zu er warten, wenn nicht irgendwelche elementaren Ereignisse die Hoffnung zu schänden machen. Die jungen Feldhasen tummeln sich gegenwärtig in ganzen Gruppen auf den Fluren, ein sichere« Zeichen dafür, daß der für die ganze kommende Jagdsaison ausschlaggebendes Satz der Märzhasen wohl gediehen ist. In einem Artikel über den Stener- zettet heißt eß Lm .Vaterland*: „Die Steuerzettel sind aber auch eine dringende Mahnung an das gesamte Volk, mit seinen Ansprüche» und Wünschen an den Staat recht vorsichtig zu sein und möglichste Zurückhaltung auf allen Gebieten zu üben. Die vielfach geschmähte „Sparsucht" ist in Wahrheit nur weise Sparsamkeit. Wird sie nicht zum obersten Grundsätze in unserem Staatshaus halte erhoben, so kommen wir mit Natur notwendigkeit, um einem Ausspruch des ver storbenen badischen Finanzminister» Buchen berger zu wiederholen, nur tiefer in die Schulden und höher in die Steuern hinein. Daß der jetzige Zustand bei uns ein be friedigender wäre, wird wohl niemand behaupten. Ebensowenig wird wohl jemand den Mut haben, angesichts der den Steuer zahlern zugemuteten Opfer zu behaupten, daß diese noch erheblich steigerungsfähig seien. Man wird wohl allgemein dem Wunsche be gegnen, daß eü recht bald möglich sein möchte, wieder wenigstens zu den Steuersätzen zurück* zukehren, die vor Erlaß des Gesetzes vom 1.Juli1S02 maßgebend waren. Bekanntlich schreibt das erwähnte Gesetz, daß der neue Tarif mit Schluß des Jahres 1907außer Kraft und an seine Stelle wiederum der in § 12 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 24. Juli 1900 enthaltene, den 25prozent!gen Zuschlag nicht umfassende Tarif treten solle. Das Streben von Re gierung und Ständen ist offenbar darauf gerichtet, es zu ermöglichen, daß schon vor dem 1. Januar 1908 die Steuerermäßigung eintreten kann. Wir wollen wünschen und hoffen, daß eine derartige Entschließung schon im nächsten Landtage möglich ist. Die Voraussetzung hierfür ist aber zweifellos, daß Regierung und Stände in ihren Maßnahmen auf sparsame Finanzwirtschaft auch von dem ganzen Volke unterstützt werden. Nur so dürfte es möglich sein, schon vor dem 1. Jan. 1908 zu einer Gestaltung unserer finanziellen Verhältnisse zu gelangen, die eine Rückkehr zu den früheren Sätzen de» Einkommensteuer tarif« gestattet". -j- Vorsicht ist die Mutter des Weisheit. Wie vorsichtig ein Geschäfts mann bet der Ausführung telegraphischer Bestellungen verfahren muß, wenn er sich vor schwerem Schaden schützen will, zeigt ein in der juristischen Zeitschrift „Das Recht" veröffentlichte» Erkenntnis des Oberlandes gericht» Celle. Darnach hatte ein Käufer von 200 Zentnern Kohlen an den Verkäufer eine Depesche aufgegeben: „Sendet 200 Zentner Kohlen eiligst Köln". Der Tele- graphenbeomte hatte au» Versehen telegraphiert: „Sendet 200 Zentner Kohlen Eilgut Köln". Der Verkäufer sandte daraus die Kohle» mit Eilfracht. Der Käufer mußte 425 Mark Etlfracht zahlen, während die gewöhnliche Fracht nur 55 Mark gekostet hätte. Der Verkäufer mußte sich unter diesen Umständen sagen, daß die Depesche nicht richtig war, und durfte ohne vorherige Anfrage die Kohlen nicht mit Eilfracht senden. Der Schaden ist daher auf das fahr, lässige Verhalten des Verkäufers zurückzu- führen, und dieser deshalb ersatzpflichtig. Der Telegraphenbeamte kann für den Schaden nickt in Anspruch genommen werden. Leipzig. Verhaftet wurde gestern ein 19jähriger Schlosser au« Reudnitz, der in einer Fabrik in Plagwitz Stellung gefunden hatte. Er hatte au» dieser Fabrik Kupfer« und Nickelplatteu im Werst vsu etwa 3000 Mk. gestohlen und verkauft. Leipzig. Ueber die „Bahnhofs-Mission" wurden im hiesigen Gastwtrtsverein lebhafte Klagen laut. Es wurde behauptet, daß viel fach auf den Bahnhöfen ankommende junge Mädchen, die hier in Dienst gehen wollen und bereits Stellung angenommen haben, durch die Sendboten der Mission veranlaßt werden, Dienste in Gasthöfen rc. nicht anzu nehmen. Bei dem Mangel an Dienstboten in den großen Städten würden ganz besonder« die Gastwirte durch ein solches Vorgehen unangenehm getroffen. Leipzig. Die 7 Jahre alte Tochter de« BahnarbeUers Kolonko spielte im Hofe deS von ihren Eltern bewohnten Grundstück» mit Streichhölzern. Plötzlich stand das Kind in Flammen und die Kleider brannten vollständig herunter, ehe Hilfe herbeikam. Im Kinder- krankenhause, wohin die Kleine gebracht war, erlag sie den schweren Brandwunden — Die Rabitzputzer erreichten die neuen Lohnforder ungen. Sie erhalten 80 Pfg. Mindest- Stundenlohn, bei Arbeiten außerhalb Leipzigs freie Eisenbahnfahrt und 9 Mark Tagelohn. Auch ein junger Soldat aus Würze« hat bei dem Aufstand in Südwestasrika den Tod gefunden und zwar scheint er von den Hereros ermordet worden zu sein. Der Soldat Tietz, welcher voriges Jahr in Wurzen zum 2. Seebataillon in Wtlhelmsi Haven ausgehoben und im Herbst 1903 be- dieser Truppe eingetreten ist, wurde am 21. Januar mit dem ersten Transport zur Be kämpfung deS Aufstandes in Wilhelmshaven eingeschifft und hat an verschiedenen Kämpfen in Südwestasrika teilgenommen. Am Mon tag ging bei seinen Angehörigen vom 2. Seebataillon folgende Depesche ein: „Marine amt telegraphiert: Seesoldat Hermann Tietz seit 9. Mai bei Otjo vermißt. Brief folgt. Der am Dienstag von seinem Hauptmann eingegangene Brief, welcher den Beweis er- bringt, daß auch die Vorgesetzten ihre ge fallenen Soldaten aufrichtig betrauern, hat den Tod bestätigt. Tiey ist der einzige Sohn seiner noch lebenden Mutter, die leider seit Jahren gelähmt ist. Wermsdorf. Ein schreckliches Ver brechen wurde in der Nacht vom Sonntag zum Montag hier verübt. Die Kutschers ehefrau Marie Auguste Keßner tötete in Ab wesenheit ihres Mannes, der in der Anstalt Hubertusburg beschäftigt war, ihre beiden Mädchen. Dem älteren, 13 Jahre alten Kinde, wurde von der Mutter mit wuchtigen Schlägen auf deu Kopf, die mit einem schweren Gegenstände geführt worden sind, die Schädeldecke zertrümmert. Das Kind war sofort tot. Das zweite, 7jährtge Kind, fand man erstickt im Bettchen auf. Die Kinder haben wahrscheinlich geschlafen. Die Frau, die am Montag vormittag, also nach Verübung der Tat, ohne jede Spur von Er regung ihre Wohnung verlassen und die Hausbewohner noch gebeten hatte Acht auf ihre Kinder zu geben, trug sich nach der Tat ohne Zweifel mit Selbstmordgedanken. Sie lief zunächst an den Bahngelessen ent lang, ohne den Mut zu finden, sich über fahren zu lassen. Später fand man sie an den Ufern des Horstsees umherirren, wo nachmittags ihre Verhaftung erfolgte. Die Frau ist bis heute noch nicht vernehmungs- Ier kleine Doktor. Roman von W. Sartory. 1S „Se e» am End angefall wor, schämt sich awer, dat zu sage." „Wer weiß, dat arm Mädche!" „En Baron hat se genennt?" „Wer weiß," meinte die Liese wieder bedenklich. „Die feine Herre sein net grad die best." „Su'n Kerl sollt ich erwesche," murmelte wütend der Hannes und ballte die Fäuste. „Die Rebbe em Leif dät ich em kabutt schlan dem Lomp. EbeS stimmt net, dat iS sicher!" Mit verweinten Augen kam Emma aus dem Häuschen zurück und ging langsam den Zickzack-Weg hinunter. Den Hanne» und die Liese hatte sie nicht gesehen, diese folgten in einiger Entfer- nung. * * * Dem Baron von Stotzler war eS doch nicht ganz geheuer. Als er an den ersten Häusern der Stadt anlangte, blieb er ste hen und überlegte. Dr.Retlow hatte ibn mit dem Mädchen zuletzt gesehen, das konnte ihm gefährlich werden. Langsam wendete er sich um, den Weg zurück. Immer mehr beschleunigte er sein Tempo und als er oben auf der Höhe an gekommen war, mußte er zuerst noch eine gute Weile warten, vir er wieder zu Atem kam. Wie ein Verbrecher schlich er um das Häuschen herum, die kleine Anhöhe herauf, auf dem Rücken des Berges weiter. Da stand er an der Vertiefung. Emma war nicht mehr da. Hatte man sie schon gefunden? Eiskalt rieselte eS ihm über den Rücken, kalte Schweißtropfen traten auf seine Stirn. Wankend kehrte er nach dem Häuschen zurück und ließ sich schlaff auf die Bank fallen. Die Geschichte war ihm doch etwas mehr als nötig in die Knochen gefahren. Nicht, daß Emma tot sein sollte, das war ja besser für ihn und auch für sie. Aber daß er gerade gesehen werden mußte! Man würde ihn als Mörder verkästen und dann, wenn man ihn erst einmal hinter Schloß und Rregel hatte, dann war es um ihn geschehen, dann kamen auch seine anderen Sün den ans Tageslicht. Fort mußte er, weit weg! Möglichst bald! „Aber so ohne Geld? Nein! Dann lieber das letzte Mittel." Knirschend kamen diese Worte zwischen den fest zusammenge- biffenen Zähnen hervor. Etwas ruhiger stand der Baron von Stotzler auf und ging denselben Weg zurück, den er eben heraufgekommen war, den Weg direkt nach der Stadt, der etwas näher war, als der ver schlungene schattige Pfad an der Seite des Berges hinauf. * * * Dr. Retlow hatte eben seinen Morgenkaffee auf der Terrasse eingenommen und wollte sich auf sein Zimmer zum Arbeiten zu rückziehen, al» ihm der Portier einen Brief überreichte. Retlow sah erstaunt auf das Kuvert. Au» der Stadt mußte er sein, aber wer hatte ihm denn hier etwas Briefliches zu sa gen? Auf seinem Zimmer angekommen, nahm er den Brief wie der zum Vorschein und erbrach den Umschlag. „Werter Herr!" las er. „Entschuldigen Sie, daß ich Sie mit einer Bitte belästige, aber wenn Sie wüßten, daß für mich alles, Glück und Leben, auf dem Spiele steht, dann würden Sie nicht zögern. Ihnen hab' ich es zu verdanken, daß mir die Augen über den vermeintlichen Paul Lehnert geöffnet wurden. Ich bin das Spielzeug eines gewissenlosen Mannes gewesen! Wollen Sie die Güte haben, Herr Doktor, und mir eine Zusammenkunft be willigen? Ich erwarte Sie heute mittag um drei Uhr im Jo sephinental, auf der Bank oben, wo der Weg rechts zum Kreuz berg abgeht. Ihre ergebene Emma Borgau." „DaS arme Mädchen," murmelte Dr. Retlow vor sich hin. „Aber weiß der Kuckuck!" fuhr er wütend auf. „War finden die Mädel» denn nur liebenswertes an diesem blasierten Menschen!" Unruhig lief er im Zimmer auf und ab. Wenn er doch nur Irma von Hochheim die Augen öffnen könnte! Aber sie war ja blind geben seine Warnungen. Sie hielt eS für Eifersucht. Wenn sie auch rn» Verderben rannte? Der kleine Doktor faßte sich unwillkürlich an den Kopf. ES war ihm, als ob da drinnen etwas entzwei gesprungen wäre. Stöhnend sank er auf einen Stuhl zurück. Den ganzen Morgen rannte Retlow im Park herum, Irma zu finden. Aber all sein Suchen war vergebens. Auch den Ba ron bekam er nicht zu Gesicht. Erst nach dem gemeinschaftlichen Essen erschien Irma von Hochheim auf der Terrasse. Aber sie war nicht allein. Tante Gertrud war bei ihr, der sich noch einige ältere Damen angeschloffen hatten. Irma nickte ihm freundlich auf seinen Gruß zu. Dr. Retlow wartete auf eine günstige Gelegenheit; aber er wartete vergebens darauf. Am Nachmittag machte er sich auf den Weg nach dem nahen Josephinental. Er wußte nicht genau, wo die beschriebene Stelle war. Langsam, gedankenvoll schritt er das Tal hinauf bis zudem Wegweiser, welcher den Weg nach dem Kreuzberg rechts an- ' zeigte. Suchend blickte Dr. Retlow umher. Hier in der Nähe mußte doch die Bank sein. Etwas oberhalb von der Kreuzung bewegten sich die Büsche. Emma Borgau trat auf den Weg, sie hatte schon gewartet und den kleinen Doktor kommen hören. Ein flüchtiges Not huschte über ihr schönes, blasses Gesicht, als sie auf ihn zutrat und ihm wie dankend die Hand reichte. „Ich danke Ihnen, Herr Doktor, daß Sie sich die Mühe gegeben haben," sprach sie leise. Ihre Hand, die der Doktor unwillkürlich noch festhielt, zit terte vor innerer Erregung. „Bitte, Fräulein Borgau, wenn ich Ihnen einen Dienst er weis«, kann, soll es gerne geschehen." Dr. Retlow führte sie nach er Bank zurück. Eine Weile saß Emma schweigend nebeuihm, die Hände krampf haft ineinander geschlungen. Dann hob sie den feuchten, traurigen Blick zu ihm auf. „Viel ist eS nicht, was ich von Ihnen verlange, Herr Doktor. Sie sollen mir nur noch einmal sagen, ob ich ge stern recht verstanden habe. Der Herr, mit dem Sie mich sahen . . heißt.. Paul . . Lehnert?" „Nein Fräulein, eS ist Baron von Stotzler. Mit einem schweren Seufzer sank ihr Kopf gegen die Lehne der Bank zurück. Eine lange Zeit saß sie da und hielt die Augen geschlossen, um ihren Mund zuckte ein unterdrückter Schmerz und Dr. Retlow fühlte tiefes Mitleid mit dem arnien, verrate- nen Geschöpf. Ein unnennbarer Haß gegen den Baron quoll in seinem Herzen auf. „Vergessen Sie den Menschen," sprach er sanft. „Er ist nicht wert, daß ein Herz um ihn trauert." Emma sah ihn erst mit einem verständnislosen Blick an. „Vergessen?" kam eS gepreßt aus ihrer Brust. „Mein Gott! Könnt ich noch vergessen!" Der kleine Doktor verstand nicht recht den Sinn ihrer Worte. „Sie werden noch mit einem anderen glücklich werden." 1/1-,20
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