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Naunhofer Nachrichten : 24.01.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-01-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787848183-190901246
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787848183-19090124
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787848183-19090124
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungNaunhofer Nachrichten
- Jahr1909
- Monat1909-01
- Tag1909-01-24
- Monat1909-01
- Jahr1909
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- Naunhofer Nachrichten : 24.01.1909
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gung wird durch die Tatsache reichlich ausge wogen, daß nur auf diese» Wege einer einschneidenden wirtschaftlichen Maßnahme das tschechische Volk von der selbstmörderischen Torheit seines blind wütenden Kämpfet gegen alles Deutsche überzeugt werden kann. * Berlin. In Hofkreisen soll der Wunsch bestehen, in die neue Strafnovelle einige Be stimmungen aufzunehmen, die sich schärfer gegen die Sozialdemokratie kehren könnten. Fürst Bülow soll der Verwirklichung dieses Wunsches abgeneigt sein. * Berlin, 22. Jan. Für den gestrigen Vortrag des Staatssekretärs Dernburg in der Abteilung Berlin-Charlottenburg der Deutschen Kolonialgesellschast im Sitzungssaale des Reichs tages waren erschienen der Kaiser und die Kaiserin, Prinz und Prinzessin Heinrich von Preußen und Prinzessin Viktoria Luise. Auch eine Reihe Abgeordneter wohnte dem Vortrage bei. Der Vorsitzende der Abteilung Berlin- Charlottenburg der Deutschen Kolonialgesell schaft begrüßte die beiden Majestäten und betonte, daß das erstmalige Erscheinen de? Kaisers in einer Sitzung der Deutschen Kolo nialgesellschaft zeige, daß der Kaiser denWeg,den die Kolonialgesellschast beschritten habe, für den richtigen halte und daß dies für die Abteilung Berlin-Charlottenburg ein Ansporn sein werde, auf dem beschrittenen Wege weiter zu wandeln. Der Vorsitzende begrüßte sodann den Staats sekretär Dernburg, der hierauf seinen Vortrag Hult. * Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Hamburg wurden von der dortigen Bürger schaft 200 000 Mk. für NotstaudSarbeiten bewilligt. * Altana. Die städtischen Kollegien be willigten für die Erbauung einer Stamnniels 3 500 000 Mk., und zwar init der Herstellung einer Abfischanlage in Othmarschen. * Kobleuz. Daß dar Schloß Stolzensels an den Oberpräsidentcn v. Schorlemer-Lieser verkauft werde oder sei, wird bestritten. * Königsberg. Die Ostpreußische Land- »irtschaftSkammer beschloß die Beteiligung mit 150 000 Mark an der zu reformierenden Landgesellschaft. Damit ist der Kolonisations plan der Regierung weiter gefördert. * Karlsruhe. Bei dem Hofball im Schloß, dem ersten, der seit einigen Jahren abgehoben wurde,wurdeder Oberschloßhauptmann Kammer herr Wilhelm Offensandt v. Berkholtz vom Schlag getroffen und war auf der Stelle ton Der Großherzog hob den Ball sofort auf. Aus Stadt und Land. Naunhof, 23. Januar 1909. -ß Zur Wetterlage. Im Osten hat sich die Kältewelle auSqebreitet. Pinsk meldet — 15, Wilna — 13," Memel — 15, Riga — 16, Haparanda — 16, Petersburg — 8, Bromberg — 7, Krakau — 8 und Lemberg — 8 Grad. Das Maximum des Luftdruckes lagert im Osten und reicht bis weit nach dem Westen. Unter dem Einflüsse des Hochdruck gebietes ist bei uns Aufheiterung eingetreteu, die auch bei weiterem Rückgänge der Tempe ratur anhalten wird. — Vergangene Nacht wurden hier 9 Grad gezählt. — Naunhof. Vorüber ist nun der große Tag, der den langersehnten Maskenball der Schützengesellschaft brachte. Das Fest übertraf wohl noch die Erwartungen, die man auf dasselbe gesetzt hatte. Der große Stern saal mit feinen Nebenräumen war reich aus gestaltet. Er glich einem grünen Tannenhaine, dessen lauschige Plätzchen angenehmen Aufenthalt boten. Zwischen 7 und 8 Uhr sammelten sich nun die Festteilnehmer, und bald wogten die bunten Gestalten im Saale durcheinander. Man konnte insgesamt etwa 180-200 Marken zählen, immer eine schöner als die andere. Man hatte weder Kosten noch Zeit gespart, nur um das Beste, das Vorzüglichste zu bieten. Und es war alles aufs Prächtigste gelungen. Auch eine Gruppe Bänkelsänger hatte sichs nicht nehmen lassen, mit Musik und Gesang von weit her zum Feste zu erscheinen. Naunhof hat wohl noch nie ein solch glänzendes, buntes Gewimmel geschaut, wie an diesem Tage. Und als sich dann alle die Masken in bunter Reihe nach den Klängen der Musik dahinbe- wegten, leicht, elastisch und doch so still und fast lautlos, da war die Freude groß. Nur dann und wann verriet ein verstecktes Flüstern, ein heimliches Kichern, daß jemand seinen Nachbar, der gerade gedacht hatte, ganz un kenntlich zu sein, doch eben erkannt hatte. Nach der Polonaise und Demaskierung gabs allgemeines Erstaunen, große Begrüßung und Bewunderung. Nun gings ans Tanzen, und da wurde bis früh um 4 Uhr ganz außer ordentliches geleistet. Küche und Keller boten für Mund und Magen das Beste und wurden stark in Anspruch genommen. Endlich lichteten sich in der 5. Stunde früh die Reihen all mählich, aber die Letzten sollen doch erst bei Hellem Sonnenschein ihr Heim ausgesucht haben. Jedenfalls war das Fest einzig in seiner Art und muß entschieden zu den ganz außerordent lichen gezählt werden, wie sie in Naunhof selten gefeiert werden. — Naunhof. Nächsten Mittwoch, den 27. Januar, ist der Geburtstag Sr. Maj. des Kaisers. Wie in allen Ortschaften unseres gesamten Deutschen Vaterlandes, so wird er auch in unserm Naunhof festlich begangen werden. In unserer Schulturnhalle findet am Vormittag ein öffentlicher Fesiaklus statt, für welchen Herr Lehrer Meusel den Vortrag übernommen hat. — Naunhof. Vor dem Landgericht zu Leipzig wurde gestern gegen den früheren Gasmeister Herzer verhandelt, welcher sich, wie noch erinnerlich, Unterschlagungen im Amte zuschulden kommen ließ. H. erhielt zwei Monate Gefängnis, und dies auch nur wegen Urkunden fälschung. Der Beweis der Unterschlagung konnte nicht festgestellt werden. — Naunhof. Im großen S te rns a al, wo am Mittwoch das Maskenfest der Schützen stattgefunden hat, soll morgen Sonntag ein humoristisches „Bierfest" abgehalten werden. Die noch vorhandene Dekoration ist in eine oberbaprische Landschaft umgewandelt und da zu eine echte Tproler Sänger-Gesellschaft ge wonnen worden. Wir erwähnen dies deshalb, weil diese Gesellschaft schon früher in Naunhof war und durch ihre schönen Vorträge sehr gut gefallen hat. Es gibt alfo einen urfidelen Kneipabend. v Am 27. Januar, Kaisers Geburtstag, findet der Schalterdienst wie an Sonntagen statt, der Postbefürderung-dienst auf den Eisenbahnen und Landwegen wird dagegen wie Werktags »ahrgenommen. Die Briefkasten im Ortsbestellbezirke werden wie Werktags geleert. ch Beschwerden des Publikums bei der Postbehörde. Da? Reichs-Postamt hat be- stimmt, daß die Obrr-Postvireklionen Eingaben, Beschwerden usw. des Publikums, für deren Erledigung dieiBerkehrSanstalten zuständig find, künftig an diese abzugeben habe», sofern LS sich nicht um Berufungen gegen getroffene Ent- scheidungen handelt oder besondere Umstände gegen die Abgabe sprechen. Durch dies« Maß nahme wird in Zukunft vieler unnötiger Schriftwechsel erspart und die betreffenden An gelegenheiten finden eine schnellere Erledigung. — Dienstag, den 26. Jannar, von vorm. */„12 Uhr an findet öffentliche Sitzung de» Bezirksausschüsse- im Verhandlungssaale der Amtshauptmannschaft statt. ff BeiderallgemeinenGehaltsaufbesserung der sächsischen Staatsbeamten ist die äußere Lage der an den sächsischen StaatSanstalten an gestellten Schwestern so günstig gestaltet worden, daß die Laufbahn solcher jungen Mädchen warm empfohlen werden kann, die eine selbst ständige Stellung im Leben zu erringen wün sch«». Diese Verbesserung ihrer Stellung ist besonders deswegen bewilligt worden, weil es erwünscht ist, daß noch mehr als bisher Mädchen mit guter allgemeiner Vorbildung, die ein tiefer gehendes Verständnis für Kranke und Kinder sich anzueignen imstande sind und in stiller, pflichttreuer Schwesternarbeit ihre Befriedigung suchen, sich diesem Berufe zumenden. ch SachseuS Lehrergesangvereine. Es bestehen zurzeit in Sachsen 25 Lehrergesang vereine. Der älteste ist der im Jahre 1866 gegründete Lehrergesangverei» Leipzig-Ost (ehe maliger Schöneftlder), der jüngste der 1907 gegründete Lehrergesangverein von Radeberg und Umgegend. Die größte Mitgliederzabl weist der Dresdener Lehrergesangverein mit 752 auf, ihm folgt mit 542 der Chemnitzer und mit 494 der Liipziger Lehrergesangverein. ff- Im Falle einer Mobilmachung wird für das am 1. April d. I. beginnende Mobilmachungsjahr 1909 10 die Einberufung der Mannschaften des Beurlaubtenstander wie bisher durch Kriegsbeordcrungen oder Paß notizen erfolgen. Das Austragen derselben wird in der Zeit vom 1. bis 15. März ge schehen. Etwa noch nicht zur Anzeig« ge brachte Wohnungsveränderungen sind dem zuständigen Hauptmeldeamte sofort zu melden. Die Mannschaften oes Beurlaubtenstander haben ferner an den vorgenannten Tagen, falls sie nicht selbst zu Hause sein können, eine andere Person des Hausstandes oder den Hauswirt mit der Empfangnahme der Kriegs beorderung oder Paßnotiz zu beauftragen. Wer bis 15. März dieses Jahres noch keine Kriegsbeorderung erhallen haben sollte, hat dies sofort dem zuständigen B«zirkskommando schriftlich.oder mündlich zu melden. Die vor- jähriM Paßnotizen behalten ihre Gültigkeit, falls den Betreffenden innerhalb obengenannter Zeit keine KriegSbeordcrung ausgehändigt wird. ch AufderDreSduerKachkrmtt-AuSstelllMg wurde der Maggi-Gesellschaft, Berlin, die höchste Auszeichnung!: König!.SächsischeStaatSmedaiöe sowie die Goldene Ausstellungsmedaille zu erkannt. - Borsdorf. Eine Einwohnerversamm lung stimmte dem Schulvorstandsbeschlusse zu, das jetzige, erst 1905 erbaute Schulgebäude durch einen großen Anbau zu erweitern. Das fertige Gesamtgebäude wird enthalten: 12 Klassen zimmer, Zeichensaal, Kombination»-und Hand- arbeitrzimmer, Direktor-, Lehrer- und Lehr- mittelzimm«r, eingebaute Turnhalle, Direktor wohnung, öff«ntliches Wannen- und Dusche bad. Die Bauleitung erhielt Herr Architekt Dr.-Jng. Hammitzsch aus Dresden, der Er bauer der Zentralschule in Gröba. Die Bau arbeiten und Lieferungen werden öffentlich aus geschrieben. — Wurzen. DerAufsichtSratderWurzener Bank hat beschlossen, der im März stattfinden den 20. ordentlichen Generalversammlung iine Dividende von 11 Prozent, gegen 10 Prozent im Vorjahre, vorzuschlagen. Für die Reserven, wrlchc nunmehr fast die Hälfte des gesamten Aktienkapitals betragen, sind reichliche Rück lagen gemacht worden. Die Umsätze bei der Wurzener Bank haben sich gegen das Vorjahr wesentlich gesteigert. Der geschäftliche Verkehr bei diesem Institut ist ein außerordentlich großer. — Leipzig. Am Donnerstag vormittag ist die Celluloidwarenfabrik von Engelmann u. Co. in Leipzig-Plagwitz durch Feuer fast gänzlich zerstört worden. Das Feuer entstand au» bisher noch nicht ermittelter Ursache im zweiten Stockwerk und griff mit rasender Schnelligkeit um sich, so daß das Personal sich unter Zurücklassung seiner Straßenkleider über die an den Außenseiten des Gebäudes angebrachten Notleitern retten mußte. In wenigen Minuten stand das ganze Fabrikgebäude in Flammen. Von dem Gebäude ist nur das Parterre erhalten geblieben, das aber durch die in da» Feuer geschleuderten Wassermaffen erheblich gelitten hat. — Leipzig. Leipzig wird Berlin in oer Größe des Stadtgebiets übertreffen, wenn am 1. Januar 1910 die von der Amtshaupt mannschaft und Kreishauptmannschaft, wie gemeldet, genehmigten Einverleibungen von Möckern, Stünz, Stötteritz, Probstheida, Dölitz und Dösen auch vollzogen werden. Es steht noch die Genehmigung des Ministeriums aus, die zweifellos erfolgen wird. Die einzuver« leibenden Ortschaften fügen dem Stadtgebiet im Ganzen 1903 Hektar an Fläche zu. Die Größe des bisherigen Stadtgebietes beträgt 5699 Hektar, so daß das neue Stadtgebiet 7602 Hektar umfassen wird. — Die Bewerbungen um das Pfarramt de» idyllisch in nächster Nähe der Stadt Leipzig gelegenen Dorfes St. Thekla haben die bei dem jetzigen Theologenmangel gewiß seltene Höhe von gegen 80 erreicht. — Im Rochlitzer Bezirk werden vom dortigen Superintendenten und vom Bezirks schulinspektor die Geistlichen und Lehrer zu Versammlungen eingeladen, in denen ihnen Gelegenheit gegeben werden soll, sich über di« Umgestaltung de» Religionsunterrichts gegen seitig auszusprechen. Ein Geistlicher wird einen Vortrag über Religionsunterricht und Kirche und «in Lehrer einen solchen über Religions unterricht und Schule halten. — Rochlitz. Dem Esperanto soll auch hier Eingang verschafft werden. In nächster Zeit werden zwei Kurse in dieser neuen Welt sprache abgehalten. — Frohburg. Der Stadtgemeinderat lehnte die Errichtung einir Ortskrankenkaffe mit Rücksicht auf die bevorstehende Aenderung der Arbriterversicherungsgesetze ab. Die Förderung der Bestrebungen einiger Gemeinden um Wieder- einbezirkung in den Amtsgerichtsbezirk Froh burg fand Zustimmung. — Beim Rodeln prallte ein 15jährigeS Mädchen im Zeifigwald bei Chemnitz an einen Baum und brach einen Unterschenkel. Auf der Rodelbahn bei Einsiedel verunglückte ein älterer Herr, der eine Gehirnerschütterung und Im ßlfenschlHchen. Roman von Margarete Bron st ein. 36 „Nein, sehen Sie nur diese Menge, Nelly! Das Schiff ist ja zum Erdrücken voll. Nein, darauf hätte ich Angst, es geht zu tief im Wasser ...Konradine stieß einen Schrei aus. „O Herr des Himmels!" Nelly hatte auch das Boot beobachtet; ganz vorn stand ein Mädchen mit einem Kinde, in dem Nelly den kleinen Hans erkannte. Auch der Kleine sah und erkannte sie, winkte mit den Händchen... In dem Augenblicke drehte sich das Boot mit entsetzlicher Schnelligkeit zur Seite, stieß an einen der größeren Dampfer, der soeben der Landungsbrücke zufuhr, eine dicke weiße Rauch wolke hüllte für einen Augenblick das kleinere Schiff ein, man hörte einen schweren, dumpfen Knall, und ein ohrenbetäuben des Zischen erklang. Es wurde um Hilfe gerufen, mit angst verzerrten Gesichtern drängte die Menge auf dem Schiff nach der Landseite .. da, ein gellender Schrei stieg zum Himmel auf, und langsam neigte sich das Boot ins Wasser und überlie ferte seineJnsassen dem totbringenden Elemente. War der Kessel geplatzt? Hatte der jähe Schreck der Passa giere das Kentern veranlaßt? War der Zusammenstoß der bei den Schiffe die Ursache? Es war jetzt keine Zeit zur Untersu chung dieser Fragen. Lähmendes Entsetzen befiel Konradine Hämerling, als sie die mit dem Wasser ringenden Leute sah. Erst ein Schreckensruf Adolfs, der an ihr vorüberstürmte, brachte sie zu sich. „Kindchen, um Himmelswillen, was machen Sre!" rief sie in höchster Angst. Nelly war ins Wasser gesprungen. „Da, da.. Hans,Hans!" Dort, ja dort, nicht zu weit von: Lande, tauchte der blonde Kopf des kleinen Jungen noch einmal auf. Jammernd mrd schreiend stand Konradine am Ufer. Oft hatte sie Nelly im Dampfschwimmbad mit kräftigen Stößen leicht und sicher durch das Wasser gleiten sehen, aber niemals dabei Angst empfun den, aber jetzt packte sie ein namenloser Schrecken. Sieverwünschte ihren Plan, mit Nelly hierher zu gehen, fühlte sich aber macht los, ohnmächtig. Nelly war der Unglückstelle zugeschwommen. Da sie unter halb derselben in das Wasser gesprungen war, mußte das Kind auf sie zutreiben. Ringsumher sah sie Manschen mit den Wellen kämpfen, sich aneinander klammern und gegenseitig ins Verder ben ziehen, sie mußte die sich ihr entgegenstreckeuden Hände vermeiden. Endlich sah sie den blonden Kinderkopf wieder, das bleiche Gesichtchen mit geschlossenen Augen trieb auf sie zu. Eie kounte den Kleinen ergreifen und über Wasser halten. „Ich habe das Kind so lieb," tönte es immer wieder in ihr. Von allen Seiten waren hilfsbereite Leute herzugeeilt. Ru fend und winkend stand Adolf im Uferwasscr, kam Nelly ent gegen, wollte ihr das Kind abnehmen, ihr selbst behilflich sein. „Das Kind," sagte sie abwehrend „Frau Hämerling!" Konradine war neben ihr, kniete neben dem Kinde nieder und viele Hände waren mit ihr geschäftig, es ins Bewußtsein zurückzurufen. Adolf ließ Nelly nicht aus den Augen, eine unbestimmte Angst hatte sich seiner bemächtigt. „Komm!" rief er hastig, als er sie regungslos im Wasser stehen sah. „Das Kind ist geret tet. Es lebt. Du kannst nichts weiter tun!" Mit wunderbar leuchtenden Augen sah sie über ihn weg. Ihr Antlitz schien Adolf verändert, ein strahlender Glanz ver klärte es. Sie lächelte, aber nicht zu ihm; sie blickte gen Him mel. Ihr war, als sähe sie blitzartig ihr ganzes Leben an sich vorüberziehen und als habe alles nur für diese Minute, auf die sen einen Punkt hingearbeitet. Deshalb war ihr Körper gestählt worden und geschmeidig gemacht, deshalb, nur zu diesem Zwecke .. Sie freute sich ihrer Kraft und empfand einen unaussprech lichen Jubel. Alles Dunkle, alles Trübe, das sie in ihren eige nen Augen herabgezogen, war weggewischt, alles wurde hell und licht in ihr und um sie. Jetzt hatte ihr Leben einen Zweck, sie konnte mit gleicher Liebe an Ellenbach und an Alma den ken, flüchtig durchzuckte es sie freudig, daß jene beiden gelieb ten Menschen zusammengehörten. Auch ihres Vaters gedachte sie, es mußte für alle gut werden; was hinter ihr lag, war überwunden. „O, mein Gott, ich danke Dir für Deine Gnade. Jetzt weiß ich, was Glück ist!" sagte sie laut und hatte sich umgedreht, ehe Adolf ihre Absicht ganz begriffen hatte. Wetter weg vom Lande trieb eine Frau im Flusse, die nie mand bemerkt zu haben schien; alle waren mit dem nächsten! nach Hilfe Rufenden beschäftigt. Nelly schwamm auf die Frau zu, die soeben noch einmal auftauchte. Mit dem krampfhaften Griffe der Ertrinkenden umklammerte diese ihre Retterin, die sich ihrer vergebens zu erwehren versuchte und zog sie mit iv die feuchte Tiefe. Wie ein Verzweifelter war Adolf mit einem Sprung in einem der Boote, welche die Unglücksstätte umkreisten und zu helfen suchten. , Fast alle wurden gerettet; selbst die Frau, der Nelly hatte Hilfe bringen wollen, eine Mutter kleiner Kinder, kam ivieder zu sich. Ruhig glitten die Wellen des breiten Stromes schon wie der vorüber, doch das laute Treiben in der Zeltstadt und die Musik hatten aufgehört. Die Trauerkunde des Unglücks gebot Schweigen. Die Leute kamen an das Flußuser gelaufen und blickten mit scheuem Entsetzen auf das Wasser. Schon färbte sich der Himmel goldig und rot, die kleinen Wellen des Stromes blitzten feurig auf, als man Nelly an das Land trug und mit ehrfürchtiger zarter Scheu niederlegte. Das gelöste, wundervolle, braunrote Haar breitete sich über den Wiesenboden, das Wasser rieselte noch daran nieder; eng schmiegte sich das nasse Gewand an sie, die nun für immer ausruhte. In laut ausbrechendem Jammer stürzte sich Konradine Hä merling neben der geliebten Toten auf die Knie. Aerzte ge nug wären zur Stelle. Es blieb nichts unversucht.. war aber vergebens! Mit einem Lächeln auf den Lippen, still und friedlich lag Nelly auf dem grünen Wiesenplan. Aus der Stadt erklangen die Abendglocken; Schwalben flogen eifrig hin und her und verschwanden im Aether und langsam sank der Tau hernieder. Am anderen Morgen verkündeten Anschlagzettel und Extra blätter den überraschten und bestürzten Einwohnern der Stadt das entsetzliche Unglück, für das jLde genügende Erklärung fehlte, das aber in seinen Folgen so tief erschütternd war. Die beliebte, in ihrer Eigenart unübertroffene Tänzerin aus dem Elfenschlößchen, die Sennorita Lenora, war nach glücklich be werkstelligter Rettung eines Knaben, ein Opfer ihres Helden mutes, ihrer selbstlosen Hingabe geworden. 153,20
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