53 Heidrun Laudel/Anja Drechsel/Theres Rathmann Die Steingutfabrik „Villeroy & Boch und ihre Werksiedlung in der Weinböhlaer Straße Wer die Großenhainer Straße entlang fährt, dem mögen vielleicht nördlich des Pestalozziplat zes, auf dem heutigen Terrain "der Elektromotorenwerke, zwei Gebäude ins Auge gefallen sein, die sich in ihrer ungewöhnlich schlichten Quaderform und dem flachen Satteldach von der Umgebung abheben. Manch einer mag sie von der Ferne gesehen als Neubenbauten einer Fabrik eingestuft haben, wie sie im vorigen Jahrhundert ohne ästhetischen Anspruch in einer Vielzahl entstanden sind. Tatsächlich handelt es sich aber um die beiden noch verbliebenen Doppelhäuser einer einstigen Werksiedlung der Steingutfabrik Villeroy & Boch, heute VEB Sanitärporzellan. 1 Der Ursprung dieser Firma geht auf das Jahr 1748 zurück. 2 Zu diesem Zeitpunkt trat Peter Josef Boch als Teilhaber der von seinem älteren Bruder betriebenen Töpferei bei. Systematisch verfolgte er das Ziel, die Produktion der kleinen Werkstatt auszuweiten, mit einer fabrikmäßi gen Anlage, den steigenden Bedarf an Gebrauchs- und Zierkeramik abzudecken. Später gin gen die Bochs dazu über, gleichzeitig das bruchfestere Porzellan zu fertigen. 1766 erhielt Peter Joseph Boch die Konzession für die Errichtung eines keramischen Betriebes in Septfontaine bei Luxemburg, den er gemeinsam mit einem weiteren Bruder und einem Schwager betrieb. 3 Wie schon diese Produktionsstätte eine für die damaligen Verhältnisse beachtliche Größe auf, so gelang es dem Sohn Peter Josef Bochs -Johann Franz -im Jahre 1809 schließlich, einen wei teren Betriebsteil in dem ausgedehnten Areal einer einstigen Benediktiner-Abtei in Mettlach unterzubringen. Diese Fabrikationsanlage wurde der Stammbetrieb des Unternehmens, das schon sehr bald dazu überging, Zweigbetriebe in geeigneten Gegenden Deutschlands und Frankreichs entstehen zu lassen. Heute beherbergen die Mettlacher Bauten ein umfangreiches Werkarchiv und ein Porzellan- und Steingutmuseum. Durch Heirat kam es schließlich 1834 zur Fusion mit der ebefalls Porzellan produzierenden Firma Villeroy. 1934 verfügte das Unternehmen Villeroy & Boch über 11 Fabriken und 23 Handelsniederlassungen. 5 Die Dresdner Steingutfabrik wurde 1853 von Eugen von Boch — die Bochs waren inzwischen in den Adelsstand erhoben worden — auf dem Gelände der Gemeinde Neudorf bei Dresden gegründet. Der Standort bot mehrfache Vorteile. Zunächst war vor den Toren der Stadt (Neu dorf wurde erst 1864 eingemeindet) der Boden vergleichsweise billig zu erwerben. Zudem - und das scheint das Wesentliche gewesen zu sein - entging man hier dem aufwendigen Geneh migungsverfahren, wie es vor Einführung der sächsischen Gewerbefreiheit im Jahre 1861 in der Residenzstadt noch erforderlich war. Schließlich hatte man eine verkehrsgünstige Lage in unmittelbarer Nähe des Flusses und der Eisenbahn gewählt. Das ist ein Grund, weshalb sich zu diesem ersten Betrieb auf Neustädter Flur später noch weitere gesellten. Die keramische Produktion bezog auf diese Weise recht unkompliziert die Kohle zum Brennen ans Böhmen und den weißen plastischen Ton als Rohmaterial aus der Meißner Gegend. 6