1538 mit seinen eigenen großen und wichtigen Publikationen frühevangelischer Musik begann. 111 Seltsamerweise findet sich in den Kreuzchor-Inventaren kein einziger Rhaw-Druck und auch nur e i n Werk mit Autorenangabe des Luther-Mitarbeiters und ersten Dresdner Hof kapellmeisters ab 1548 Johann Walter, das sechsstimmige Te Deum. Unter den anonym aufgezählten Passionen dürften sich aber die Walter-Passionen befunden haben. Exem plare irgendeiner Auflage des Meißner Missale und der Herzog-Heinrichs-Agende mögen in der Kreuzkirche gelegen haben und daher nicht in die Inventare der Kreuzschul- Noten aufgenommen worden sein. Das zweite Inventarverzeichnis, das der Kreuzkantor Magister Samuel Rüling 1615 bei seinem Abgang als Kantor und Dienstantritt als Diaconus an der Kreuzkirche angefertigt hat, finden sich außer schon 1575 genannten Noten und Büchern einige recht wichtige Musik-Sammeldrucke des 16. Jahrhunderts, eine handschriftliche Auferstehungshistorie -entweder die erste Dresdner von Jacobus Haupt ’ 21 oder diejenige von Antonio Scandello -, drei Historien des Hofkapellmeisters Rogier Michael und vieles mehr. Unter dem inzwi schen in die Kreuzschule gelangten Musikaliennachlaß des Dresdner Bürgermeisters Anto nius Turler, eines offenbar musikbegabten Mannes des 16. Jahrhunderts, fand sich ein sehr bemerkenswerter Notendruck, nämlich das »Harmonice musices odhecaton« des Ottavio Petrucci, Venedig 1501, der erste Notendruck von Figuralmusik mit beweglichen Lettern überhaupt. (Die Kruzianer werden daraus kaum gesungen haben.) Beim Weihegottesdienst der Dresdner Annenkirche, die die zu klein gewordene und bau fällige Bartholomäuskapelle ersetzte, sangen die Kreuzschüler 1578 vor der Predigt das sechsstimmige »Jubilate Deo omnis terra« des Jacobus Clemens non Papa und danach ein sechsstimmiges »Te Deum« von Orlando di Lasso. 331 Beide Werke wurden, vokalinstru mental gemischt, zusammen mit den Stadtpfeifern musiziert. Zahlreiche wichtige Drucke geistlicher Musik des 16. und vor allem des 17. Jahrhunderts, darunter etliche Praetorius- und Schütz-Drucke, bildeten den Grundstock für die inten sive Kreuzkirch-Musik, bei der die Stadtmusici regelmäßig und, wie es scheint, auch Adju vanten aus der Stadt mitgewirkt haben, so, wie es bei den zahlreichen Kantoreigesellschaf ten der Fall war. Die Mitwirkung des Kreuzorganisten bildete ohnehin, spätestens seit der Darbietung von Generalbaßmusik, einen untrennbaren Bestandteil des Kreuzchor-Musizie- rens. 341 Die Noteninventare des 16. bis 18. Jahrhunderts sind höchst aufschlußreich, und anhand ihrer könnte der Chor heute seine Musikpflege, auch die des 17. Jahrhunderts, in Beispielen ohne Mühe vergegenwärtigen. Der Leiter des Dresdner Heinrich-Schütz-Archivs schließt seine Ausführungen nicht, ohne auf Heinrich Schütz eingegangen zu sein. Zum einen stehe hier noch einmal das doppel- chörige Konzert SWV Anhang 8 »Machet die Tore weit« zur Debatte, das in der Mehr zahl der Quellen Heinrich Schütz zugewiesen wird, in einer Breslauer Handschrift aber, nach Tilgung von Schützens Namen, die Autorangabe Samuel Rüling trägt. In einem 1988 veröffentlichten Aufsatz komme ich zu der Ansicht, daß das Werk größ tenteils von Schütz nicht stammen kann, was sich an mehreren Stellen nachweisen läßt,