60 Hans John o Die Dresdner Kreuzkantoren im 19 . Jahrhundert Als Ernst Julius Otto, der spätere Dresdner Kreuzkantor, zu Michaelis 1814 in das Alum- neum der Dresdner Kreuzschule eintrat, beherbergte diese Einrichtung 32 Schüler, alle samt dem »Singechor der Kreuzschule« angehörend. Bei den Alumnen handelte es sich um den größeren Teil der Sängerknaben. Der kleinere Teil, damals aus 22 Kurrendanern beste hend, wohnte bei den Eltern und Verwandten. Der gesamte »Singechor der Kreuzschule« umfaßte bis 1886 54 Sänger. Erst in diesem Jahre wurde die Zahl der Kurrendaner um 12 erhöht, so daß der Kreuzchor fortan aus 66 Sängerknaben bestand. Die Alumnen wohnten im obersten Stockwerk, d. h. in der dritten Etage (unter dem Dach) des damaligen Schulgebäudes auf der Schulgasse, südlich der Kreuzkirche gelegen. Sie mußten einen monatlichen Beitrag als Kostgeld entrichten. Hinzu kamen Gebühren für Bad- und Bücherbenutzung. Einige ältere Schüler erhielten Stipendien. Die Aufsicht über das Alumneum wie für die gesamte Kreuzschule führte ein unterer, unverheirateter Lehrer im Range eines Kollaborators. Dieser wohnte im Schulgebäude. Über die damaligen miserablen Wohnverhältnisse im Alumnat und in der Schule gibt es | eine Anzahl von Berichten, in denen immer wieder vom schlechten baulichen Zustand die Rede ist. Gustav Nieritz beschreibt den Zustand der Kreuzschule 6 Jahre vor dem Ein tritt Julius Ottos folgendermaßen: »Dieses einzige Gymnasium der sächsischen Haupt- und Residenzstadt besaß ein Gebäude hinter der nahen Kreuzkirche, das innen und außen einem Gefängnisse und einer Ruine ähnelte.« 11 Als Otto in das Alumnat aufgenommen wurde, erteilte Kantor Christian Theodor Wein- Üg (1814-1817) als Collega sextus nur den Choristen Musikunterricht. Ihm wie seinen Nachfolgern oblag das breit aufgefächerte exercitium musicum, das neben den Chorpro ben auch Unterricht in Musiktheorie und Komposition umfaßte. Die auf der Kreuzschule weilenden Nichtchoristen erhielten bis 1848 keinerlei Musikunterricht, und das waren in Blütezeiten mindestens 250 Schüler. Erst seit diesem Jahre erteilte den interessierten Schülern ein nicht festangestellter Lehrer Musikunterricht. Sein wöchentliches Lehrpensum betrug 6 Stunden. Kreuzkantor Theodor Weinlig beförderte Otto bald nach dessen Schuleintritt zum Ratsdis- kantisten. Damit war für den zehnjährigen Jungen ein wöchentliches Salär von 12 Yi Gro schen verbunden - eine für die damalige Zeit beträchtliche Summe. Otto wurde seiner seits verpflichtet, Sopransoli zu singen.