43 1905 registrierte der mit der allgemeinen Bewegung eng verbundene Kunstkritiker und Direktor der Dresdner Porzellansammlung Ernst Zimmermann, es habe in München zwar die Wiege des modernen Kunstgewerbes gestanden, aber der von dieser Stadt ausge hende Impuls beginne eigentliche Früchte erst in Dresden zu tragen.« Das wurde späte stens im Jahre 1906 einem breiten Kreis von Kunstinteressierten offenbar, als nämlich in Sachsens Hauptstadt die III. Deutsche Kunstgewerbeausstellung ausgetragen wurde. War München bisher die Domäne solcher Präsentationen gewesen, so hatte nun ein Wechsel stattgefunden, und in Dresden zeigten sie zugleich den Höhepunkt der Ent wicklung an, die im Jahr darauf mit der Gründung des Werkbundes einen gewissen Abschluß fand. , , Hinsichtlich der Architektur fällte der Dresdner Kunsthistoriker Erich Haenel 19 0 - da- mals Direktor des Historischen Museums - auf die jüngste Vergangenheit rückblickend, ein klares Urteil: Es täte »der künftige Geschichtsschreiber der Baukunst des neuen deut schen Reiches ... gut daran, mit der Jahrhundertwende ein neues Kapitel zu beginnen«. Beispielhaft führte er dafür die Deutsche Bauausstellung aus dem Jahre 1900 an, aut der ..in einem Meere von akademischer Stilarchitektur und papiernem Formalismus die ersten Dokumente einer neuen baukünstlerischen Gesinnung spürbar« geworden seien. Halt man sich vor Augen, wieviel damals gebaut worden ist und wie breit die Palette künstle rischer Äußerungen war, dann erstaunt die feste Überzeugung, die aus Haenels Worten klingt. Für ihn schien sich schon mit den ersten Anfängen der Weg abzuzeichnen, der künftig zu beschreiten war. • Zunächst aber hat man festzustellen, daß in Dresden in den Jahren vor dem Ersten Welt krieg - von einer kurzzeitigen krisenbedingten Flaute abgesehen - in beachtlichem Maße Neues gebaut worden ist. Einiges sei angeführt: das Ministerialgebäude am Neustadter Ufer (1904- 1906 von E. Waldow und H. Tscharmann), das Neue Rathaus (1905 1910 von K. Roth und E. Bräter), das Landgerichtsgebäude am Münchner Platz (1902-1907 von O. Kramer), die Bauten der Technischen Hochschule (1900-1904 und 1910-1913 von K. Weißbach und M. Dülfer), das Krematorium in Tolkewitz (1912 von Fritz Schu macher), die verschiedenen Kirchenbauten, unter ihnen die Christuskirche ( 1905 -J_ 9Ü von Schilling und Gräbner), aber auch solche imposanten Industriebauten wie die Zigaret tenfabrik Yenidze (ab 1907 von Hammitzsch) und schließlich die vielen Schul- und ande ren Gebäude, die im Zuge des komplexen Stadtausbaues unter der Leitung Hans Erlweins in den Jahren ab 1905 erbaut worden sind. ... Die Frage, die hier in den Mittelpunkt gerückt werden soll, ist: Wie stark wird nun^ die ses Baugeschehen von der Reformbewegung ergriffen? Wie sehr schlägt sich dort der Wille zur neuen Form nieder? Kehren wir noch einmal zurück zu Erich Haenel und seiner Bewertung des Umbruches um 1900! Haenel führt als zweifellos stärksten Eindruck, den die erwähnte Bauausstel lung hinterlassen hatte, den Raum an, in dem die monumentalen Entwürfe des jungen Wilhelm Kreis vereinigt waren. Dem Werk dieses Baumeisters - den Haenel als einen der Protagonisten des Umbruches wertet - ist sein Artikel gewidmet. 1 '