Rudolf Großmann MARGINALIEN Der Alte aus Lübeck. Ueber dem Lehrter Bahnhof liegt schon etwas wie Alsterstimmung. Wittenberge mit seinen Würstchen ist letzte wendische Station, was dann kommt, ist trotz slawischer Endung reinstes Arierland, wohltuend und anheimelnd nach Fremde und Gebraus. Büchen, wo man umsteigt, um immer tiefer in die arische Urheimat einzudringen, ist ein be merkenswerter Knotenpunkt, hier weidet Vieh greifbar längs der Bahn, und Vieh ist in langen Güterzügen Passagier. Aber Lübeck, weiter rechts, trug den Schild der Hanse, man denkt an stolze und doch etwas spießige Bürger, gegen die gehalten der Adel neben an, oft frech, wenn auch sympathisch, des weiten Blicks über die See entbehrt. Alter Hansengeist ist ein ausgezeichnetes Schlagwort, das aber in der Jugend nicht so von Mystik umwittert war wie etwa Indianer- und See räuber- oder auch nur märkische Raubrittergeschichten. Das neue Lübeck, das außer der wundervollen Rotspohnfirma Tesdorf noch Thomas Mann und den Marzipan sein eigen nennt, nahm seine 700jährige Reichsfreiheit zum Anlaß, um ein Weihefest zu feiern. Es war eine echte Hetz, Anlaß zu Hin und Her, es war kein Bekenntnis —■ mit so albernen, programmatischen Ideen gibt man sich dort nicht ab —, sondern ein mittelalterliches Volksfest, das mit aller Selbstverständlichkeit und Breite gefeiert wurde, wozu nur diese Rasse fähig ist. Wer dachte noch an Herrn Neumann oder an völkische Umtriebe und derartige Witze. Die Leute dort haben Gott sei Dank derartige Etiketten nicht nötig, sondern haben in einer 559