ICH SITZE ZWISCHEN ZWEI STILEN Von WERNER FINCK E s begann so: Ich wollte einen Sessel verkaufen. Der Sessel hat ein gefälliges Muster. Und das war das Moderne an dem Sessel. Er paßte zur Couch, und deswegen hatte ich ihn gekauft. Zu der Couch und den Sesseln gehörte ein ge» fälliger Teppich. Und zu dem Ganzen gehörte eine moderne Wohnung. Aber die moderne Wohnung war teuer, und es fiel mir nicht leicht, sie zu halten. Doch ehe ich die ganze Wohnung aufgab, wollte ich einen Sessel verkaufen. Da» mals ahnte ich noch nicht, daß es zum Wesen eines Sessels gehört, daß man ihn zwar kaufen, aber niemals verkaufen kann. Jedermann, dem ich den Sessel anbot, sagte mir dasselbe: „Wenn Sie ein modernes Möbel kaufen und tragen es zum Laden heraus, so ist es sofort um die Hälfte im Preis gesunken.“ Ich bekam aber auch nicht einmal die Hälfte. Mein Freund Rudi war unterdessen längst schon wertbeständig eingerichtet. Wenn man sich auf einen seiner Sessel setzte, brach der unter Umständen ausein» ander, und wenn ich fragte: „Was ist das?“ Dann sagte er: „Das ist antik.“ Er erklärte mir die Vorzüge des Antiken: „Wenn man ein antikes Möbel aus dem Laden herausträgt, dann hat man den doppelten Wert in der Hand.“ Das leuchtete mir ein, und ich kaufte mir von dem Erlös meiner modernen Sessel, der Couch und des Teppichs einen antiken Sessel. Damit begann es. Der antike Sessel forderte eine antike Umgebung. Ich suchte mir eine neue Wohnung. Ich fand eine reizende. Nischen, Ecken, Vorbauten, Türmchen, Erker, sogar ein Söller war vorgesehen. Der 300 Jahre alte Sessel bekam neues Leben. Rudi hatte mich unterdessen mit Edith bekannt gemacht. Edith war auch antik. Und weil ich selbst keine Zeit hatte, bot sich Edith an, meine Wohnung einzu» richten. Wenn ich todmüde abends nach Hause kam, standen stämmige, rauh dreinschauende Männer vor meiner Tür, manchmal zwei, manchmal sechs, je nachdem. Alle mit Kisten und unförmigen Paketen beladen. Wenn ich diese Pakete auspackte, quoll mir unverfälschtes Mittelalter entgegen. Ein Bauernschrank, ein Engelbein, p kg eisernes Kamingerät. Direkt Unbrauchbares war eigentlich nicht darunter. Ich baute alles um den Sessel herum. Anzubringen wagte ich nichts, weil mir die antiken Nägel fehlten. Edith hatte mir das antike Raumgefühl voraus. Zu» nächst bemalte sie die Wände der leeren Wohnung. Mit sicheren Kohlenstrichen entstanden Blaker, Wandleuchter, Tischchen, Baldachine und Ruhestätten. Von nun an verbrachte ich meine Zeit im Antiquitätengeschäft. Jetzt wußte ich, woher die Männer ihre Schätze geholt hatten. Alles, was bei uns zu Hause auf dem Boden Platz gefunden hatte, stand hier zur Kostbarkeit aufgewertet. Privilegiertes Gerümpel mit dem Heiligenschein des Jahrhunderts. Was in der Schule lästiger Zwang war, die Stillehre, stand hier zum Genüsse feil. Ein Louis