KULKOWS MAULSCHELLEN Von MICHAIL SOSTSCHENKO In Michail Sostschenko hat Sowjetrußland seinen „offiziellen“ Satiriker gefunden. Seine in Rußland be liebten Humoresken werfen grelle Schlaglichter auf die Zustände im Sowjetreidi. \Y7 issen Sie schon? Der Bürokratismus hat bei uns aufgehört, eine Gefahr v ’ zu sein. Jawohl: der Amtsschimmel hat seinen Schrecken verloren. Nämlich da hat neulich ein sehr geschätzter Genosse — Kulkow heißt er, Fedor Aleksejewitsch Kulkow — eine neue Methode im Kampf gegen den Bürokratismus erfunden. Ein genialer Kopf, nicht wahr? Und dabei ist die Methode so wirksam und so leicht anwendbar, daß man sie wahrhaftig im Ausland patentieren lassen müßte. Bedauerlicher weise aber ist Fedor Aleksejewitsch Kulkow im Augenblick am Reisen ver hindert — der Ärmste büßt nämlich gerade seine Erfindung hinter eisernen Gittern ab ... Tja. Denn bekanntlich gilt der Prophet nichts in seinem V aterlande. Na, Kulkows Methode also ist folgende: Kulkow pflegte sehr oft eine gewisse hochverehrliche Behörde aufzu suchen. In einer bestimmten, ihn selber betreffenden Angelegenheit. Seit ein, zwei Monaten bereits ging er hin. Täglich. Und immer ohne Erfolg. Das heißt, die Bürokraten dieser Behörde schenkten ihm absolut keine Beachtung — er mochte noch so viel bitten und betteln. Sie suchten seine Akten einfach nicht hervor. Schickten ihn von Zimmer zu Zimmer, von Stockwerk zu Stockwerk. Boten ihm Frühstücksstullen an. Oder aber schnaubten sich bloß höhnisch die Nasen, anstatt zu antworten. Man muß nun allerdings zugeben, daß sie es auch nicht leicht haben, diese Bürokratenseelen. Denn tagtäglich werden sie von Dutzenden von Leuten mit allerlei dummen Fragen belästigt. Dadurch mag sich bei ihnen auch unwillkürlich so eine gewisse Nervosität und Grobheit heranbilden. Leider konnte nun Kulkow auf diese intimen psychologischen Feinheiten keine Rücksicht mehr nehmen. Er konnte nämlich absolut nicht länger warten. „Wenn ich’s heute nicht schaffe, kann ich mich getrost begraben lassen,“ dachte er sich: „Denn dann wird es mindestens noch einen Monat dauern. Ich will mir daher lieber irgendeinen aus dem Büropersonal vornehmen und ihn, zunächst einmal nur ganz leicht, in die Schnauze schlagen. Vielleicht erreiche ich dadurch, daß man mir eine gewisse wohlwollende Beachtung zuteil werden läßt und meine Sache endlich in Schwung bringt.“ So denkend, begab sich unser Fedor Kulkow auf alle Fälle in das unterste Stockwerk damit er, falls man ihn im Verlauf der Ereignisse zum Fenster hinauswürfe, nicht allzu schmerzhaft zu fallen brauche. Als er hier nun gemächlich durch die Räume schlenderte, bot sich seinem Blick plötzlich eine empörende Szene dar. Sitzt da in einem weichgepolster- 3 * 547 (