Von Maurice Dekobra D er Graf von Semillac und Lord Cecil Hotbin saßen im Rauchzimmer des Palace-Hotel bei einer Ecartepartie. Es war keine trockene Partie, denn auf einem nahen Tablett stand eine zur Hälfte geleerte Flasche Gin, mit dem jeder aufgeschlagene König begossen wurde. Der Graf und die reizende Gräfin von Semillac waren am 7. Juli in Aix-les-bains angekommen Am 9., um 10 Uhr, machte der Graf im Lift die Bekanntschaft Lord Cecil Hotbins. Um 11.30 Uhr trafen sie in der Bar zusammen und tranken einander zu, wie es sich gehört, wenn ein Repräsentant der englischen Hocharistokratie und ein Abkömmling der Kreuzfahrer einander begegnen. Am 10., um 1 Uhr, lud Lord Cecil die Semillacs zum Lunch ein. Am 11., um 8 Uhr, bewirteten die Semillacs den englischen Pair unter den Kronleuchtern der „Villa des Fleurs“. Und am 12., um 5 Uhr, schloß das anglo-französische Trio einen feier lichen Pakt bei Tee und Toast. An jenem Abend also spielten Semillac und Hotbin Ecarte mit der hartnäckigen Ausdauer von Leuten, denen der Gin jeden Zeitbegriff genommen. Sie hatten be reits 55 Partien gemacht. Semillac hatte auf Ehrenwort 280 000 Francs verloren. Lord Hotbin, mit hochrotem Kopf und unerschütterlicher Ruhe, sagte, so oft er am Teilen war: „Verfluchtes Pech, das Sie haben, mein lieber Graf!“ Der Graf wischte sich die Stirne, griff automatisch nach einem neuen Glas Gin und erwiderte eigensinnig: „Ich werde Sie schon noch kleinkriegen, lieber Lord!“ Der Lord ging auf den freundschaftlichen Ton dieser Drohung ein und replizierte: „Ich bin sicher, daß sie auch noch die Hosen verlieren werden, my boy!“ Eine halbe Stunde später hatte Graf von Semillac bereits 350 000 Francs ver loren. Lord Hotbin stichelte: „Sie spielen noch weiter, alter Knabe, Sie geben's noch immer nicht auf?“ Semillac versuchte mühsam, seine völlig in Unordnung geratenen Gedanken zu sammeln. Eines war ihm klar: er war verloren. Nie würde er imstande sein, 350 000 Francs zu zahlen. Die Schande mußte über ihn innerhalb 24 Stunden herein brechen. Er legte die Karten auf den grünen Tisch, setzte sich in seinem Stuhl zu recht und sagte: „Mein Freund, ich habe mich verleiten lassen, mich über meine Kräfte zu enga gieren. Ich bin absolut nicht imstande, eine derartige Summe aufzubringen. Doch