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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 30.06.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-06-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-188206304
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18820630
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18820630
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungFreiberger Anzeiger und Tageblatt
- Jahr1882
- Monat1882-06
- Tag1882-06-30
- Monat1882-06
- Jahr1882
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 30.06.1882
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md Tageblatt. ^119. Amtsblatt für dit kömglichm und städtischen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Lermtwortlicher Redakteur Iuliu» Braun m Freiberg. Erscheint jeden Wochentag Abends S Uhr für den andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2S Pf., zweimonatlich 1 M. 50 Pf. u. einmonatl. 75 Pf- 34. Jahrgang. Freitag, de« 3V. J««i. Inserate werden bis Vormittags 11 Uhr angenom- men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile oder deren Raum 15 Pfennige. 1882. Frühe Eheschließungen. Neuerdings wurde vielfach auf die großen Gefahren hingcwiesen, welche für die wirthschaftliche und sittliche Wohlfahrt künftiger Geschlechter aus der in den letzten Jahren immer weiter um sich greifenden Gewohnheit früher Eheschließungen hcrvorgehen. Im Zusammenhänge damit erörtert man die Frage, ob nicht die Gesetzgebung durch Wiedereinführung von Beschränkungen des Rechtes zur Eheschließung jenem Uebel Einhalt thun und gesündere Zustände herbeiführen könne. Daß das hier angedeutetc Uebel wirklich besteht, darüber kann kein Zweifel obwalten. Es fehlt zur Zeit noch an genauen statistischen Nachweisen über die cinschlagcndcn Verhältnisse in den verschiedenen Theilen Deutschlands während der letzten Jahrzehnte. Aber auch ohne solche Unterlagen kann Derjenige, der sich im Volke umsieht, die Wahrnehmung machen, daß junge Leute in großer Zahl, denen es an der nöthigen Reise fehlt, leichtfertig einen Hausstand gründen und dann nach wenigen Jahren ohne Mittel, sich und ihre Familie zu ernähren, der Ver kommenheit verfallen oder in die weite Welt gehen und Frau und Kind im Stiche lassen. Namentlich können Mitglieder der städtischen Armcnvcrwaltungen in dieser Hin sicht ein Liedchen singen. In vielen Gemeinden schreibt sich das gewaltige An wachsen der Armenlasten gerade von dem Leichtsinn her, mit welchem Ehen geschlossen werden. Wer eine Ehe ein- gchcn will, muß einen gewissen Grad körperlicher, geistiger und sittlicher Reise erlangt haben; er muß auch in mate rieller Hinsicht, wenn nicht reichliche Mittel, so doch eine gewisse Gewähr bieten können, daß er im Stande ist, eine Familie zu ernähren. Wer jene Reife nicht hat und diese Gewähr nicht leisten kann, trotzdem aber zur Ehe schreiten will, ist ein leichtfertiger, gewissenloser Patron. Die Bürschchen von zwanzig Jahren, welche man heutzutage manchmal noch vor erfüllter Militärpflicht auf's Standes amt gehen sieht, besitzen weder jene Reise, noch jene Ge währ und ihr Beginnen ist also ein frivoles, nicht genug zu tadelndes. Die Folgen bleiben denn auch nicht aus. Das ganze Elend einer zerrütteten Ehe, der materielle Mangel, die Uneinigkeit zwischen den Gatten, körperliche, geistige und sittliche Verwahrlosung der Kinder, moralische Ver sumpfung des Mannes, der Frau, der Kinder, Vermehrung des Proletariats schlimmster Sorte — das sind die Folgen, welche sich an eine leichtsinnig geschlossene Ehe nur zu oft knüpfen. Wir brauchen das düstere Bild, welches sich hier darbietet, nicht weiter auszumalen; Jeder, der sehen will, kann es ja im Leben gewahren. Wenn man diesen Thatsachen gegenüber unthätig ver bleiben und sich mit dem billigen Tröste abfinden wollte, daß eben Jeder seines Glückes Schmied ist und daß die Kinder nun einmal die Sünden der Väter büßen müssen, so wäre dies ebenso lieblos wie grundfalsch. Denn selbst wenn wir gleichgiltig all dem Elend zuschen wollten und könnten, welches sich da täglich vor unseren Augen ent wickelt — wir würden bald genug gewahr werden, daß wir selbst bei alledem gar nicht so unbetheiligt bleiben, wie cs dem oberflächlichen Blick scheinen möchte, sondern daß wir sehr empfindlich in Mitleidenschaft gezogen werden. Von der Armenlast sprachen wir schon; aber ist nicht auch das Anwachsen des Verbrech erthu ms, der Vagabondage u. s. w. im Gefolge jener leichtsinnigen Eheschließungen? Sind nicht alle damit verknüpften so zialen Schäden Erscheinungen, unter denen auch jeder Andere mit zu leiden hat? Fürwahr, es wäre eine ebenso beschränkte wie erbärmliche Auffassung, den Einzelnen von der Gesammthcit loslösen zu wollen. Wir Menschen sind jjn unserem Thun und Treiben, in unserem Wohl- oder Uebelbefinden eben unlöslich mit einander verknüpft. Was den Einen schädigt, das schädigt auch den Andern. Wir haben also Ursache, dem Uebel Einhalt zu th»n. Aber wie soll geholfen werden? Mit gesetzlichen Ehe hindernissen, wie vorgeschlagen worden ist? Wenn wir uns auch vor der „Beschränkung der Freiheit", die hierin liegt, nicht fürchten, so besorgen wir doch, daß die vor geschlagene Maßregel nichts helfen wird. Auf keinem Gebiete ist die Gesetzgebung ohnmächtiger, als auf diesem. Künstliche Schranken lassen sich da nicht errichten; der Trieb, der neben dem Hunger der mächtigste im Menschen ist, spottet aller Gesetze, Verordnungen und Reglements. Dämmen wir die Zahl der Eheschließungen ein, bekommen wir mehr Konkubinate und uneheliche Geburten und das ist noch viel schlimmer! Wohin man mit Ehchindernissen kommt, das hat seiner Zeit Mecklenburg, das gelobte Land der Ehebeschränkungcn, genugsam gezeigt. Es verräth eine recht mechanische und oberflächliche Auffassung menschlicher Dinge, den Grund für die vielen vorzeitigen Eheschließungen im Zivilehcgcsctz, im Frei- zügigkcitsgesetz rc. zu suchen. Die Wurzel des Uebels liegt tiefer. Sie hat ihren Ursprung einenthcils in den sozialen Verhältnissen, welche es heutzutage einem jungen Menschen viel leichter machen, sich einen häuslichen Hcerd zu gründen, als früher; andcrnthcils in der geringen moralischen Verantwortlichkeit, welche der junge Mann von heute — immer natürlich vom Durchschnittsmenschen gesprochen — in sich fühlt. In diesen beiden Punkten wird man Besserung schaffen müssen. Wie wir uns das denken, suchen wir morgen weiter darzulegcn- Tagesschau. Freiberg, den 29. Juni. Es zeigt sich immer deutlicher, daß Bismarck recht hatte, wenn er von einer gemeinsamen Aktion Englands und Frankreichs in Egypten unter Hinweisung aus Differenzen, welche für die beiden Mächte unter sich leicht daraus ent stehen könnten, abrieth, denn es tritt immer klarer zu Tage, daß die beiden Mächte sich keineswegs in solcher Ucber- einstimmung hinsichtlich der Auffassung der egyptischen Frage befinden, als es schien. Während sich Frankreich bei dem Gang, den die Dinge in dieser Frage genommen haben, veranlaßt sieht, sich immer größere Reserve aufzu- erlegcn, scheint hingegen England jetzt mehr als je zur Aktion zu drängen. In Frankreich verfolgt man mit größter Spannung die Gerüchte von englischen Rüstungen und die kriegerische Sprache der Londoner Blätter. Es heißt, England habe an das französische Gouvernement die Frage gestellt, ob es gegebenen Falls an einer be waffneten Aktion in Egypten theilnehmen würde. Die Antwort Frankreichs soll eine negative gewesen sein und Freycinet auf der Erklärung beharrt haben, daß Frankreich die Entscheidungen der Konferenz abwarten wolle. Die Gambettistischcn Blätter versichern, daß diese Zurückweisung der Proposition Englands nicht einstimmig erfolgt sei, sondern zwei Minister energisch für eine günstige Aufnahme derselben eingetreten seien. Im Allgemeinen will man in Paris noch nicht recht an die Wahrscheinlichkeit eines selbst ständigen militärischen Vorgehens Englands glauben und äußert sich demnach auch noch sehr unklar über die etwaige Haltung, welchem diesem Falle Frankreich geboten wäre. Jeden falls aber wird England während der Dauer der Konferenz keinen selbständigen Schritt thun können, nachdem in der montägigen Konferenz von allen bei derselben vertretenen Mächten die Zusicherung ertheilt worden ist, sich jeden isolirten Vorgehens in Egypten während der Dauer der Konferenz zu enthalten, ausgenommen nur den Fall, daß die Sicherheit der europäischen Bevölkerung bedroht sei. — Ueber die Haltung der Türkei gegenüber der Konferenz scheint noch immer Unklarheit zu herrschen. Bekanntlich hat der Vorsitzende der Konferenz, Graf Corti, die Pforte im Namen seiner Kollegen aufgefordert, an der Konferenz Theil zu nehmen, wobei er ausführte, die Konferenz habe durchaus nichts Feindseliges gegen die Türkei im Sinne, welche im Gegentheilc Freunde unter den Mächten besitze; cs stehe der Pforte frei, an den Berathungen theil- zunehmen, wann sie wolle; übrigens werde sie jedenfalls über die Beschlüsse der Konferenz, nach Maßgabe der er ¬ folgten Fassung derselben, im Laufenden gehalten werden. Während nun auf der einen Seite gemeldet wurde, als Antwort auf diese Einladung habe die Pforte noch am selben Tage eine Zirkular-Depesche an ihre Vertreter bei den Mächten gerichtet, welche unter Hinweis auf die Nachrichten au's Egypten abermals die Nutzlosigkeit der Konferenz betone, in seiner Sprache aber nicht so schroff und entschieden abweisend sei, wie die des Zirkulars vom 20. dieses Monats, wird der „Politischen Korre spondenz" aus Konstantinopel Folgendes berichtet: Die diplomatischen Kreise legen Werth auf die Thatsache, daß die jüngste türkische Zirkularnote vor der Uebergabe des Konfercnzmcmorandums, worin der Pforte der Kon ferenzeintritt gewahrt wird, versendet wurde, so daß diese Kundgebung bisher von der Pforte unbeantwortet blieb. Die Vertreter Deutschlands, Rußlands, Oesterreichs und Italiens sind von ihren Regierungen instruirt worden, der Pforte eindringlich die Berücksichtigung des Konferenz- mcmorandums zu empfehlen- Es wird die Hoffnung noch nicht aufgcgcben, daß die Pforte durch diese übereinstim menden wohlwollenden Kundgebungen zur Modifikation ihrer Haltung gegenüber der Konferenz sich bestimmen lasse. In dem erwähnten jüngsten Rundschreiben der Pforte vom 26. d. werden zwei Telegramme Derwisch Paschas reproduzirt, in welchen dieser erklärt, daß die Armee sich zur Treue gegen den Sultan verpflichtet habe. Weiter wird darin hcrvorgchoben, daß sich über das be kannte Programm des neuen egyptischen Kabincts, welches die Ausführung des Firmans und der internationalen Verpflichtungen enthalte, alle auswärtigen Vertreter billi gend ausgesprochen hätten, mit Ausnahme der Vertreter Englands und Frankreichs. — In der vorgestrigen dritten Konferenzsitzung soll Duffcrin einen allgemeinen Antrag vorgclegt haben, der sich wesentlich mit den Befugnissen der Gcncralkontroleure und deren Beziehungen zu den egyptischen Behörden beschäftigt, auch wären Maßregeln angcdcutet zur Wiederherstellung der Sicherheit und Ord nung. Daß man in Bezug auf die Sicherheit und Ord nung noch kein rechtes Vertrauen hegt, geht unter Anderm auch aus folgender Meldung des Wolff'schcn Bureaus hervor: „Alexandrien, 27. Juni. Der Vizekonsul Calvert hat seine Entlassung genommen. Der den Konsulatsdienst versehende Beamte begab sich heute früh zu den englischen Einwohnern und ertheilte ihnen den Rath, diejenigen, welche in Alexandrien bleiben wollen, sollten ihre Woh nung in den Bureaus der „Eastern-Telcgraph-Kompagnie" nehmen. Man könne jeden Augenblick Nachrichten aus Konstantinopel erwarten, welche, gleichviel ob sie wahr oder falsch seien, neue Unruhen der Bevölkerung verur sachen könnten." — Die Beunruhigung, welche sich an die Verleihung des Medjidic-Ordens an Arabi Pascha ge knüpft hat, sucht das „Journal de St. Petersdourg" zu beschwichtigen, indem es sagt, sicherlich habe der Sultan damit nicht zu der militärischen Insubordination und zu der Ermordung von Ausländern noch ermuthigen wollen; jedenfalls aber hätten die Schicklichkeitsrücksichten es erfor derlich erscheinen lassen, zu einer solchen Gunstbezeigung nicht den gegenwärtigen Moment zu wählen; es müsse diese Verleihung einen ganz besonderen Zweck gehabt haben, dessen Gründe man noch nicht zu durchschauen vermöge. — Ein zu der österreichischen Regierung in naher Be ziehung stehendes Blatt, der „Pester Lloyd", sagt gelegent lich der Besprechung des Gerüchtes von einer Beschlag nahme des Suezkanals durch England, daß sich die Spitze einer solchen Sonderaktion Englands ebenso gegen die Solidarität der europäischen Interessen, als gegen die Souveränetät der Pforte richten würde, und bemerkt hierzu unter Anderem: „Wenn man sich in England wirklich mit dem Gedanken tragen sollte, bezüglich der außereuro päischen Besitzungen der Türkei die Rolle zu übernehmen, welche Rußland in den europäischen Besitzungen derselben aufgegriffen hatte; wenn die Politik der Zerstörung und Destruktion, welche die Macht der Pforte in Europa zu zerbrechen versucht hat, nunmehr auf afrikanischen Boden übertragen werden sollte: dann wird England auch noth wendig die Konsequenzen in der Haltung Europas hin- nchmen müssen. Ein durch das gcwaltthätige Vorgehen eventuell der Türkei oder Egypten abgerungener Vertrag wird nicht minder revisionsfähig und wahrscheinlich auch nicht minder revisionsbedürftig sein, als der Vertrag von San Stefano, und wenn sich England in die nicht sehr beneidenswerthe Stellung bringen will, die Resultate seiner Politik unter europäische Kontrole und Rcgulirung gestellt zn sehen, so kann cs diese Position leicht erreichen."
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