Es war ja süß-frech von Dir, mich gleich zu Dir einzuladen, als mein Mann neu lich erzählte, daß er einen Herrenabend im Ministerium hätte, aber ich hatte es mir so fest gewünscht und ich wußte, daß Du es mir sagen würdest, sobald wir einen Moment allein sein würden. Hast Du das gemerkt? Und als ich dann glaubte, Dir absagen zu müssen, machtest Du so traurige Augen, daß ich Dir am liebsten um den Hals gefallen wäre und Dir gestanden hätte, daß alles nicht wahr ist, aber statt dessen mußte ich sehr ernst mit Dir reden und von Dir verlangen, nicht wieder bei mir anzurufen und nicht wieder zu uns zu kommen. Wenn Du wüßtest, wie schrecklich es für mich ist, wie ich die ganze Nacht mit mir gekämpft habe, bis ich endlich weiß, was ich eigentlich schon seit dem Tage, an dem ich Dich kennen lernte, wußte, daß ich zu Dir gehöre und daß ich Deine Geliebte werden muß. Ein Mann kann es vielleicht gar nicht so verstehen, wie sehr sich eine Frau nach Liebkosungen, nach Zärtlichkeiten sehnen kann und wie furchtbar es ist, neben einem Menschen zu leben, der einen die schönsten Dinge des Lebens entbehren läßt. Ich weiß, daß Du mich verstehen wirst, und muß von Dir erfahren, wie Du diese Dinge empfindest, trotzdem ich bereits heute weiß, daß Du genau so denken wirst wie ich. Ich glaube, daß wir sehr glücklich sein werden und zähle die Stunden bis ich bei Dir sein werde. Ellen legte die Feder hin und las den Brief noch einmal ganz langsam durch, dann riß sie ihn in viele kleine Schnipsel, die sie in den Papierkorb warf. Sie nahm ein neues Blatt und schrieb: Ich würde viel lieber „mein Freund“ sagen, aber leider haben Sie es mir durch Ihr gestriges Verhalten unmöglich gemacht, Sie für einen Freund zu halten. Ihre unmögliche und unerzogene Einladung zwang mich, Ihnen zu sagen, daß Sie nicht mehr bei mir anrufen sollen und Sie zu bitten, Ihre Besuche in unserem Haus ein zustellen. Es ist schade, daß es so gekommen ist — Sie sind mir nicht unsympathisch gewesen und ich glaubte, in Ihnen einen Menschen gefunden zu haben, mit dem ich Freundschaft schließen könnte, aber leider haben Sie selbst diesen Glauben zunichte gemacht, und wenn ich gestern vielleicht noch an die Möglichkeit dachte, daß wir später doch noch einmal gute Kameraden sein könnten, so ist dies auch durch die Rosen und Ihre Zeilen: „Ich hoffe noch!“ die ich heute morgen bekam, zur Unmöglichkeit geworden. Haben Sie denn nicht das Gefühl, wie beleidigend Ihre Einladung und Ihre Blumen heute früh für mich sein mußten? Es ist doch eigenartig, daß es so vielen Männern an Gefühl für diese subtilen Dinge fehlt. Sie wissen, wie glücklich ich mit meinem Mann lebe, wie mein Mann nur für mich lebt und arbeitet und wie ich meinen Mann liebe. Ich gehöre nicht zu den „unglücklichen und unverstandenen“