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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.06.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-06-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940619028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894061902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894061902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-06
- Tag1894-06-19
- Monat1894-06
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BezugS-PreiS t> der H»uvlekp»dition »der de» im Stadt, teekk »»8 den Bororten errichteten Au«, »abeftelle« «bgetzilt: vierteliährlich ^14.50. bei jweinialiger täglicher Zustellung int ba»t >l dchg. Durch die Post bezogen sur Lentschlaud «ad Oesterreich: viertel,ährlich F . Direkte tägliche Kreuzbandiendung i»< Sa-Iaud: monatlich ^l 7.SO. kir viorgen-Lukgab« erscheint täglich'/,? Uhr, die Lbend-Autgab« Wochentag- S Uhr. »etz«cti-« ,u- Lrpe-itio«-. Aatzanne-gassc 8. Lte knxditio, ist Wochentag- aannterbroche» >eösjnet »»» früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filiale«.' Kl« »te««'« S«rtt«. tAlfre» H«h»^ NnIversitätSstrabe 1. L-^i» Lisch., I»tt«rinenstr. 14, pari, und K-nIg-platz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Drgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Anzeigen Preis die 6 gespaltene Petitzeile 22 Psg. Reklamen unter dem Rrdactionksrrich ,4ga» spalten) LO^j, vor den Familicunachrichte» (6 gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Prri«. ««»richniß. Tabellarischer und Ziffern,ap nach höherem larrf. krtra-Beilagen (gesalzt), nar mit de, Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annatfmeschluß für Anzeige«: Abend »Aufgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- »Uhr. Sonn- und Festtags früh V,S Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein, halb« Stunde früher. >»»eti«u sind stet- an die Sttevitisv zu richten. Druck und Berlag von S. Polz in Leipzig. ^3«S. Dienstag den 19. Juni 1894. 88. Jahrgang. Politische Tagesscha». * Leipzig. 19. Juni. Am Sonnabend wiesen wir an dieser Stelle daraus hin. laß die bevorstehende Stichwahl im ReichstagSwahlkreisc Pinncbrrg mit einem Siege des socialdemokratischcn Candi- daten enden werde, wenn die Wünsche der demokratischen .Franks. Zig." in> Erfüllung gehe» und ihre Treibereien von Erfolg sein sollten. DaS hat die „Franks. Ztg." ge ärgert. Und da sie nicht ableugucn kann, daß sie dem Social- temokratcn zum Siege zu verhelfen sucht, bemüht sie sich, eine unserer übrigen Behaupiungen als unwahr bin- zustellen. Wir hatten nämlich gesagt: „Die Stellung der Parteien bei Stichwahlen gegen Socialdemokraten war bisher in Preußen eine sehr verschiedenartige. Die Natio- nallibcralen allein können dort von sich sagen, daß sie in Stichwahlen zwischen Socialdemokraten und andern Par- leienstets redlich und eifrig die letzteren unterstützt haben, weil sie dies grundsätzlich für ihre Bürgerpflicht im gemeinsamen Kampfe gegen die Umsturzpartci halten." Dazu bemerll nun die „Franks. Ztg": „Wenn man bedenkt, dich der Redaclcur des „Leipz. Tagebl." zn einer Zeit, in der die Wahl von 1884 noch in lebhaster Er innerung war, Leiter des „Frankfurter Journals" gewesen ist, so staunt man über das Matz von Unwahrhastigkeit, das im „Leier Taqebl." erreicht ist." Wir erinnern uns allerdings, daß den Nationalliberalen in Frankfurt der Borwurf gemacht worden ist, sie hätten im Jahre 1884 eine socialdemokratische Candidatur gegen eine andere unlerstüyt, die sie für rin noch „größeres Uebel" hielten. Aber ganz abgesehen davon, ob wirklich ein be- merkbarerpolilischer Unterschied zwischen den beiden Eandidalcn war, so wirst eine einzelne Ausnahme jedenfalls die Regel nicht iihrr den Haufen. Sagt man doch im Gegentheil, daß einzelne Ausnahmen die Regel beweisen. Und daß in der Thal von jeher dir Nationalliberalcn cs grundsätzlich für ihre Bürgerpflicht erachtet haben, andere Parteien im gemein samen Kampfe gegen die Umsturzpartci zu unterstützen, kann die „Franks. Ztg " doch nicht ini Ernste ableugncn wollen. 2aS würde cm erstaunliches Maß von Unwabrbastigkeit rerratben. DaS demokratische Blatt braucht nur bei der Locialdcmokra tie, mit der cs ja recht guteFühlung hat, zu fragen, oon welcher Partei sie in Preußen sowohl, wie in den übrigen deutschen Staaten bei Stich- und anderen Wahlen am konsequentesten bekämpft wird. Wenn die „Frkf. Ztg." wahrhaftig genug ist, die Antwort auf diese Anfrage nntzulheileu, so wird sie auch den gegen uns gerichteten Porwurf zurücknchmen müssen. lDer „Brüss. Gaz." geht ans Berlin aus autorisirter Quelle ein Bericht über die Stellung Deutschlands zum bongaftaatc mit Rücksicht auf das englisch-congostaat- liche Abkommen zu, das klar und bestimmt die deutschen Anschauungen ausspricht und in den Brüsseler politischen Kreisen großen Eindruck hervocruft. „Teutichland", so schließt es, „hat in Brüssel gegen daS inzlijch-congostaatliche Abkommen Einspruch erhoben und erhält ,» nicht Gcuugthuung, so hört der Congostaat aus, für Deutsch land ein neutrales Land zu sei». Ter Landstreifen, den der Loagoslaat au? seinem Gebiete an England einstweilen gegeben hat, wird von Deutschland als eine Verletzung der Verträge an gesehen. Es sagt Deutschland zu. im Mittelpunkte Afrikas >n> weiten Congogebiele eine unabhängige und streng neutrale Macht zu haben. Um dieses Ergebnis zu erlangen, hat Deutsch, land mächtig dazu beigetragen, den Congostaat zu gründen. Nach der Meinung der deutschen Regierung verhindert die Neutralität Belgien, Bündnisse zu schließen. Verbündeten sich morgen die Belgier mit irgend einer anderen Macht, so würde Deutschland sofort aufhörcn, ihr Land als neutral anzusehen, und sich nicht mehr für verpflichtet halten, es zu beschützen. Dasselbe gilt sür den Congo staat. So lange dieser Staat dem Grundsätze, der ihm seine Ent stehung gegeben hat, treu geblieben ist, hat er das Recht gehabt, aus den Beistand Deutschlands zu rechnen. Er ist aus diesem Grund sätze herausgegange», iudcui er, wie er es gethan hat. mit England einen Vertrag geschlossen. Seine Geschicke imeressiren uns nicht mehr. Wenn Deulschland nicht aus die unbedingte Neutralität des Congo- slaatcs rechnen, wenn er nicht i» der Gewißheit leben kann, daß er sich mit Niemandem verbunden hat, noch mit irgend Jemandem sich verbinde» wird, was liegt ibm dann an dein Bestehen dieses Staates ? Ebenso viel wie an ,edem anderen am Coiigo l Und was ich Ihnen sür Deutschland sage, wird bald aus eine allgemeine Weise aus gesprochen werden. Und rechnen Sic nicht aus den Kaiser, hoffen Sie nicht, daß er eine andere Sprache führen wird, als seine Regierung! Nein, bleiben die Dinge, wie sie sind, so ist die Neutralität des Congo sür Deulschland zu Eade. Mag ihn nehmen, wer da will!" Hiernach, so schließt der Berichterstatter, ist eS das wich tigste. daß der Congostaat seine Neutralität aufrechthält und die Abtretung des Landstreisens an England rück gängig macht. Nnr wenn dieseNeutralität scstgebalten wird, darf der Congostaat daraus hoffen, daß seiner Zeit Deutschland auch Frankreich gegenüber sein Machtwort sprechen wird, damit der neutrale Congostaat an das neutrale Belgien übergeht. Die Anschauungen Deutschlands finden in gewichtigen politischen Kreisen Brüssels gerechte Würdigung und Anerkennung, doch steht die Entscheidung ausschließlich bei dem Könige, der sich Tag sür Tag mit dem englischen Gesandten am belgischen Hof berälh und, um den Congostaat vor Frankreich zu sichern. Arm in Arm mit England gehl und nicht daran zweifelt, daß eine Einigung mit Deutschland zu erreichen sein werde. England und der König wollen gemeinsam mit Deutschland dieserhalb unterhandeln; doch dürsten sic sich täuschen, wenn sie glauben, Deutschland werde das Abkommen anerkennen. Zwischen Frankreich und Oesterreich-Ungarn tritt ein Zollkrieg in Sicht. Die Republik scheint an den Zollkriegen mit Italien, Spanien und der Schweiz noch nicht genug zu thun zu haben, sie will auch einen solchen mit der HabS- burgischcn Monarchie vom Zaune brechen. Muthwilligcr wäre nie ein Zollkrieg begonnen worden. Weil Oesterreich sich weigert, Frankreich denselben ermäßigten Weinzoll von 3 G- 20 Kr. in Gold sür Wein in Fässern zu gewähren, den es (statt des allen anderen Staaten gegenüber geltenden Zolles von 20 G) Italien gewährte, sollen nun auf öster reichische Einfuhrartikel, wie Mehl, Holz, Schafe und Pferde, hohe Retorsionszölle gelegt werden, die völlig Prohibitiv- öllen gleichkommcn. Man muß aber mit der „Boss. Ztg" etonen, daß die Forderung Frankreichs eine ganz und gar ungerechtfertigte ist. Der 3 G- 20 Kr.-Zoll für italie nische Weine hat den Charakter einer Grcnzbegünsligung, und überdies hat Italien auf ihn von Alters her Anspruch, indem er bereits in früheren Verträgen in Geltung stand. Niemals aber hat Frankreich daraus sür sich das Recht ab geleitet, denselben Zollsatz zu beanspruchen. Erst jetzt, wo die französischen Weinproducentcn in Folge der sehr großen Ernte des BorjahrS nicht aus noch ein wissen mit ihren Wcinvorräthen, haben sie ihr Auge auf Oesterreich geworfen und meinen, durch die Erlangung der Begünstigung sür italienische Weine einen Theil ihres UeberflusseS nach Oester reich abstoßen zu können. Oesterreich ist jedoch durchaus nicht in der Lage, noch irgend einem Staate dieselbe Begünstigung zu gewähren, denn cs mutz seine eigenen Wcinprodncenten schützen, die sich schon, namentlich in den südlichen Ländern, durch den niedrigen Zollsatz für italienische Weine in ihrer Existenz für bedroht erachten. In Wien und Pest ist man daher nicht geneigt, sich von Frankreich majorisiren zu lassen und wirb Kampfzoll mitKampfzoll erwidern AußerdemwurdeletztcrTage im ungarischen Unterbaust eine Frage berührt, die in Paris Berständniß finden dürfte. Kommt cS zum Zollkrieg, so wird auch die Literarconvcntion mit Frankreich ausgehoben. Alle Theater- und Musikstücke, sämmtliche Romane sind vogelfrci, und das bedeutet in Oesterreich für die französischen Autoren ein Bermögen. DaS bat aber auch eine weitere Folge: WaS in deutscher Sprache in Oesterreich erschienen ist, kann selbstverständlich in Deutschland zollfrei eingesührt werden und so erleiden auch bier die französischen Verfasser Schaden. Oesterreich kann dem Zollkriege mit Frankreich mit Ruhe entgezensehen. Seit l89l sank die Einfuhr aus Frankreich von 40 auf 25, die Ausfnbr nach Frankreich von 33 ans 22 Millionen Gulden Die Einfnbr nach Oesterreich sind meist LuxnS, die nach Frankreich Vcr- brauckSartikel. Aus die Kleider und Parfümerien kann Oesterreich verzichten, die Hammel sür den Markt in La Viletle kann Paris gar nicht entbehren. Die diesjährigen großen sranzüsischk» Flotten manöver, welche nächsten Monat abgehalke» werden, sollen über die wichtigsten Probleme der modernen Seekriegsührnng das Licht der praktischen Erprobung verbreiten. Der Plan der Generalidee zu diesen Manövern, deren Schauplatz der Atlantische Ocean und das Mittelmecr bilden sollen, istdieser Tage imPrincip zwischen dem Marincminister und dem Flottenstabschcf, Biceadmiral Gervais, vereinbart worden. Zur Thcilnahme an den Manövern sind die Evolutionsgeschwader des Canals und der Nordsee, das Rcservegeschwadcr und die Schiffe der Küstenverthcidigung befohlen worden. Alles das läßt darauf schließen, daß die maritime Machtcntfaltung Frankreichs diesen Sommer eine ungewöhnlich große sein wird. Wenn demgegenüber die Blätter darauf binweiscn, daß die Einziehung der Reserve- und Scewehrmannschasten sich in den engstmöglichen Grenzen bewegen werde, so ist dieser Hinweis im Grunde ziemlich nichtssagend. Unter dem Begriff „engstmöglich" kann sich jeder denken, was er will, da er völlig subjectiv sormulirt ist. Anderer seits bleibt die Thatsache bestehen, daß Frankreich eben jetzt an der algerischen und marokkanischen Küste maritime Streitkräfte entwickelt, welche ihrem taktischen Gewichte nach der Bedeutung mindestens eines seldkricgSmäßigen Armec- corpS zu Lande entsprechen, und daß man nicht zu viel be Häuptel, wenn man sagt, daß Frankreich, welches an den verschiedensten Punkte» des Erdballs durch seine coloniale Action in Anspruch genommen wird, seine Flotte ge wissermaßen in dem Zustande einer permanenten Mobil, sirung hält. ES erscheint dem gegenüber wirklich nicht von entscheidendem Belang, ob ein paar Reservisten mehr oder weniger eingezogen werde», da jedenfalls so viel Mann schaft zum Dienst parat stehen wird, als nolhwendig ist, um über die zur Lösung gestellten Aufgaben ins Reine zu kommen. Für die von Frankreich in Afrika verfolgten Absichten ist das Vorhandensein einer schwimmenden Streitmacht in dem Um fange, wie es die Bedürfnisse der internationalen Situation mit sich bringen, eine wesentliche Voraussetzung des Gelingens. DaS weiß Niemand besser, als England, das eifersüchtig jeden maritimen Schritt Frankreichs beobachtet und zu parälysiren sucht, wie eben jetzt wieder vor Marokko. Das Attentat auf den italienischen Premierminister CriSpi wird schwerlich in einem anderen Lande außerhalb Italiens soviel aufrichtige Theilnahme für den glücklich Er retteten hcrvorgerusen haben wie in Deutschland. Kein anderer fremder Staatsmann ist mit so weiten Kreisen der deutschen Politiker in Berührung gekommen wie CriSpi. Zweimal ist er von solchen in Berlin in ungewöhnlicher 'Weise gefeiert worden, zuletzt im Mai 1889, wo er seinen König an den Hof unseres Kaiser- begleitet batte und ibm Mitglieder aller Parteien deS Reichstags mit AuSnabme dcs EcnIrumS und der Socialdcmokratcn ein glänzendes Festmahl gaben. Man würde nicht behaupten können, daß die außer- gewöbnlichen Begebungen, von welchen diese feierlichen Ver anstaltungen Zeugniß ablegten, eine besondere Vorliebe Erispi'S sür Deutschland und deutsche- Wesen zur Voraus setzung bättcn. Crispi's echt romanische Natur hat selbstverständlich sehr viel mehr BerührungSpuncte mit der französischen Cullur, und wenn er noch in den letzten Jahren wiederholt einem gewissen Schmerzgefühle über die Ent- fremdnng zwischen Frankreich und Italien, sowie besonders über die Verkennung seiner Person durch die Franzosen Aus druck gegeben hat, so war das vollkommen begreiflich und stand mit seinem Verhältniß zu Deutschland durchaus nicht, wie man ibm damals vielfach vorgeworicn hat, in Wider spruch. Seine Freundschaft für Deutschland ist stet- eine rein politische gewesen, kcrvorgcgangcn aus der Ueberzeugung oon einer schwerwiegenden Interessengemeinschaft der beiden Länder, welche nirgends durch von der Natur gegebene colli- direiide Verbältniffe getrübt wird. Aus solcher Basis aber ist diese Freundschaft auch unerschütterlich gewesen, von dem Tage an. da er durch sein energisches Auftreten gegenüber dem König Victor Emaniicl die Einmischung Italiens in den deutsch fran zösischen Krieg verhinderte, bis ans die Gegenwart. Während so die Nachricht von dem vereitelten Mordanscklage, ganz abgesehen von der Bedeutung sür die actuclle politische Lage Italiens, schon auS bloßer Smnpatbic für die Person CriSpi ö in ganz Deutschland mit aufrichtiger Freute begrüßt wird, konnte eS ni» so bedauerlicher erscheinen, daß zugleich aus diesem Anlasse schwerlich in einer anderen Sprache so nichts würdige Gemeinheiten auf daS Hanpl de« greisen italienischen Staatsmannes gehäuft werden, wie cS in dem deutsch ge schriebenen ofsieicllen Organ unserer Socialdemokratie geschickt. Aber abgesehen davon, daß die Leitung drrSocig!» demokratie mit ibrcr lächerlichen Geflisscntlichkeit alle vereitelten rcvolutionairen Attentate als verzweifelte Theatercoups der Au- gegriffenen darziiffcllcn. nnr ibrc eigene Feigheit bekundet, erhellt auS dieser Begeiferung CriSpi'S lediglich, wie schwer die inter nationale Verscbwörergcscllschaft die eiserne Hand de- Willens stärken Italieners empfindet. In der Thal ist der Plan, die alte bürgerliche Gesellschaft von Sicilicn auS Schrill sür Schritt aufzurollen, durch daS entschlossene Dazwischcnsahrcir Crispi's gründlich durchkreuzt worden. Nur um so wärmer sind die Glückwünsche, welche dem tapferen Manne von der großen Mcbrbeit deS deutschen Volkes gewidmet werden. Wäre der Reichstag versammelt, so würde ibm ein herzlicher Gruß anS demselben sicherlich nicht gefehlt haben. Ilm io mehr bat die deutsche Presse die Pflicht, dem anfrichtige.i Wunsche Ausdruck zu geben, daß CriSpi seinem Vaterlande, welchem er beute unersetzlich ist, noch lange in seiner ganzen Tbatkraft erkalten bleibe; sic schließt sich damit »ur den Impulse» an, welche von den ersten Stellen und Männern deS Reiches auSgegangcn sind. In Rußland siebt man mit einer gewissen Schadenfreude auf die augenblicklicheComplicirung afrikanischer Fragen — englisch belgischer Congo-Vcrtrag und Marokko-Angelegen- beit :c. — und erblickt in derselben nicht mit Unrecht eine dem Zarenreich vortbcilhaste Ableitung der westeuropä ischen Jnteressenpolitik vomBoSporuS undBalcan nach dem schwarzen Erdtheil. So schreibt die in Feieilletsn. Die alte gute Zeit. Sine Erzählung auS Niedersachsen von Greg. Sa marow. 8j Nachdruck vrrbotm. (Fortsetzung.) Der Baron Hilmar saß vor ihr, und wie er die Pferde mit leichter sicherer Hand lenkte, da stieg in ihr die Er innerung an die Märchen aus, die sie in ihrer Kindheit gibert und gelesen, und in denen schöne Prinzen von zauber- mächtigen Feen zu ibren Günstlingen crwäblt werden. Hilmar wandte sich zuweilen um, sprach mit dem De chanten über dies und jenes und nannte ihr die Dörfer, turch die sie fuhr, und die fernen Höhenzüge am Horizont; »weilen führte ihn daS eine oder das andere, was am Wege bemerkbar wurde, aus Vergleiche mit ferne» Ländern, turch die er gereist war, er sprach dann von Frankreich, re» England, von dem Meere und dem sonnigen Italien mit dem Dechanten und sie lauschte athemloS. DaS AllcS, was er flüchtig berührte oder auch auf die Fragen deS geistlichen Herrn lebendig schilderte, war ihr so neu und dabei so wunderbar anziehend, daß sie immer mehr in eine neue Welt sich versetzt glaubte und sich oft im Stillen Vorwürfe machte, wenn sie, den Gesprächen lauschend oder in die Ferne hinausblickend, ganz und gar ihre Ver gangenheit, ihre Lage und sogar den Schmerz um ihre Müller vergessen halte. Aus dem halben Wege, den die schnellen Pferde in außer ordentlich kurzer Zeit zurückgelegt batten, der Anna aber tennoch durch die wechselnden neuen Eindrücke gar lang vor- gekommen war, dielt der Baron vor einem DorfwirtbShause au, «m die Pferde füttern zu lassen. „Ich bin hungrig", sagte er, „und die Herrschaften werden e« auch sein, und da Sie nun einmal meiner Führung sich »»vertraut habe«, so werden Sir mir auch die Ehre erweisen umffen, meine Gäste bei einem kleinen Frübstück zu sein, wie wir eS hier finden werden." 2a dem kleinen Garten hinter dem WirthSbause war bald eiu Tiich mit reinem Linnen gedeckt und die geschäftigen Lirlhlteute trugen auf, was sie leisten konnten. Brod und frische Butter, Eier und Schinken, aus grünen Weinblättern Mtrr angerichtet, standen bald auf dem Tisch, auf den die durch die Krone eines mächtigen Lindcnbaumes herabfallendcn Sonnenstrahlen ihre zitternden Reflexe warfen. Hilmar ordnete Alles und entdeckte bald, daß der Wirth in seinem Keller einige Flaschen alten Rheinweines ausbewahrt hatte, von dcneu zwei, mit ehrwürdigem Staube bedeckt, auf der improvisirlen Tafel erschienen. Der Dechant prüfte und sprach schmunzelnd dem Getränk seine Anerkennung auS; er wurde heiler und gesprächig. Hilmar sprudelte von Jugend und übermüthiger Laune und wußte gelegentlich manche scherzhafte Anekdote auS seinem UniversitätSlebcn und von seinen Reisen zu erzählen und der geistliche Herr lachte oft herzlich und erklärte, daß er »och selten eine so angenehme Fahrt gemacht und so vortrefflich gefrühstückt habe. Auch Anna mußte oft läckeln, immer frischer wurde ihr Gesicht, immer Heller ihre Blicke — in den Erinnerungen ihres Lebens fand sie kaum einen Augenblick, der auch ent fernt mit dieser Stunde hätte verglichen werden können; die natürliche Lebenslust der Jugend erwachte immer mehr in ihrem Herzen. Hilmar erwies ihr alle Aufmerksamkeit, die einer Dame gegenüber natürlich war, mit einer ritterlichen Leichtigkeit und dabei mit einer freundlichen Herzlichkeit, die ihr unend lich wohl that. Wie eine Blume, die plötzlich auS dumpfer Zimmerluft in den bellen Sonnenschein versetzt wird, öffnete sich ihre Empfindung allen diesen neuen und reizvollen Eindrücken. Der junge Baron richtete oft'daS Wort an sie, er erzählte besonder- Dinge, welche sie interessiren mußten, und gar bald war da« schüchterne, weltfremde Mädchen soweit auS ihrer Befangenheit herau-getretrn, daß sie unge zwungen an dem Gespräch tberlnahm, als ob der Baron, der ibr so unendlich fern stand und d en sie vor wenigen Stunden zum ersten Mal gesehen, ein alter Bekannter sei; sie stieß mit ihm und ihrem Oheim auf gute Nachbarschaft an, und der alte Rheinwein goß sein woblthätigeS Feuer in ihr Blut. Als da- Frühstück beendet und die zwei Flaschen geleert waren, deren Inhalt dem Dechanten zu mehrfachen Lob sprüchen Veranlassung gab, ging der Baron mit dem Wirth einen Augenblick bei Seite, um die Rechnung zu berichti gen, und der Dechant wurde nicht müde, den inngen Mann zu rühmen und seine Freude auszusprechen, daß derselbe eine Zeit laug in seiner Gegend zubringcn werde. „Er ist ander« als die Anderen", sagte er, den Rest seine» Glase« schlürfend, „eia voraehmer Herr und doch so einfach und bescheiden, ich sehe eS schon, er wird mir ein lieber Um gang sein, wenn er, wie ich hoffe, mein einfaches HauS nicht verschmähen will, um bei einem guten Trunk ein gutes ver ständiges Wort zu sprechen." Anna stimmte mit einem Kopfnicken zu. Sie blickte vor sich nieder und fühlte bei den Worten ihres Oheims ein eigcn- thümliches warmes Aufwallen in ihrem Herzen, wie sie eS noch nie zuvor empfunden. Hilmar kam wieder, er batte einen Strauß von einigen späten Rosen und bunten Nelken in der Hand. - Hier, Fräulein Anna", sagte er, „erlaube ich mir. Ihnen diese Blumen, so gut wie sie hier zu finden sind, als eine freundliche Erinnerung an unsere gemeinschaftliche Reise und unser ländliches Frübstück hier zu bieten." Anna nahm die Blumen mit zitternder Hand; sie sah zu ihm auf mit einem Blick voll tiefer Dankbarkeit — in der Einsamkeit und dem Kummer thut eine theilnehmendr Auf merksamkeit ja doppelt wohl. Sie wollte den kleinen Strauß an ihre Brust befestigen. „O, mein Gott", sagte sie, indem ibr Auge sich mit Thränen füllte, „daS geht ja nickt, ich bin ja in Trauer." „Lebende Blumen, Fräulein Anna", sagte Hilmar, „stören die Trauer nicht, die äußere nickt und noch weniger die innere — schmückt man doch die Gräber mit Blumen." Fragend blickte Anna zu ihrem Oheim bin. „Der Baron hat reckt', sagte dieser, „die Blume ist eine Gabe Gottes, die nicht nur für die Glücklichen blübt, sondern auch die Traurigen erquicken und erfreuen soll — man kann den Todten ein treues und liebevolle- Andenken bewahren und doch dem Leben seine Rechte geben." Anna steckte die Blumen an ihre Brust. Eine Thränc fiel auf die Blütbe, aber doch hätte sie selbst kaum sagen können, ob eS eine Tbräne des Schmerze» oder der dankbaren Freude fei über diese so zarte Aufmerksamkeit, die der junge, von allem Glück und Glanz des Lebens um gebene Mann ihr, der armen einsamen Waise, erwies. Man brach auf. Wieder flog der Wagen über die Straße dahin» aber nicht mehr wie vorher kürzte daS Gespräch die Zeit. Der Dechant neigte den Kopf aus die Brust und machte nach der ungewohnten Anstrengung de» Tages ganz unver merkt ein kleine» Schläfchen, aus dem er zuweilen durch einen Stoß de» Wagen« ausgesckreckt wurde, woraus er dann mit außerordentlicher Aufmerksamkeit in die Gegend hinauS- blickte, als ob er irgend etwa« genau sehen wolle, um bald wieder gesenkten Haupte- in beschauliche Betrachtungen zu versinken. Auch Hilmar schien schweigsam und machte nur hin und wieder Anna auf irgend einen hübschen Punct aufmerksam oder nannte ihr den Namen eine-Dorfes, an dem sie vorüber» fuhren. DaS junge Märchen antwortete nur einsilbig, und wenn sie dann schweigend weiter fuhren, sah sic wohl wie träumend auf ihre Blumen nieder und bückte sich herab, um deren würzigen Tust einzuziehen, und durch ihre Seele klang ein alles Lied, das sie einst auf der Schule gesungen: Rosen und Nelken Vlüh'n und verwelken, Blumen und Herzen Verlöschen wie Kerzen; Aber der Menschen Gedanken Schlingen gleich WaldeSranken Sich um verlorenes Erdenglück. Schlingen sich um den Augenblick, Ter sie vereint. Wenn da» Auge weint. Hilmar Halle den Kutscher gefragt und einen Dez ei»- gescklagcn, der über Landerscn nach Ängersum führte. Als der Dechant sich ermunterte, erkannte er bereit- die Gegend seines PfarrsitzeS, und bald fuhren sie in daS freund liche und wohlhabende Dorf ein. Die Bcwobncr blieben staunend stehen, als sie ihren Pfarr- berrn in so glänzendem Auszug anfabren sabe». Der Daacn hielt vor dem Psarrhause, da» nabe der katbolff'chcn Kircke unter hohen Bäumen in einem freundlichen Garicn lag. Der Baron sprang ab und reichte Anna die Hand. Sie versebltc in ihrer Verwirrung den etwa» steilen Tritt. Hilmar sing sie in seinen Armen aus und stellte sie sanft aus den Boden. Sie zitierte und wagte, rin Wort de« Danke» flüsternd, kaum zu ibm auszublicken. Ein wunderbares Gefühl glücklicher Sicherbeit durck- strömte sie, als sie von seinen starken Armen gestützt und ge hoben wurde. Auch der Dechant war berabgeftiegcn und schüttelte dem Baron nochmals mit bcrzlicken DankcSworten die Hand. Ter Koffer wurde vom Wagen genommen und einer alten Köchin übergeben, welche, mit einer blendend weißen Schürze angcthan, eine weiße Haube auf dem alattgescheitelten grauen Haar, in der Thür des Psarrhause» erschien und mit starre»
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