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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.08.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940801023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894080102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894080102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-08
- Tag1894-08-01
- Monat1894-08
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k»tzn»-n»tz«»Mb8wn ch« de, k« St«»». —» Hii Vorort» «rtchttt«» tzw». a«4 bml Dora ote Post dezoo» lur j«tschla»d «d Oesterreich: viertel,LH riich o «,—. Direkt» täglich« Kreujbaudlendung «»« >»«l«»d: »«atüib 4« 7ckO. AN''Ü^ Led«Ltt<, »»> Lrpeditio,: A»tz«»e«,affe 8. > »»uuterbroch» 8 bt»'«be»b« 7 Uhr. Filiale«: vtt« Me»«'« Eorti«. («lfretz UmverfitätSstraß« 1. Lot» L-sthe. >Ud«i»»pr. 14, pari, und kö»ig»vlatz 7. Ave«d-A«9gave. KipWtr.TMblM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Kandels- nnd Geschäftsverkehr. «»zet-»»^pr*i» dir Sgespaltme Petitzeile 20 Psg. Neclame» unter dem Redacttoasstrich (4ga, spalte») 50-4, vor deu Familtemrachrtthte» («gespalte») 40-4- GrSgere Schriften laut nuferem Preis, verzeichoiß. TabeNarifcher und glffenisatz »ach höherem Tarif. Extra-Veila»«, (gesaljt), »ar mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördernng ^4 60.—, mit Postbesördernng 70.—. Aunaßmeschluß für Anzeige«: Abend-An-gab«: Vormittag» 10 Uhr. Morgra » Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Sonn» »ad Festtag» früh V,9 Uhr. Vet d» Filiale» nnd Annahmestellen je eine halb« Staude früher. Anteile» sind stet» aa die Erprvttio» i» richte». Druck u»d Verlag voa G. Polz ia Leipzig ^-389. Mittwoch den 1. August 1894. 88. Jahrgang. politische Tagesfchau. * Leipzig, 1. August. Mn Bericht, d«u die Berliner Getoerkschaft»r««misfion Lter ihre Thätigkeit im ersten Halbjahr 1894 erstattet, läßt besonder» lehrreich — lehrreich für die Arbeiterschaft selbst — tervortrrtea, wie zweck- und ziello» da» Geld zum Fenster hmauSgeworfen wird, wenn die Socialdemokratie genügend erhitzend auf die Gemüther gewirkt hat, sodaß die Wirk- ichkeit mit ihren zwingenden Verhältnissen für nicht« mehr pachtet wird. Da berichtet die Commission über den Droschkenkutscher-Streik in Berlin, der vom 1. bi» !4. Januar diese« Jabre« gedauert hat, aber am Publicum ind Berkehr unvermerkt vorübergegangen ist; denn r« streikten leineSwegs alle Droschkenkutscher, sondern nur jene 538 Lenker der Taxameter-Droschken, denen die Polizeiverwaltung auf gegeben hatte, deu weißlackirten Chlinder zu tragen. Der vericht sagt: »Da alle Instanzen, auch da« Ministerium de« Innern, den Kutschern nicht halfen, griffen sie zum Streik", — al« ob e« eine ausreichende Begründung für den Streik oäre, daß alle Instanzen nicht halfen. Unsere« Erachten« lätte der Bericht an dieser Stelle ehrlich verfahren und constatiren müssen, wie völlig unberechtigt der Widerstand der Kutscher war, nachdem ihnen da« Ministerium de« Innern eine Kare Belehrung über den Zweck und Grund der polizeilichen Anordnung gegeben halte. Statt dessen wird die Sache noch jetzt so dargestellt, al« hätte man die armen Kutscher mit dem „trotz ihre« ge ringen Lohne«" gestellten Verlangen, daß sie sich die neuen Hüte anschaffteu, recht eigentlich in den Streik getrieben. Wa« nützt e« denn, wenn der Bericht viel pätrr und nur ganz allgemein vor solchen Streik« warnt, die keinen Erfolg versprechen könnten, weil der Arbeitgeber in der betreffenden Zeit Arbeiter überhaupt nicht braucht oder unter den obwaltenden Umständen nicht gerade auf die Unkenden Arbeiter angewiesen ist? In neunundneunzig von hundert Fällen wird der verhetzte „arme Arbeiter" seiner- feit« der Meinung sein, daß beide Voraussetzungen nicht zutreffen, sonder» um so leichtfertiger in den Streik intreten, al- er ja täglich liest, wie „seine" Partei ür die Streikenden sammelt und Zuzug von der „ge- perrteu" Fabrik fernhält, während er nur halbjährlich ein mal in einem ellenlangen Bericht beiläufig erfährt, daß die Sammelgelder äußerst knapp sind und der „Zuzug" nicht sern- uhalten ist. Da« Beispiel de« Droschkenkutscherstreiks nur al« eine« au« einer unabsehbaren Zahl herauSaegriffen, soll aber nicht in dem langen Bericht der Commission verloren gehen, sondern sür sich selbst stehen, um Jeden zu belehren, der eben noch zu lernen vermag. Also die 538 Droschken kutscher waren bei dem „geringen Lohn" außer Stande, die weißen Chlinder zu kaufe», dafür streikten sie 24 Tage. Natürlich nicht alle 538 hielten e« so lange au«, nur der Streik dauerte ofsiciell so lange. Aber e« sollen nur 200 durch- chnittlich in diesen 24 Tagen gestreikt haben, so sind doch etwa 200 X 24 X 3,25 „E durchschnittliche« TageSeinkommen, m Ganzen etwa 15 000 .4! Arbeitsverdienst entbehrt vorder«. Au« Sammlungen kamen 8300 auf, wovon >lwa 8100 -ck zur Unterstützung der Streikenden ver wendet wurden. Daß andere Arbeiterschaften zwecklos um siese 8300 -4! Arbeitsverdienst gebracht sind, sei nur bei- äusig erwähnt» e« interessirt un« nur dir Lage der Streikende» selbst. Diese mußten also mit der knappen Hälfte ihre« üblichen TageSeinkommen« sich behelfen, und dann lagen sie entweder erwerbslos sozusagen auf der Straße, denn die Gewerkschaft erklärte den Streik ofsiciell für beendet und die ZuhrwerkSbesitzer hatten sich mit „Streikbrechern" ausreichend versorgt» oder sie mußten sich doch noch den Hut kaufen und nun sehen, wie sie die Aufwendung dafür und die Aeit der Erwerbslosigkeit verwinden könnten. Da« alle« Ware aber durch die Leitung der Gewerkschaft zu verhindern gewesen, wenn diese au« dem belehrenden und entscheidenden Worte der ministeriellenJnstanz für sich selbst die Pflicht entnommen hätte, die GewerkSgenosscn von einem unmöglich zu reckt- fertigendeu Streik zurückzuhalten und sie vielmehr mit aller Energie zur Vernunft zu verweisen. Aber die Aufgabe der in socialdemokratische Leitung gerathencn Gewerkschaften ist dieselbe, wie bei der Socialdemokratie überhaupt: die Unzufriedenheit mit allen Mitteln überhand nehmen zu machen. Den wirklich beklagenSwerthen „Genossen" aber, denen gerade in schlechten Zeiten am schmählichsten der Sinn verwirrt unv da« Gemüth verbittert wird, ertheilt man am Schluffe eine« jeden Semester« den allgemeinen Rath, in schlechten Zeiten den Streik sich besonder« sorgsam zu überlegen! Da« secialdemekratische Lentralorgan, »er „vorwärt«", schreibt in seiner heutigen Nummer wörtlich: Ein Jahrestag. Am 31. Juli 1892 hielt der „wider- spänstige Tobte" de« Sachsruwalde« aus seiner famosen Kneipreise, die ihm beinahe da« Leben gekostet hätte, in Jena eine begeisterte „Bierrede", von der feine Anbeter erwarteten, sie würde ähnlich wirken wie die Stimme von Bileam'« Esel, und zwar nicht da« Deutsche Reich, aber doch dessen Kanzler Umstürzen, damit der alte Dach« wieder in feinen hauSmeierlichen Dachsbau zurückkehren und seinen Getreuen wieder au« dem Millionentopf de« Reiche« fette Brocken zuwerfen könne. Nun — die Hoffnung hat sich nicht erfüllt; da« Biertrinken und Bierreden war nur dem Trinker und Redner gefährlich, und zum ewigen Andenken an den fürchterlichen Katzenjammer, der jenem weltgeschicht lichen 31. Juli 1892 gefolgt ist, haben die Getreuen auf dem Marktplatz von Jena einen Brunnen errichtet, der vorgestern — also eigentlich zwei Tage zu früh — in Gegenwart „voa vie^n hundert" (warum nicht von vielen tausend?) „von vielen hundert Männern» Frauen und Kindern", wie der amtliche Festbericht sagt, eingeweiht wurde, und dessen kühlende« Getränk jetzt allen durstigen Seelen und namentlich den unter de« Katzenjammer« Tücken Leidenden Labung spenden soll. Natürlich ward auch eine EinweihungSrede gehalten, und natürlich auch von einem „Professor, der sich in diesem Fall „Gotz" nennt, und Wohl «in Verwandter de« großen Leipziger „Döbbjen"-Götz sein dürfte. Wa« er geredet, da« ist in vier Spalten de« „Leipziger Tageblatt«" zu lesen und kann von Jedem, der ein Bedürfniß verspürt und da« „Leipziger Tageblatt" nicht zur Hand hat, in allen früheren Reden der BiSmarck Anbeter nachgelcsen Werden, die seit l870 nur eine einzige Rede gehalten haben — freilich jedesmal eine „nationale That". Die preßgesetzliche Verantwortung sür diesen unflätigen Erguß de« wildesten, an Blödsinn grenzenden Haffe« tragt der frühere Kellner Herr Hugo Pötzsch. Der Verachtung aller moralisch nicht Verkommenen wird aber weniger Herr Hugo Pötzsch al« fein unverantwortlicher Hintermann ver fallen, den in der Oeffentlichkeit zu decken Herr Hugo Pötzsch für dw nöthigen Silberlinge verpflichtet ist. In Livorno ist der Italienische Anarchist Lucchesi, der muthmaßliche Mörder de« Livornoer Publicisten Bandi, der, auf französischem Boden verhaftet, vorgestern den italienischen Behörden ausgeliefert worden war, vom Untersuchungsrichter gestern vernommen und dem Kutscher der Familie Bandi, der erklärt hatte, den Mörder genau gesehen zu haben, sowie mehreren anderen Zeugen vorgcführt worden. Von den sich noch widersprechenden Nachrichten scheint diejenige die richtige zu fein, welche die AgnoScirung Lucchesi« durch den Kutscher sowohl wie durch die übrigen Zeugen meldet. Bekanntlich hatte Lucchesi schon bei seiner Verhaftung in Corsica rin Alibi nachzuweisen versucht, wa« ibm aber nicht gelang. Er wurde von einem Genossen verratheu, dem die Belohnung von 2000 Lire zufiel. Die Unter suchung wird ja Herausstellen, ob Lucchesi wirklich der Mörder ist, jedenfalls ist er aufs Schwerste belastet. Anläß lich der Auslieferung de« der italienischen Polizei als Mord gesell bekannten Anarchisten macht ein römische« Blatt darauf aufmerksam, daß Lucchesi noch 14 Tage nach vollbrachtem Attentat ganz unbehelligt, und obwohl jener hohe Preis auf seine Dingfestmachung gesetzt war, sich in Livorno aushalten und sogar sich öffentlich in der belebtesten Stadtzegend zeigen konnte. Ohne die corsischen Behörden wäre er höchst wahrscheinlich noch beute auf freiem Fuße, denn auch davon batte die italienische Polizei nicht« in Erfahrung gebracht, daß Lucchesi sich nach Corsika gewendet hatte und selbst nach seiner Verhaftung hatte sie es unterlassen, der Behörde von Bastia den gegen ihn erlassenen Haftbefehl mitzutheilen. Wenn die öffentliche Meinung Italien« an solche Vorkommnisse sehr herbe Betrachtungen knüpft und sich von den Leistungen der italienischen Polizei im Aufspüren anarchistischer Verbrecher nicht sonderlich erbaut zeigt, so ist da« nicht ver wunderlich. Zur Entschuldigung der Polizei läßt sich aber geltend machen, daß, wie wir schon einmal betonten, sowohl ihre Organisation al« die Mittel und da« Personal, womit sie arbeitet, völlig unzureichend sind. 1880 zahlte sie 1530 Agenten bei einem Budget von 3 327 000 Lire, und trotz Zunahme der anarchistischen Propaganda hat sie seitdem eine nennenSwerthe Verstärkung nicht erfahren, da sie jetzt nur über 1684 Agenten und ein Budget von 3 955 000 Lire verfügt. Wenn nicht die Mustertruppe der Carabinieri wäre, so dürfte r« um die öffentliche Sicherheit in Italien schlimm auSsehen. Hieraus erklärt sich auch, warum die Erklärung CriSpi'S für eine schleunige Reorganisation der Polizei sorgen zu wollen, Seiten« der öffentlichen Meinung so rückhaltlos beifällig auf genommen worden ist. In der Angelegenheit der deutschen Colonisten im südlichen Rutzlan» hat jüngst die „Russkaja ShiSn" — „Russische« Leben" — da« Wort ergriffen und zugleich, eine seltene Ausnahme, den von einem Theile der russischen Presse gemachten Vorschlag bekämpft, russischen Unterthanen deutscher Abstammung den Landerwerb im Süden des Reiches zu ver bieten. Sie tritt ganz besonders einem russischen, in Charkow erscheinenden Chauvinisten-Blatte, dem „Jus hnyi-Krai" dem „Süd-Lande" — energisch entgegen, welches schrieb: „Die Deutschen träfe das Verbot des Landerwerbens im Süden allerdings sehr schwer und darum behaupten sie, Rußland würde durch eine solch« Maßnahme nur verlieren. Nach deutscher Logik käme eS auch darauf hinaus; doch zum Unglück für die Deutschen und zum Glück für un» exisiirt in Rußland auch eine russische Logik, die zu ganz diametralen Consequenzen führt und die bei alle» Maßnahmen gegen die Deutsche» und andere fremde Bölker- stämme ia Rußland die leitende ist. Nach dieser russischen Logik ind wir dazu gelangt, Rußland für die Russe» z« verlange» — und in diesem Sinn« entscheiden wir auch die dem Laudkauf der Deutschen betreffende Frage." Dazu bemerkt nun sehr treffend die „Russkaja Sbi«n" : Bon einer „russischen", der „deutschen" entgegengesetzten Logik haben wir schon oft reden hören. Dennoch sehen wir uns in der Lage, der „Juschnht Srai" die Versicherung geben zu müssen, daß wir weder eine russische, noch eine deutsche, noch eine jüdische, andern nur eine allgemein menschliche Logik kennen, denn ür uns gi«bt eS etwas Höheres al» die Begriff« Russe, Deutscher u. s. w. Da» ist, um mit den Worten de« Dichters zu reden, „der hehre und heilig« Begriff Mensch". Und auf Grund dieser allgemein menschlichen Logik halten wir un» an di« Moral des Sprichwortes: „Wa» du nicht willst, da« man dir thu', das füg' auch keinem Andern zu". Ferner erinnern wir un» der ewigen Wahrheit, daß Feindschaft und Haß zu keiner Zeit Heil und Segen der Menschheit gebracht hat, und sind fest davon überzeugt, daß eine Zeit kommen wird, in der eS „weder Juden noch Grieche»" geben und zugleich jeder Unterschied zwischen einer „russische»", „deutschen" ober jeder andere» „Logik" verschwinden wird. Nach unserer Ueberzeugung ist die Manier, die Zahl der Logiken von der Zahl der Völker abhängig zu machen, ein Ueberbleibsel jenes ursprünglichen barbarischen Zeitalters, in dem sich di« gesell- schaftliche und internationale Moral durch die Formel: „Der Mensch ist de- Menschen Feind" auSdrücken ließ. Unsere Moral aber, die Moral de» Jahre- 1894 nach der Geburt des Erlöser-, liegt in den wenigen Worten: „Alle Menschen sind Brüder". „Und in der That", fährt die „Russkaja ShiSn" fort, „wer nur das elementarste Recht», bewußtsein besitzt, der kann sich nicht damit einverstanden erklären, daß die Deutschen, welche vor hundert bis hundertundsünfzig Jahre» obrigkeitlich zur Uebersiedelung »ach Rußland aufgesordert worden sind, nun, da sie sich entwickelt u»d vermehrt haben, in ihren Bürger rechten beschränkt werde» sollen." „Wenn solches dennoch geschähe'^ — fügt die „Russkaja ShiSn" hinzu — „so müssen wir, selbst vom Standpunct« der „russischen" Logik die Ueberzeugung auSdrücken, daß Rußland in diesem Falle ebenso viel verlieren würde, wie jeder andere Staat, der Hunderttausende seiner fleißigen, materiell sicher gestellten Unterthanen, die gewissenhaft ihren staatlichen Her- pflichtunaen Nachkomme» und an dem Wohlergehen ihres Vaterlandes lebhaften Antheil nehmen, durch Einschränkung ihrer vollen Bürgerrechte iu schmarotzende Bettler und Feinde de- Wohlstandes und der Ordnung verwandelt. In diesem Falle fiel« mit einer richtige» Auffassung unserer eigenen vitalsten Inter essen di« „russische" Logik mit der allgemein menschlichen zusammen, und die Verfolgung eine» jeden anderen PrincipS wäre weder „russische", noch überhaupt eine Logik. Wir, fährt die „Russkaja ShiSn" fort, haben eine bessere Auffassung von der „russischen" Logik, als jene Heißsporne im Heere d«S „Jufbnyi Krai" und sind über- zeugt, unsere sogenannte nationale Logik deckt« sich mit der all- gemein menschlichen, denn unsere Regierung Hab« ungeachtet wieder- Holter Vorstellungen von Blättern wie der „Jushnqi Krai" es nicht sür nöthig befunden, den deutschen Colonisten den Landkaus zu verbieten. Zum Schluß spricht noch die „Russkaja Sbisn" die Versicherung aus, daß ihre wahrhaften toleranten und humanen Auslassungen der Feder eines „Kernrussen" entstamme». Ueber- haupt sind die Schreier ein kleiner Hausen von Chauvinisten, der die Stimmen der Vernünftigen übertönt. In letzterer Hinsicht scheint sich der „Kernrussc" doch zu täuschen, denn, wie uns aus Petersburg gemeldet wird, ist der „Russkaja ShiSn", die übrigens zu den geachtetstrn russischen Blättern gekört, eine amtliche Verwarnung ertheilt und der Einzelvcrkaus entzogen worden. Es dürste also vorläufig noch bei der „russischen" Logik sein Bewenden haben. In der Soreafrage liegt jetzt ein amtliche« Manifest der japanischen Regierung vor — denn als solche« darf man Wohl die Erklärungen betrachten, welche die japanische Regierung den Jokohama'er Agenten des „Reuter'- schen Bureau's" hat zukommen lassen — aus dem hervorgcht, Feuilleton. Thermidor. 10f Erzählung von J«liu» Kehlhetm. Nachdruck UrrSotk». (Fortsetzung.) Ueber sein Antlitz legte sich eine Purpurwolke, der natür liche Vorhang der Scham, welche er immer geleugnet, immer nur füreioAnhängselgesellfchajtlicher Uebereinkunst derMenschea gehalten hatte, und welche — trotz Allem, wa« er aethan, um sie zu ersticken — noch lebte und ihn zwang, ihr Dasein an- zuerkenneu, al« Schutzmittel der Natur, nicht al« ein küost- lichc« Product der Erziehung. Ja, Laguerre schämte sich deu beiden Frauen gegenüber. Er, der Mann, der Vertraute de« Diktator«, der kluge, schlaue Emporkömmling, stand geschlagen ba, überwuudrn durch die Stelengröße zweier Frauen, welche ihr Schicksal überragten durch deu Heldenmuth, welchen ihnen lie Lieb« rwflößte. „Ich Euch fesseln... ich Euch ia« Gefängniß zurück- M schleppen?" rief Laguerre «ach einem Moment de« Schweige»«, I m welchem die wechselndsten Gefühle sein Herz durchsturm t I hatte». „Nein, Adrienne, zum zweiten Male verrath« ich I Euch nicht! Und wenn der Betrug Fanchon.« an« Tageslicht I käme, müßtet Ihr beide sterbest. Wa« würde dann au« I Eurem Kinde? Flieht, Adrieuue, flieht mit mir noch in dieser I Nacht! Ich Hab« Paffe zur Verfügung . . . Euren Namen I füge ich al« den meiner Gattin bei, Jeanae gilt al« unser I Kind. Ihr seid iu Pari« keinen Augenblick sicher . . . fliehen I wir »och ia dieser Nacht! Wählt, bestimmt selbst uosern > küuftigen Aufenthalt ... die Schweiz, Belgien . . . Eng I land . . . jeder Boden ist mir recht ... ich will Euch al« meine Schwester betrachten, Adrienne, nur flieht!" „Mit Euch, Laguerre, al« einzigem Beschützer?" Ihre Worte fiele» gleich den eisige» Waffertropfen der Tortur auf Laguerre'« bloßgelegte«, empfindlich schmerzende« Gewissen. „Vertraut mir nur die« «ine Mal, Adrienne, ich will Euch heilig halte« wie «in verloren gegangene« und wieder gefundene« Kleinod." „Ich bleibe", erklärte Adrienne fest, „bleibe in Fanchon'« Nah«, wenn da« Entsetzlich« geschieht. . . ." Die Vorstellung überwältigte sie. Alle« über Fanchon'« Gefahr vergeffend, warf sie sich ihrem Todfeind« zu Füßen, »kettet Fanchon, rettet meine Mutter, Laguerre! Ihr könnt, Ihr müßt eine» Lu«w«g finde» ... und ich will Euch vrr- Whwh Dill vergebe» «ch vergeffeq, in Euch nicht »ehr; stze» Feind und Verräther, nur den Erretter au« höchster Noth ehe«. Ihr vermögt viel über RobeSpierre — Laguerre, steht m»r bei!" Der Augerufeue zermarterte sein Gehirn, um einen Aus weg zu finden. Auch er wollte um jeden Preis Fanchon retten. Er liebte Fanchon, soweit seine egoistische Natur der Freundschaft überhaupt fähig war. Er sann und sann. Zwischen seinen zusammengezogenen Brauen traten die waagerechten Falten seiner Stiruhaut schärfer hervor. Zu genau kanote Laguerre seinen Meister, um auf eine selbst flüchtige Regung de« Mitleid« zu hoffen. An den fest- geschlossenen, durch Blut und Thränen verkitteten Pforten diese« eisernen Herren« rütteln zu wollen, uud sollte e« selbst mit der Riesenkraft eine« Herkules geschehen, war und blieb vergeblich. Er war ja der „Unbestechliche", auch der Mensch heit ganzer Jammer bestach ihn nicht! Aber List? Die behende Gefährtin aller Glücksjäger? E« galt vor der Hand nur einen Aufschub der Hinrichtung zu erlangen — eine Unterschrift de« Allmächtigen. Und Laguerre hatte Zutritt bei ihm bei Tag und bei Nacht. Er trug Blaukette bei sich iu der Brusttasche — ein« derselben füllte er au« mit dem Befehl» die Hinrichtung Adrienne Booterre'S, cickevant Gräfin Mancini «, um acht Tage aufzu schieben. Dan» legte er da« verhängnißvolle Blatt in ein Con volut wichtiger, zur Unterschrift de« Diktator« vorbereiteter Papiere. RobeSpierre vertraute seinem Geheimschreiber. Oft mals unterschrieb er, ohne zu lesen, wa« Laguerre ihm vor legte — der kühne Einfall konnte gelingen. E« war nur ein Aufschub von acht Tage» — wa» aber waren acht Tage iu dieser Zeit! Adrienne beobachtete Laguerre. Mit ängstlicher Span nung verfolgte sie de» wechselnden Ausdruck seiner Züge. Al« er zu ihrem Schreibtisch eilte, um da« Blanket auSzu- süllen, faltete st« die Hände wie zu einem stummen Gebet. „Haben Sie Hoffnung, Laguerre?" flüsterte sie athemlo« „Nor einen Schimmer!" versetzte er. „Bete, Adrienne, daß mein Vorhaben gelinge. Roch vermag ich selbst e« nicht, obgleich ich heute wieder an Gott glauben lernte!" Sechzehnte« Tapitel. Der Abend war von erdrückender Schwül« gewesen — in der Nacht aber hatte» sich dichte, dunkelgraue Wolkea- schichtrn am Horizont aufgethürmt, durch welch« hier und da eia fahler Blitz al« Vorbote eine« drohenden llngewitter« aufzuckte. Ferne« Donnerrollen ließ sich hören. Durch die Straßen von Pari« fegte ein glühender Wind, Mensch und Ereatur lechzte nach Abkühlung durch Rege« — tme be klemmende Stille herrscht« in de» Straß». Bon der nahen Thurmuhr schlug e« elf Uhr, als Laguerre in seinen Mantel gewickelt, welchen er immer trug, wenn er seine nächtlichen Gange unternahm, der Wohnung RobeSpierre'« zustrebte, welche dieser, den einfachen Gewohnheiten seine früheren Leben« getreu, auch als Machthaber Frankreich« in dem Hause eine« Tischlermeister« innc batte. Elf Uhr! Die Stunden waren noch da» Einzige, WaS die Umsturzmanie der Revolution unangetastet gelassen hatte. Tag und Nacht, die ersten natürlichen Bausteine der Zeit- eintheiluog — alle« Andere hatte weichen müssen. Die nahezu athemraubende Gluth dieser Sommernacht, die Angst de« Herzen«, welche« in seinem lauten Pochen an den Flügelschlag de« zum ersten Male im Käfig gefangenen Vogel« gemahnte . . . zwangen Laguerre zu momentanem AuSruhen. An einer Straßenecke blieb er stehen. Noch einmal überlegte er seine Rolle — der Schüler wollte ja den Meister überlisten. Heute sollte sich zeigen, wa« er in seiner Schule gelernt hatte. Blick, Ton, Geberde mußten völlig unbefangen bleiben. Nicht« durfte die Wichtigkeit jene« Papiere« verrathen, da« sich Laguerre vermaß, dem Gewaltigen bei der Unterschrift zu unterschieben. Daß er bei Nacht kam» konnte RobeSpierre kaum auffallen, da e« öfter geschehen, um ihm den Morgenschlaf — die einzige Ruhe, die er sich gönnte — nicht zu stören. RobeSpierre arbeitete stet» bi« tief in die Nacht binein. Seit lange lebte er mit dem besten Freunde de« Menschen — dem Schlaf — auf gespanntem Fuß, wie Alle, deren Nervensystem durch sinn liche Genüsse oder die Ausschweifung de« Geiste« — maßlosen Ehrgeiz — zerrüttet ist. Den ersten Schlaf vor Mitternacht baßte übrigen« der Unbestechliche — er brachte zu viel Traume. Bekannte Gesichter, abgethane Geschichten tauchen gern auf in diesem ersten, feste» Schlaf. Wie heiß hatte er schon oft im Traum mit Bristol gestritten, oder dem geistvollen Buzot! Oder er sah Barbaroux' bleichen Antinou«-Kopf mit zer schmetterter Hirnschale . . . oder Danton « pockennarbige« und doch energisch fesselnde« Gesicht höhnte ihn, wir oft im Leben: „Armer Schlucker, wa« weißt Du von der Erde Seligkeit, der e« nie zum Rausch gebracht» weder beim Becher noch in den Armen eine« schönen Weibe«!* Ja, diese« Lächeln Danton'«, da« er, RobeSpierre, so gehaßt, bi« e« unter dem Eisen der Guillotine erstarrte, und welche« Danton « sonst »»schöne« Gesicht so verkärte, daß ihm da« Herz der Frauen entgegrnflog, auch da» kostbare Herz einer Luäle, da« um ihn im Tode brach — verfolgte den Diktator in seine Träume. Laguerre überdachte seinen Eintritt» seine erste Anrede an den Gewaltigen. E« wollte ibm nicht« Rechte« in diesem Augenblick beifallen» denn der Wind pfiff so unheimlich über di« Lateruenpsähl« hi» uud machte selbe ächzen und stöhnen, wie unter der Last schwebender Menschenleiber. Da fiel eine Hand plötzlich und schwer auf Laguerre'« Schulter und weckte ihn unsanft aus seinen Träumen zur Wirklichkeit. „WaS machst Du hier, Bürger Laguerre? RobeSpierre ließ Dich heute zweimal in Deiner Wohnung suchen. Wo steckst Du denn, während sich so wichtige Ereignisse im Con vent begeben?" Es war Lecointre, einer der eifrigsten Anhänger RobeS pierre'«. Laguerre sah ihn starr an. Er faßte kaum den Wortlaut, geschweige den Sinn seiner Mittheilung. „WaS willst Du?" rief er Lecointre, wie au« einem Traume aufgeschreckt, zu. „Kommst Du au« einer anderen Welt?" rief dieser ärger lich. „Da steht er und weiß nicht». Weiß nicht, daß Robe«- pierre, dessen zunehmende Melancholie und Schweigsamkeit uns Allen in den letzten Tagen aufgefallen, endlich einmal wieder gesprochen heute im Convent. Warum hast Du das versäum», Laguerre? Ich beantragte, seine Rede in Druck legen zu lassen, allein seine Gegner widersctztcn sich. Weißt Du. daß die Gegner des großen Mannes sich in erschreckender Weise mehren, Laguerre?" „Halte mich nicht auf, Bürger Lecointre", ries Laguerre, und der Ton seiner Stimme verrieth die Angst, sich zu ver späten. „Ich muß zu RobeSpierre" . . . „Vielleicht wärest Du vor ein paar Stunden willkommener gewesen . . . man suchte Dich — ich sagte eS Dir bereits, allein Du merktest nicht aus", erwiderte Lecointre. Und mit leiser Ironie fügte er bei: „Ob man jetzt noch Deiner bedarf? Ich weiß e« nicht ... RobeSpierre hat sich mit St. Just ein- geschloffen in seinem Cabinrt." „Du irrst» Bürger Lecointre, St. Just ist bei der Nord armee, wo man seine« Ratbr« bedarf." „Wenn man seiner nicht noch dringender hier bedürfte!" lachte Lecointre bitter auf. „Du weißt, E r und Coutbon sind RobeSpierre'« Schildknappen... die Menge, welche die alten Bilder nicht lo«werden kann — da« sitzt so fest in ihrem Hirn, wir ia Gla« gebrannte Farben —, nennt sie seine bösen Engel!" „Leb Wohl, Bürger Lecointre", rief Laguerre, die Rede Lecointre'« jäh unterbrechend, und eilte von dannen. Ein deftiger Windstoß, dem Blitz und Donner folgten . . . da« dunkle Firmament öffnete sich weit, gleich dem feuerspeienden Racken eine« Drachen. Dann prasselte der Regen in wilde» Güsse» »jeder. Laguerre strebte dem Sturmwind entgegen, kämpfte mit aller Kraft mit de» entfesselten Elementen — erreichte sieg reich sei» Ziel. Au« dem Fenster deSPrivatcabinet« RobeSpierre'-schimmerU
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