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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.09.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-09-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010904025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901090402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901090402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-09
- Tag1901-09-04
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Ärnlsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des RatHes und Notizei-Ämtes -er Stadt Leipzig. Mittwoch den September 1901. Anzeigen-PreiS die «gespaltene Petitzeile LS H. Reclamen unter dem Redaction»strich (4 gespalten) 7b H, vor den Familiennach» richten (S gespalten) 50 Ls. Tabellarischer und Zifferusatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit de« Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuug 60—, mit Postbesürderung 70.—, Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgea-AuSgab«: Nachmittag» 4 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je «in« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» au die Expedition zu richten. Die Expeditton ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 95. Jahrgang. Aus China. k'. Shanghai, 27. Juli. Die Nachrichten über die U n - ruhenin der Provinz Tschili laufen sehr spärlich ein. Aus den vorliegenden chinesischen Berichten geht aber hervor, daß die kaiserlichen Truppen aus Anhui ebenso sehr versagen, wie im Jahre 1894/95, als sie den Japanern entgegengesandt wurden. Es scheine, daß Li-Hung-Tschang über genügend andere Truppen zur Zeit nicht verfügt, so daß die Dinge nicht allzu glänzend aussehen. Auch aus der Umgegend von Shanhaikuan kommen jetzt Meldungen von berittenen Räuberbanden, die ihr Unwesen treiben und die Dörfer plündern. Den kaiserlichen Truppen sind sie an Stärke überlegen, so daß deren Befehlshaber sich schon telegraphisch wegen Unterstützung an Li-Hung-Tschang wenden mußten. Wenn es Li gelingen sollte, Truppen disponibel zu machen, ist es möglich, daß die Ruhe bald wieder hergestellt wird; sonst aber sehen die Dinge auch im Nordwesten der Pro vinz Tschili wieder bös aus. Aus Hsianfu liegen diese Woche fast gar keine Nachrichten vor, da die Telegraphenverbinoungcn in Folge der Ueberschwemmungen unterbrochen sind. Die „Jung- Woi-Ji-pao" erfährt indessen, daß ein geheimes Edict erlassen worden ist, wonach alle für den Hof gestimmten Sendungen, namentlich auch die Geldtransporte, wieder nach Hsianfu zu lenken sind, und nicht, wie vorher angeordnct, nach Kaifeng und anderen Städten auf dem Wege nach Peking. Das genannte Blatt zieht daraus den Schluß, daß es mit der Rückkehr des Hofes noch gute Weile habe, jedenfalls der für den Aufbruch festgesetzte Termin, der 1. September, nicht Wgehalten werden wird. In der Nähe von Nan - chang, der Hauptstadt der Provinz Kiangsi, ist es in einem kleinen Orte Namens Jen - chiang. aus nichtigen Ursachen zu Zusammenstößen zwischen Bekehrten der katholischen und der protestantischen Mission gekommen, im Verlauf deren mehrere Chinesen verwundet wurden. Der Magistrat von Nan- Chang, der um seine Vermittelung gebeten war, legte jeder Partei Ersatz des Schavens und der Kosten auf, die der anderen er wachsen waren. Darüber kam es zu neuen Streitig keit e n, die diesmal aber einen ernsteren Verlauf nahmen. Die katholischen Christen waren bewaffnet, di: protestantischen nicht. Die Folge war, daß die Letzteren unterlagen. Sie verloren 80 Todte, davon 20 allein, die in den Fluß getrieben wurden. Der Magistrat von Nan-Chang hat auf die Kunde des Vorfalles Truppen und einen Stellvertreter nach dem aufständischen Dorfe Jen-chicmg gesandt. Was diese dort erreicht haben, ist noch nicht bekannt. Nach den neuesten Nachrichten scheint indessen der Streit- noch nicht beigelegt worden zu sein, da sowohl das eng lische Kanonenboot „Woodlarke", wie das französische „Döeidöe" Befehl erhalten haben, vom Uangtse nach dem Poyang-See zu dampfen und sich hier für ein etwaiges Eingreifen bereit zu halten. Ueber die Verhältnisse in der Mandschurei liegen noch immer sehr widersprechende Nachrichten vor. Es scheint, daß in den Haupthäfen, namentlich in Niuchuang, die Ruhe wieder hergestellt ist und das Vertrauen der Handelswelt wieder zurllckkehrt. Ebenso behaupten die Russen, daß in den .Hauptplätzen, wie Mulden, Kirin u. s. w.. Alles ruhig ist, während die Chinesen berichten, daß die Aufständischen dort täg lich mit den Russen kämpfen und diese zurückdrängen. Offenbar um die Gerücht« zum Schweigen zu bringen, die von russischer Ohnmacht, Herr der Verhältnisse zu werden, sprechen, macht die russische Regierung daheim bekannt, daß sie im August in Kirin eine dauernde Ausstellung russischer Maaren zu eröffnen beabsichtigt. Sie fordert die russischen Firmen, die sich daran betheiligen wollen, auf, ihre Waarenmuster nach Wladiwostok an den russischen Gvenzcommissar einzusenden. Ob dieser neueSchritt dazu führen wird, den chinesischen Markt dieser großen Provinz dem russischen Handel zu gewinnen, der bisher selbst im russischen Küstengebiet nicht mit dem ausländischen zu concurriren ver mochte, bleibt abzuwarten. Hat man es mit einer ernst ge meinten Maßnahme zu thun und nicht nur mit einem Versuch, der Welt Sand in die Augen zu streuen, so hat sie Natürlich An spruch auf die größte Aufmerksamkeit seitens der anderen Mächte, weil sie einen Schluß ermöglicht, in 'welcher Richtung sich die russische Politik in der Mandschurei weiter entwickeln wird. In dieser Hinsicht ist auch bezeichnend, daß der Obercommandirende der russischen Truppen im Amurgebiet, dem bekanntlich auch die Mandschurei untersteht, eine Verordnung erlassen hat, durch die russischen Uniert Hanen das Recht ertheilt wird, Vie Goldfelder der nördlichen Mandschurei nach Benachrich tigung der chinesischen Behörden in Kirin und Zizikar auszu beuten. Das Land ist so reich an Gold, daß Linda in einer Schilderung im Septemberheft der „Wajennuej - Ssbornik" vorigen Jahres wörtlich sagen durste: „Gold findet sich überall im ganzen Lande." Die chinesische Regierung hat das Verbot, durch das die Ausbeutung dec Goldlager bei Todesstrafe unter sagt wird, allerdings schon vor langer Zeit aufgehoben, bisher aber war es russischen Unterthanen unmöglich, sich an der Gold gewinnung zu betheiligen, da die chinesischen Goldsucher sich zu nach außen abgeschlossenen Gemeinschaften verbanden, die oft aus Abenteurern und Räubern bestanden, und allen Nicht chinesen jede Betheiligung an der Ausbeute mit Gewalt ver wehrten. Die Unklarheit der augenblicklichen Lage in der Mandschurei, namentlich aber die zweifelhafte Stellung der chine sischen Behörden, die doch durch die Kämpfe der letzten Zeit zum großen Theil in ihrer Wirksamkeit lahm gelegt sind, bringen es nun allerdings mit sich, daß die Maßregel des Obercomman- direnden auch jetzt noch für die russischen Goldsucher große Schwierigkeiten im Gefolge haben wirv. Die in Port Arthur erscheinende Zeitung schrieb in dieser Hinsicht kürzlich sogar ganz offen: „Die Unmöglichkeit, zu einer gesetzlichen Besitznahme und Ausbeutung der Goldfelder zu schreiten, wird in großem Maß stabe zu ihrer räuberischen Ausbeute führen, da die russischen „freien Goldsucher" (Wolnueje Starotely) die mandschurischen Behörden nicht beachten werden, die russischen Behörden aber nicht die Zeit haben, sich in die amtlichen Handlungen der mandschurischen Behörden einzumischen. Die mandschurischen Behörden können wieder thatsächlich nichts veranlassen, da ihnen hierzu weder Truppen noch andere Mittel zur Verfügung stehen." Aber vielleichr liegt Rußland gerade daran, diese Verhältnisse auszunutzen und aus ihnen das Recht einer Einmischung auch in interne mandschurische Angelegenheiten herzuleiten, die nur zu sehr in ihre Politik in der chinesischen Frage hincinpaßt. Der Krieg in Züdafrika. Eine spurlos verschwundene Compagnie. Von König Eduard's VII. Armee sind 800 Mann mit ihren Officieren spurlos verschwunden. Es steht fest, daß sic weder von den Boeren gefangen wurden, noch in der Schlacht gefallen sind, auch führen die Listen sie nicht als Vermißte auf. Ja, es scheint sogar, daß sic, noch ehe sie England vcrließcn, sich auf eine unerklärliche Weise verkrümelt und in Luft aufgelöst haben. Die Sache ist kein Scherz und beschäftigt nach dem „Daily Chronicle" gegenwärtig alle Köpfe Großbritanniens. Wenn nicht Hehlerei dabei im Spiel ist, so lauert ein ungeheuerer Scandal hinter der Sache. Es war vor einigen Monaten, das Kriegsfieber in England hatte seinen Höhepunct erreicht, da meldete sich ein Edel mann aus Uorkshire und machte dem Kriegsamt das Anerbieten, eine Batterie von Uorkshire-Artill«rie-Freiwilligen aufzustellen, unter der Bedingung, daß er selbst sie befehligen dürfe. Sein Vorschlag wurde nach einigem Zögern angenommen. Bald darauf trafen in London 300 Mann der stattlichsten Uorkshire ein, alles die ausgesuchtesten Kerle, Landleute, Fabrikarbeiter, ein Contin- gent, dessen kein Commandeur sich würde zu schämen gehabt haben. Bald waren die Leute in den vorschriftsmäßigen Khaki gesteckt. Die Truppe erhielt den Namen „98. Compagnie Imperial Ueomanry", und Capitän Grigg, der sie aufgestellt, übernahm den Oberbefehl über sie. Von jenem Tage an, da sie getauft worden, verschwand die Compagnie von der Bildfläche, als wäre sie nie vorhanden gewesen. Alle Nachforschungen nach ihr blieben vergeblich. Niemand konnte ihren Aufenthalt ermitteln. Auf dem Kriegsamt nahm man an, sie sei nach Afrika gegangen, man ver- muthete sie in Kimberley, aber auf eine Anfrage dort kam die Kabelantworl, keine derartige Truppe sei je in Capstadt oder irgend einem anderen Hafen angelangt. In ihrer Heimath Uorkshire waren die Leute auch nicht, sie waren also nicht etwa an ihre Arbeitsstätten zurückgekehrt. Wo in aller Welt steckten die 98er? Und nun kommt der Hauptspaß. Es liefen Briefe von Mitgliedern dieser Truppe aus Afrika ein, die von Kämpfen und Abenteuern der 98er berichteten, aber sie waren höchst unbestimmt datirt, von hier und dort auf dem Veldt in Afrika, man wurde nicht klug, woher. Jetzt ist ein volles Jahr vergangen, und noch immer weiß das Kriegsamt nicht, was aus den 98ern geworden ist. Sonderbar, höchst sonderbar!! (Allg. Ztg.) * London, 3. 'September. Die Entschädigungscommission wies die von einer Deutschen, Namens Helene Miller, gestellten Ersatzansprüche für den Verlust einer, Documente und Geld ent haltenden Casette mit dem Bemerken zurück, daß die Commission in Johannesburg über die Angelegenheit entscheiden wevd«. * London, 4. September. (Telegramm.) „Reuter's Bureau" berichtet aus Unionsdale unier dem 3. September: Eine aus 25 Mann bestehende, von Oudtsboorn kommende bri tische Patrouille wurde beim Ueberschreiten eines Flusses überrascht. Der Botschafter und zwei Mann entkamen, drei wurden getödtet, vier verwundet; die klebrigen ergaben sich, wurden aber, nachdem sie den Eid der Neutralität geleistet hatten, wieder sreigclassen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 4. September. Es ist also, wenn die „Nat.-Ztg." recht unterrichtet ist — und daran ist nicht zu zweifeln —, richtig, was die „Ostasiatische Kor respondenz" meldete: Der chinesische Liihnevrinz wird allein, nur von einem Dolmetscher begleitet, von unserem Kaiser empfangen werden, und dieses Zugeständniß hat mit dazu beigetragen, die Schwierigkeiten zu beheben, die sich dem Empfange des Prinzen während der Reise entgegengestellt hatten. Für dieses Zugeständniß hat sich der Prinz seinerseits ver pflichten müssen, seine Ansprache in eine Form zu kleiden, durch die „der Zweck der Mission mit der erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdrucke kommt." Ueber die Einzelheiten der Ceremonie war mithin bei dem Antritte der Reise des Prinzen ein Ein vernehmen noch nicht erzielt, vielleicht nicht einmal angebahnt. Da es jetzt hergestellt ist, so fällt die Nothwendigkeit hinweg, zu untersuchen, ob es zweckmäßig gewesen ist, mit den Verhand lungen erst während der Reise des Prinzen zu beginnen und es darauf ankommen zu lassen, ob eine Einigung zu erzielen sei. Jetzt interessirt nur noch die Frage, welcher von beiden Theilen das größere Zugeständniß gemacht hat. Die Chinesen werden glauben, daß sie im Vortheil seien. Denn da der Prinz allein empfangen wird, so kann in China über die Ceremonie Gott weiß was zusammengelogen werden. Das würde aber vor aussichtlich auch geschehen sein, wenn die ganze Gefolgschaft des Prinzen zu dem Empfange zugelassen worden wäre. Es scheint uns daher, als ob der größere Vortheil bei der Einigung auf deutscher Seite wäre. Das den Empfang überdauernde Schriftstück, das die Ansprache des Prinzen festhält und zu den amtlichen Acten gegeben wird, kann nicht abgeleugnet werden. Und kommt es zur Kenntniß der obersten Mandarinen in der Centralregierung und an der Spitze der für den internationalen Verkehr wichtigen Provinzen, so wird es auch wenigstens theilweise den erwünschten Eindruck machen. Der „Reichsanzeiger" wird es jedenfalls dem deutschen Volke nicht vorenthalten. — Mit der Ankunft des Prinzen Tschun und der Beendigung seiner Mission werden wahrscheinlich sofort wieder die regelmäßigen officiellen diplomatischen Beziehungen zwischen China und Deutsch land hergestellt, die seit der bestätigten Kunde von der Er mordung unseres deutschen Gesandten v. Ketteler in Peking unter brochen waren. Der chinesische Gesandte in Berlin durfte sich seit jener Zeit nicht mehr in amtlicher Eigenschaft zeigen; man hat ihn in der Reichshauptstadt zwar stillschweigend geduldet, aber keine officiellen Beziehungen mit ihm unterhalten. Daher ver schwand er denn sang- und klanglos aus Berlin, um jetzt dem neuen, durch den Prinzen Tschun einzuführenden Gesandten Platz zu machen. Der Prinz selbst wird nach Erfüllung seiner Auf gabe vielleicht, falls nicht Gegenbefehle aus China dies Programm widerrufen, noch längere Zeit in Deutschland weilen, wenn auch nicht als Gast des Kaisers. Hoffentlich wiederholt sich dann nicht das beschämende Schauspiel, das vor einigen Jahren bei An wesenheit Li-Hung-Tschang's sich abspielte und in dem Privatpersonen, ja ganze Städte den chinesischen Fremdling in Erwartung irgend welcher Vortheile feierten, wie etwa den popu lärsten Mann Deutschlands. Aus dem BezirkeOsnabrück kommt ein scharfer Protest gegen den „Katholikentag". Wie von dort ge schrieben wird, führte der ausderWeingart-Bewegung bekannte Pastor vr. Pfannkuche auf der Hauptversammlung der Gustav Adolf- Vereine des Bezirks Osnabrück aus: Es sei eigentlich nicht Sache des Gustav Adolf-Vereins, römische Angriffe abzuwehren, der Evangelische Bund habe hier dcks Wächteramt übernommen. Aber angesichts der Angriffe einzelner Redner des Katholikentages erscheine es doch angebracht, ein mal einen Blick auf die ultramontane Gefahr zu werfen. Mit Friedensschalmeien sei freilich die Heerschau tzer Centrumspartei eröffnet worden und manche, auch Protestanten, hätten sich durch die Friedenstöne blenden lassen. „Wir tagen im Geiste der Liebe gegen den Nächsten und der Achtung gegen die Anders gläubigen. Getreu unseren Traditionen werden wir den kon fessionellen Frieden niemals stören", habe vr. Trimborn in seiner Eröffnungsrede erklärt. Herrliche Worte! Jedoch: „Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube." Das Leib organ des Herrn Trimborn, die „Köln. Volksztg.", gebe die Er läuterung zu diesen Worten, wenn sie zur Begrüßung des Katho likentages unter den heftigsten Ausfällen auf die protestantischen Theologen schrieb: „Die deutschen Katholiken werden diesen Herren schon ,eigen daß hier nicht so leicht Erfolge zu erringen seien, wie in Oesterreich. Auf zum Kampfe gegen diese theo logisch-alldcutsch-hakatistische Gesellschaft!" Uebrigens habe Di. Trimborn in seiner Heimathstadt Köln die beste Gelegenheit gehabt, seine Grundsätze der Liebe und Duldsamkeit in die Wirk lichkeit umzusetzen. In Köln werde vom I. bis 3. October d. I. die Hauptversammlung der Gustav Adolf-Vereine Deutschlands abgehalten. Da könne dann Herr vr. Trimborn mit der That seinen Dank abstatten für den freundlichen Empfang, den auch Feuilletsn» Arbeit. Von Eva Treu. Nachdruck vrrbctkn. Als Life sechzehn Jahre alt war, hatte man sie trotz ihrer Bitten, sie noch dort zu lassen, aus der Schule fortgenommen, in die sie in der That nicht mehr hineinpaßte. In den letzten Jahren hatte sich bei ihr eine ganz besondere Vorliebe — neben der alten, schon lange bestehenden für künstliche Nadelarbeit — für den Zeichenunterricht entwickelt, obschon derselbe außer ordentlich mangelhaft ertheilt wurde, denn die Zustände an der Töchterschule der kleinen Stadt waren noch ziemlich vorweltlicher Art. Der Zeichenlehrer, ein wackerer, wohlmeinender Mann, erklärte jedoch aus freien Stücken, die Schülerin jetzt yichts mehr lehren zu können. Ihr Talent sei einer Ausbildung an einer Kunstgewerbeschule sicherlich Werth; was er selbst an Zeichen künsten inne habe, sei bereits in Lise's Besitz übergegangen. Frau Susanne verzog den Mund spöttisch, als ihr Christian Ohle nicht ohne Stolz von diesem Urtheil erzählte. „Ja, das wäre hübsch, sie in eine Pension zu geben, daß sie sich nachher völlig einbildet, eine Prinzessin zu sein. Sie hat gerade genug Unsinn gelernt und trägt den Kopf schon jetzt so hoch, als wenn sie mehr wäre als wir Alle. — Oder nützt dir Zeichnerei zu irgend etwas?" Das konnte Herr Ohle nicht sagen. Ueberhaupt hatte er nur sehr verworrene Begriffe von dem Wesen und Zweck einer Kunstgewerbeschule und zählte jedenfalls das Zeichnen, gleich Frau Susanne, ohne Weiteres unter die brodlosen Künste. Es war also, da die Frau den Plan, Life noch weiter darin unter richten zu lassen, nicht billigte, nicht weiter davon die Rede. Die Stieftochter für eine Weile fortzugeben, wäre Frau Susanne an und für sich freilich nicht unlieb gewesen, entbehrt hätte sie dieselbe sicherlich nicht. Aber ihr dazu behilflich sein, sich noch mehr von jener Bildung anzueigncn, welche die Mutter selbst nicht besaß und die Life gar zu leicht ein gewisses Uebergewicht verleihen konnte, das wollte sie nicht, und daS Kind fortgeben, damit es sich bei fremden Leuten selbst sein Brod verdiene, dagegen sträubte sich Christian Ohle energisch. Freilich entbehrt hätte er Lise eben auch nicht sehr, aber seine Tochter — Christian Ohle's Lise! — das einttge Kind de» als wohlhabend bekannten Mannes, der so unendlich stolz auf seine Stellung war, zum Broderwerb in die Fremde schicken — nimmermehr! Selbst Frau Susanne verlangte das vergebens von dem allezeit Nachgiebigen. Lise zu fragen, was sie wünschte und möchte, kam Niemand in den Sinn; ja es wurde nicht einmal mit ihr über die ganze Sache gesprochen. Der Vater vergaß, es zu thun, und die Mutter vermied es aus bewußter Absicht. Ein paar Tage, nachdem Lise eingcsegnet war, gab es den ersten wirtlichen Streit zwischen Mutter und Tochter. Die Schänkstube saß voller Gäste, — es waren nicht eben die feinsten. Im Laufe der letzten Jahre war ein nicht sehr erfreu licher Wechsel in dieser Beziehung eingetreten. Nach und nach waren die früheren Stammgäste, mit denen Herr Ohle sich so gern an einen Tisch gesetzt hatte, fortgeblieben oder erschienen nur noch dann und wann. Sie hatten einer öfter wechselnden, etwas lärmenden und aus allen möglichen Elementen gemischten Gesellschaft Platz gemacht. So allmählich hatte sich der Wechsel vollzogen, daß der Wirth selbst sich kaum noch recht klar darüber geworden war. Ueberhaupt wurde so Manches im Hause lang sam anders. An diesem Tage ging es in der Gaststube besonders geräusch voll her. So oft sich die Thür öffnete, drang ein Gewirr von durcheinander rufenden und sprechenden Stimmen hervor, welches in seinem Gesammteindruck für einen draußen Lauschenden sicherlich nichts Verlockendes haben tonnte. Lise war im Garten; sie wußte noch nicht recht, was sie mit ihrer neuen, ungewohnten Freiheit beginnen sollte. „Wo steckst Du eigentlich, Lise?" Die junge Frau war zu ihr getreten, ohne daß sie es gemerkt hatte und schüttelte sie ein wenig an der Schulter, als müßte sie wach gerüttelt werden. „Die ganze Gaststube sitzt voll Menschen, willst Du hier herum lungern und nichts thun? Einer ruft noch lauter nach Bier als der Andere." „Ja, ich kann es ihnen doch nicht bringen", sagte das Mädchen verwundert. „Warum nicht?" Lise richtete die sonst meist ein wenig lässig getragene Ge stalt schlank empor. Ihre Erscheinung war bereits ganz dle eines erwachsenen Mädchens, sie überragte die kleine, rundliche Frau mit den kraus gebrannten Stirnlöckchen um eines halben Kopfes Höhe. Ein wenig blaß war sie immer noch, aber die Lippen waren roth und frisch, und sie wäre mit dem feinen Oval des Gesichtes, den schweren dunklen Flechten und der leicht aufgebauten Gestalt entschieden hübsch gewesen, wenn nicht die Augen unter den langen Wimpern hervor gar so un jugendlich ernst geblickt hätten. E» war Frau Susanne schon seit einiger Zeit aufgefallen, wie unerwartet gut sich die äußere Erscheinung der Stieftochter entwickelte, und sie ärgerte sich darüber. Sie selbst war kaum mehr hübsch, seit ihre Figur gar so sehr behäbig wurde und die früher so beweglichen Züge ihres Gesichtes immer mehr in die Runde und Breite gingen. Es ist unangenehm, sich mit kaum siebenundzwanzig Jahren sagen zu müssen, daß Einen Niemand mehr sonderlich bewundert, und der jungen Frau war dies besonders bitter, weil sic durch Schmeicheleien ver wöhnt und unsäglich eitel war. Es erhöhte deshalb ihre Liebe zu der Stieftochter nicht eben, daß diese, das unscheinbare kleine Wegctritt, auf das bisher Niemand Acht gegeben hatte, nun auf einmal zu einer schlanken, feinfarbigen Blume emporblllhte. Gerade in diesem Augenblick, während das Sonnenlicht hell über das Mädchen hinfluthetc, mußte sich Frau Susanne ein gestehen, daß Lise von Tag zu Tag besser aussähe, und des halb wiederholte sic, als das Mädchen nicht gleich antwortete, schärfer, als es die Gelegenheit erforderte: „Warum nicht, wenn man fragen darf?" „Ich denke, dafür ist die Kellnerin da", sagte Lise noch immer ganz verwundert. „Sic kann Hilfe gebrauchen — und ohnehin ist e» gut, wenn Du möglichst bald eingelernt wirst." „Eingelernt?" — Lise trat einen Schritt zurück. „Aber ich soll doch nicht —" „Ja, wozu hat man denn ein erwachsenes Mädchen im Hause? Meinst Du, wir werden künftig ein ganzes Regiment Dienstboten halten, nur damit Du die Zeit noch weiter ver trödeln kannst wie bisher? Die Kellnerin wird abgeschafft; dafür bist Du da." Es war vorher durchaus nicht die Absicht der jungen Frau gewesen, dies zu sagen oder Lise wirklich zur Kellnerin zu machen. Der Gedanke war ihr nur auf einmal s» gekommen, und sie hatte ihn gut.gefunden. „Kellnerin — ich?" sagte das Mädchen, schneller athmend. „Ja, Du — Du bist doch wohl keine Prinzessin, nicht wahr?" „Ich beanspruche auch nicht, wie eine behandelt zu werden. Arbeiten will ich gerne —" „Ach, wirklich? Wie freundlich! Also dazu bist Du doch nicht zu vornehm?" „Du weißt ganz gut, daß ich mich nicht für vornehm halte", sagte Lise, indem ihr das heiße Blut schnell in die Wangen stieg, „ich bin auch nicht faul, aber Kellnerin sein will ich nicht." „O!" Es war nur ein Ton, aber er sagte gering. „Betrunkene Männer zu bedienen, schickt sich nicht für mich." Die junge Frau lachte auf; es war ein böses Lachen. „Ach so, Deines Vaters Gäste sind Dir nicht fein genug!" „Nein, um allein und wehrlos zwischen ihnen umherzrigehen, sind st« mir nicht fein genug, wie Du sagst. Meinst Du, ich will mich von ihnen um die Taille fassen und mir über daS Gesicht streichen lassen, wie ich gesehen habe, daß sie thaten? Und ich allein zwischen ihnen, und wenn Einer sich etwas herauS- nimmt, so lachen di: Anderen? Dazu bin ich mir zu gut!" „Dumme Gans! Brauchst nicht bange zu sein. Du bist nicht so anziehend, daß Einer wünschen sollte, Dich um die Taille zu fassen." Das Mädchen antwortete nicht und klopft« nur ganz leise mit der Fußspitze auf den Sand des Gartensteiges. Du hast wobl ganz vergessen, was ich selbst einmal ge wesen bin?" Die junge Frau biß sich auf die Lippe. „O nein, das habe ich nicht vergessen", sagte Lise kalt und sah der Stiefmutter gerade ins Gesicht. „Du willst es mir wohl gar vorwerfcn?" , „Daß Du Kellnerin warst? Nein, daS nicht, — das sicher nicht." „Das nicht? — Was denn?" wollte es >d«r Frau über die Lippen, aber sie drängte es zurück. Darüber zu schweigen, war wohl besser; die alten Geschichten brauchten nicht erst wieder an das Tageslicht zu kommen. „Und kur; und gut, Du gehst jetzt hinein und thuft, was ich Dir sage." Das Mädchen schüttelte schweigend den Kopf. Du wagst, zu trotzen?" „Ja", sagte Lise, und ihre dunklen Augen flammten auf, „ja, hierin trotze ich Dir! Ich bin Dir gehorsam gowesen, so lange Du hier Herrin im Hause bist, obgleich ich jeden Tag und jede Stunde gewünscht habe, Du wärest nie hierher gekommen. Don dem Tage an, wo Du zu allererst über die Schwelle ge treten bsst, als ich noch ein kleines Ding war, hab« ich eS ge wünscht. Ich habe Dir trotzdem gehorcht, weil der Vater es will, und weil Du die Macht hast, mich zu zwingen. Ader hierin trotze ich Dir. Wenn Vater es mir befiehlt, so will ich eS thun, auf Dein Gebot nicht. Gerade auf Dein Gebot nicht. Dies eine nicht. Ich würde immer an meine todte Mutter denken müssen, an sie und — so mancherlei Anderes. Sie würde eS ni« zuge geben haben, niemals." Frau Susanne sah die Stieftochter starr an. Noch ni« war es vorgekommen, daß Lise den Gehorsam verweigert oder gar heftige Reden geg«n sie geführt hatte. Immer hatte sie sich ruhig bei Seite schieben und übersehen lassen, und gethan, was man ihr auftrug. Es konnte recht hübsch werden, !w«nn sie jetzt auf einmal beginnen wollte, sich aufzulehnen. „Du hast ja rechten Nutzen aus dem Confirmation-unters
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