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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.09.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-09-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010919013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901091901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901091901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-09
- Tag1901-09-19
- Monat1901-09
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Morgen-Ausgabe. aOoneur», Druck uud Verlag vou E. Pol« d» Leipzitz. kalt«) 95. Jahrgang Nr. 478 Donnerstag den 19. September 1901 i»»«u tie»i>«n. 200:96,608. xar.vL7:— ». U. 1V0K0L t. . 1. uns SS k-? L. Z. den der zu be- wie > 6. > 8. > 6. 6. vi.6p.63 ia.vpL2 v. S. 8. r » L - 8 Grtra-Beilagen (gefalzy, nur mit der Morgen-AnSgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderuug 70.—» In Liverpool, Birmingham, Manchester, Leeds und Hüll l/aben die Londoner Anarchisten Filialen gegründet. Ein Londoner Anarchist sagte dem Corrrspondenten des „Standard", daß es jetzt über 6000 Mitglieder bebe, die wöchentlich je 20 H zahlen. Angenommen, daß 4000 dieser Leute Familienhäupter sind — wenn diese Bezeichnung bei Anarchisten angewendet werden kann — und daß jede Familie aus nur 6 Personen besteht, was für einen jüdischen Haushalt nicht zu hoch gegriffen ist, so würde man es mit einer gesellschaftfeindlichm Colonie von über 20 000 Individuen zu thun haben, deren geistige Nahrung in den verderb lichen Lehren der anarchistischen Presse besteht und deren Glaube als dos Evangelium der Gewalithätigteit und des Mordes be zeichnet werden kann. Sie vermehren sich stets durch neuen Zu zug aus Rußland und Südost-Europa, darunter Leüke, die zu dem extremsten Flügel der Anarchisten gehören und deren Zu sammenhang mit der Partei den Boden ihrer Heimath für sie 6. s. L Ein Lieblingszusammenkunftsort der „Ostender" Anarchisten, die fast ausschließlich jüdische Einwanderer sind, ist ein kleiner Club in der Berners Street. Dieser ist nicht ein Versamm- lungslocal, wo die für die Anarchisten bedeutungsvollen Dinge verhandelt würden, sondern nur ein zu gemächlichem Verkehr er wähltes Local. Die Stammgäste kommen häufig aus Süd rußland, von Kiew, Odessa u. s. w. Das Clubzimmer ist ziemlich groß, aus den zwei zu einem Zimmer vereinigten Wohnzimmern des Parterre, wie man sie in englischen Arbeiterhäusern findet, be stehend. Das Meublement besteht aus langen, hölzernen Tischen und Bänken. Der Erzähler, der eine Art Detectiv zu sein scheint, schildert die in dem Zimmer versammelte, erzählende, rauchende rrnd disputireNde Gesellschaft und ihre Gespräche. Einer der Leute war 14 Jahre Soldat im Kaukasus, der lange über seine Dienstzeit hinaus beim Heer behalten worden war. Eines Morgens gelang es ihm, zu entkommen, und er gelangte über Konstantinopel nach London, wo er von einem alten Kameraden gefunden und zu den Anarchisten gebracht wurde. Seitdem ist er gelegentlich der Fälschung von Banknoten öffentlich aufgetreten. Ein Anderer, ein 46jährigcr Mann aus Warschau, hat 22 Jahre in der Gefangenschaft in Sibirien verlebt und behauptet, nicht zu wissen, weshalb man ihn als Schüler des Gymnasiums in Warschau plötzlich verhaftet und ohne Erklärungen nach Sibirien geschickt habe. Nach 22 Jahren sei er vor den Gouverneur'ge rufen worden, der ihm gesagt habe, er sei frei, müsse das Land jedoch sofort verlassen. Er ging nach Berlin, fand dort, daß er bei der Berliner Polizei im schwarzen Buche sieh«, und ging nach London. Der Verfasser 'dieser anschaulichen Schilderung der Anar- chistem-Colonie drückt sein Erstaunen aus, daß die Leute, die man in den Clubs zu allen Tageszeiten sehr gut gekleidet träfe, gut lebten, ohne zu säen und zu ernten, wie die Lilien auf dem Fslde. Sie schienen irgendwie in der Profession, wenn nicht in der Praxis des Anarchismus, ihren Lebensunterhalt zu finden. Er spricht von dem Arrarchisten-Typus, der seine Ideen aus irgend einer verschrobenen Auslegung von Talmud- oder Bibelstellen ableite. Neben im äußeren Sinne religiösen Leuten find, man solche, die an den religiösen Versammlungen der jüdischen Anar chisten theilnähmen, um bei ihnen besser Einfluß zu haben; dabei höhnten sie nachher auf jede Religion und Religionsübung in den stärksten Ausdrücken. Dann schildert er den unglaublichen Aber glauben dieser Leute, die, unterdrückt in ihrer Heimath, extrem in ihrem rekigiösen Fanatismus und in ihren socialen und poli tischen Anschauungen, aber weniger gefährlich, als die besser ge zogenen Leute seien, die die Beiträge der Anderen in ihre Tasche stecken und aus ihrer Hetzthätigkeit oft gut; Einnahmen schlagen, die sie eben so oft wieder in einer der zahlreichen Spielhöllen jener Gegend verspielen. An der russischen Judenauswande rung sei die offene Aufreizung zu Mord und Gewaltthätigkeit, Wie man sie jetzt im Osten Londons überall antrefse, nicht un- betheiligt gewesen. Heut« spreche man dort von Herrschermord wie von etwas Selbstverständlichem. Die Behörden und das Volk Englands könnten diese Zeichen der Zeit nicht mehr lange ignoriren. Wenn die Anarchisten in London so offen und ungestört ihre Cirkel und Clubs halten können, dann braucht man sich in der Dhat nicht zu wuminrn, daß an der Themse der ganze Auswur^ aus allen Ländern zusammenströmt, um dort die Lehren ihrer Verbrecher-Philosophie rn die Wirklichkeit umzusetzen. Mac Linley Bom neuen Präsidenten. Herrn Roosevelt geht der Ruf eines energischen Mannes voraus. In den beiden früheren Aemtern, in denen er am meisten Einfluß hatte, war er mit lobenswerther Rührigkeit thätig, um die marktgängige Cocruption des öffentlichen Lebens und der Verwaltung auszurotten. Als Mitglied des Civildienstausschusses in Washington wies er rücksichtslos alle Vorschläge zu Er nennungen für Bundesämter ab, die auf keiner besseren Em pfehlung, als einer dunklen Kameradschaft zu beruhen schienen. Während seiner Amtszeit als Vorsteher der New Uorker Polizei erwarb er sich bei seinen Mitbürgern eine besondere Beliebtheit dadurch, daß er des Nachts, eine Laterne in der Hand, die Spelunken -der Stadt besichtigte, um Vie verrottete Polizei bei der Begünstigung des Lasters zu entlarven. Doch war er an dem thörichren Gesetz unschuldig, das die Staatslegislatur New Uorks zur Bekämpfung der Schankwirthschaften überhaupt er lassen hatte. An Muth hat es ihm nie gefehlt. Vor zwanzig Jahren, als blutjunges Mitglied der New Uorker Legislatur, nahm er einmal unerwartet das Wort. Die alten Parteihäupter lächelten. Der junge Mann, der mit rauher Stimme und plumpen Gebärden seine Sätze hcrvorstieß, flößte ihnen keine sonderliche Achtung ein. Plötzlich wandte sich der Redner gegen die Finanz machenschaften des gewaltigen Jay Gould, seine Eisenbahnizesell- schaften und seinen Aufsichtsrath. Mit wuchtigen Gründen ging er gegen die Trusts und di« Eisenbahnkönig« zu Fdlde. Die Magnaten der Finanz wurden immer verlegener und ängstigten sich geradezu, als er mit drohender Gebärde ausrief: „Diese Leute sind reiche Verbrecher!" Das Auftreten Roosevelt's gegenüber Hoch und Niedrig ha'i ihm besonders bei seinem Rau hretter - Regiment genutzt, in welchem juna« Leute aus den reichsten Gesellschaftsklassen New Uorks neben den Krchjungen des Westens Dienst thaten. „Teddy", wie der neue Präsident allgemein genannt wurde, gewann die Achtung der Letzteren in jungen Jahren durch seine Reitkunst. Als er zum ersten Male unter d;n derben Gesellen erschien, ver anlaßten sie ihn, statt seines feinen Reitthieres einen unbändigen Gaul zu besteigen und lachten sich heimlich ins Fäustchen ob des Einfalls, waren aber ganz verdutzt, als er ihnen den wilden Gaul völlig bemeistert vorritt. Die Volksihümlichkeit in diesem seltsamen Kreise stieg Mit jedem Jagdaufcnthalt. Seinen größten Triumph erlebte er vor Santiago de Cuba. Abends nach dem Gefecht, während die Geschosse der Spanier durch die Luft fuhren und ein starker Regen niederging, kam sein Regiment an die Verschanzungen der Spanier geritten, der Commandeur Allen voran entblößten Hauptes, ein weißes Taschentuch um den Hals. Roosevelt und sein« Leute stürzten sich auf die feindlichen Ge schütz« und nahmen ein«s nach dem anderen. Vorwand und man fragt sich natürlich: Wozu die Geheimniß- kcämerei, wenn nichts Schlimmes zu verbergen wäre? Und sprechen denn nicht die Todtenlisten eine betrübende Sprache? Wenn man da von Dutzenden von Säuglingen liest: als Todes ursache rvsnck c>f braust mich! Mangel an Muttermilch! Davon sind früher keine Boerenkinder gestorben, denn die Boerenfrauen sino eine kräftige Rasse. Also führen wohl Ent behrungen und Strapazen diesen Mangel an Muttermilch herbei. So ließen sich noch zahlreiche andere Todes- und Krankheitsursachen aus den langen Trauer und Mitleid er weckenden Listen anführen, welche das Eine mit Bestimmtheit erkennen lassen, daß die Sorge für die dort untergebrachten Unglücklichen in Hinsicht auf passende Nahrung uud Woh nungsgelegenheit außerordentlich viel zu wünschen übrig läßt. Und nun kommt noch dazu, daß diese erschreckend hohe Anzahl von Todesfällen sich in der trockenen Jahreszeit ereignet; man chreckt mit Entsetzen davor zurück, daran zu denken, wie die Zustände sich gestalten sollen, wenn die Regenzeit eintritt, etwa Mitte September, dann wird der Würgengel seinen er- olgreicheren Beutezug antreten unter den ' Kindern und Schwachen. * London, 18. September. (Telegramm.) Der „Standard" meldet aus Pretoria vom 16. September: Der 15. September ist verstrichen ohne ein Zeichen der Aenderung in der Haltung der B o e r en s ü h re r. Keiner habe sich nach der Proklama tion ergeben, die sich also als wirkungslos erwiesen habe. — Wie der Johannesburger Correspondent des „Daily Mail" meldet, werde Kitchener jetzt Lazu schreiten, die Farmen der noch im Felde stehenden Boeren versteigern zu lassen und deren Erlös zum Unterhalt der Concentrationslager zu ver- wenden. (Mgdb. Ztg.) * Parts, 18. September. (Telegramm.) Der Abgeordnete Abbö Lemire ließ dem Minister des Auswärtigen, DelcassS, wissen, daß er ihn über die Folgen der Haager Friedens konferenz für die civilisirten Völker befragen werde. Lemire wird die Interpellation bei Gelegenheit der Erörterung der TranS- vaal-Fragr in der Kammev veranlassen. Anzeigen-Preis die b gespaltene Petitzeile 25 Reklamen «ater demRedaertoasstrüy (4 gespalten) 75 H, vor den Famllieimat> richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Zifsrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen Ofsertenannahme 25 H (excl. Porto). Lnnahmeschluß für Anzeige«: Abend-Ausgab«: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Na-gabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen «ad Annahmestellen je eins halbe Stunde früher. Anzeige» find stet« an di« Expedition za richte«. Die Expedition ist Wochentag« nnnnlerbroche, geöffnet von früh S bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: Alfred Sahn vorm. lv. Klemm'« Sorttm. Unwersttät-straße 8 (Paulinum), Loui« Lösche, Latharinenstr. 14» purt. und KöniaSplatz 7. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. zelte« »erlc S. UtS:— k. L t» S. 8. N. n u. v. n u. o. «. n. v tt. L. zell«U Xnrk: t t »o. s. »IX l«r- n>««N Rückblicke auf die -Flottenmanöver. 8. Die Flottenmanöver, die bei Danzig im Beisein des Kaisers von Rußland zum Abschluß gelangt sind, haben zunächst gezeigt, daß die deutsche Kriegsflotte zu einem Factor hevange- wachsen ist, mit dem alle Staaten, die über eine Kriegsmarine verfügen, fortan zu rechnen 'haben. Eine gewisse Enttäu sch u n g hat der Verlauf der Manöver allen Demen bereitet, die mit Sicherheit eine Landung, sei es bei Hela, s«i es bei Zoppot, erwartet hatten, wobei man idie Marine-Infanterie im Verein mit der Matrosen-Artilleri« und den Boots- und Lan dungsgeschützen in Thätigkeit treten zu sehen hoffte. An Land war Alles zu ihrem Empfange vorbereitet, für einen Handstreich nach Osten hin waren die Küstenbattekien der Danziger Bucht, besonders bei Westerplatte, kriegsmäßig armirt und besetzt, wie auch ein Aufgebot von Infanterie für die Kllftenvertheidigung eines Angriffs von See aus gewärtig stand. Zu einem solchen kam es aber nicht. Das Weiter und die brandende See wären einer solchen Landung allerdings auch im Ernstfälle derart hinder lich gewesen, daß man ohne Zweifel die Absicht einer Landung in diesen Tagen nicht ausgeführt, sondern verschoben hätte. So blieb nur die Darstellung des Krieges ans hoher See zum Schutze der Küste und der Hafeneinfahrt übrig; eine Dar stellung, die in den verschiedenartigsten Bewegungen unter dein Feuer "der Geschütze aller Kaliber zum Ausdruck gelangte. Linienschiffe, «dies« schwimmenden Festungen der Seeschlacht der Zukunft, große und kleine 'Kreuzer bis zum Torpedoboot hinab kamen zur Verwendung, die an Vielseitigkeit nichts zu wünschen übrig lizß und zur Befriedigung unseres Kaisers die Be wunderung des Zaren erregte. Sowohl die materiellen, wie die personellen Mittel der deutschen Marine wiesen eine solche Voll kommenheit auf, daß auch der Steuerzahler das beruhigende Be wußtsein haben kann: die außerordentlichen Mittel für den Ausbau der Flotte sind nicht umsonst ausgegcben und werden sich auch schon im Frieden durch den Schutz unseres Handels bezahlt machen, an dem auch der Innenhandel feinen wohlgemessenen Antheil hat. Betrachtet man aber den Stand der Schiffsbautechnik, so gab es doch bei unseren Flottenmanövern eine Lücke, und diese bestand in dem gänzlichen Fehlen der Unterseeboote, die man vor noch nicht allzu langer Zeit für eine Utopie anzusehen gewöhnt war. Aus diesem Stadium ist aber di« Frage längst hinaus und die ersten Typs dieser Boot«, wie der „Morse" und der „Gustave Zödo", die in Toulon den Anforderungen nicht ent sprochen hatten, sind vollkommen überholt. Ihr Mangel bestand darin, daß sie nur zum Fahren unter Wassec eingerichtet waren und mithin «inen äußerst geringen Aktionsradius besaßen, d. h., sie konnten mit einer einmaligen Ladung des elektrischen Motors nur eine beschränkte Anzahl von Seemeilen zurücklegen. Die n«u construirten Boote aber, wie der „Narval" und der „Goubet", die d«m Zaren bei den französischen Flottenmanövern bei Dün kirchen vorgeführt werden sollen, habm dadurch «inen vergrößerten Aktionsradius erhalten, daß sie zunächst etwa 250 Seemeilen über Wasser wie ein gewöhnliches Dampfschiff fahren und dann noch 70 Seemeilen unter Wasser mit ihren elektrischen Motoren ge trieben werden können, wobei die mittleren Geschwindigkeiten über und unter Wasser sechs und fünf Knoten betragen. Dies« fran zösischen Unterseeboote sind zunächst für England «in Dorn im Äuge, da ein solcher Aktionsradius auch im Angriff gefährlich werden kann, und dies ist wohl die Hauptursache, weshalb die englisch« Marineverwaltung bei Vickers in Barrow-in-Furneß sechs Unterseeboote nach dem System des Ingenieurs Hollard bestellt hatte, die im Lause dieses Sommers zur Ablieferung ge langten. Diese Hollardboote haben als Aktionsradius einen Record von 400 Seemeilen erzielt, selbstverständlich als Ueber- und Unterwasserboote verwendbar. Sie habm die äußere Form der Torpedoboote und sirtd länger als die französischen Unter seeboote, die einer Cigarre ähnlich sehen, so daß im Ganzen fünf Whitehead-Torpedos führen könnm, während der Franzose sich mit einem solchen begnügen muß. Das Untertauchen bei beiden Systemen erfolgt durch Entlassen von Wasserballast in die dazu vorgesehenen Räume, das Auftauchen durch Auspumpen dieses Ballastes wasserwärts od«r bei beschleunigtem Auftauchen durch Loswerfen eines unter dem Boote angebrachten Bleikieles, worauf das Boot mit mächtigem Auftrieb nach oben fährt. Inwieweit daS Unterseeboot sich zu einer Ungriffswaffe im Seekriege auf hohem Meere ausgestalten lassen wird, ist zwar noch nicht zu übersehen; ihr Mitführen auf den großen Schlacht schiffen zum jederzeitigen Gebrauch auf offener See kann aber keine besonderen Schwierigkeiten haben. Die bei unseren Flotten manövern gezeigt« Lücke ist daher auch insofern nur eine schein bar«, als die Versuche mit den Unterseebooten nicht völlig ab geschlossen sind. So bald dieses der Fall sein wird, dürften sie auch bei uns zur Einführung gelangen, weil es keinem Zweifel unterliegen kann, daß unsere Kriegsflotte denen der anderen maritimen Staaten in der Art des Materials unter allen Um ständen ebenbürtig sein muß. Die Menge dieses vollkommensten Materials ist eine Geldfrage, die sich aber auch lösen läßt, sobald die Nothwendigkeit der Einführung dieser neuesten Kriegswaffe sich als unerläßlich herauSgestellt HÄ. Vie Änarchisten-Cotonien in London. Im „Standard" finden wir eine Schilderung der Anarchisten- Colonken in London. Dieselben befanden sich, so heißt «S da, vor einigen Jahren ebenso, wie all« übrigen gesellschaft-feindlichen Gehennbünde, in der Nähe von Whitechapel. Damals gab eS nur einem Anarchisten club und eine Anarchistm-Zeituny, den „Arbeitorfreund", der in hebräischen Buchstaben, aber in dem als „Diddisch" bekannten Jargon der Whitechapeler Juden gedruckt war. J«tzt hat sich di« Anarchisten-Colonie weiter nach Süden zu ausgedehnt. In der Gegend giebt eS jetzt ein« ganze Menge Anarchistsn-Clubs. Die Anarchisten haben ihre eigenen Speise- und Kaffeehäuser, Tanzhallen und Spielhöllen. Drei Zeitungen findet man auf gelegt. Auch etwa ein Dutzend anarchistische Frauen-ElubS giebt «S. Ihr« alte Druckpresse steht noch in einem nur mit einer Leiter von d« Straße au» zugänglichen Stall der Hanbury^Street. Sie haben jedoch «ine neue, di« jene Gattung vom Literatur her^ vorbringt, für welche in der Anarchisten-TolonI« unbeschränkte Nachfrage zu herrschen scheint. 6. 6. U. L 6. 6. > S. > 6. Deutsches Reich. Berlin, 18. September. (Die DiSciplin im deut schen Reichstage.) Für den ersten Tbeil der ReichStagS- sesston 1900/1901, der die Zeit vom 14. November bi« 15. Mai umfaßt, hat, wie schon kurz berichtet worden, der Director am Reichstag, Geb.-Reg.-Rath Knak, ein „vor läufige«" Gesammtregister zusammengrstellt. E» bietet ein aus die ReichSIagSverbandlunqen bezügliches höchst schätzenS- wertbeS Material, ohne welche« die stenographischen Be richte in vielen Fällen kaum benutzbar sein würden. ES verrath auch, wie die Di-ciplin im deutschen Reichstag durch dessen 3 Präsidenten au-geübt wird. Während des oben angegebenen Zeitraum-, in den aber noch lange Weihnacht-- und Osterferien fielen, bat Präsident Graf Ballestrem sich genötbigt gesehen, 15 strenge Ordnungs rufe ergehen zu lassen, einundzwanzig»«»! sonstige OrdnuugS- fragen zu behandeln, achtunddreißizmal Verwahrung gegen Zwiegespräche, Unterbrechungen und Zwischenrufe em- zulegen und elfmal die Redner auf die Sache hin- zuweisen. Der erste Biceprästdrnt vr. v. Frrgr-Weltzien ertheilte fünf Ordnungsrufe, nahm zweimal den Redner bezw. das HauS gegen Unterbrechungen, Privatgespräche rc. in Schutz und ließ sechsmal einen Hinweis auf die Sache ergehen. Herr Büsing war als zweiter Vice präsident sechsmal in der Lage, Ordnungsrufe ertheilen zu müssen, viermal sonstige Ordnungssragen zu er örtern , achtmal den Redner beziehungsweise das HauS gegen Zwiegespräche, Unterbrechungen rc. irr Schutz zu nehmen und einmal einen Hinweis aus die Sache auszusprechen. — Die Ordnungsrufe richteten sich fast ausschließlich gegen die Socialdemokraten. Abgeordneter Singer überragt hier bei seine Genossen Bebel, Fischer, Heine, Kunert, Stadt hagen und Thiele mit einem bedeutenden Record. — Abg. Stöcker erhielt ebenfalls einen Ordnungsruf; die Mit glieder der übrigen Parteien gingen frei von Ordnungsrufen aus. Einen leichten Tadel erhielt auch ein militärisches Mit glied des Bundesraths. — Der sonst uneingeschränkten Rede- ireiheit der Abgeordneten einige Grenzen zu ziehen, sah sich Präsident Graf Ballestrem wiederholt genötbigt; er erklärte ür die Debatte als unzulässig: das Hineinziehen der Persönlichkeit des Kaisers, die Kritik eines speciellen Gnadenactes und die Besprechung der Privatverbältnisse eines Abgeordneten; unzulässig ist eS auch, im Plenum Namen auS den Comnnssionsverhandlungen zu nennen und Motive zu unterstellen, die gar nicht ausgesprochen worden sind. — Hat somit der Präsident eine sehr weitreichende Machtbefugnis die jedoch im Vergleich mit den parlamen tarischen Körperschaften anderer Länder wenig in Anwendung zu kommen braucht, so fehlt ihm jegliche Handhabe zur Ver hinderung einer Obstrnction. Und bekanntlich bat Graf Ballestrem eS abgelchnt, für eine Aenderunz der Geschäfts ordnung in diesem Sinne seine Hand zu bieten. 6. U. Berlin, 18. September. Der Generalstreik der Flasch enmach er, der nun schon viele Wochen dauert, wird in einigen Tagen beendet sein und zwar zu Ungunsten der Streikenden. ES ist dies eine bittere Lehre für die Macher, die einen zweiten Generalstreik so leicht nicht anstiften werden. Auf dem internationalen GlaSarbeiter-Congreß in Hannover hatten bekanntlich dir Engländer große Summen für die „kämpfenden Brüder in Deutschland" in Aussicht gestellt; aber diese Versprechungen sind ebensowenig gebalten worden, wie seinerzeit die, welche den deutschen Hafenarbeitern in Hamburg gemacht worden waren. Damals trafen in Ham burg aus England ganz geringfügige Unterstützungen ein, aber zahlreiche „Streikbrecher". So haben die deutschen Flaschenarbeiter von den versprochenen englischen Millionen so gut wie Nichts zu sehen bekommen. Natürlich werden die deutschen Streikgelder immer geringer und drohen ganz auf zuhören. Bei 7 wöchentlicher Unterstützung, die der un- verheirathete streikende Flaschenmacher erhält, muß natürlich Schmalhans Küchenmeister sein und die Widerstandsfähigkeit erlahmen. Ausgesprochene Parteigänger haben daher Flaschenmachern bereits den Rath ertheilt, den Kampf, schon Hunderttauscnde verschlungen hat, nicht weiter führen. Das Organ des Glasarbeiter-Verbandes bauptet zwar, die Streiklage sei noch dieselbe früher, beinerkt dann aber weiter, daß „mit cvnischer Frechheit Streikbrecher und Arbeitswillige die Geschäfte des ausbeuterischen UnternehmerthumS" betreiben. Zu den „Streikbrechern" gesellten sich Maschinen, die früher in den Flaschenfabriken nur selten zu finden waren, aber jetzt allge mein in Anwendung kommen und die Situation zu Ungunsten der Flafchenmacher sehr verändern. Die irregeleiteten Arbeiter, die dadurch brodlos werden, sind sehr zu beklagen, wenn sie aber Anklage erheben wollen, so müssen sie diese gegen die socialdemokratischen Macher richten, die leichtfertig den Streik heraufbeschworen haben. * Berlin, 18. September. Zu den Erkrankungen der China-Mannschaften schreibt ein Mitarbeiter der „L. A." Die Ruhr-Epidemie des 4. und 2. Garde-RegimentS z. F. auf dein Truppen-Uebungsplatz in Döberitz hatte der Annabme Nahrung gegeben, daß diese Krankheit aus China eingeschleppl sei. Daraufhin ist verfügt worden, daß die bereits angeordneten umfassenden Maßnahmen zur Ver hinderung von Einschleppungen zu erweitern seien und unter allen Umständen verhindert werden müsse, daß etwaige Krankheiten aus Ostasien in die Bevölkerung des Reiches getragen werden. An ansteckenden Krank heiten sind lediglich Typhus und Ruhr vorgekommen. Außerdem finden sich die durch das dortig« Klima bervorgerufenen Gehirnhautentzündungen und Fälle von Ge lenkrheumatismus vor. Diese Kranken bezw. ReconvaleScenten bleiben vorläufig in ärzlichcr Behandlung. CS sei hier her- vorgehoben, daß weder Typhus noch Ruhr bisher eine Aus dehnung angenommen batten, die zu Besorgnissen irgend welchen Anlaß bot, auch der Charakter der Krankheiten ist nicht bösartig, e« sind verhältnißmäßig wenig Todesfälle eingetreten. Alle anderen Mannschaften werden nach Münster in Hannover transportirt. Hier findet eine gründ liche DeSinfection und Reinigung der Leute und ihrer Kleidungsstücke statt. Die DeSinfection geschieht meist durch Formalindämpfe. Hier werden die Truppen sckarf beobachtet, und eS werden sofort Vorkehrungen getrosten, wenn sich ein Zeichen von Erkrankung einstellt. Nachdem dann durch bakteriologische Untersuchungen der Einzelnen fest gestellt ist,Idaß sie frei von AnsteckunaSkeimcn sind, kommen die als unverdächtig Befundenen zur Entlassung. Es scheint bei der sorgfältigen Durchführung dieser Anordnungen völlig ausgeschlossen, daß eine Verschleppung der Krankheiten in da- Land stattfindet. Bon besonderem Interesse ist, daß die ge naue Untersuchung ergeben hat, daß kein positiver Anhalt dafür vorhanden »st, daß die Ruhrepidemie in Döberitz und auch jetzt in Elsenborn durch Uebertragung auS China ent standen ist, sie sollen vielmehr locale Ursachen gehabt haben. * Berlin, 18. September. Ueber die hohe Besteue rung des Hausbesitzer in Preußen im Gegensätze zu Sachsen machte der Vorsitzende de« HauSbesitzervereia« „Süden", Hermann Schulz, in der vorgestrigen Sitzung diese« Vereins interessante Mittheilungen: Mährend man in Preußen ein« steuerlich» Entlastung der Hausbesitzer auf vielen Seiten für unmöqlich hält, haben siebzehn sächsisch« Städte di» in Preußen noch allgemein bestehend« Der Krieg in Südafrika. Erbitterte Stimmung gegen die Engländer. Aus Johannesburg, 23. August, schreibt man Nach Allem, was man hier hört und sieht, scheint es um die Sache der Engländer sehr schlecht zu stehen. Dazu kommt die wachsende Erbitterung, und zwar nicht nur der boerischen und ausländischen Bevölkerung, sondern fast noch mehr der eng lischen Unterthanen. Die Nichtvngländer ertragen «die drückende Lage wie unter einer stillen Vereinbarung ohne Murren, um nicht etwa den Schein zu erwecken, als wollten sie die Boeren durch ihre Klagen zum Aufgeber» des Kampfes beeinflussen. Mehr oder minder offene Klagen kommen dagegen von Seiten der englischen Unterthanen, sie leiden nicht nur unter den ge meinsam empfundenen Beschwerden, sie stehen obendrein noch unter der äußerst lästigen Verpflichtung, Soldaten dienste zu thun, am Morgen, am Abend, zu Fuß, zu Pferde, und auf dem Zweirade, mit helivgraphischen Apparat«,» und Scheinwerfern müssen sie sehr zum Ueberdrutz der Betheiligten zu Exercirübungen, zu Schieß-und Marschübumgen, zu Paraden u. s. w. antreten, und warum ist die« Alle», warum Word ein Theil der so gebildeten Truppe zur Assistenz der Feuerwehr abcommandirt? Diese wohlbekannte, unter den englischen Unterthanen herrschende Unzufriedenheit legt die Frage nach dem Werthe dieser Truppe nahe und man ergeht sich in Spe kulationen darüber, wie viele von den auf dem Papier stehenden Soldaten im Falle eines Alarms diesen hören und auSrücken werden. Sind wi-r so weit ab vom Frieden, daß man einen Angriff auf Johannesburg erwartet? Die Erbitterung der nichtenglischen Bevölkerung wird gesteigert durch die Nachrichten au» den ConcentrationSlagern. Nahe bei Johanne», bürg befindet sich ein große» derartiges Lager; doch sind Be sucher dorthin nicht zugelassen; sbmso wenig werden Pässe von dort nach Johannesburg ausgsgeben, angeblich wegen der in Johannesburg epidemisch auftretenden Masernkrankheit; davon wissen wir aber nichts. ES handelt sich also um einen faulen Bezug--Preis k der Hauptrxpeditton oder de» im Stadd bezirk und den Vororten errichteten AuS- pabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, bet zweimaliger täglicher Zustrllono ir» Haus 5.50. Durch dir Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. 6. Man abouuirt ferner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstaltrn in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden nnd Norwegen, Rußland, den Doaaustaaten, der Europäischen Türket, Egypten. Für alle übrigen Staate» ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese« Blatte« möglich. Die Moraea-An-gabe erscheint nm '/»? Uhr; die Abrnv-Lu-gabe Wochentag« »« li Uhr. Redaction und Erpeditionr Jvhanni-gasse 8.
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