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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.03.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-03-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Urheberrechtsschutz 1.0
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- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192503104
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19250310
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19250310
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1925
- Monat1925-03
- Tag1925-03-10
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Seine wichtigste Pflicht ist es, dafür zu sorgen, daß das Land jeweils die Regierung erhält, die den parlamentarischen Mchrheitsvcrhältnissen und damit der guten Ordnung und dem Frieden des Staatswesens am besten entspricht. Vollkommene, womöglich auf langjährige Erfahrung beruhende Vertraut heit mit dem parlamentarischen Mechanismus und eine gewisse Elastizität der politischen Ge sinnung innerhalb des als selbstverständlich vor ausgesetzten republikanischen Bekenntnisses sind denn auch die Eigenschaften, die bei den An wärtern auf das hohe Amt als unerläßlich be trachtet zu werden pflegen. In Frankreich ge hörten diesem Typus alle Präsidenten von Gr«'vy bis Deschanel an, einschließlich Poin- carSs, der wenigstens innenpolitisch eine Haltung von beträchtlicher Spannweite ein nahm. Die gleiche Tugend ist mit Doumcrgue wieder ins Elysi'e cingezogen, nachdem allzu- scharfe politische Stellungnahme zum Sturz Mülerands und zum Mißerfolg Painlev6-z ge führt und schon vordem dazu beigetragen hatte, daß selbst einem Elemenceau auf der Höhe seines Ruhmes die leidenschaftliche begehrte Krönung seiner Laufbahn durch die Wahl zum Staatsoberhaupt versagt blieb. Gere e der Fall des damals äußerst populären „.iaers", dem der den Massen gleichgültige Deschanel vor gezogen wurde, ist ein klassisches Zeugnis für die Gesichtspunkte, unter denen die Präsidenten wahl in Frankreich stattfindct. Sozusagen zur technischen Ausstattung des Parlamentarismus gehörig, braucht der Präsident in keiner un mittelbaren Beziehung zum Volk zu stehen, was ihn nicht verhindern kann, durch eine ausge zeichnete Amtsführung den Beifall und die Zu neigung einer verständnisvollen Bürgerschaft zu erwerben. In Deutschland hat man — im Widerspruch mit einem säst schon pedantisch genau durchge führten Parlamentarismus — die plebiszitäre Form der Präsidentenwahl eingeführt. Als Gegengewicht, so wird gewöhnlich gesagt, gegen allzu einseitige Vorherrschaft der Parteipolitik. Ein etwas wunderbares Argument zugunsten eine Gesetzgebung, die mit dem von ihr ange- ordneten System der Parlamentswahlen gerade dem parteipolitischen Apparat den denkbar höchsten Einfluß gewährt, — um ihm dann wieder das Mißtrauen zu bezeigen, das in der Einführung eines solchen „Gegengewichts" aus gedrückt ist. Doch wie dem auch sei, wir haben nun einmal die Präsidentschaft durch Volks wahl und sollten uns wenigstens an dieses Verfahren mit der Konsequenz halten, deren Beispiel wir in den Vereinigten Staaten finden. Dem Wahlakt gehen dort, wie man weiß, die zur Aufstellung der Kandidaten be rufenen „Konventionen" voraus, die ihrer Zu sammensetzung nach um ein vielfaches über die parlamentarischen Fraktionen hinausgehen und in beständiger Fühlung mit den Massen, unter stärkstem Einfluß der Presse und öffentlichen Meinung tagen. Bei uns dagegen sicht man dies: die Anwärter werden ausschließlich in geheimnisvollen Kon- ventikeln bestimmt, deren Beschluß die Ocffent- lichkeit billigen oder bedauern darf, ohne ihn wesentlich beeinflussen, ja auch nur seine wahren Beweggründe erfahren zu können. Aus solchem Verfahren, das womöglich noch exklusiver als das bei der Aufstellung der Parlamentskandi- daturen geübte ist, kann nicht einmal der vom Gesetzgeber gewollte Mann des „Gegenge wichts" hervorgehcn, geschweige, daß es der Präsidentschaft die ohne Zweifel im Willen der Verfassung liegende Volkstümlichkeit zu ver schaffen vermöchte. Die mit einer Art von politischer Alchemie ausgeklügelten Patent lösungen der Reaktion sind ebenso volksfremd wie die einer ängstlichen Prinzipienreiterei (man kann auch sagen: der Furcht vor den Kommu nisten) entsprungene Sonderkandidatur der Sozialdemokraten. Oder glaubt icmand, daß es der Wunsch der deutsch nationalen. völkischen, volksparteilichen An hängerschaft sei, einen Zenirumsmann zu küren, oder d--ß die sozialistischen Massen es darauf ab gesehen hätten, den durchaus möglichen S'eg der Republik in, ersten Wahlgang zu vereiteln, ja unter Umständen ins Gegenteil zu ver wandeln? General Deimling glaubte im Tr. Simnr stMrlretender ReiWWM EWillNiiM Wil MW und Kommunisten Berlin, v. März. Ter Reichstag hat heute den Gesetzentwurf über die Stellvertretung vcs Reichspräsidenten mit allen Stimmen gegen die der Kommunisten und Natio nalsozialisten angenommen. Dr. Simons ist damit stellvertretender Reichs präsident geworden. Tas Gesetz tritt sofort in Kraft. Dr. Walter Simen; Walter Simons wurde am 24. September 1801 in Elberfeld als Sohn eines Textilindustriellen ge boren und studierte in Straßburg, Leipzig und Bonn Geschichte, Philosopkie und Jurisprudenz. Nach beendetem Universnätsstndium trat er zunächst in den Iustizdienst, wurde 1888 Gerichtsassessor, 1893 Amtsrichter in Velbert und 1897 in Meiningen; 1905 wurde er als Oberlandesgerichtsrat nach Kiel versetzt, aber schon nach wenigen Monaten als com- missarischer Hilfsarbeiter ins Reichsjustizamt beru fen. Hier hatte er hauptsächlich die Angelegenheit des internationalen Rechts zu bearbeiten. Im Jahre 1911 berief ihn der damals zum Lener der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amts ernannte Ministerialdirektor Dr. Kriege als Justitiar in das Auswärtige Amt. Er war 1910 und 1912 Vertreter Deutschlands auf der internationalen Wechselrechts konferenz im Haag und mit dem französischen Han delsrechtslehrer Lyon-Caen Gcneralberichterstarter auf dieser Konferenz. 1914 war er mit der Vertre tung Deutschlands auf der internationalen Spitz bergenkonferenz in Christiania betraut. Während des Krieges hat Dr. Simons unter Lei tung von Kriege Verträge Deutschlands mit der Türkei, einen Konsularvertrag und einen Aushilfe vertrag abgeschlossen. Als Leiter der Rcchtsabteilung im Auswärtigen Amt hat er auch an den Beratungen in Brest-Litowsk tcilgenommen. Im Oktooer 1918 wurde Dr. Simons von dem bevollmächtigten Beirat des Reichskanzlers zur unmittelbaren Dienst leistung bei Prinz Max von Baden berufen. Auf Wunsch des Prinzen stellte er sich am 9. November 1918 den Volksbcauftragten unter Wahrung seines politischen Standpunktes für die technische Füh - rung derReichskanzlei zur Verfügung. Hier bekleidet« er das Amt eines Ministerialdirektors. Am 24. Dezember 1918 zum Ministerialdirektor im Aus- wärtigen Amt ernannt, wurde Dr. Simons mit der Vorbereitung der Friedensverhandlungen betraut. In Versailles war er Generalkommissar der deutschen Friedensdelegation. Im Auswärtigen Amt war er als Leiter der Rcchtsabteilung bis zum 21. Juni 1919 tätig. An die- sem Tage erbat er seinen Abschied wegen der Unterzeichnung des Friedensver trag e c wurde aber von dem Reichspräsidenten nur zur Disposition gestellt. Mit Zustimmung des Mi- nistcrs des Aeutzcren Hermann Müller übernahm Dr. Simons im August 1919 die Leitung des Reichs verbandes der deutschen Industrie als dessen gc- schäftsführendes Präsidialmitglied. Don dort trat er 1920 als Außenminister in das Kabinett Fehrenbach ein. Simons Außen politik beruhte auf dem als richtig erkannten Lciyatz: Befreiungspolitik durch Verständi- gung. Die Durchführung dieses Plaues scheiterte wohl in erster Linie daran, daß Simons den inner polnischen Strömungen zu große Bedeutung beizu messen glaubte. Unmittelbar nach seiner Amtsüber nahme hatte der neue Außenminister das Reich vor dem Obersten Rat der Alliierten zu vertreten. Auf der Konferenz in Spa, die zum ersten Male nach dem Waffenstillstand deutsche Vertreter mit den Ministerpräsidenten der Entente zusammenführte, lag die Leitung der Verhandlungen auf deutscher Seite in seiner Hand. Simons löste seine Ausgabe mit viel Geschick, so daß das Kohlenabkom- men, das Stinnes brüsk verworfen hatte, doch noch zustande kam. Damit war der erste Schritt zur Er- süllungspolitik der Tat getan, di« uns aus unseliger Isolieruna befreien soll. Nicht ganz ein Jahr, bis zur Konferenz in London, leitete er die Außen politik. Am 10. Mai 192l trat Simons von Namen „der drei Millionen Frontkämpfer des Reichsbanners" die unverzügliche Eint- gung der Republikaner auf einen gemeinsamen Kandidaten fordern zu können. Das geschah nock) in Unkenntnis der Kandidatur Braun. Es gilt aber erst recht nach diesem bedauerlichen Vorgang, der von neuem gezeigt hat, wie not- wendig es ist, daß das republikanische Volk und seine überparteilichen Organisationen sich end lich an die ihnen im Geist der Verfassung ob- liegende Aufgabe erinnern, die sich offenbar nicht auf die willenlose Abgabe irgendeines Stimmzettels beschränken kann. An jene Organisationen ergeht immer dringlicher das 8 0 8, das Notsignal der Republikaner, deren Schifflein in den Engen der Konvcntikelpolitit zu scheitern droht. Amt zurück, mit der Zuversicht, daß das Kabinett Wirth sich an seinen Richtlinien hielt. Am 20. Juli 19922 wurde Dr. Simons durch den Reichspräsiden ten Ebert zum Präsidenten des Reichs- ger ichts ernannt. Simm M -emMWek PrMeMMMidal Berlin, Ü. Mär,. Tie vemokratische Reichstagsfraktion hat heute beschlossen, für Vie Präsiventen- wahl sämtlichen Parteien Vie Einigung auf eine Kanvivatur ves Reichsaerichts- präsivcnten Tr. Simons vorzuschlagen. Entsprechen»«: Mitteilungen an Vie Vor- stänve ver einzelnen Parteien sinv bereits abgesanvt. Demokratischer Kuf zur Kmigkeii Das Schreiben der demokratischen Fraktion hat folgenden Wortlaut: „Di« Vorbereitungen zur Reichspräsidenten wähl lassen erkennen, daß die Gefahr «iner erneuten Auf. re ßung der alten verhängnisvollen Klassengegensätze täglich wächst. Sine Wahlbewegung, in der ein« größer« Zahl von Kandidaten und Parteien auftretcn, würde die Gegensätze verschärfen, die groß« Linie der politischen Entscheidungen verwischen und zu einem Zufallsergebnis führen, das dem gewählten Präsi denten nicht das erforderlich« Ansehen im In- und Auslände gibt. Die Vermeidung dieser Gefahr ist ein« nationale Pflicht.." Die Deutsche Demokratische Partei hat den Wunsch, daß unter den gegenwärtigen innen- und außen politischen Verhältnissen bei der Wahl des Reichs- Präsidenten ein,- möglichst große Mehrheit des deutschen Volkes sich auf eine Persönlichkeit ver- ein'gt. die fest auf dem Boden der Weimarer Ver- fassung stehend über den Nahmen der politischen Parteien hinaus allgemeines Ansehen und Vertrauen in das hohe Amt mitbring*. Als eine solche Persön lichkeit betrachten wir den Präsidenten des Reichs- gerichts, Herrn Dr. Simons. W'r sind zu gc- mcinlamen Beratungen auch über einen anderen, den erwähnten Voraussetzungen entsprechenden Vorschlag bereit. Deutsche Demokratische Partei. gez. Erkelenz. Senator Borah befürwortet die Anerkennung Nußlands United Preß. New Bork, 9. März. Senator Borah gewährte einem Vertreter der „United Preß" eine Unterredung in der er sich zu den europäischen Problemen äußerte. Ueberaus skeptisch betrachtet Borah den vorgeschlagenen Sicherheitspakt und es ist begreiflich, daß er ein Beiseltestehen Amerikas befürwortet. So betonte er, daß der Sicherheitspakt eine rein europäische An- gelegenheit sei, wobei sich seine Auffassung völlig mit der des Weißen Hauses deckt. „Der Pakt," sagt er, „ist nichts weiter, als eine Erneuerung der Heiligen Allianz unter neuem Namen, aber mit den gleichen Gefahren." Dann wandte er sich seinem Lieblings probleme, der Anerkennung Rußlands, zu, die er für einen Angelpunkt einer gesunden inter nationalen Politik hält. Borah beabsichtigt, im Sommer einen Rcdefeldzug durch die Union zu unternehmen, um die Anerkennung zu propagieren, und hat bereils 100 Versammlungen festgeleqt. Gr erklärt, daß Präsident Cooldige dem Gedanken der Anerkennung zuneige doch sei die Methode hierfür no chnicht geklärt. Auch das Kabinett habe sich im allgemeinen seiner Ansicht angeschlossen, daß stabile Verhältnisse in der Welt unmöglich seien, so lange nicht normale Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Rußland wiederhergestellt seien. Borahs Zeit wird mit dieser Propagnndakampagne ganz aus- gefüllt sein, und er hält es für wenig wahrscheinlich, daß er in diesem Sommer Europa besuchen kann. Chamberlain in Genf Genf, 9. März. Der englische Außenminister Chamberlain, unter dessen Vorsitz der «.„..erbundsrat sein« 33. Tagung abhalten wird, ist Sonntag vormittag in Genf eingetroffen. Vor Pressevertretern führte Sonntag abend sein Privatsckrctär aus, der Wort- laut der englischen Erklärung über das Genfer Protokoll stehe endgültig noch nicht fest. Es könne auch nicht gesagt werden, wann sie vor dem Rat abgegeben werde. Die lriWsWil Anklam gegen Wiilm Zu den Anklägern Poincarös von der pazifistischen Seite her, den Victor Marguerittc und Ernest Iudet, dessen Buch über die friedlichen Bemühungen des französischen Gesandten in Petersburg Georges Louis die raffinier'« Kricgsvorbereitungspolitik Poincarss enthüllt hat, gesell' sich soeben ein Mann, der keines- falls als kriegsfcindlich gelten kann: Senator Charles Humbert. Humbert, der leitende Direktor und hauptsächliche Aktienbesitzer des „Journal", war während des Krieges des Verkehrs und des Einverständnisses mit dem Feind (Deutsch, land) angcklagt, beinahe zwei Jahre im Un'er- suchnngsgefängnis festgrhatten und dann mit tünf gegen vier Stimmen, also nur durch die minoritö cke isveur, vom Kriegsgericht freigesprochen worden. Er batte von Bolo Pascha, der in Paris als Agent des ägyptischen Khcdiven auftrat, der seinerseits wieder im Interesse Deutschlands sich um den Frieden be müht haben soll, gegen Ablaß einer Anzahl von Ak'i-n Geld in Empfang genommen. Die Anklage des Landesverrats fußte aus der Unterstellung, daß er gewußt habe, daß dieses Geld von dcuischcr Seite käme und ein Bccinflussunqsmanöner Deuttch'ands gegenüber dem „Journal" darstcllen sollte. Während Bola und seine Mittelsleute zum Tode verurteilt und in Vincennes erschossen wurden, kam Humbert mit dem Leben davon und geht nun gegen denjenigen cor, dem ex die Anzettelung dieses Prozesses zu- schiebt, dos ist Poincarsl Lr holt erst jetzt dazu aus, weil Poincarö, solange er an der Macht und höchster Staatsbeamter war, sich nicht hätte verteidigen können. Hen*e seien sic beide. Humbert wie Poinca'-ch nich s wie einfache Bürger; das Duell könne zwischen bürgerlich Gleichstehenden ausgftochten werden, und Humbert ist entschlossen, nicht zu rasten, bis dar Duell an derjenigen Stells ausgefochten wird, wo er hofft» se'ncn Gegner vernichten zu können, das ist vor dem Schwurgericht. Darum beläßt er es auch nicht bei der dicklcibigott Anklageschrift, die er vor zwei Wochen vcröffen'licht und der er den Titel gab „(chaeun son tour" („Jeder kommt an die Reihe"). Er formuliert seine Anklagen auch als öffentlicher Sprecher und hatte Pomcare für den 21. Februar in den bekannten „Club de Faubourg" zu einer öffentlichen Erörterung ringe- laden. Zu diesem hatten sich in großer Schar die Spitzen des öffentlichen Lebens von Paris eingestellt, nur einer fehlte: Poincare. Die Mc'hode des Schweigens, die Poincarä schein, bar für die vorteilhafteste erachtet, wird ihm im Falle Charles Humbert wenig nützen. Charles Humbert, der seit 1907 als Abgeordneter, snäter S"nator des Maasdepartements in der Politik steht, verfügt über zu mächtige poli ische, finanzielle, journalistische Be ziehungen. als daß er auf Poincarä nicht den Druck auszuuben vermöchte, den er erzielen will: Poincare zu zwingen, wider Humbert die Perlcumdungsklage einzulcitcn und damit den Prozeß ins Rollen zu bringen. Kommt dieser Prozeß zustande, so dürfte Frankreich einer weit schwereren Erschütterung ent- gegcnachen, als seinerzeit im Drenfns-Prozcß; denn durch diesen Prozeß würde die ganze öffen'liche Meinung Frankreichs Farbe bekennen und sich ent- scheiden müssen, nämlich ob sie, zu Poincare stehend, den Krieg wie dieser ersehn' hat oder ob das franzö sische Volk laut erklären will, von seiner Regierung in ein Weltunglück geführt zu sein, dem cs schaudernd den Rücken kehrt. An der Stellung dieser Alternative, zu der über kurz odcr lang die Dinge in Frankreich treiben, mitgearbeitet zu haben, darin liegt die außerordentliche Bedeutung des Hnmbertschen Vor stoßes. Humbert ist wie gesagt kein Friedensfreund und vor allem nicht der Freund Deutschlands. Er ver- Lstentlichte schon 1907 eins auch ins Deutsche über setzte Alarmschrift „Sind wir verteidigt" und war ruhelos dahinter her, der Armee, den Grenzfestunqen, dem Off'ziersnachwuchs diejenige Vollkommenheit zu verleihen, daran cs seiner Meinung nach anks klag- krebste gebrach. Poincare stand ihm bei diesen Be mühungen, was erstaunlich klingt, im Wege. Das Mo'iv war persönlicher Natur, eine Rivalität zwe'er Abgeordneten, die durch das gleiche Departement ge wählt waren und sich vor ihren Wählern an Eifer unh Patriotismus zu übertrumpft» dachten. Hält man die Hnmbertschen Anklagen der Poincaröschen Indolenz zusammen mit den Erinnerungen des Petersburger Bo scbafters Georges Louis, d'e E. Iudet hccausgab, so zeigt sich Voincarös Kriegsvorbereitungspolitik mit aller Deutlichkeit. Es ist eigenartig, die Methoden Poin- rares, die er als Staatsmann im großen anwendete, Schritt um Schritt in den persönlichen Kämpfen wider seinen Gegner Humbert wiederzufinden. Hierin be ruht namentlich für uns, die Zuschauer des großen Poincarö-Gew tters in Frankreich, das Aufklärende der Humbcr'schen En'wicklung. Humbert zergliedert unter Heranziehung eines ungeheuren Materials an Ziffern, Dokumenten, Zeugenaussagen alle Phasen seines Prozesses, und immer wieder muß er, hin'er dem Rücken anderer verborgen, jenen Mann en'decken, der raffiniert rind feige die Fäden des schlimmen Schausp cls zieht. PoincarS wolft« Humbert ver- nichteu. und kein Mittel, ans Ziel zu kommen, ist ihm schlecht genug. „Sie sind es, Herr PoincarL", chleudert Humbert ihm ins Gesicht, „der mit listiger
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