Mitteilungen über die Verhandlungen des Ordentlichen Landtags im Königreiche Sachsen / 2. Kammer

II. K. 72. Sitzung, am 2. April 1S14 2505 (Abgeordneter Uhltg.) (ä) Herrn Abgeordneten Hettner das, was er vorhin ge sagt hat, von seinem Standpunkte aus durchaus nicht, aber ich muß es als ein durchaus unlauteres politisches Manöver bezeichnen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten. — Zurus aus der Mitte: Ob das zulässig ist?) Präsident (unterbrechend): „unlauter" ist kein parlamentarischer Ausdruck, gegen ein Mitglied des Hauses angewandt. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Es ist erreicht!) Abgeordneter Uhlig (fortfahrend): Das Lob, das der Herr Kultusminister dem Herrn Abgeordneten Hett ner wegen seiner Rede ausgesprochen hat, ist ja schon die genügende Bestrafung dafür. (Heiterkeit.) Der Herr Abgeordnete Hettner fragt: Wer hat denn damit angefangen, die Kinder in parteipolitischem Sinne zu erziehen? Er hat gesagt, es sei die Sozial demokratie, die das Verbrechen begangen hätte, damit anzufangen. Er hat ferner unseren berechtigten Einwürfen, daß es unsere Kinder sind, entgegengehal ten, daß es Kinder des deutschen Volkes seien. Ja, Herr Abgeordneter Hettner, wer ist denn das M deutsche Volk? Ist das deutsche Volk nur die po litisch „national" geeichte und patentierte bürgerliche Seite? Wenn man von einer Repräsentation der Nation reden will, rede man mindestens von der Mehrheit des Volkes, und das ist die arbeitende Klasse, die heute schon in sehr starkem Maße in die Sozialdemokratie hineingewachsen ist, die sich zur 4 Millionen-Partei ausgewachsen hat, (Zuruf aus der Mitte: „ausgewachsen" ist gut!) und ich weiß, nicht, ob Sie diese starke Richtung aus der deutschen Nation ausschalten wollen. Sie können es ja versuchen, aber ich rate es Ihnen nicht, denn die Folgen wären für den kapitalistischen Staat unab sehbar. Und dann, meine Herren, müssen Sie sich doch ver gegenwärtigen: Welche Wirkung hat denn ein Gesin nungszwang? Sind Sie imstande, durch Zwangs maßregeln die Gesinnung nach Ihren Wünschen zu lenken? Die Geschichte hat bewiesen', daß das Ge genteil eintritt. Heute bangt die ganze bürgerliche Gesellschaft sehr wegen der Kirchenaustrittsbewegung. Wie denn nun, meine Herren, wenn es einmal so käme, daß auf jede Maßregelung der Jugendbewegung, auf jedes Verbot einer Jugendfeier eine Kirchenaustritts- (0) Versammlung arrangiert würde? Meine Herren! Wenn Sie so fortfahren, geben Sie der Kirchenaus trittsbewegung das Fundament, auf dem sie ge deihen wird. Ich rate Ihnen, in der Weise fortzu fahren, und ich gebe auch dem Kultusministerium den Rat. Der Herr Kultusminister hat die Maßregelung der Arbeiterjugend begründet mit dem Urteil des Ober landesgerichtes. Ich beneide den Herrn Kultusmini ster um diese Beweisführung nicht. Wenn man eine Maßregelung einer Machtinstanz des heutigen Staa tes als einen Beweis ausspielt, muß es um die sachliche Beweisführung sehr schlimm bestellt sein. Dann hat der Herr Kultusminister unserer Jugend bewegung eine ganze Reihe von Dingen unterstellt, für die er nicht den geringsten Beweis antreten kann. Er hat Äußerungen von Sozialdemokraten im Sinne der internationalen revolutionären Sozialdemokratie, im Sinne der Republik usw. hier herangezogen und hat doch nicht den geringsten Beweis dafür antreten können, wieso diese Äußerungen mit den proletarischen Jugendorganisationen in Verbindung stehen. Die Ver quickung solcher Äußerungen — ob sie echt sind oder nicht, lasse ich dahingestellt — mit der Arbeit der Jugend bewegung ist durchaus unangebracht. Eigentlich sollte d» ich einen anderen Ausdruck gebrauchen, ich würde mir aber wahrscheinlich wieder eine Rüge des Herrn Präsidenten zuziehen. (Zuruf links: Ja sehr vorsichtig!) Ich will gegenüber dem, was der Herr Kultusminister gesagt hat, feststellen, daß die Arbeiterjugend von der Arbeiterbewegung gefördert wird um der Jugend willen. Es ist eine ganz ungeheuerliche Behauptung, wenn der Herr Kultusminister sagt, auf einer Kon firmandenfeier würde vielleicht den Kindern gar ge predigt, die Kirche sei eine riesenhafte Verdummungs anstalt. (Hört, hört!) Ich weiß nicht, ob der Herr Kultusminister (Abgeordneter Sindermann: Das müßte ein tüchtiger Revolutionär sein!) in seiner Nähe solch taktlose Menschen kennen gelernt hat, die etwa mit „Vaterlandsartikeln" über „krachende Throne" vor Kinder treten. Ich kenne keinen unter meinen Parteifreunden, der einer solchen Taktlosig keit fähig wäre. (Lachen rechts.)