Besprechung 131 Man mag sich fragen, ob eine solche Beschränkung auf das rein Biographische dem Geist der gegenwärtigen Wissenschaft entspreche. Und doch ist sie notwendig gewesen. Terry stellt im Vorwort seiner Bachbiographie fest, daß fast alle neueren Bachbücher das Biographische mit geringen Zusätzen und Änderungen von Spitta übernehmen, wäh rend sie in der stilkritischen Betrachtung von Bachs Werk sich von Spitta mehr oder weniger entfernen. Den unbefangenen Leser mag diese Dis krepanz oft verwirrt haben. Terry steckt sich ein Teilziel, um ganze Arbeit leisten zu können. Er zeichnet auf Grund der Quellen die Gestalt Bachs nach seinem Leben und aus seinem Milieu heraus und gibt der kommenden Bachforschung damit den Rahmen, in den die Betrachtung der Werke eingeordnct werden kann. In dieser Beschränkung zeigt sich die Meisterschaft des Historikers. Überall hat Terry an Ort und Stelle Bachs Wirken persönlich zu verfolgen gesucht; nirgends begnügt er sich mit Angaben aus zweiter Hand. Daß durch Terrys Studien manche oft zu Unrecht angezweifelte Angaben Bitters authentische Geltung erhalten, mag den Freunden dieses begeisterten Bachforschers eine be sondere Freude sein. Durch sorgfältige Milieuforschung weiß Terry vor allem die Jugend Bachs, die Obrdrufer und Lüneburger Jahre, neu zu beleuchten. Die Genealogie Bachs, der Terry noch eine eigene Spezial schrift gewidmet hat, erfährt eine beträchtliche Bereicherung. Bachs Beziehungen zum deutschen Norden rücken in Helles Licht, die Köthener Zeit wird mit besonderer Liebe geschildert. Daneben ergeben sich manche neue Ausblicke auf die Datierung der Werke Bachs, wie z.B. der Versuch Terrys, das Weihnachtsoratorium vor die Herkuleskantate zu verlegen. Von echt wissenschaftlichem Geiste zeugt die Bescheidenheit, mit der der Verfasser sich von naheliegender Polemik fernhält. Daß Terrys Bachbiographie von glühender Wärme für den Genius Bach diktiert und virtuos stilisiert ist, mag jeden Vorwurf historischer Einseitigkeit und Lebensferne entkräften, wie ihn die Gegenwart gern biographischen Werken entgegen wirft. Terrys Buch ist auch darin ein Vorbild der Biographik, daß es glänzend zu lesen ist! Es erscheint fast als müßig, ein paar kleine Korrekturen zu ver merken. In der Kantate „Denn du wirst meine Seele nicht in der Hölle lassen" handelt es sich selbstverständlich um Pauken und nicht um Trommeln (zu S. 75); auch die Bezeichnung „Baßgeige" ist miß verständlich. Adjuvanten sind nicht gelegentlich mitwirkende Aushilfs kräfte, sondern gewissermaßen etatsmäßig vorgesehene Stützen des Vokal- und Jnstrumentalchors (zu S. 192). Der Vergleich zwischen Brustwerk der alten und Schwellwerk der neuen Orgel (S. 350) mag zu Mißverständnissen verleiten. Die Quinte des Brustwerks der Arn- städter Orgel war dreifüßig (22/zfüßig; zu S. 349). Durch ein reiches Bildmaterial, das zum Teil eigenen Aufnahmen des Verfassers entstammt, erhält das Buch besondere Anschaulichkeit.