58 Detlev Kranemann Auge . . . wie denn öfters zu einer halben Thee Tasse und mehr geblüth aus solchen sacrificir ten Auge wegläuft.“ Es ist die Rede von einem gewaltigen Schreien dabei. Da es sich jedoch um keine Verletzung des inneren Auges handelt, schließen derartige „Operationen“ die Gefahr einer septischen Erblindung aus. Aus diesem Zeugenbericht geht im merhin hervor, daß Taylor nicht nur Staroperationen vornahm, sondern mög licherweise größere Eingriffe vortäuschte. Zu solchen Scheineffekten würde auch die Angabe passen, daß eine Wunde in der Nähe des Auges beigebracht wurde und eine Bandage unter Verwendung eines mäßigen Stückes Geldes oder ein halb voneinander geschnittener gebratener Apfel. Allgemeine Maßnahmen, wie Aderlässen, laxierende Getränke, Schröpfköpfe, gehörten zu den üblichen medizinischen Behandlungen dieser Zeit und waren, o wie alles, nur im Übermaß schädlich. Eschenbach behauptet, Taylor habe das Blut einer frisch geschlachteten Taube oder gestoßenen Zucker oder gebranntes Küchensalz ins Auge geträufelt. Trotz der uns heute eigenartig erscheinenden Heilmethoden und der verwen deten „Medikamente“ dürfen wir, wie bereits der bekannte Medizinhistoriker Julius Hirschberg 27 in seiner großen Studie „Die vornehmlichsten Augenärzte im 18. Jahrhundert“ und auch Engelking feststellten, davon ausgehen, daß Taylor nicht unter die Scharlatane zu rechnen ist. Zu Bachs Operation gibt es bei Eschenbach ein weiteres Zitat aus einem Schrei ben eines ungenannt bleiben wollenden „öffentlichen Lehrers“ der Medizin in Leipzig im Mai 1750. Darin heißt es: ... . . Hier haben sie eine gegründete und unpartheiische Nachricht von des Ritters Taylors nachgelassenen Patienten . . . Verschiedene aber sind bis jezzo noch nicht zum Vorschein ge kommen. Darunter Hr. B - welchen er am Stahr operirt, und etliche tage darauf in den öffent liehen Zeitungen gerühmt, dass er vollkommen sehen könte: da doch derselbe wegen wieder aufgetretenen Stahrs des Gesichts beraubet gewesen, bis er ihn zum andern mahl wieder operiret, von welcher Zeit an er doch immer Zufälle von Entzündungen und dergleichen er litten.“ Dieser aufschlußreiche Bericht deutet auf eine Staroperation, und die nach folgenden Entzündungen könnten einem Sekundärglaukom entsprechen. 28 Auch hier wird, indirekt zwar, von Entzündung, nicht aber von Erblindung gesprochen. Im übrigen kommt für einen sonst gesunden 65 jährigen die Augen operation mit nachfolgenden monatelangen Beschwerden kaum als Todes ursache in Frage. Waren es also die schädlichen Nebendinge? Es erscheint unlogisch, daß Bach - nach offenbar mißglückter Operation - von Taylor verordnete Medikamente weiter genommen haben soll, wenn dieser nach drei Tagen schon weiterreiste, auch sehr schnell in Verruf geriet und Bach außerdem schließlich in Behandlung „zweier der geschicktesten Leipziger Ärzte“ war, 29 die sicherlich auch keine Freunde von Taylor waren. Länger- 27 A. a. O. (vgl. Fußnote 25). 28 G. Pietruschka (F. Müller), Lehrbuch der Augenheilkunde, Leipzig 1976, S. 251.