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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.09.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-09-13
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188309137
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18830913
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18830913
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1883
- Monat1883-09
- Tag1883-09-13
- Monat1883-09
- Jahr1883
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.09.1883
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»rsch-Int tLgUch früh 6'/, Uhr. Ledarfton »nd Lrpkdttioa IohanueSgasse 33. Sprechstunden -er Vedartio: Vormittag- 10—IS Uhr. Nachmittag« 5—6 Uhr. g»r dt» «Uii»»d« «ui»N-n»Ier v!»nutcri»t« »»cht sich dt» «rdoilld» aicht »krdutdUch. ««aatzwe »er für die «Lchsts«I,e»Se Nu««rr bestimmte« Inserate a« W»chr»ta»e« dt» S Uhr Nachwittas». an Sa«»» und Kesttane« kräh dis '/,st Uhr In den Filialen für I»s.-Zlnn«ch«r: vtt« Kiem«, UnlversittttSstrahe Sl, Laut» Äsche, Katyariuenftraßr IS, p. m- dt» '/.» Uhr riWger.TMbliÄ Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Srrfla-O LS»LGO Abonnementßprri, viertelt. 4'/, tuet. vriaaerloh» b ML, durch die -afi bezöge» « ML Jcwe riuzelue Nummer »0 Vs. Belegeremplar 10 Ps. «ebühre»für «ktrabeil», ah«e Poftb»fSrder»ag SS ML 1 Mit Postbesördenmg «8 ML «» ^ LS«. Amtlicher Theil. Vekanutmachmlg. Der officirlle Anfang der diesjährigen MtchaeltS«effe fällt auf den 24. September und e» endigt dieselbe mit dem IS. Oktober. Während dieser drei Wochen können alle la« und aaS- ländtschea Handelsleute, Fabrikanten und Gewerblreidende ihre Waareu hier öffentlich feilbictm. Doch kann der Großhandel in der bisher üblichen Weise bereits in der zum AuSpacken bestimmten Borwoche, vom 17. September an betrieben werden. Das AuSpacken der Waarrn ist den Inhabern der Meßlocale in den Häusern ebenso wie den in Buden und aus Ständen feilhaltenven Verkäufern in der Woche vor der Böttcherwoche gestattet. Zum Ginpacken ist da» Offenhalten der Meßlocale in den Häusern auch in der Woche nach der Zahlwochc erlaubt. Jede frühere Eröffnung, sowie jedes längere Ofscn- halten eine- solchen VerkausSlocalS, ebenso da» vorzeitige AuSpacken an den Ständen und in den Buden wirb außer der sofortigen Schließung jcbeSmal, selbst bei der ersten Zuwiderhandlung, mit einer Geldstrafe bi» zu 7S Mark oder entsprechender Haft geahndet werden. Auswärtigen Spediteuren ist von der hauptzollamtlichen Lösung deö WaarenverschluffeS an bi» mit Ende der Woche nach der Zahlwoche das Speditionsgeschäft hier gestattet. Leipzig, am 18. August 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. Ür. Tröndlin. Hennig. Vcr-tigerlmg. Sonnabend, am IS.September o„ Nachm. «'/.Uhr sollen im „Hahuekamm" auf dem Dresdner Bahnhöfe alte vanhölzer gegen sofortige Baarzahlung an Meistbietend« versteigert werden durch da- . . «bthetlnng»-Ingenieur - Bureau Leipzig II. Nichtamtliche? Thetl Die Unruhen in Lauton. Die Saat, welche die Franzosen in Lonkin au-qestreut haben, ist in China aufbegangen. In Canton haben sich vercilS die ersten Vorläuser einer Bewegung gezeigt, die leicht um sich greifen und die schlimmsten Folgen nach fick ziehen kann, lieber die Vcranlaffuiig zu der Erhebung der Chinesen in Canton gegen die Fremden liegen verschiedene Berichte vor. Nach dem „New-Nork Herold" trägt ein unglücklicher Zufall die Schuld. Der chinesische WohnungScomnnssär ver unglückte, als er sich an Bord deS Dampfers „Hankow" begeben wollte. TaS Volk vcrmuthct, daß die Fremden ihren Lands mann absichtlich i„S Wasser fallen ließen und bombardirten des halb den Dampfer mit Steinen und steckten mehrere Häuser am Ouai in Brand. „Rcuter'S Bureau" meldet dagegen, daß mehrere Portugiesen einen Chinesen tvdteten und daß sich daraus die Gewaltlhätigkeiten gegen daS Eigenthum der Fccmden entwickelten. Welche von beiden Nachrichten mit den Thatsachen übereinftimmt, wird sich bald Herausstellen, jedenfalls liegt die Ursache der chinesischen Ausschreitungen tiefer; der Groll gegen die Fremden, von jeher vorhanden, war nur in Folge deS langen Friedens allmälig schwächer geworden und einer gewissen Gleichgiltigkeit gewichen, daS Feuer glomm aber unter der Asche weiter und bedurft« nur emer Anfachung, um wieder in Hellen Flammen emporzulodern. England weiß von dem Fremdenhaß der Chinesen etwa« zu erzählen, zu verschiedenen Malen sind vornehme Engländer, darunter auch Personen ihre» GesandtschaftSperfonalS. von den Chinesen meuchlings ermordet worden und schließlich mußten sie zum Kriege ihre Zuflucht nehmen, um sich Genugthuung zu der» schassen. Darüber sind jetzt mehr als 20 Jahre dahin ge gangen, aber die Chinesen haben eS nicht vergeffen, daß cS Franzosen waren, welche den Sommerpalast ihre» Kaiser- in Peking verwüstet und damit die geheiligte Majestät de« SohneS d«S Himmels angelastet haben. Mit den Eng ländern haben sie sich im Lause der Zeit leidlich gut gestellt. Die Engländer sind ein handeltreibendes Volk, die Chinesen sind eS auch und beide haben bei ihren gegenseitigen Be ziehungen ihren Vortheil gefunden. Mit den Franzosen steht die Sache ganz anders, mit denen ist nur dann auSzu- kommcn, wenn man sie als die herrschende Ration anerkennt, sie wollen kein gutes Einvernehmen mit den Völkern, weichen sie die Segnungen der Civilisatioa bringen, sonder« blinde Unterwürfigkeit unter die Befehle der Sieaer. Und weil daS immer so gewesen ist und immer so blecken wird, deshalb eignen sich die Franzosen auch nicht zur Eolonis»tlo«. Die Engländer lassen eS wahrlich auch nicht an GewaltthLttgleit gegen die unterjochten Völkerschaften fehlen, da» haben sie bei Unterdrückung deS Aufstandes in Indien im Jahre 1857 bewiesen, aber sie besitzen außerdem die werthvolle Fähigkeit, ihre Herrschaft fremden Völkern in einer für diese wenigrr empsinvlichcn Weise auszulegen. Sie lassen die äußeren Formen, unter welchen jene zu leben gewohnt waren, be stehen. schonen ihre Eigenthümlichkeiten und religiösen Bor- urlheile und dadurch gelingt e» ihnen, den fremden Völkern da» Joch fast unbemerkt üvcrzumersen. Haben sie ihre Herr schaft einmal begründet, dann bringen sie dieselbe auch rück sichtslos zur Geltung und werfen jeden Versuch, sie wieder abzustreifen, mit rücksichtsloser Energie nieder. So haben sie e» in Indien gemacht und so werden sie auch in Egypten verfahren. Vergleicht man damit die thörichte und geradezu täppische Art, mit welcher die Franzosen in Tonkin ausgetreten sind, wie sie die Chinesen, an deren Passivität ihnen doch sehr viel gelegen sein mnßte, gereizt haben, indem sie über Jahr hunderte alte Rechte derselben mit souverainer Verachtung hinwegschreiten, so kann man sich nicht wundern, wenn sie dadurch die Chinesen aus da-Höchste erbittert und da-, was die Engländer durch langiäbrige Bemühungen erreicht haben, wieder verdarben. Für die Thorhcitcn der Franzosen müssen jetzt alle Ausländer, welche in China leben, büßen, denn der ßpmrine Chinese macht keinen Unterschied zwischen den ver Dounerstag den 13. September 1883. schiedenen Nationalitäten, welche in Europa leben, für sie besieht nur der eine große Gegensatz zwischen Chinesen und Fremden. Ob also Portugiesen, wie sie meinen, die Schuld am Tode eine» ihrer Landsleute tragen, oder die Angehörigen irgend einer anderen europäischen Nation, daS gilt ihnen gleich, die Fremden in ihrer Gesammtheit sind der Gegen stand ihre- Haste», denn diese halten nach ihrer Meinung doch zusammen, wenn eS gegen die Chinesen geht. Die Engländer haben die Franzosen wohl gewarnt, noch in neuester Zeit haben sie ihre Nachbarn beschworen, eS nicht mit China zum Kriege kommen zu lasten, sie haben gewußt, welche Nachtheile dem englischen Handel dadurch erwachsen müssen, wenn die Chinesen sich mißtrauisch von den euro päischen Nationen zurückziehen und die Handelsverbindungen mit ihnen aufgeben. Die groß- Maste in China faßt die Lage nur nach den Symptomen ans, deren Wirkungen sich bis aus ihre Kreise erstrecken. DaS Volk in China sieht, daß Kriegsvorbereitungen getrosten werden, daß aus Amerika große Wassenladungen kommen, daß Transportschiffe mit Soldaten nach dem Süden abgehen, die Chinesen wissen wohl auch der Mehrzabl nach, daß eS in Tonkin zwischen den Europäern und den Ihrigen z»m Kamps gekommen ist. Dann haben sie gehört, daß in Shanghai Verhandlungen zwischen einem Gesandten an- Europa und Li Hung Chang statlgesuiideil haben, daß zwischen Beiden Zwistigkeiten auSgebrochcn sind und daß in Folge besten in Peking große Aufregung herrscht. DaS Alle» wird durch daS Gerücht ins Ungemestene vergrößert und schließlich eine Stimmung erzeugt, welche den Fremden feindlich ist. Tie Chinesen suhlen sehr richtig heraus, daß ihnen von Frankreich her nicht« GntcS bevorstcht und daß die Eroberung und Besitznahme von Anam früher oder später zu weiteren Verwicklungen führen muß. Sc »»geheuer die Ausdehnung Chinas ist, so groß die Be- völkerungSzahl und seine Hilfsquellen sind, so ist den Chinesen dock die Ucberlegenheit der europäischen Cullur und Wehr haftigkeit zu gut bewußt, als daß sie nicht den Anfängen kriegerischer Verwicklungen mit größter Energie entgegen treten sollten. Die Chinesen sehen sich im Süden von den Franzosen, im Norden und Westen von den Nüssen bedroht und je weniger diese beiden Nationen mit ihren selbstsüchtigen Plänen zurück halten. desto mißtrauischer werden sie auch gegen Pie übrigen, mit welchen sie bisher in gutem Einvernehmen »edlen, wir mit den Engländern. Denn selbst mit den Deutschen hatte« sie vor Kurzem eine kleine Differenz und wenn sie auch aus geglichen ist, so bleibt die Erinnerung daran doch lebendig und die Deutschen bekommen ihren vollaemestcnen Antheil an dem Fremdenhaß. Daran können die besten diplomatischen Beziehungen nichts ändern und wenn auch Li Fo Pao in Berlin persona gratissima ist, wenn Marquis Tseng mit der Königin von England aus dem besten Fuße sieht, so kümmern sich darum die Chinesen in Canton so lange auch nickt im Geringsten, als die Befürchtung besiehe» bleibt, daß die Franzosen in Anam die Herrschaft an sich reißen. Die englische Negierung bietet jetzt dem Vernehmen nach Frankreich und China seine guten Dienste a». um einen Aus gleich wegen Tonkin herbeizusühren. Dazu dürfte eS jetzt, nachdem die VolkSwuth in China gegen die Fremden zum Ausbruch gekommen ist, schon säst zu spät sein. Die Unter handlungen zwischen Challcmel-Lacvur und Marquis Tseng schienen auf dem Puncte angelangt zu sei», der eine Ver ständigung möglich machte. Die Vorfälle in Canton ändern die Sachlage. Zugeständnisse Frankreichs, die gestern noch annehmbar und werthvoll erscheinen konnten, bleiben jetzt weit hinter dem zurück, was da« Volk in China verlangt; eS wird also sehr viel guter Wille auf beiden Seiten nöting sein, wenn nicht ein unheilvoller Krieg entbrennen soll. Viel leicht läßt sich die Wuth der Cl'inese» noch im Zaum halte», dann möge Frankreich die Frist benutzen und die billigen Forderungen der Chinesen annehmen, sonst können sich die schlimmsten Folgen au« dem Zwist wegen Tonkin entwickeln, nicht nur für Frankreich, sondern für ganzEuropa. Nicht als ob eS zweifelhaft sein könnte, ans wessen Seite sich schließlich der Sieg neigen wird, aber wegen der Unterbrechung der guten Beziehungen, welche sich in den letzten 20 Jahren zwischen China und Europa gestaltet hatten. Leipzig, 13. September 1883. * Man schreibt un» au« Berlin vom DienSlag: „Die Entscheidung de« CultnSministerS Herrn v. Goßler, durch welche die von dem Kieler Consistorinm aus gesprochene Amtsentsetzung de« Diakon»» Lühr aufgehoben wird, findet selbstverständlich in hiesigen liberalen Kreisen großen Beifall, obgleich der Ausfall de» Proteste» in der Ministerialinstanz für Alle, welche die Persönlichkeit deS Herrn v. Goßler kennen und seine politische Wirksamkeit längere Zeit beobachtet haben, nicht gerade überraschend gekommen ist. Denn der Grnndzug im Wesen deS preußischen EultuS- minister» ist die strengste Gerechtigkeit-lieb«. Er braucht sich nicht zu bemühen, dem Gegner gerecht zu werden, das wird ihm leicht. Herr v. Goßler ist ein konservativer und religiös gesinnter Mann, aber conservativ im guten Sinne, und von wahrhaft christlicher Gesinnung erfüllt. Es ist wahrhaft wohlkyueiid. wenn in einer Zeit, wo innerhalb der protestantischen Kirche die einseitig ortbodoreste Richtung olle irgend wie von ihrer Lehrmeinung Abweichenden verketzert und vom Kirckrndienst auSschließen möchte, der StaatS- minister, der die Aufsicht führt über die Maßnahmen der kirchlichen Gewalten, da» Urtheil zurückweist, weil daS Maß der verhängten Strafe nicht im richtigen Verhältniß steht mit den Verfehlungen de» Angeschuldiglen, weil sofort da» schärsste diSciplinare Ahndung-mittel, die Amtsentlastung, gegen sihn verhängt worden, obgleich derselbe vorher noch keine DiSciplinarstrafe erlitten hatte. Freilich muß r- aus der anderen Seite schmerzlich berühren, daß dem Con« sistorium entgegriigehalten wird, daß einer Versammlung von Geistlichen von weltlicher Seite die christliche Liebe gelehrt, daS „praktische Christenthum", daS sie anwenden, ol» un- christlich gekennzeichnet werden niuß. In allen früheren Fällen, sagt Herr v. Goßler. hat man die milderen Mittel nicht un» versucht gelösten, ehe zu den schärssten Maßregeln geschritten wurde; e« ist nicht abzuschen, aus welchem Grunde nicht niit gleichem Maße gewesten werden sollte einem Manne gegenüber, besten Persönlichkeit durch ernste, sittliche Haltung, lauteren Wandet. UeberzcugungStreue und durch da- aufrichtige Streben sich auSzeichnet. in gewistenbafter Arbeit zur lantercn Wahrheit sich durchzuringen und der sich in seiner Gemeinde hohen Ansehens erfreut. DaS Alle- hatte da» hohe Eonsistorium nickt gesehen, oder nicht berücksichtigen wollen und auch die Erwägung mußte der Minister den geist lichen Herren an- Herz legen, daß e» im Interesse der Kirche selbst liegt, die Kräfte, welche sich in ihren Dienst gestellt Häven, nicht ohne Weitere» au» demselben auszuscheiden. Fürwahr der Herr Minister kann stolz sein auf die Form und den Inhalt diese» Aktenstücke», und e» erfüllt „nS mit hoher Genugthuung, daß wir bereits wiederholt in der Lage waren, die tiefe Sachlichkeit und Un parteilichkeit de« CultnSministerS anzuerkennen, besten Dienste wir dem Staate noch recht lange erhalten zu sehen wünschen. Freilich. waS uns Freude macht, Herrn Stöcker machl's Verdruß. Wiederholt ward der Herr CultuSminister nicht nur in der conservativ-orthodoxen Presse, sondern auch rm Abqeordnetenbause und specicll vom Abg. Stöcker wegen seines matzvollen Wesens in ziemlich maßloser Weise angegriffen, und diese Unfeindnngen werden ihm sicherlich auch wegen seiner jüngsten TaraSpcr Entscheidungen nicht erspart bleiben. Aber ein preußischer Ministerposten, und zumal der eines CultnSministerS, ist in gegenwärtiger Zeit kein dorncnloseü Amt. Der Herr Minister wird sich woyl auch über Ausfälle de« .Reicksboten' lind des Abg. Stöcker zu trösten wissen. Auch wenn der Consisiorialpräsident Mommsen aus seinem Abschiedsgesuch beharrt, dürste daS, so sehr wir auch im Uevrigen die Wirksamkeit de» ManneS für die Provinz Schleswig-Holstein anerkennen, zu ertragen sein, obgleich dem kirchlichen Frieden in weit höl)«rem Grade gedient wäre, wenn der Präsident deS Brandenburgischen Consistorinm-, Herr Hegel, seinen Abschied nähme." * Je weniger Sichere- über den Inhalt und Erfolg der Salzburger Verabredungen zwischen den leitenden Staatsmännern von Deutschland und Oesterreich biö jetzt in die Oestentlichkeit gedrungen ist, um so geschäftiger ist die publicistische Conjrctur wieder an der Arbeit. Ja den Wiener Blättern wird jetzt im Anschluß an diese Conferenzen ein Thema von größtem und Nächstliegende»« Interesse ver handelt: «ine innige wirthschaftliche Annäherung» ein enge» Handels- und zollpolitische» Zusammen» schließen zwischen den beiden Reichen. Die erhitzte Phantasie der Wiener Blätter siebt schon einen förmlichen deutsch ^österreichischen Zollverein mit einem beherr schenden wirthschastlichei? Einfluß aus den ganzen Orient vor sich. Di, deutsche Presse hat sich diesem Thema gegenüber Bi« jetzt sehr zurückhaltend und kübl benom men und gewiß «cht daran getha« ES erscheint un« gegenwärtig ganz müßig, die Möglichkeiten, Aussichten und Vvrtheil« eine- solchen ProjecteS zu erörtern, da» vorläufig vollständig in der Lust schwebt und wahrscheinlich auch schweben bleiben wird. Mit ganz vagen Phantasiegebilden, die keinerlei positiven Anhalt haben, sich abzugcben, kann einer ernsten Publicistik kaum zugcinuthel werden. Man erinnere sich nur, welche» Schwierigkeiten seit dem Jahre 1877, wo der alte Handelsvertrag ablief, die neue Regelung unscres handels politischen Verhältnisses zu Oesterreich-Ungarn unterlag, wie anfangs von halb zu halb Jahr dürftige unsichere proviso rische Vereinbarungen geschlossen worden, bi» endlich im Jahre 188l ein Vertrag von längerer Dauer, aber mit sehr armseligem Inhalt, zu Stande kam. In jahrelangen Ver handlungen zeigte sich, daß ein wirthschastlichcS Verhältniß auch nur von der Innigkeit, wie e» früher bestanden, bei der in beiden Ländern herrschenden handelspolitischen Richtung unmöglich zu erreichen war. Und merkwürdiger Weise wurde» auch damals, wo die thatsächlichen Vcrbält- nisse die Schwierigkeit zeigten, auch nur zu den dürftigsten Verständigungen zu gelangen, gleichzeitig weittragende phan tastische Ideen von Errichtung eine» vollen Zollvereins, eines engsten handelspolitischen Verhältnisses zwischen den beiden Reichen mit dem Ausblick auf ein gewaltiges Absatzgebiet ini Orient selbst in ofsiciösen Blättern auSgesponnen, Ideen, die zu der handgreiflichen Wirklichkeit in einem seltsamen Gegen satz standen. E« ist also keineswegs etwas Neue« das an geblich in» Auge gefaßte enge wirtbschastliche Verhältniß zu Oesterreich; allein realen Werth können wir solchen aus schweifenden Plänen heute so wenig wie vor einigen Jahren ruerkennen. Wir leben heute nickt in der Zeit de» wirth- schafttichen Zusammenschlicßen» der Länder. * Officiöser Meldung zufolge wird, wie schon erwähnt, für den Fall der Wiedervorlegung des MilitairpensionS- gesetze» beabsichtigt, den Wünschen, betreffend die rück wirkende Kraft deS Gesetzes namentlich aus die Militair- Invaliden auS dem letzten Kriege, Rechnung zu tragen. Da« Gesetz scheiterte bekanntlich vorzugsweise an der Frage der Communalbesteuerung der Osficiere, und e» ist nicht anzu nehmen, daß ein neuer Versuch erfolgreicher sein wird, wenn sich nicht die Regierung in dieser Frage zu Zugeständnissen versteht. * Herr Eugen Richter bereist gegenwärtig den IS. hannoverschen Wahlkreis, um den bisherigen mangelhaften Erfolgen der Hamburger Agitatoren nachzu- helsen. Wir erinnern unö seit langer Zeit nicht, daß Herr Richter gegen Conservativc oder Ultramontane seine Candi- baten persönlich unterstützt hat; nur, wo eS gegen die Nationalliberalen geht, ist er zur Verherrlichung der einigen liberalen Partei allemal bereit. Man hat dabei freilich schon wiederholt die Erfahrung gemacht, daß gerade daS Auftreten de» fortschrittlichen Parteiführer- die Wahl de- Gegenkandidaten zur unmittelbaren Folge hatte. So war eS noch zuletzt in Landau der Fall, so bei den jüngsten Land tag-Wahlen in verschiedenen Wablkreisen. Ob er diesmal bessere Erfolge hat? Die fortschrittliche Presse glaubt aus eine engere Wahl rechnen zu dürfen, bei welcher dann be kanntlich die Welsen den verrlichen Sieg deö wahrhaften Liberalismus herbeiführen sollen. Wir wollen daS abwarten- unseren Nachrichten zufolge ist alle Aussicht vorhanden, daß der Wahlkreis seiner bisherigen nationalen und gemäßigt- liberalen Gesinnung treu bleibt, trotz aller dcmagogilchen Künste der fortschrittlichen Agitatoren und aller Feindselig keiten der „Weserzeitg", deren gehässige Artikel Uber den Otterndprser Wahlkamps die fortschrittliche Presse Tag für Tag schmunzelnd reproducirt. . * . * Die ungarisch-kroatische Krise ist. wie die letzten Telegran!me erkennen ließe», noch weit von ihrer Lösung ent sernt. In Agram dauern die Unruhen trotz der Proclamation de« Ausnahmezustandes fort und selbst da» Einschreiten de« MilitairS hat antisemitische Exceste nicht verhindern können. Schlimmer noch steht cS aus dem Lande, wo dir Tumultuanten, Jaferilr Sgespaltene Petitzeile L0 Pf. Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. rabülnrficher «. Ztffernsatz nach höher« Larts. Perl««» unter de« Ledactiousstrich die Epaltzeile 50 Ps. Inserate find stet» an die LrprSttin« zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung prnvouwerimäo oder durch Poft- uachnahme. 77: Jahrgang. von den Truppen weniger gehindert, freieren Spielraum zur Entfaltung ihrer Leidenschaften haben. So kam e- am Sonn abend in Neumarhof, dem Besitzthuine de» magyarischen Grase» Rudolph Erdvvy, zu einem Zusammenstoß zwischen Bauern und Gendarmen, wobei ein Bauer gelödlet und mehrere verwundet wurden. In der Ortschaft Gora, zwischen Glina und Petriuja, wurden bei einem Zusammenstöße drei Bauern getödtet und mehrere verwundet, auch aus Turopolje und anderen Orten werden Bauern - Zusammen rottungen gemeldet. Der königliche Commistar Baron Ramberg, besten energisches aber zugleich wohlwollende» und maßvolles Austreten m Kroatien nicht ungünstig beurthcilt wird, scheint entschlossen, den Bauern gegenüber so weit atS möglich von der Strenge des Gesetzes ab'zusehen; beim Em pfange deS Agramer Gerichtshofes sagte er, eS komme jetzt eine schöne Gelegenheit für die Richter, Milde zu üben. Die unglücklichen, durch Beamtenwillkür auSaebeuteten und auS- gesogenrn Bauern werden wegen deS Ausstandes vor Gericht gestellt; hier sei Milde am Platze. Einen sehr üblen Ein druck hat dagegen die von Baron Ramberg sogleich mit seinem Amt-aiitritt eingcsührtc PrLventivcensur gemacht, nach welcher sämmtliche Blätter vor ihrem Erscheinen der Polizei vvrzulegen sind. Die „N. Fr. Pr." nennt cS eine sonderbare Ironie des Schicksals, welche die Einführung der Präventiv- censur jenem Minister-Präsidenten beschicken hat, der noch vor Jahresfrist als begeisterter Lobredner der freien Presse austrat, dem Minister-Präsidenten Ungarns, Vesten Preßgesetz mit den Worten beginnt: „Die Präventivcensur ist für ewige Zeiten ausgehoben." * Nunmehr liegt auch die Appellationsschrift de» Advocaten Karl Szalay, des Privatklägers für Frau Soly- niossy im Tisza-Eszlarer Proceß, an die königliche Tafel vor. Da- umfangreiche Actenstück führt, nach An gabe der „N. Fr. Pr.". auS, daß in diesem Proceste keine reckte Anklage erhoben worden ist, denn der Staatsanwalt habe seine Pflicht verletzt und der Vertheidigung in die Hände gespielt. Letztere sowohl al» die Sachverständigen hätten die gesetzlichen Schranken überschritten. Die Zeugen derselben seien falsche und gekaufte gewesen, und der Gerichts hof habe solche Zeugen nicht citirt, auf die Berufung ge schehen sei und die Nachweisen hätten können, daß die Dadaer Leiche nicht die der Esther Solymossy gewesen sei. Der Ge richtshof habe in seinem Urtheil äußeren Einflüssen Raum und e» sei kein Urtheil geschöpft worden, welche« die Ästaire befriedigend abgeschlossen hätte. DaS Actenstück ist im Einzelnen bemüht, die Motivirung de» Gerichtshöfe« von Nyiregyha»« al» falsch darzustellen, denn die Schluß- Verhandlung Hab« di« Daten der Untersuchung nicht erschüttert, sondern bekräftigt. Die Schrift schließt mit dem Ausdrucke der Hoffnung, die königliche Tafel werde da» Urtheil ab» ändern. Denn schon sei im Volke der Glaube an die Justiz erschüttert, wenn e» sieht, daß e» für unschuldiß vergossene» Blut, für den Schmerz einer tiefgebeugten Mutter keine Sühne mehr gebe; wenn der StaatSanwalt zum Bertheidiger wird, wenn der Kläger schweigen muß und alle« Recht, alle Vertheidigung nur für die Angeklagten vorhanden ist. Es sei nicht gut, sagt da» Volk, daß das Gesetz gegen den Juden nicht schütze, gegen den Juden, der mit dem blutenden Mutter- Herzen handel-einS werden wollte, indem er Geld für ver gossenes Blut de» Kinde« anbot! Deshalb wende man sich vertrauensvoll an die königliche Tafel um Verurthrilung im Namen GotleS und der Gerechtigkeit. Ein Wort und Uber ganz Ungarn werde sich der Oelzweig de» Frieden» neigen. Die verzweifelten Herzen werden wieder erfüllt sein vom Glanze und vom Segen der auferstandenen, anS Kreuz ge schlagenen Gerechtigkeit; denn im Volke werde der Glaub« wieder erwachen, daß cs noch eine Gerechtigkeit giebt. * Wie auS Konstantinopel berichtet wird, besteht die Pforte darauf, daß die Ernennung des bulgarischen Delegirten der Donau-Commission von der otto- manischen Negierung bestätigt werde und daß der Briefwechsel deS Delegirten mit seiner Regierung der Pforte atS der suzeränen Macht de» FürstcnthumS unterbreitet werde. Die Pforte protestirt auch dagegen, daß Bulgarien separat der Donau-Convention beigetrclen sei, und behauptet. daß die von der Türkei vollzogene Ratification den Beitritt des FiirstenthumS in sich schließe. ES wird für wahrscheinlich erachtet, daß die Pforte ihre Anschauungen ausrechtcrhaltcn. Bulgarien aber nichts desto weniger einen Delegirten zur Donau-Commission ohne vorherige Bestätigung der Ernennung desselben seitens der türkischen Regierung entsenden werde, dadurch seinen Beitritt zur Convention andcutend. Man erwartet, der bulgarische Delegirte werde von den Mächten zugelassen werden. * Man schreibt auS Athen, 2. September: „Wie genau eS die griechische Regierung mit der Abschließung Griechenlands durch die Quarantaine zu nehmen entschlösse» ist. geht aus folgender Episode hervor. Ein kleines Segel schiff Iras auS Bengazbi aus der Insel Santorin ein, ohne daß seine Papiere in Ordnung gewesen wären und verblieb daselbst im Hasen von Thera. Kaum war dies zur Kennlniß der Regierung gelangt, wurde auch schon der betreffende Hasenbcamte abgcsetzl und für Provenienzen au» Santorin eine ll tägige, beobachtende Contumaz verhängt. — Prinz Hassan Kamil Pascha von Egypten ist vergangenen Mitt woch endlich auS dem Lazarcthe in Salamis, oder vielmehr auS seinem Aufenthalte aus der griechische» Fregatte „HcllaS", die ihm zur Absolvirnng der Quarantaine überlasten worden war, frei gelassen worden. Er begab sich sofort nach Athen, miethete daselbst daS Hotel des EtrangerS und wackle vor Allem Herrn TrikupiS und dem Minister deS Innern, Lombarde, Besuche, um ihnen für die erwiesenen Auf merksamkeiten zu danken. Sobald auch seine Nacht „Fajoum" quarantainesrei sein wird, beabsichtigt der Prinz, sich mit seiner Familie, einer Gemahlin und fünf Kindern, zu längerem Ausenthalt nach Volo z» begeben, woselbst schon eine Wohnung sür ihn licrgerichtet wird. Seine älteste Tochter ist vorgestern in Begleitung seine- SecretairS nach Neapel abgercis». Ter Prinz, ein noch jnngerMan» von 29 Jahren, ist eine außerordentlich einnebmendc Persönlichkeit. Er hat seine gediegenen militairischen Studien in Deutschland gemacht und seine übrige Ausbildung vorder in Oxford genosten. Sein Gefolge bestebt anS KO Personen und Dienern. — Nach einer langen Audienz im Finanzministerium verabschiedete sich vorgestern der türkische Gesandte Tewsik Bey von Herrn TrikupiS, um eine zweimonatliche Urlaubsreife nach Konstantinopel anzu treten. — Alle hiesigen Zeitungen sprechen mit Erstaunen von der Prinzessin Therese von Bayern, welche sich durch di«
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