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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.03.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-03-08
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920308029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892030802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892030802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-03
- Tag1892-03-08
- Monat1892-03
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,wr -«»»tqZedttio, ^«r den t« Stnbt» " »ud de» Vororte» errichteteu Lu«, elleu obgeholt: vierteljährlich tweimnlia« täglicher Zuftellnng in« ,1 ^ SckL Durch di« Post bezogen skr ulichtend und Oesterreich: viertel,ährlich l «.—. Direkt» tit^ ich« ikrenzdundiendu»« in« Luslnnd: u vantltch 8.—. Abend,Ausgabe. Wor^n-Lusgad« rrichein» täglich'/,7 Uhr, di« Lbend-Äusgnd« Wochen ing« t Uhr. Lrkclis« «,tz Lrvrditi«,: A«tz«»»eS,«ße 8. editioa ist Wochentag« »nuntrrbroche» »«gart von früh « dt« Ldend« 7 Uhr. Filiale»: Me»»'« e«rit«. Olfretz Hstzn), UoiveffULtSstraß» 1, «snts Lisch«. Krthartnenftr. 1t. hart, und Ktniglpla» 7. ap-iaerIagelilatt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. JnsertionSprei- Die 6 gespaltene Petitzeile SO Pf-. Reklamen unter dem Redactioa«strich (tg«. spalten) 80^, vor Le» Famistennachrichte» (b gespalten) «0^ , Brößere Schriften laut unserem Preis« verzelchnih. Tabellariicher und jjtsfrrnsatz nach höherem Laris. Grtra-Vetlagrn (gesalzt), »nr mtt da» Morgen-Au-aode, ohne Postbefördernng SO—, mit Postdefürderung ^ 70.—. Annatfmkschlu? flr Zuserate: Abrad-Au-gab«: Bormittag« 10 llhr. Morge «-Ausgabe: Nachmittag« «Uhr. Sonn- und Festtag« früh S Uhr. Vei den Filialen und Annahmestellen je «in« Halde Eiuud« früher. Inserat» sinh stet« an di« Erpehtttoa zn richten. Druck und Verlag von E. Polz t» Leipzig 12L Dienstag den 8. März 1892. 86. Jahrgang Leipzig, 8. März. * In Betreff der Berliner Dombaufragr glauben ie „Derl, Polit. Nackr." folgendes über den authentischen Sachverhalt mittheileu zu können: „Der ursprünglich aus eine Bausumme von erheblich über Millionen Mart veranschlagte Lomdauplan fand aus allen Seilen LandeSvrriretung entschiedenen Widerspruch. Wohl aber wurde n der überwiegenden Mehrheit die Geneigtheit bekundet, einen laatszuschuß für den Bau zu bewilligen, weicher zu einer der cdeuiung der Kirche de« Königshauses entsprechenden würdigen redigtkirchr nebst einem würdigen Oampo navto für das Königshaus au-reiche, sofern der Staat nicht als Bau herr sigurir« und die Sicherheit gegeben sei, dag mit dem bewilligten StaatSzuschuß der Bau sich auSführcn lasse. Be- züglich der Baasummr selbst wurden feste Engagements nicht eingegangen, »< wurde aber die Summe von 7 Millionen von einer Leu« al« etne solch« bezeichnet, für deren Bewilligung inan sich stark machen könne. Inzwischen ist aus Anordnung Lr. Majestät der Bauplan umgearbeitet und »war mit dem aasdrücklichrn Ziele, die Bautostea di« auf 10 Millionen Mark zu ermäßigen Der von Pros- Raschdors ausgestellte Bauanschlag beziffert«, wenn man von jb«n Kosten für den figürlichen Schmuck, welcher nach den Adsichlen Er. Majestät zunächst überhaupt nicht zur Aussührung gelangen soll, absiebt, sich aus nicht volle 10 Millionen Mark Bei der supercevcjio» durch die oberste Baubehörde ist der Bauanschlag um einiges über die äug«letzte Summe herausgesetzt worbe», es steht indessen zu erwarte», dich durch Verzicht auf einige Rcbenaussührungen und durch AuS- scheiduug eine« aus Wasserbausondt gehärigen Postens, auch der superrevidirtr Anschlag sich nicht über 10 Millionrn Mark stellen wird. Dürsten somit di« sonst sür dir Zulänglichkeit der Bausummc für erlorderlich erachteten Garantien, von welchen übrigens das Abgeordnetenhaus bezüglich deS neuen Landtagsgebüudes abgesehen hat, in vollem Umfang gegeben sein, so ist überdies der formelle Beseht Sr. Majestät an die bauausführenden Organe ergangen, bei der Bau-Ausführung auf jeden Fall di« Bausumme von 10 Millionen inne zu halten. Endlich ist durch einen Beitrag mtt der Domgemrind« die Uebernahme de« Baue« durch die letztere al« Uauherrin gesichert. Die Schwierigkeiten, welche neuerlich in der Sache erwachsen sind, lausen wesentlich auf die Auffassung hinaus, daß di« Domgemeind« sich ihrer geringen Leistungssähigkeit wegen zur Bauherr,» nicht eigne, daß es vielmehr gedoten sei, mit einem anderen, potenteren RechlSfiibject vertragsmäßig die AuSsühruna de« Baue« gegen Gewährung des Staats,zuichusseS zu vereinbaren und dabei möglichst da- ganze Berbältniß de- Fiscus zum Lome zu lösen. Di« Höhe de« SiaatszuschuffeS mit 10 Millionrn Mark wird zwar gleichsoll« beanstandet, dürste ober rin entichriden- des Hinderniß für die befriedigende LSsuug der Frage nicht bilden. Die Verhandlungen der betheiliaten Reffortministerien mit dem keuwrenconvent sind noch inzwischen eingeholler kaiserlicher Ent schließung wieder ausgenommen worben und wenngleich dieselben zu nuem abschließenden Ergebniß noch nicht geführt haben, so »st doch Iw Aussicht aus eine Verständigung eröffnet." * Es bestätigt sich, daß brr Herzog von Cum brr land alle ihm gemachten Anerbietungen abgelehnt hat; rbenso wie den braunschweigischen Thron, schlug er das ihm anzebotene Geld auS. Wenn in manchen Kreisen daraus zrsolgcrl wird, die welfische Partei werde nunmehr erst recht wieder eine oppositionelle Haltung annehmen, so ist man maßgebendrrseitS in Berlin nicht geneigt, einen solchen Schluß als richtig zuzugeben. Cin erheblicher Theil der Welfe», so urtbeilt man vielmehr, werde in Berücksichtigung des Umstandes, daß die gegenwärtige Regierung ihr Möglichstes gethan habe, um zu einem gerechten Ausgleich mit den, Herzog zu gelangen, sich möglichst mit den gegebenen Verhältnissen auSzusöhnen versuchen. Fände dann demnächst auch der Welsenfond« eine solche Verwendung und Nutzbarmachung, welche allen hannoverschen LandeSkindcrn genehm sein könnte, so würde s dies dazu beitrage», eine versöhnlichere Stimmung auch in den Cchtchlc» der Bevölkerung Platz greisen zu lassen, in welchen der Haß gegen Preußen bisher seine stärksten Wurzeln batte. Im Zusammenhang mit der Frage der anterwcite» Regelung der Angelegenheit des WelscnsondS wird auch er wogen, ob und warum etwa sür den StaalSsccretair des Innern, StaatSminister v. Bötticher, eine Veranlassung dorlieae» möchte, auS seiner jetzigen Stellung auSzuscheiden CS ist Tbatsache, daß, während Minister v. Bötticher bei Verhandlung deS TbemaS in einer dcr letzltii Reickstagssitzungen den Saal verließ, auch nicht einmal die Socialremokratc» an einen Fall rührten, der seinerzeit in der demokratischen Presse eine so weiigreifende Fruclisiciriingsinten sollte. Cs istaber ans der anderen Seite auch nicht unbemcrll geblieben, daß Minister k. Bötticher den Socialdeuiokraten gegenüber in letzter Zeit vielfach eine Milde der Anschauung und Ausdrucksweise angenommen bat, die mit den Begriffen vo» der Unparteilich keit und Unabhängigkeit der Minister nach allen Seiten einigermaßen für unvereinbar erscheint. Besonders bat cs selbst, wie die „Wes.-Ztg" mittbcilt, bis in die allerhöchsten Kreise einen sehr wenig guten Eindruck gemacht, daß Herr v. Bötticher, als ihm letzthin von socialtcuivkratischcr Seile ungesetzliches Verhalte» vorgeworfc» wurde, sich nicht anders wehrte, als durck die 1nc,»i> >le purlor: er könne sich durch diesen Vorwurf nicht berührt suhlen, da derselbe ja in einem sehr versöhnlichen Tone vorgelragen worden sei. * ES ist bereits erwähnt, daß Pros. Cvnstantin Rößler bestimmt ist, an Lindaus Stelle das Preßtepartemeiit im Auswärtige» Amte in Berlin zu übernehmen. Lindau selbst geht an Stelle de« plötzlich verstorbenen Ist Fcriö nach Konstantinopel. Sein Ausscheiden auS dem Reichsdienste Hai nicht wenig überrascht. Man batte ihm eine andere Carriöre prophezeit nach den werthvollcn Diensten, die er bei dem Uebergange vom alten zuni neuen Curse geleistet. Der nnnmebr zum officiöscn Inspirator der Presse des Aus landeS berufene Professor Rößler hat jahrelang an der Spitze beS literarischen BureauS gestanden. Ein fein- gebildeter Mann — seine staatsrechtlichen, mehr aber noch seine literarischen und geschichtlichen Arbeiten habe» ihm wohl- begründeten Ruf verschafft — ist er vor mehr dran drei Jahrzehnten iiv»eine» Wirkungskreis gekommen, der gelehrten Neigungen fern lag, und ist ihm, was vielfach nicht geringe Verwunderung erregt hat, treu geblieben bis aus den heutige» Tag, obgleich gerade ihm die Wandlungen der letzten Monate manche Ucberrasckungen gebracht haben müssen. I»i Jahre l888 erschien wenige Monate nach der Thronbesteigung deS jetzigen Kaiser- eine kleine Broschüre „Tie Vorgänge in der inneren Politik", die allgemein ihm zugeschrieben wurde. Was er damals »och als ein Phantom bekämpft, eine klerikal ultra- conservative Mehrheit alS Stütze der Regiernngspolitik, ist inzwischen zur Wahrheit geworden. * Die Volksschul Commission deS preußischen Ab geordnetenhauseS lehnte den Antrag der Freiconserativen, der Nationallibcralcn und der Freisinnigen, den dritten Ab schnitt, betr. die Verwaltung der Bolkeschulangelegenhciten, einer Subcomniission zur Umarbeitung zu überweise», ab. * Die Ortsgruppe Berlin des „Allgemeinen Deutschen VrrdandrS" bereitet eine würdige Frier de« »Geburtstages de« Fürsten Bismarck" am 1. April 'in den Sälen der Philharmonie vor; hervorragende Mit glieder des Reichstages baden ibre Bereitwilligkeit, die Fest rede des Abends zu übernehmen, erklärt. In einer Reibe von Städten deS In- und Auslandes, in welchen Orts gruppen des „Allgemeinen Deutschen Verbandes" bestehe», wirk dieser Tag cbcnfaUS festlich begangen werden. * Zum Capitel der MajestätSbelcidigungcn schreibt die „Kölnische Zeitung": „Vom Regi.'ruiigsiilch sind in den letzten Monaten nicht selten Aeusierungen gefalle», die der Presse gegenüber eine Meringichätzunq zur Schau tragen, welche den Aerger über die unfreundliche Stim mung der öffentlichen Meinung nur schlecht verbirgt Gegenüber der „Kölnsichen Zeitung" insbesondere spielt gegenwärtig neben der bekannte» Unterstichung wegen Majeslütodeleidignng ein kleiner ojsicioler Preßseltzng, dessen Zweck es zu sein scheint, iin Intereste des Eultusinmijicrs «in unheilbares Zerwürsniß zuwege zu bringen. Es wird inil dürren Worten geiagt, die „Kölmjchc Zeitung" babc cs durch ihren Einfluß, durch die Tbaliache, daß sie einer vorhandenen und nicht geleugneten Mißstimmung Worte verlieh, dahin gebracht, daß dos Ternsche Reich in den Augen der Vluslaudes zum Popanz berabgeüinten sei: wolle die „Kölnische Zeitung" wirklich rin Well- blau sein, so müsse sie es sich zur Ausgabe machen, die drohende Abirrung des Unheils der Allgemeinheit zu Verbindern. Wir ge- flehe», laß dieser Standpunkt uns beireindlich erscheint. Ter Ein- fluß der gesenimie» deulschen Presse würde nicht ausreiche», um da« Granen vor Mucienhum und Reaktion zu beseitigen, so lange diese pauivlischen Vemühunge» in der Regieruiigspvlilik keine Stütz« finde». Wir haben i» den letzten Monaten in der loyalsten Weile »nier Hauplbeslrebe» darauf gerichtet, den Evnflict, in weichem wir iachlich eine andere Stellung nicht rinnehmen können, aus das EulinSministeriun» z» beschränke», dagegen die Stellung des Grasen Eaprivi und selbsiverständlich die Krone vollständig aus der Fehde anszuscheiden. Will die Regierung dieses vermittelnde Bestreben, da- mail uns oft recht erschwert Hai, „»tetstützen, jo ist sie ja tu der Lage, durch unzweideutige Erklärungen ihre Willen-Meinung kundzuthun, Laß sie nicht daran denke, durch eine Politik nach dem Herzen der Uitramonianen und Ektrcmconservativen die gejammle deutsche Bildung in eine erbitterte Opposition zu treiben. Die Entwickelung bat dazu geführt, daß diese Anschauung thaisächlich die weitesten Kreise ergriffen hat. Steht die geschlossene Macht de« Slaalsmmistertums in Wirklichkeit nicht hinter dieser Politik de« CultuSniiiiisteriuins, sucht man ernstlich »ach einem Ausweg au« der Sackgasse, in der man sich sestgerannt hat, so ist es Pflicht der gegenwärtigen Machthaber, mit ihren Absichten nicht hinter dem Berge zu halte», sondern sreimüthig zu bekennen, daß inan durch die Wirkungen von Stoß und Gegenstoß der Debatte' in eine falsche, nicht gewollte Position gedrängt worden ist. Man wird sich bemühen müssen, sich zu der politischen Grundanschauung der gemäßigten Parteien in cin freundlicheres Berhältniß zu setzen. Die Anschuldigungen wegen Majestätsdeleidigung hoben — hoffentlich und wahrscheinlich mitUnrecht — zudem dieBelorgniß vor einer droben den Reactionsperiode verstärkt. Wir stehen nicht an, es auszusprechen, daß wir die Stellung der StoatSanwastschaft in der deutigcn Lag« als schwierig und dornenvoll anerkennen: sie hat die Pflicht, darüber zu wachen, daß die öffentliche Erörterung die Schranken des An jlandes »nd des Respeci« nicht überspringt. Aber die unabhängige Presse hat andererseits die Pflicht, im wohlversiandenen Interesse de« Vaterlandes und der Monarchie einer weitverbreitete» Erregung tvenigslenS in gedämpften Tönen Ausdruck zu geben; sie bars nicht eine orientalijch-byzantinische Auffassung zur Richtschnur ihres Handritts machen. Tic Presse wird >«den etwaigen Versuch adzu wehren habe», durch Erhebung von Anklagen Rechte einzuschränken, die bisher unbesirillen waren; bisher aber hat sic srank und frei das Recht geübt, ihre Ansichten unter Vermeidung beleidigender Ausdrücke auch dann auszusprechen, wenn diese Ansichten unbequem waren," * Der „Kreuzzeitung" zufolge werden die Mittel zur Entschädigung der Hinterbliebenen der Küntzcl-Eppe dition der Antisclaverei-Lottrric entnommen * AuS Halle wird uns geschrieben: „Ein Erlaß deS Herrn Ministers sür geistliche und UnterrichlSangelegenheiten vom 10. Januar d. I. bestimmt, daß der Vater eines schul pflichtigen Kindes selbst tan», wenn er einer staatlich an erkannten Religioiisgciuciiischast nicht angedört, vcr- pslicktel ist, das Knid an dein Religionsunterrichte in den ösfentlichcn Volksschulen theilnehmen zu lasten, sofern nicht der Nachweis erbracht wird, daß sür den reli giöse» Unterricht des Kindes anderwärts in ausreichender Weise gesorgt ist." — Aus Grund dieser Verfügung hat die zuständige Behörde verschiedenen hier wohnenden Dissidenten sccialtciiiokratischcr Gesinnung vor einigen Tagen ausgegrbe», ihre Kinder vom 7. t» MtS, ab in den Religions unterricht zu schicke», aiiderusalls sie Strafe zu ge wärtige» haben. Die Betreffenden haben gegen diese Maßnabnitu Protest eingelegt und berufe» sich dabei auf die in dieser Angelegenbeil ergangenen Erlaffe früberer Cullusmiiiistcr und das von, preußischen Kammergericht gefällte Unheil (Fall Vergolder bczw, Redakteur Hoffmann, früher hier, jetzt in Zeitz). Ob ibnen dies etwas belfr» wird, ist fraglich, den» die Betreffenden werden nicht den Nachweis licsern löune», daß ibre schulpflichtigen Kinder durch sie vier andere Personen eine» vom Gesetz verlangten Religions unterricht ertheill erkalten In soeialdemokratiscken Kreisen ist ma» über diese neue Anordnung wenig erbaut und namentlich sind die Dissidenten darüber ausgebracht, daß sic nun doch ihre Kinder in den Religionsunterricht zu schicke» haben. * AuS Gera wird uns unterm 7, März geschrieben: Heute Morgen kurz nach 10 Uhr »röffnele der Präsident Für bringer die erste Sitzung des wieder zusaiiimengetretenen Land tages, Staatsminifter 1)r v. Beulwitz ist seit längerer Zeit leidend und hat Urlaub, An dem Ministertische waren Geh. Staattrath 1>r, Bollert und Staatsrath Engelhardt erschienen. Geh. Rath l>r. Bollert nahm da» Wort, hieß den Landtag im Nomen des Ministeriums willkommen und wünschte, daß die Vorlagen zum Segen des Landes ihre Erledigung finden möchten. Außer den bereits mitgetheilte» Vorlagen sind weiter «ingegangen: Mlt- theilung de« fürstliche» Ministerium« von der Bestellung he« Geheimen RegicrungsraiheS Fischer al« LandlagScommiff»», Besuch der Gerichtsschreiberri-Beamten de» Land- und Amts gericht» um Theucrungszulagc und einige geschäftlich« Mit- theilungen über die Schuldverschreibungen der sürjlliche» Spar kasse.— Die wichtige Vorlage über den Entwurf einer Kirchrn- vorstandSordnung sür die evangelisch-lutherisch« Kirche im Fürstenthuni Reuß j. Linie «st von einem Ausschuß, be stehend au« den Abgeordneten W Fürbringer, vr. Jäger, F, W. Reibestein, H, Laulenschläger und Renschel, vorberalden worden. Tiefer bat dein Landtage folgende principiell wichtigen Abänderungen der Borlage vorgeschlagcn: 1) Tie Kirchen - und Schnlcoinmissionen sollen al« Mttleldchördcn beseitigt und die Kirchenvorftändr dem Ministerium, Abtheiliing sür Kirchen- „nd Schulsachen, direct anter- slellt werden, 2) Der Vorsitz im Kirchenvorstande soll nicht schlechthin dem Pfarrer zusiehen, sondern zwischen dem Pfarrer und dein Bürgermeister geiheilt werden. In allen anderen deutschen evangelischen Kirchenvorslandsordnunge» ist dem Pfarrer der Vorsitz übertragen und nur in Sachsen den Kirchenvorständen gestaltet, in einzelne» Angelegenheiten de» Stellvertreter zum Bor sitzenden zu bestellen. N Privatpatrone sollen zwar, ihre Wahlsähia- kest vorausgesetzt, Mitglieder de« Kirchenvorstande« sein, aber st« duffen dieses Recht nur vrfföniich ausüben. 4) Der Landesherr und die Privatpatrone sollen bei Besetzung von erledigten Psarrstellen nicht wie bisher unier den sämmllichrn Bewerber», sondern «ar unter den vom Kirchenvorstande vorgffchlagenen Personen die Auswahl I haben. — Dem Ausschuffc sür dir Kirchenvorstandsorduung ist müad- * lich und schriftlich erklärt worden, daß diese Abänderungen dt« A»> Fsirillstsn. Schloß Erlenhof. 1j ' Roman von O. B a ch. ri»ü»r»S »erdete». I. Durch den Wald, der das Städtchen Burgau von dem Dorse und Schlosse Erlrnhos trennt, stürmte ein einzelner Reiter. DaS Pferd triefte vor Schweiß; die Nüstern blähten sich; begierig sog es den Waldbust ein. als müsse es dadurch die im Sinken begriffenen Kräfte stählen, während der Reiter es immer mehr ansporntr, schneller und schneller dem er sehnten Ziele znznstürmen. Ringsumher herrschte tiefe Stille; an dem nachtsckwarzen Himmel funkelte kein Stern: dnnkle Wolken jagten bin und her; nur da« ängstliche Ausflattern der Nacktvögel, die durch da- wilde Jagen auS ihrer Rüde gescheucht wurden, unter- trach da» fast unheimliche Schweigen, AuS der Brust deS Reiter« drang ein Stöhnen, al« er seine Augen, die sich an dir Dunkelbeit gewöhnt batten, umber- schweifen ließ, ohne da» von ihm heiß ersehnte Ziel entdecken zu können; daß e« nicht mehr fern sein konnte, wußte er, und doch schien sich der emporsteigende Wald immer weiter auS- udehnen; die Kräfte deS Reiter» sowie de» RosseS kielten aum mehr Stand, als sich ein heftiger Sturm erhob und der berniederprasselnde Regen die erhitzten Glieder traf, di« unter den kalten, eisigen Dropsen zusammcnschauderten, „Weiter, Mustapha, weiter", flüsterte der junge Mann seinem Pferde zu. als r« sich vor einem plötzlich austauchrnten Hintcrniß ausbäumte und der Fübrunz de« Rciter» nicht mehr folgen wollte, »weiter, sonst ist es zu spät", allein in deniselden Augenblicke griff eine fremde Hand in die Zügel — wie au< der Erde gestampft, stand rin« große, starke Männer- aestalt vor dem Reiter und eine kalte Stimme rief dem Er schreckten die Worte zu: „Sie kommen zu spät, Bornstedt, e« ist vorbei! S»c finden Eugenie nickt inebr, vor wenig Stunden ist sie heimgegangen und Graf Heldberg weigert sich, Sie zu sehen," Wie von einem Blitzstrahl getroffen, starrte der Reiter den Sprechenden an-, einen Moment schien e», al» wolle er sich in seinem wilden Web aus den Mann stürzen, die dunklen klugen blitzten zornig auf, al« er finster stammelte: »Artbur Sterna»" — aber vor den wie au« Stein gemeißelten Hilgen de« Manne«, dir man »ur schwer erkennen konnte, wich er fast scheu zurück, rin herbe«, bittere- Lacken drang au« dem bleich gewordenen Munde; mit einem raschen Ruck riß er da« Pferd zurück und binnen wenigen Minuten war er im Schatten der Nacht verschwunden; der Hufschlag de- Pferdes verklang mehr und mehr in der Ferne, Langsam, aber festen Fußes wendete sich der Mann, welcher dem Reiter wenige Secunden »ackgestarrt batte, der entgegengesetzten Richtung zu. Er bullte sich fest in den Mantel, und den Hut tiefer in die Stirn drückend, blickte er ich vorsichtig um: als er davon überzeugt war, daß ibm Niemand folgte. Niemand seine Worte belauscht batte, stieg er rasch den mit Ginster und Farrrn bewachsenen Schloßberg hinauf und stand bald vor der Eingangspforte, die er behutsam öffnete. Eine tiefe Stille herrschte in dem alten Herrensitze; eS schien, al- sei e- vo» keinem Lebenden bewoknt; er schrak fast vor den eigenen Schritten zurück, als er die Marmor- treppe, die in die oberen Gemächer führte, berausstieg. Vor einer mit grünem Tuche beschlagenen Tlmr blieb er tiesaufaihmenk stehen; die feuchten Haare au« der Stirn streichend, murmelte er: „Es muß sein, sonst war Alle« vergebens " Leise überschritt er die Schwelle des Zimmer-, in dem auf einem seidenen Bette die bleiche Gestalt einer jungen Frau rubte. Die langen, blonden Haare flutbeten über die weichen Kissen, jeden Zwange« entledigt hin, da« süße, blaffe Gesicht wie in einen goldenen Mantel einküllend. Da« mit blaßblauem Atlas auSgeschlagene, mittelgroße Gemach, dessen Einrichtung von Reichthum und Vornehmheit erzählte, war durch eine blaue Ampel spärlich erhellt, die ihr bleickeS Licht über die Kranke selbst, wie über ihre Um gebung warf Ei» vielleicht neunjährige« Mädchen kauerte zu Füßen deS Bettes, cic große» blauen Kinderaugcn angitvoll aus di« Mutter geheftet, die, wie Tanke Bella ihr gesagt, im Sterben lag. Bei dem Eintritt de- Baron« Sternc.u, wie ihn der Reiter genannt, erhob sich seine Gemahlin, eine hocbgewachsene Dame, an« ihrem Sessel, um ihm durch einen Wink Stillschweigen zu gebieten. Die Augen der Dame begegneten mit einem kurzen fragenden Blick denen ihre- Gemahl-, der mit unhörbarcn Schritten über den teppichbelegten Fußboden glitt, bis er daS Krankenlager erreicht hatte, an dem der Arzt stand. Er hielt die Hand der jungen Frau in der seinen, »m die matter und matter wertenden Pulsschläge ru priisen Plötzlich richtete die Kranke sich auf, indem sie lispelte: „Fred, lieber Fred, warum kommst Du nicht, der Vater —" Tie sank in die Kiffen zurück, eine tiefe Bläffe flog über ihr Gesicht; die zarten Arme streckten sich sehnsuchtsvoll auS; noch einmal öffneten sich die großen, fieberhaft glänzenden Augen; wie magnelisirt blieben sie an dem schönen Kinder antlitz Kasten; cin stilles Lächeln, al« käme eine süße Er innerung über sie, zitierte um die bleichen Lippen — ein leiser Seufzer — die Seele war dem lieblichen Körper ent flohen, rein, wie sic der Schöpfer eingcbaucht, schwebte sic auswärts zu den Sternen; die einzige Tochter des Grafen Bruno von Heldberg, eines der reichsten Grundbesitzer der preußischen Monarchie, hatte aufgcbörl zu sei». „Vorbei", flüsterte der Arzt, indem er sanft über die Stirn der Totten strich. „Herr Baron, bringen Sie dem Herrn Grafen die Kunde von dem Hinscheiden seiner Tochter, ich finde nicht den Miith dazu." Er batte tiefernst, mit einem Anfluge von Heftigkeit ge sprochen; seine braunen Auge» blickte» unfreundlich auf da« Ehepaar, das sich über die Leiche hiuneigte: einen Moment zuckle eS in seinem Antlitz auk, die Lippen öffneten sich, als wollten sie etwas sprechen, fordern, aber in demselben Auge» blick preßte er sic wieder fest auseinander, als fühle er, daß jede- Wort bicr überflüssig sei. Er nab», da« kleine Mädchen an der Hand und verließ mit ihm ohne Gruß daS Zimmer. Arabella Sterna», die Schwester de« Schloßbcrrn, winkle ihrem Gemahl, dein Arzte zu folgen; sic ließ sich da»» »eben der Todte» nieder, um aus einem Gesanghuckr Gebete zu murmeln, bis sich daS Zimmer mit den Dienern und Dienerinnen deS Hauses füllte, die, brennende Wachskerzen in den Händen, anfschluchzend an daS Sterbebett traten, a» dem auch der Schloßcaplan erschienen war, um den letzten Segen über da« liebliche Geschöpf zn sprechen. Nach »nd nach verstummte das Weinen; daS Zimmer leerte sich wieder; leise Schritte huschten über die Corridorc, welche die zahlreichen Gemächer verbanden, Tbürcn wurden vorsichtig geöffnet und geschlossen; die Stille deS Tode« wich schon ein wenig dem lebhaften Treiben der Lebenden; nur i» dem Sterbezimmcr herrschte vollkommene Ruhe. Der Priester und der Arzt batten die Todtenwache llber- ncnimen; die aus- und niedcrflackernden Kerzen warfen ihr bleiches Licht aus daS noch im Tode engelschöne jugendliche Frauenantlitz, aus de» jungen Mann im Talar, der seine Lippen in stillen Gebeten bewegte, auf den Arzt, der die Arme übereinander geschlagen, den Kops auf die Brust gesenkt, in schmerzliches Nachdenken versunken dasaß, bis er endlich, einem inneren Drange gehorchend, rasch auf den Geistlichen zue schritt, dem er die Frage: „Und wa» wird nun Graf Held- berg beginnen?" zuraunte. Obne da» Gebet zu unterbrechen, zuckte der Caplan mit einem Blick nach oben dir Achseln. Unterdessen batte Baron «ternau seine schwere Mission auSgefübrt. Gras Heldberg batte sein Lager noch nicht ausgesucht; die Hände aus dem Rücken gefaltet, wandert« er in dem hohen, eicbengetäselteii Zimmer, da« mit dicken Teppichen belegt war, in sichtbarer Ausregung auf und ab. Es war eine hohe, kraftvolle Greisengestalt: die weisen vollen Haare legten sich um eine breite weiße Stirn, unter der cin Paar hellblaue Augen scharf bervorsahen: ein mit grauen Haaren stark gemischter blonder Barl raomte da« jtrcng geschnittene Antlitz ein, das dem seiner Schwester Arabella glich. Die etwa« schmalen Lippen vcrriethen Stolz und Eigenwillen, und als er jetzt dein, Eintritt seine« Schwa gers rasch daS Haupt erkob, lag ein starrer Ausdruck um den Munk, der sich fast zusainmcnpreßte, als müsse er jeden Ausbruch des Schmerzes unterdrücken. Baron Sterna» be gann ohne Zögern: „Eugenie ist todt — der letzte Kampf war nicht schwer, gönnen wir ihr die Ruhe, die sie so oft herbeiaeschiit." „Mil achlundzwanzig Jahren?" klang es bitter von dem tieserblaßlen Munde de« alten Herrn. „Sie hat Bornstedt nickt wieder gesehen, er ist ihrem letzten Rufe nickt gefolgt?" fragte er erregt seinem Schwager näher tretend, der mit seiner goldenen llbrkelte spielte und es dabei vermied, den forschenden Augen seines Gegenüber zu begegnen, „oder" — „Er ist — nicht gekommen", entgegnet« Sterna» hastig, „mit dem Tode Eugenien S hat er ja ausgehörl für »nS zu eristiren, oder solltest Du jetzt anderer Ansicht ge worden sein?" Ein etwas hvchmütbigcr Blick streifte den Baron. „Wal ich Ihn» und lassen will", entgegnetc Heldberg kühl, „ist meine Sacke, und ich räume selbst Dir nicht da- Recht ein, mir Fragen vorzulegcn, aus die ich keine Antwort bade. Warum ist er nicht gekommen?" fuhr er. wie mit sich selbst redend fort, „warum ist er der Bitte einer Sterbenden nicht gefolgt? — O — wenn Eugenie noch lebte, vielleicht hätte ich vergessen gelernt, wa« zwischen »nS gestanden." Er bemerkte nickt daS eigentkümliche Lackeln, da« blitz schnell über da« Antlitz Strrnau s flog, als er nach einer kleinen Pause seufzend sortsuhr: „Sorge Du für da« Begräb- niß me,ne» letzten Kindes, ich bedarf der Rübe," Leicht mit der Hand winkend, entließ er seine» Schwager, der sich in den vo» ibm und seiner Gemahlin bewohnten Seitenflügel de« weitläufigen Schlosse« begab. In sichtbarer Aufregung und gespannter Erwartung harrte seiner dort dir Baronin. » Die Trauerseierlichkeiten waren vorüber. Vornrbm und Gering batte sich daran betbciligt, da Eugenie v. Heldberg, eke sie die Gemahlin de« Barons Alfred » Bornstedt geworden, al« der gute Engel des gräflichen Hause« betrachtet und ge liebt worden war. Gras Heldberg war dem Sarge seiner Tochter, die, ihrem Wunsche entsprechend, nickt in dem Erb-Begräbniffe, sondern
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